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60 ArbeitsrechtNorm
B-VG Art139 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung von Bestimmungender Gleichbehandlungskommissions-Geschäftsordnung betreffendÜbermittlung eines in einer Senatssitzung erstellten Protokollsinfolge Zumutbarkeit der Erwirkung eines BescheidesSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Mit dem vorliegenden Individualantrag gemäß Art139 Abs1 B-VG begehrt der Einschreiter,
"§6 Abs1 und Abs3 der Verordnung der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen, mit der die Geschäftsordnung für die Senate I - III der Gleichbehandlungskommission erlassen wird, BGBl. II Nr. 396/2004 vom 20.10.2004, als gesetzwidrig aufzuheben."
2. Die §§5 und 6 der Verordnung der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen, mit der die Geschäftsordnung für die Senate I - III der Gleichbehandlungskommission erlassen wird (Gleichbehandlungskommissions-Geschäftsordnung), BGBl. II 396/2004, lauten wie folgt (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):
"Vertraulichkeit und Nichtöffentlichkeit
§5. Die Senatssitzungen sind nicht öffentlich und vertraulich. Die Teilnahme einer Auskunftsperson oder deren Vertreter/in an der Befragung einer anderen Auskunftsperson ist daher unzulässig."
"Protokoll
§6. (1) Über den Inhalt einer Senatssitzung ist ein von der/dem Senatsvorsitzenden und der Geschäftsführung des Senates zu unterfertigendes Protokoll zu erstellen, welches den Senatsmitgliedern und der Anwaltschaft für Gleichbehandlung übermittelt wird.
(2) Die Tonbandaufzeichnung über den Sitzungsverlauf ist zulässig.
(3) Im Hinblick auf §5 ist vom Senat befragten Auskunftspersonen, deren Rechtsvertreter/innen, im Falle von minderjährigen Auskunftspersonen deren gesetzlichen Vertreter/innen sowie im Falle der Vertretung einer Auskunftsperson durch eine/n Vertreter/in einer Nichtregierungsorganisation dieser Person auf Verlangen das Protokoll der Aussage der befragten Auskunftsperson zu übermitteln.
(4) Einwendungen gegen das Protokoll können bis zwei Wochen nach Erhalt des Protokolls bei der Geschäftsführung des Senates eingebracht werden. Die/der Senatsvorsitzende kann in Zusammenwirken mit der Geschäftsführung diesfalls Korrekturen vornehmen. Erfolgt dies nicht, so hat der zuständige Senat darüber zu entscheiden. Diesfalls ist eine korrigierte Fassung jenes Protokollteiles, auf den sich die Einwendungen beziehen, allen Senatsmitgliedern, der Anwaltschaft für Gleichbehandlung sowie im Falle der Anforderung des Protokollteiles durch eine Auskunftsperson auch dieser bzw. deren (Rechts)Vertreter/innen zu übermitteln."
3. Zu seiner Antragslegitimation bringt der Einschreiter im Wesentlichen Folgendes vor:
"Gegen den Antragsteller wurde aufgrund des Antrages vom 19.5.2006 der Gleichbehandlungsanwaltschaft das Verfahren GBK I 55/06 wegen sexueller Belästigung gem. §6 Abs1 Z1 und Abs2 Gleichbehandlungsgesetz sowie wegen Verletzung des Benachteiligungs[ver]botes gem. §13 GlBG eingeleitet.
Das Verfahren wurde gem. §12 GBK/GAW-Gesetz i.V.m. §11 der GleichbehandlungskommissionGO, BGBl II Nr. 396/2004, durchgeführt.
Mit Antrag vom 27.9.2006 beantragte der Antragsteller, ihm das Protokoll hinsichtlich der Aussagen der vernommenen Zeugen Mag. [A], Herrn [N] und Frau [K] zu übersenden. Dieser Antrag wurde unter Berufung auf §14 Abs4 erster Satz GBK/GAW-Gesetz sowie §5 der Gleichbehandlungskommission Geschäftsordnung sowie §6 Abs3 der Gleichbehandlungskommissionsgeschäftsordnung abgelehnt.
§16 des GBK/GAW-Gesetz führt jedoch aus, dass auf das Verfahren vor den Senaten der Gleichbehandlungskommission die §§6 Abs1, 7, 13, 14 bis 16 sowie 18 bis 22, 32 und 33 sowie - nach Maßgabe der §§12 Abs12, 26 Abs12 und 35 Abs3 des Gleichbehandlungsgesetzes - §§45 und 46 AVG, BGBl Nr. 51/1991 anzuwenden sind.
§45 Abs3 AVG führt aus, dass den Parteien Gelegenheit zu geben ist, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und Stellung zu nehmen.
§46 führt aus, dass als Beweismittel alles in Betracht kommt, was zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist.
