Entscheidungsdatum
21.10.2020Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
G314 2211552-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde der XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörige des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .11.2018, Zl. XXXX , zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Verfahrensgang:
Mit Schreiben vom 05.12.2017 informierte die XXXX das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) darüber, dass die Beschwerdeführerin (BF) die Voraussetzungen für die Ausstellung der von ihr beantragten Anmeldebescheinigung nicht erfülle. Sie gehe keiner Erwerbstätigkeit nach und habe weder Vermögen noch einen Krankenversicherungsschutz. Daher sei gemäß § 55 Abs 3 NAG eine mögliche Aufenthaltsbeendigung zu prüfen.
Am XXXX .2018 wurde die BF vor dem BFA zur Prüfung der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vernommen. Dabei erklärte sie, dass sie bis Ende Juni 2018 eine Beschäftigung finden werde. Am XXXX .2018 bat sie um eine Verlängerung dieser Frist, weil sie einen Arbeitsplatz gefunden, aber nach drei Wochen wieder verloren habe. Mit dem Schreiben vom XXXX .2018 forderte das BFA die BF auf, sich binnen 14 Tagen schriftlich zum Fehlen der Voraussetzungen für die Erteilung einer Anmeldebescheinigung sowie zur beabsichtigten Erlassung einer Ausweisung zu äußern. Die BF erstattete fristgerecht eine entsprechende Stellungnahme. Gleichzeitig legte sie eine Erklärung ihres österreichischen Lebensgefährten, wonach er sie während ihrer Beschäftigungslosigkeit vorübergehend finanziell unterstützen werde, sowie eine Erklärung von dessen Vater, wonach dieser seinen Sohn mit ca. EUR 500 pro Monat unterstütze, vor.
Die darüber informierte XXXX teilte dem BFA am XXXX .2018 mit, dass die BF nach wie vor keinen Krankenversicherungsschutz und keine ausreichenden Existenzmittel habe.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die BF gemäß § 66 Abs 1 FPG iVm § 55 Abs 3 NAG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt I.). Ihr wurde gemäß § 70 Abs 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt (Spruchpunkt II.). Die Ausweisung wurde im Wesentlichen mit dem Fehlen ausreichender Existenzmittel und einer umfassenden Krankenversicherung begründet. Die BF sei in Österreich nicht integriert und habe nach wie vor Kontakt zu ihrer Familie in ihrem Herkunftsstaat.
Dagegen richtet sich die (als Beschwerde zu wertende) Eingabe der BF vom 25.11.2018, mit der sie vorbringt, dass sie alle Kontakte zu ihrem Heimatstaat abgebrochen und dort keine familiären Anknüpfungen mehr habe. Ihre Deutschkenntnisse würden sich zunehmend verbessern. Bis sie einen Arbeitsplatz gefunden habe, werde sie sich selbst versichern. Sie bemühe sich um ihre Integration in Österreich.
Das BFA legte die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor.
Am 03.01.2019 langte beim BVwG eine ursprünglich (offenbar irrtümlich) an den VwGH gesendete Beschwerdeergänzung ein, in der die BF vorbringt, dass sie dem Staat Österreich bislang keine Kosten verursacht habe und von ihrem Freund sowie von dessen Eltern finanziell unterstützt werde.
Feststellungen:
Die am XXXX in der englischen Stadt XXXX geborene BF ist Staatsangehörige des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland. Sie ist ledig und kinderlos. Ihre Muttersprache ist Englisch; sie beherrscht die deutsche Sprache nur rudimentär.
Die Eltern, Großeltern und Geschwister der BF leben in ihrem Herkunftsstaat. Sie hat kaum Kontakt zu ihnen. Sie hat weder Ersparnisse noch sonstiges Vermögen.
Die BF lebte bis Mai 2016 in ihrem Herkunftsstaat, wo sie zeitweise als Handelsangestellte arbeitete und zuletzt bei ihrem Großvater wohnte. Seit XXXX 2016 lebt sie in XXXX in einer Mietwohnung, wo sie mit dem Österreicher XXXX in einer Lebensgemeinschaft zusammenlebt. Sie hat auch Kontakt zu dessen Eltern, die beide in Österreich leben und in Pension sind. Weitere in Österreich lebende Familienangehörige oder nahe Bezugspersonen hat sie nicht.
