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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §52;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Bernard als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des L in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 20. Oktober 1995, Zl. 11-39 Go 15-94, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.620,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A und B gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 wegen mangelnder geistiger Eignung für die Dauer des Vorliegens dieses Mangels entzogen.
In der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend; er beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der bekämpften Entziehungsmaßnahme liegt die Annahme der belangten Behörde zugrunde, dem Beschwerdeführer fehle die nötige kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit. Diese Annahme stützt sich auf ein Gutachten eines ärztlichen Amtssachverständigen der belangten Behörde vom 12. April 1995, welches insoweit auf dem Befund einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle des Kuratoriums für Verkehrssicherheit vom 9. Februar 1994 und den bei der Untersuchung des Beschwerdeführers durch den Amtssachverständigen am 17. August 1994 erhobenen Befunden beruht. Im Befund der verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle heißt es abschließend, infolge wesentlicher Beeinträchtigungen in den Bereichen Beobachtungsfähigkeit, Reaktionsverhalten, Konzentrationsfähigkeit und Sensomotorik könne eine ausreichende kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit beim Beschwerdeführer nicht angenommen werden. Er sei daher aus verkehrspsychologischer Sicht zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppen A und B nicht geeignet. Im Gutachten des Amtssachverständigen vom 12. April 1995 heißt es nach der Erwähnung eines vom Beschwerdeführer beigebrachten Gutachtens eines Nervenfacharztes vom 27. März 1995, welches dem Beschwerdeführer eine ausreichende kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit bescheinigte, es stehe für den Amtssachverständigen aufgrund seiner eigenen Exploration und Beobachtung außer Frage, daß deutliche Beeinträchtigungen in Auffassung und Konzentration bestünden.
Gemäß § 75 Abs. 2 KFG 1967 ist vor der Entziehung der Lenkerberechtigung wegen mangelnder geistiger oder körperlicher Eignung (diese Eignung setzt gemäß § 30 Abs. 1 zweiter Satz KDV 1967 die nötige kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit des Betreffenden voraus) ein neuerliches ärztliches Gutachten gemäß § 67 Abs. 2 KFG 1967 einzuholen. Nach dieser Gesetzesstelle darf das ärztliche Gutachten im Zeitpunkt der Entscheidung nicht älter als ein Jahr sein. Stützt sich ein Gutachten in entscheidenden Punkten auf Unterlagen, die bereits vor mehr als einem Jahr vor der Erlassung des angefochtenen Bescheides zustandegekommen sind, so wird damit der genannten Vorschrift nicht genüge getan (siehe das hg. Erkenntnis vom 29. Mai 1990, Zl. 89/11/0185, mwN).
Der angefochtene Bescheid wurde mit seiner Zustellung an den Beschwerdevertreter am 8. November 1995 erlassen. Im Zeitpunkt der Bescheiderlassung war somit der verkehrspsychologische Befund vom Februar 1994 älter als ein Jahr und lag auch die Untersuchung des Beschwerdeführers durch den Amtssachverständigen vom 17. August 1994, deren Befundergebnisse für die Verneinung der nötigen kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit maßgebend waren, bereits mehr als ein Jahr zurück. Die belangte Behörde hätte daher das auf diesen Befunden basierende Gutachten des ärztlichen Amtssachverständigen ihrer Entscheidung nicht mehr zugrundelegen dürfen. Sie hat demnach Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
Aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Gutachten Auswertung fremder BefundeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995110388.X00Im RIS seit
19.03.2001Zuletzt aktualisiert am
16.06.2010