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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §52;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des J in L, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 22. Februar 1995, Zl. VerkR-391.366/2-1995/Au, betreffend Versagung einer Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde ein Antrag des Beschwerdeführers auf (Wieder-)Erteilung einer Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A, B, C, F und G gemäß § 64 Abs. 2 KFG 1967 abgewiesen.
In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend; er beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Versagung der Lenkerberechtigung beruht auf der Annahme, dem Beschwerdeführer fehle die gesundheitliche Eignung zum Lenken der Kraftfahrzeuge der Gruppen A, B, C, F und G. Die belangte Behörde folgte damit dem Gutachten einer medizinischen Amtssachverständigen vom 2. Jänner 1995, in welchem der Beschwerdeführer wegen "mangelnden Persönlichkeitsbefundes in bezug auf Alkohol" als derzeit nicht geeignet zum Lenken von Kraftfahrzeugen der genannten Gruppen beurteilt wurde. Die Amtssachverständige stützte sich dabei auf einen von ihr als schlüssig und nachvollziehbar erachteten Befund einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle vom 11. März 1994. Nach der zusammenfassenden Beurteilung dieses Befundes sei der Beschwerdeführer mangels ausreichender Fähigkeit und Bereitschaft zur Verkehrsanpassung aus verkehrspsychologischer Sicht zum Lenken von Kraftfahrzeugen der besagten Gruppen derzeit nicht geeignet. Es bestünden seitens der Persönlichkeit wesentliche Gefährdungsmomente im Zusammenhang mit Trinken und Autofahren. Als Grundlage für diese Einschätzung wurde angegeben: Im Persönlichkeitsbefund (VPT) fänden sich deutliche Hinweise auf eine reduzierte willentliche Verhaltenskontrolle (Skala SK), eine mangelnde Selbstbehauptungsfähigkeit (Skala DS), die vor allem darauf hinweise, daß sich der Beschwerdeführer in sozialen Verführungssituationen dem Alkoholkonsum nicht leicht entziehen könne, weiters eine hohe Neigung zu Verunsicherung (Skala ES) und schließlich eine reduzierte psychische Belastbarkeit (Skala PG). Auf Grund dieser Merkmalkonstellation in Verbindung mit der Alkoholproblematik verfüge der Beschwerdeführer derzeit nicht über die Voraussetzung, künftige Trunkenheitsfahrten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vermeiden zu können. Zur "Alkoholproblematik" wird im Befund der verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle ausgeführt, der Umstand, daß seit der "Wiederausfolgung der Lenkerberechtigung" vor einem Jahr keine weitere Trunkenheitsfahrt aktenkundig sei, sei für sich allein noch kein Indiz für das Fehlen einer solchen in dieser Zeit. Es stimme äußerst bedenklich, daß der Beschwerdeführer im Explorationsgespräch zunächst Alkoholabstinenz angegeben und erst dann gelegentlichen Alkoholkonsum zugegeben habe, als ihm eine erhebliche Restalkoholisierung (um 0,4 %o) nachgewiesen worden sei. Außerdem erkläre die von ihm zugegebene Trinkmenge am Vorabend der Untersuchung nicht die erhobenen AAK-Werte (0,22 bzw. 0,23 mg/l). Die Diskrepanz zwischen den Angaben zur Trinkmenge und den objektiven Befunden sei als Hinweis auf mangelhafte Selbstbeobachtung und/oder Verschleierung gefestigter Trinkgewohnheiten zu werten. Bekräftigt werde die Bedeutung dieses Befundes durch die erhöhte Gamma-GT des Beschwerdeführers von 130 und einen im Auffälligkeitsbereich liegenden Wert in einem spezifischen Verfahren zur Überprüfung der psychischen Alkoholgefährdung (Skala A im ATV). Demnach sei die Alkoholgefährdung des Beschwerdeführers nicht nur nach wie vor aktuell, sondern gegenüber dem Zeitpunkt der vorangegangenen verkehrspsychologischen Untersuchung (im Jänner 1993) auch wesentlich stärkter ausgeprägt.
Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides hat die belangte Behörde die Versagung der Lenkerberechtigung ausschließlich auf das Fehlen der geistigen Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken von Kraftfahrzeugen, näherhin auf das Fehlen der nötigen Bereitschaft zur Verkehrsanpassung, gestützt. Bei dieser im § 30 Abs. 1 zweiter Satz KDV 1967 genannten Voraussetzung handelt es sich nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes um ein Element der geistigen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen (siehe die Erkenntnisse vom 22. Jänner 1991, Slg. Nr. 13.361/A, und vom 30. April 1991, Zl. 90/11/0153).
Die Verneinung der nötigen Bereitschaft des Beschwerdeführers zur Verkehrsanpassung beruht entgegen der Meinung der Amtssachverständigen und ihr folgend der belangten Behörde nicht auf einem schlüssigen und nachvollziehbaren verkehrspsychologischen Befund. Bei dessen - oben wiedergegebenen - Aussagen über verkehrsrelevante Persönlichkeitsmerkmale des Beschwerdeführers handelt es sich bereits um zusammenfassende Schlußfolgerungen, von denen mangels näherer Ausführungen im Befund nicht ersichtlich ist, wie sie zustandegekommen sind. Daran vermag die dem Befund angeschlossene Beilage "Verhaltensrelevante Einstellungen und Persönlichkeitsmerkmale - Testverfahren und Befunde" nichts zu ändern. Dort sind unter den Rubriken "Verkehrsbezogener Persönlichkeitstest (VPT)", "Fragebogen zur Risikobereitschaft (FRF)", "Fragebogen zu verkehrsspezifischen Einstellungen (VIP)" und "Fragebogen für Alkoholauffälligkeit (ATV)" bestimmte Skalen angegeben, denen jeweils ein bestimmter Testwert zugeordnet ist. Damit ist zwar ersichtlich, welcher Testwert sich bei den einzelnen Skalen ergeben hat. Mangels näherer Ausführungen geht aber auch aus dieser Beilage nicht hervor, welcher Aussagewert den angegebenen Testwerten (einzeln oder in Verbindung mit anderen) jeweils zukommt und auf Grund welcher wissenschaftlichen Erfahrungssätze der Befundersteller von den ermittelten Testwerten zu den besagten Schlußfolgerungen gelangt ist.
Aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft Stempelgebühren für die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlichen weiteren Kopien des angefochtenen Bescheides.
Schlagworte
Anforderung an ein GutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995110123.X00Im RIS seit
12.06.2001