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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AsylG 2005 §19 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache des B D, vertreten durch Dr. Peter Philipp, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Graben 17, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. August 2020, G309 2196008-1/16E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger des Irak, stellte am 16. September 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Als Fluchtgrund nannte er zunächst den Einmarsch der Terrormiliz IS in sein Dorf sowie ihm feindlich gesinnte Schiitenmilizen. In der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) brachte er erstmals als Fluchtgrund die Tätigkeit seines Vaters als hochrangiger Offizier in der Ära von Saddam Hussein vor.
2 Mit Bescheid vom 16. April 2018 wies das BFA diesen Antrag zur Gänze ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig sei, und setzte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem nunmehr in Revision gezogenen Erkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Zu ihrer Zulässigkeit wendet sich die Revision lediglich gegen die Beweiswürdigung und bringt dazu vor, das BVwG stütze sich vorrangig auf Widersprüche im Fluchtvorbringen bei der Erstbefragung und bei der Einvernahme vor dem BFA und lasse so das Verbot einer näheren Befragung zu dem Fluchtvorbringen bei der Erstbefragung im Sinne des § 19 Abs. 1 AsylG 2005 außer Acht.
8 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargelegt:
9 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 9.4.2020, Ra 2020/14/0138, mwN).
10 Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar wiederholt Bedenken gegen die unreflektierte Verwertung von Beweisergebnissen der Erstbefragung erhoben, weil sich diese Einvernahme nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat. Gleichwohl ist es aber nicht generell unzulässig, sich auf eine Steigerung des Fluchtvorbringens zwischen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der weiteren Einvernahme eines Asylwerbers zu stützen. Gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 ist es weder der Behörde noch dem BVwG verwehrt, im Rahmen beweiswürdigender Überlegungen Widersprüche und sonstige Ungereimtheiten zwischen der Erstbefragung und späteren Angaben des Asylwerbers einzubeziehen; es bedarf aber sorgsamer Abklärung und auch der in der Begründung vorzunehmenden Offenlegung, worauf diese fallbezogen zurückzuführen sind (vgl. zum Ganzen VwGH 11.8.2020, Ra 2020/14/0347, mwN).
11 Dem Revisionsvorbringen ist entgegenzuhalten, dass sich das BVwG in seinen beweiswürdigenden Überlegungen zwar einleitend auf die Nichterwähnung der Tätigkeit des Vaters des Revisionswerbers als Offizier unter Saddam Hussein - als den angeblich ausreisekausalen Grund - in der Erstbefragung, darüber hinaus aber auch auf zusätzliche, für sich tragende Erwägungen, wie Ungereimtheiten und ein vages, unsubstantiiertes sowie gesteigertes Fluchtvorbringen in der Beschwerde und der mündlichen Verhandlung stützte. Es gelingt der Revision mit ihrem Zulässigkeitsvorbringen daher nicht, eine den beweiswürdigenden Überlegungen des BVwG anhaftende und vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Unvertretbarkeit aufzuzeigen.
12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 30. November 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020190376.L00Im RIS seit
11.01.2021Zuletzt aktualisiert am
11.01.2021