In Österreich war die BF zwischen XXXX .2016 und XXXX .2017 tageweise mit Dienstleistungsscheck beim Vater ihres Lebensgefährten, XXXX , geringfügig beschäftigt, wobei sie durchschnittlich 2 Stunden pro Monat arbeitete. Von XXXX .2017 bis XXXX .2017 bestand eine Selbstversicherung gemäß § 19a ASVG. Ein vollversichertes Arbeitsverhältnis bestand nur von XXXX .2018 bis XXXX .2018. Während dieser Zeit war die BF in einem XXXX beschäftigt, beendete diese Tätigkeit aber wegen körperlicher Beschwerden schon nach kurzer Zeit wieder. Seither geht sie keiner Erwerbstätigkeit mehr nach und ist nicht krankenversichert. Sie ist auf Arbeitssuche, hat aber keine konkrete Aussicht auf einen Arbeitsplatz.
Am XXXX .2016 beantragte die BF bei der XXXX die Ausstellung einer Anmeldebescheinigung als Arbeitnehmerin. Aufgrund des Beschäftigungsausmaßes von nur zwei Stunden pro Monat wurde ihre Erwerbstätigkeit als völlig untergeordnet und unwesentlich eingeordnet, sodass sie ihren Antrag auf den Zweck „Privat“ modifizierte und mit der finanziellen Unterstützung durch ihren Lebensgefährten und dessen Vater begründete. Über diesen Antrag wurde noch nicht entschieden.
XXXX war in Österreich zuletzt von XXXX . bis XXXX .2016 vollversichert erwerbstätig und danach von XXXX . bis XXXX .2016 geringfügig beschäftigt. Seither geht er keiner Erwerbstätigkeit mehr nach. Er bezog von XXXX .2019 bis XXXX .2020 Krankengeld. Seit XXXX .2020 bezieht er Notstandshilfe. Auch davor hatte er immer wieder Notstandshilfe, Krankengeld oder (zuletzt in November 2017) Arbeitslosengeld bezogen.
Die BF bezieht im Bundesgebiet keine Sozialleistungen. Sie wird von ihrem Lebensgefährten im Rahmen der gemeinsamen Haushaltsführung finanziell unterstützt. Dieser erhält zusätzlich zur Notstandshilfe von knapp EUR 600 pro Monat ca. EUR 600 pro Monat von seinem Vater und seiner Großmutter.
Die BF ist strafgerichtlich unbescholten. Es sind ihr keine Verstöße gegen die öffentliche Ordnung anzulasten. Sie ist in Österreich weder in einem Verein noch ehrenamtlich engagiert und hat auch sonst keine weiteren konkreten Integrationsbemühungen gesetzt.
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang ergibt sich widerspruchsfrei aus dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des Gerichtsaktes des BVwG.
Die Feststellungen basieren insbesondere auf den Angaben der BF vor dem BFA, in ihrer Stellungnahme und in der Beschwerde sowie auf den Informationen aufgrund von Abfragen im Zentralen Melderegister (ZMR), Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR), Strafregister und auf den Sozialversicherungsdaten.
Name und Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit und Geburtsort der BF gehen aus ihren Angaben vor dem BFA vor. Sie tritt den entsprechenden Feststellungen in der Beschwerde nicht entgegen. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass sie verheiratet ist oder Kinder hat. Ihre englische Muttersprache ist angesichts ihrer Herkunft plausibel, zumal keine Verständigungsprobleme mit der vom BFA beigezogenen Englischdolmetscherin aufgetreten sind.
Vor dem BFA gab die BF an, „kaum bis gar nicht“ Deutsch zu sprechen. Da sie in ihren Eingaben seither auf die Verbesserung ihrer Deutschkenntnisse hinweist, aber keine Nachweise für Deutschprüfungen oder Deutschkurse vorliegen, ist davon auszugehen, dass sie mittlerweile zwar gewisse Deutschkenntnisse erworben hat, die jedoch ein elementares Sprachniveau nicht übersteigen (zumal sie in den ersten Jahren ihres Inlandsaufenthalts bis zur Einvernahme vor dem BFA diesbezüglich offenbar gar keine Fortschritte gemacht hat).
Die Feststellungen zur Herkunftsfamilie der BF basieren auf ihren Angaben vor den BFA. In der Beschwerde weist sie auf den Kontaktabbruch nach ihrem Umzug nach Österreich hin. Auch die Erwerbstätigkeit der BF in ihrem Herkunftsstaat und die Unterkunft bei ihrem Großvater basieren auf ihren Angaben vor dem BFA. Es gibt keine aktenkundigen Anhaltspunkte für Ersparnisse oder Vermögen der BF, die selbst angibt, dass sie von ihrem Lebensgefährten finanziell unterstützt wird (der seinerseits von Notstandshilfe, Krankengeld und von Zuwendungen seiner Angehörigen lebt).
