TE Vwgh Beschluss 2020/11/12 Ra 2020/22/0008

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Veröffentlicht am 12.11.2020
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

B-VG Art133 Abs4
FrPolG 2005 §11a Abs2
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z11
FrPolG 2005 §21 Abs2 Z7
MRK Art8
VwGG §34 Abs1
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, über die Revision des H H in S, vertreten durch Dr. Peter Lechenauer und Dr. Margrit Swozil, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Hubert-Sattler-Gasse 10, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Jänner 2019, W239 2209590-1/5E, betreffend Visumsverweigerung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Österreichische Botschaft Skopje), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger des Kosovo, brachte am 21. März 2018 - gestützt auf seine Ehe mit der in Österreich über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt - EU“ verfügenden kroatischen Staatsangehörigen IH - bei der Österreichischen Botschaft Skopje (belangte Behörde) einen Antrag auf Erteilung eines Visums für begünstigte Drittstaatsangehörige ein.

2        Mit Bescheid vom 31. August 2018 wies die belangte Behörde diesen Antrag ab, weil die Ehe des Revisionswerbers als Scheinehe gewertet wurde. Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wurde mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom 22. Oktober 2018 als unbegründet abgewiesen. Der Revisionswerber stellte einen Vorlageantrag.

3        Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 16. Jänner 2019 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab und erklärte die ordentliche Revision für unzulässig.

Das Verwaltungsgericht legte die wesentlichen Inhalte der Einvernahmen des Revisionswerbers (bei der belangten Behörde) und seiner Ehefrau (bei der Landespolizeidirektion Salzburg) vom April bzw. Mai 2018 sowie der Stellungnahmen vom Juli 2018 dar. Anschließend stellte es fest, dass die Ehe des Revisionswerbers und der IH nicht zum Zweck des Eingehens einer Familiengemeinschaft geschlossen worden sei, sondern um dem Revisionswerber einen Aufenthaltstitel zu ermöglichen. In seiner Beweiswürdigung verwies das Verwaltungsgericht auf näher dargestellte divergierende Angaben zum Kennenlernen der Ehegatten, zum Datum und zu den Umständen der Eheschließung (betreffend Trauzeugen, Hochzeitsreise und Hochzeitsgeschenke), auf die fehlende Kenntnis des Revisionswerbers hinsichtlich des Geburtsjahres der IH sowie auf den Umstand, dass der Revisionswerber und seine Ehefrau im Hinblick auf das Fehlen ausreichender Deutschkenntnisse des Revisionswerbers keine gemeinsame Sprache sprechen würden. Zur fehlenden Glaubwürdigkeit des Revisionswerbers verwies das Verwaltungsgericht zudem darauf, dass der Revisionswerber seinen (zuvor bestandenen) illegalen Inlandsaufenthalt erst nach Konfrontation mit den Ermittlungsergebnissen eingestanden habe und er der Ansicht gewesen sei, bei der in diesem Zusammenhang erfolgten Verwendung eines gefälschten Ausweises „nichts Falsches getan“ zu haben. Die vorgelegten Unterstützungsschreiben und Fotos könnten an der Beurteilung, wonach eine Aufenthaltsehe vorliege, nichts ändern.

In seinen rechtlichen Erwägungen hielt das Verwaltungsgericht zunächst fest, dass dem Revisionswerber infolge seiner Ehe mit IH die Rechtsposition als begünstigter Drittstaatsangehöriger gemäß § 2 Abs. 4 Z 11 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) zukomme. Dies stehe aber - so das Verwaltungsgericht unter Verweis auf näher zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - der Wahrnehmung einer Aufenthaltsehe nicht entgegen. Auch die Versagung eines Visums sei auf dieser Basis zulässig, zumal auch Art. 35 der Richtlinie 2004/38/EG vorsehe, dass die Mitgliedstaaten Maßnahmen erlassen könnten, die notwendig seien, um die durch die Richtlinie verliehenen Rechte „im Falle von Rechtsmissbrauch oder Betrug - wie z.B. durch Eingehung von Scheinehen - zu verweigern“. Aus Art. 31 Abs. 4 der Richtlinie 2004/38/EG ergebe sich, dass eine Verletzung der öffentlichen Ordnung durch Abschluss einer Aufenthaltsehe auch vor Einreise in das Staatsgebiet, durch Verweigerung eines notwendigen Visums, wahrgenommen werden könne. Aufgrund der vorliegenden Aufenthaltsehe und des früheren illegalen Aufenthaltes sei eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gegeben. Das Beschwerdeverfahren sei gemäß § 11a Abs. 2 FPG ohne mündliche Verhandlung durchzuführen gewesen.

4        Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 24. September 2019, E 3199/2019, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.