In der Folge wurde am 11.10.2006, dem Antragsteller zugestellt am 15.12.2006, seitens des Senates I der Gleichbehandlungskommission das Prüfungsergebnis gem. §12 GBK/GAW-Gesetz erlassen, in welchem sowohl eine sexuelle Belästigung als auch eine Benachteiligung festgestellt wurde. Dies, ohne den Antragsteller zuvor mit den Ergebnissen des Beweisverfahrens, insbesondere den Aussagen der Zeugen, zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Darüber hinaus wurden lediglich zwei der vom Antragsteller genannten insgesamt dreizehn Zeugen befragt. Dies ebenso entgegen den Bestimmungen des §45 AVG und GBK/GAW-Gesetz.
Mangels eines Instanzenzuges steht dem Antragsteller ein anderer zumutbarer Weg nicht zur Verfügung, um sich gegen die rechtswidrige Verordnung zur Wehr setzen zu können. Seine Antragslegitimation ist daher gegeben. Die Gleichbehandlungskommission ist gemäß VfGH vom 1.7.1987, G78/87, jedenfalls als Verwaltungsbehörde zu qualifizieren. Ein Instanzenzug existiert nicht.
Der Antragsteller ist in seinem Recht auf ein 'fair trial' gem. [Art.] 6 EMRK zur Überprüfung seines Verhaltens im Verfahren GBK I 55/06 der Gleichbehandlungskommission Senat I verletzt. Die Feststellung der sexuellen Belästigung und Benachteiligung greift massiv in das Privat- als auch Berufsleben des Antragstellers ein. Sein weiteres Fortkommen und sein Erwerb wie auch seine berufliche Reputation sind massiv gefährdet. Eine Möglichkeit einer Bekämpfung und Überprüfung des Ergebnisses des Verfahrens vor einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde sind für den Antragsteller gem. §12 GBK/GAW-Gesetz nicht gegeben."
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit des Antrages erwogen:
1. Gemäß Art139 Abs1 letzter Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof
"über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist; ..."
Der Verfassungsgerichtshof vertritt seit dem Beschluss VfSlg. 8058/1977 (unter Hinweis auf VfSlg. 8009/1977) den Standpunkt, die Antragslegitimation nach Art139 Abs1 letzter Satz B-VG setze voraus, dass durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und dass der durch Art139 Abs1 B-VG dem Einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg. 11.684/1988, 14.297/1995, 15.349/1998, 16.345/2001 und 17.623/2005).
2. Im gegebenen Zusammenhang steht dem Antragsteller ein ihm zumutbarer Weg zur Geltendmachung der behaupteten Rechtswidrigkeit der von ihm bekämpften Verordnungsbestimmungen offen:
Im Hinblick auf den oben unter Pkt. 2. wiedergegebenen
Wortlaut des §6 Abs3 der
Gleichbehandlungskommissions-Geschäftsordnung (arg.: "... ist auf
Verlangen ... zu übermitteln") besteht nämlich auf Grund dieser
Bestimmung ein Rechtsanspruch bestimmter Personen auf die Übermittlung des Protokolls über dort näher bezeichnete Aussagen. Über ein solches Verlangen wäre aber, wenn ihm nicht durch Übermittlung des begehrten Protokolls entsprochen wird, mit Bescheid der Gleichbehandlungskommission zu entscheiden (vgl. dazu auch VfSlg. 14.713/1996). Für diese Deutung des §6 Abs3 spricht auch der Umstand, dass §16 des Bundesgesetzes über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft (GBK/GAW-Gesetz) für das vor der Gleichbehandlungskommission durchzuführende Verfahren einzelne Bestimmungen des - behördliche Verwaltungsverfahren regelnden - AVG für anwendbar erklärt.
Daraus ergibt sich, dass der Antragsteller die Möglichkeit hat, einen Bescheid zu erwirken, gegen den er letztlich Beschwerde gemäß Art144 Abs1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof erheben und darin seine Bedenken gegen die von ihm gerügten Bestimmungen der Gleichbehandlungskommissions-Geschäftsordnung vortragen könnte. In der Erwirkung eines solchen Bescheides liegt aber ein zumutbarer Weg, wobei noch anzumerken ist, dass es bei Beurteilung dieser Frage nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes auf die Erfolgsaussichten der Partei in der Sache nicht ankommt (vgl. zB VfSlg. 16.722/2002).
Im vorliegenden Verfahren muss dahin gestellt bleiben, ob die auf diesbezügliches Ersuchen des Antragstellers ergangene Erledigung des Senates I der Gleichbehandlungskommission vom 9. Oktober 2006, GZ BMGF-147.910/0020-II/3/2006, als ein Bescheid im obigen Sinne zu qualifizieren wäre.
3. Der Antrag war daher mangels Legitimation gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unzulässig zurückzuweisen.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, Arbeitsrecht, Gleichbehandlung,Anwendbarkeit AVGEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2007:V3.2007Zuletzt aktualisiert am
30.01.2009