Die Feststellungen zum Aufenthalt der BF in Österreich und zur Lebensgemeinschaft mit einem Österreicher seit XXXX 2016 basieren auf ihren Angaben dazu und den damit korrespondierenden ZMR-Auszügen. Die BF schildert auch Kontakte zu den Eltern ihres Lebensgefährten; Hinweise auf andere in Österreich lebende Bezugspersonen liegen nicht vor.
Die Berufstätigkeit der BF im Inland sowie die finanzielle Unterstützung durch ihren Lebensgefährten und dessen Familie ergeben sich aus ihren Angaben vor dem BFA und dem Versicherungsdatenauszug sowie aus den vorgelegten Erklärungen von ihrem Lebensgefährten und dessen Vater. Dies deckt sich mit den in den Schreiben an das BFA dargestellten Ermittlungen der XXXX . Es gibt keine Hinweise darauf, dass die BF mittlerweile einer Erwerbstätigkeit nachgeht oder krankenversichert ist, zumal dies aus den aktuellen Versicherungsdaten nicht hervorgeht. Angesichts der bereits lange erfolglosen Arbeitssuche ist (in Zusammenschau mit der angespannten Lage am Arbeitsmarkt) nicht davon auszugehen, dass die BF Aussicht auf einen Arbeitsplatz hat.
Der Antrag auf Ausstellung einer Anmeldebescheinigung ist im IZR dokumentiert und wird durch das Schreiben der XXXX vom XXXX .2017 belegt.
Die Erwerbstätigkeit des Lebensgefährten der BF und sein Bezug von Arbeitslosen- und Krankengeld bzw. Notstandshilfe gehen aus seinen Versicherungsdaten hervor.
Die BF weist darauf hin, dass sie in Österreich keine Sozialleistungen erhält. Es gibt auch keine aktenkundigen Indizien dafür. Die Mittel zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts werden von ihr (angesichts der finanziellen Situation ihres Lebensgefährten und des gemeinsamen Haushalts glaubhaft) dargelegt.
Die Feststellung der strafrechtlichen Unbescholtenheit der BF beruht auf dem Strafregister, in dem keine Verurteilungen aufscheinen. Es sind weder Hinweise auf andere Verstöße gegen die öffentliche Ordnung aktenkundig noch auf gravierende gesundheitliche Probleme oder Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit der BF, zumal sie in einem erwerbsfähigen Alter und nach eigenen Angaben auf Arbeitssuche ist.
Es gibt keine Beweisergebnisse für über die Feststellungen hinausgehende Anbindungen der BF im Inland oder für weitere Integrationsbemühungen.
Rechtliche Beurteilung:
Die BF ist Staatsangehörige des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland. Art 2 lit e iVm Art 126 des Abkommens über den Austritt des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft (2019/C 384 I/01) legt einen Übergangszeitraum fest, der mit dem Tag des Inkrafttretens des Abkommens beginnt und bis zum 31.12.2020 läuft. Innerhalb dieses Zeitraumes bleibt der EU-Rechtsbestand weiterhin auf das Vereinigte Königreich anwendbar, sodass die BF in diesem Verfahren weiterhin als EWR-Bürgerin iSd § 2 Abs 4 Z 8 FPG anzusehen ist.
§ 66 FPG („Ausweisung“) lautet:
„(1) EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige können ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.
(2) Soll ein EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger ausgewiesen werden, hat das Bundesamt insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.
(3) Die Erlassung einer Ausweisung gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, die Ausweisung wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.“
Gemäß § 51 Abs 1 NAG sind EWR-Bürger auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind (Z 1); für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen (Z 2), oder als Hauptzweck ihres Aufenthalts eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen (Z 3).
§ 55 NAG („Nichtbestehen, Fortbestand und Überprüfung des Aufenthaltsrechtes für mehr als drei Monate“) lautet:
„(1) EWR-Bürgern und ihren Angehörigen kommt das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.
(2) Der Fortbestand der Voraussetzungen kann bei einer Meldung gemäß §§ 51 Abs 3 und 54 Abs 6 oder aus besonderem Anlass wie insbesondere Kenntnis der Behörde vom Tod des unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers oder einer Scheidung überprüft werden.
(3) Besteht das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs 2 oder § 54 Abs 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt nicht in einem Fall gemäß § 54 Abs 7. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.
(4) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung (§ 9 BFA-VG), hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dies der Behörde mitzuteilen. Sofern der Betroffene nicht bereits über eine gültige Dokumentation verfügt, hat die Behörde in diesem Fall die Dokumentation des Aufenthaltsrechts unverzüglich vorzunehmen oder dem Betroffenen einen Aufenthaltstitel zu erteilen, wenn dies nach diesem Bundesgesetz vorgesehen ist.