5        In der Folge wurde die vorliegende außerordentliche Revision erhoben.

6        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7        Soweit der Revisionswerber die Entscheidung als verfassungswidrig erachtet bzw. eine Verletzung in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten subjektiven Recht geltend macht, wird auf den bereits erwähnten Ablehnungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes sowie darauf verwiesen, dass der Verwaltungsgerichtshof nicht zuständig ist, über die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte zu entscheiden (siehe VwGH 21.8.2020, Ra 2020/18/0091, Rn. 17).

8        Der Revisionswerber macht in seinem Zulässigkeitsvorbringen Verfahrensmängel geltend. Verwiesen wird insbesondere auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach bei der Frage der Intensität familiärer und privater Bindungen der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks besondere Bedeutung zukomme. Die Behörde (gemeint wohl: das Verwaltungsgericht) habe sich diesen persönlichen Eindruck nicht verschafft. Das Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit mache den Bescheid (gemeint wohl: das Erkenntnis) rechtswidrig.

9        Diesbezüglich ist auf die - für Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten - geltende Sonderregelung des § 11a Abs. 2 FPG zu verweisen, wonach (derartige) Beschwerdeverfahren ohne mündliche Verhandlung durchzuführen sind und dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden dürfen. Nach den Erläuterungen zu dieser Bestimmung (RV 2144 BlgNR 24. GP 21) sind Beschwerdeverfahren ohne mündliche Verhandlung durchzuführen, weil andernfalls der Sinn und Zweck der Visumsversagung konterkariert werden würde; da es darüber hinaus in Visaverfahren jederzeit möglich ist, neue Visaanträge zu stellen, und dies gegenüber der Führung eines Beschwerdeverfahrens rascher und kostensparender ist, kann das Beschwerdeverfahren in sachgerechter Weise auf die bereits bei der ursprünglichen Antragstellung vorgebrachten Tatsachen und Beweise beschränkt werden (vgl. zur Möglichkeit der neuerlichen Stellung eines Visaantrags auch VwGH 27.6.2017, Ra 2017/18/0146, Rn. 13).

10       Mit dem Hinweis auf die fehlende Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie die unterbliebene (neuerliche) Einvernahme des Revisionswerbers wird daher schon im Hinblick auf diese Regelung keine grundsätzliche Rechtsfrage aufgezeigt (siehe VwGH 14.2.2019, Ra 2018/18/0128, Rn. 21). Soweit die Rüge der unterlassenen Ermittlungen auf das Erfordernis amtswegiger Erhebungen abzielt, fehlt es hinsichtlich des damit behaupteten Verfahrensmangels an einer entsprechenden Relevanzdarstellung.

11       Der Revisionswerber bringt vor, das Familienleben mit seiner Ehefrau sei völlig unberücksichtigt geblieben. Eine sorgfältige Prüfung, ob der Revisionswerber durch die Nichterteilung des Visums in seinem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt werde, sei nicht erfolgt. Die vorzunehmende Interessenabwägung hätte jedenfalls zugunsten des Revisionswerbers erfolgen müssen.

12       Dazu ist anzumerken, dass das Verwaltungsgericht das Vorliegen einer Aufenthaltsehe angenommen und somit das (beabsichtigte) Führen eines Familienlebens verneint hat. Dass die dieser Annahme zugrunde liegende Beweiswürdigung in einer unvertretbaren Weise erfolgt wäre, vermag die Revision nicht aufzuzeigen (vgl. zum insoweit eingeschränkten Prüfungsmaßstab des Verwaltungsgerichtshofes VwGH 9.9.2020, Ra 2019/22/0216, Rn. 13, mwN). Der Verwaltungsgerichtshof hat auch bereits festgehalten, dass eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit anzunehmen und das beantragte Visum zu versagen ist, wenn der Drittstaatsangehörige eine Ehe geschlossen und sich in seinem Antrag auf diese Ehe berufen hat, aber das Führen eines gemeinsamen Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK nicht beabsichtigt ist (vgl. VwGH 26.3.2015, Ro 2014/22/0026). Angesichts dessen war die Vornahme einer Interessenabwägung vorliegend nicht geboten. Vor dem dargestellten Hintergrund wird auch mit dem Revisionsvorbringen, der Begriff des Familienlebens umfasse auch atypische und weniger intensive familiäre Beziehungen und es seien auch „nicht legalisierte eheähnliche Beziehungen zwischen Mann und Frau“ geschützt, keine grundsätzliche Rechtsfrage aufgezeigt, auf die es für die Entscheidung über die vorliegende Revision ankommt.

13       In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

14       Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

15       Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 12. November 2020

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020220008.L01

Im RIS seit

04.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.01.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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