(5) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung von Drittstaatsangehörigen, die Angehörige sind, aber die Voraussetzungen nicht mehr erfüllen, ist diesen Angehörigen ein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" quotenfrei zu erteilen.
(6) Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist ein nach diesem Bundesgesetz anhängiges Verfahren einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird."
Die BF hält sich seit XXXX 2016 in Österreich auf und verfügt über rudimentäre Deutsch- und sehr gute Englischkenntnisse. Sie lebt im Bundesgebiet in einem gemeinsamen Haushalt mit ihrem österreichischen Lebensgefährten, der seit Jahren nicht mehr erwerbstätig ist, Notstandshilfe bezieht und von seinem Vater und seiner Großmutter finanziell unterstützt wird, sodass er seinerseits die BF finanziell unterstützen kann.
Die BF ist eine gesunde Erwachsene im erwerbsfähigen Alter, die im Inland seit ihrer Einreise nur ganz untergeordnet (und seit XXXX 2018 gar nicht mehr) erwerbstätig war. Sie hat weder ein eigenes Einkommen noch eigene Existenzmittel (zumal kein Rechtsanspruch auf die Unterstützung durch ihren Lebensgefährten besteht). Sie hat nach wie vor keinen Krankenversicherungsschutz; ebensowenig besteht eine begründete Aussicht, eingestellt zu werden. Somit liegen die Voraussetzungen für ein drei Monate übersteigendes unionsrechtliches Aufenthaltsrecht nicht vor, sodass sie aus dem Bundesgebiet auszuweisen ist.
Da die Ausweisung in das Privat- und Familienleben der BF eingreift, setzt ihre Zulässigkeit gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG voraus, dass sie zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist. Dies ist hier der Fall, zumal der geordneten Abwicklung des Fremdenwesens im Rahmen des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zukommt. Bei der in diesem Zusammenhang vorzunehmenden Interessenabwägung ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen der BF, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die BF seit weniger als fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält und noch nicht das Daueraufenthaltsrecht erworben hat. Sie hat nach wie vor gemäß § 9 Abs 2 Z 5 BFA-VG maßgebliche Bindungen zu ihrem Heimatstaat, wo sie den Großteil ihres bisherigen Lebens verbrachte. Sie spricht die Landessprache auf muttersprachlichem Niveau und ist mit den dortigen Gepflogenheiten vertraut. Sie wird daher in der Lage sein, dort wieder für ihren Lebensunterhalt aufzukommen, zumal ihre Herkunftsfamilie nach wie vor dort lebt. Die BF kann den Kontakt zu ihrem Lebensgefährten und dessen Eltern auch nach ihrer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat über Kommunikationsmittel wie Telefon und Internet sowie bei Besuchen pflegen. Es ist ihrem Lebensgefährten, der in Österreich schon seit geraumer Zeit nicht mehr erwerbstätig ist, grundsätzlich sogar zumutbar, sie dorthin zu begleiten.
Aufgrund der fehlenden Integration der BF am österreichischen Arbeitsmarkt und des Fehlens anderer konkreter Integrationsbemühungen ist das BFA im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 9 BFA-VG trotz ihrer Lebensgemeinschaft mit einem Österreicher zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes ihr persönliches Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und die Ausweisung daher Art 8 EMRK nicht verletzt. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids ist daher als unbegründet abzuweisen.
Gemäß § 70 Abs 3 FPG ist EWR-Bürgern (so hier ob der Übergangsbestimmungen der Art 2 lit e iVm Art 126 des Abkommens über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft auch der BF) bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbots von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich. Vor diesem Hintergrund ist Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids nicht zu beanstanden.
Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt werden konnte, kann eine mündliche Verhandlung gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG unterbleiben. Dem angefochtenen Bescheid ging ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren des BFA voran. Das BFA hat die die entscheidungswesentlichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung offengelegt. Das Gericht teilt die tragenden Erwägungen der behördlichen Beweiswürdigung, zumal keine entscheidungswesentlichen Widersprüche aufgetreten sind. In der Beschwerde wurde kein für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet, der dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegensteht oder darüber hinausgeht.
Die Revision ist wegen der Einzelfallbezogenheit dieser Entscheidung, die keine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG begründet, nicht zuzulassen.
Schlagworte
Ausweisung Interessenabwägung mangelnder Anknüpfungspunkt öffentliche Interessen Resozialisierung VoraussetzungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:G314.2211552.1.00Im RIS seit
22.12.2020Zuletzt aktualisiert am
22.12.2020