TE Bvwg Beschluss 2020/3/3 L508 2157575-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.03.2020
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Entscheidungsdatum

03.03.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

L508 2157575-1/6E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr.in HERZOG als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , XXXX , Staatsangehörigkeit: Pakistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.04.2017, Zl. XXXX , beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

1. Der Beschwerdeführer (nachfolgend: BF), ein Staatsangehöriger aus Pakistan, stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 19.04.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Rahmen der Erstbefragung am 20.04.2016 gab der Beschwerdeführer befragt zu seinen Fluchtgründen zu Protokoll, dass er wegen seiner Religion Streitigkeiten gehabt habe, wobei er verletzt worden sei. Bei einer Rückkehr fürchte er um sein Leben.

3. In der Folge wurde ein Konsultationsverfahren mit Ungarn gemäß der Dublin-Verordnung geführt, welches keine Zuständigkeit Ungarns ergab.

4. Im Zuge seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (nachfolgend: BFA) am 15.03.2017 legte der BF dar, dass er seine Glaubenszugehörigkeit von den Sunniten zu den Schiiten geändert habe. Jandbi Shiva Swawa hätten ihn bedroht und geschlagen. Man habe ihm seinen Glaubenswechsel vorgeworfen, ihm mit dem Tode gedroht und ihn an seinem Fuß verletzt. Seine Familienangehörigen würden aufgrund seines Wechsels keinen Kontakt wollen.

Nachgefragt zu Details schilderte der BF unter anderem, dass er seinen Glauben gewechselt habe, weil er die Schiiten für besser halten würde. Diese würden denken, dass alle Religionen gleich seien. Er sei im Juni 2015 konvertiert. Diesbezüglich habe er sich in eine Art Tempel in Lahore begeben. Dort sei er mehrere Male gewesen, habe den Schiiten zugehört und gedacht, dass es ein besserer Glaube sei. Man habe ihm den Koran gezeigt und habe er auch selbst lesen müssen. Er habe kein Formular ausfüllen müssen. Er sei offiziell Schiit und streng religiös. Erstmals sei er im August 2015 bedroht worden. Er sei nach der Arbeit mit dem Motorrad unterwegs nach Hause gewesen. Sie hätten ihn zu sich beordert und mit den Stöcken und Messer bedroht. Er sei aufgefordert worden, binnen acht Tagen wieder zu den Sunniten zu wechseln, andernfalls er mit der Pistole erschossen werden würde. Acht Tage später hätten sie auf ihn auf dem Heimweg von der Arbeit geschossen. Daraus sei die Narbe auf dem Fuß entstanden. Drei Anrainer, die den Vorfall gesehen hätten, hätten ihm nach Hause geholfen. Seine Eltern hätten ihn aufgrund seines Glaubenswechsels aus dem Haus geworfen. Die Menschen hätten von seinem Glaubenswechsel erfahren, weil dies die Dorfbewohner weitererzählt hätten. Schiiten seien immer schwarz gekleidet und würden keine Schuhe tragen, weshalb die Menschen die Zugehörigkeit zur schiitischen Glaubensrichtung erkennen würden. Zwischen seinem Glaubenswechsel und der ersten Bedrohung seien zwei Monate vergangen. Insgesamt sei er zweimal bedroht worden. Bei einer Rückkehr habe er Angst vor der religiösen Gruppe.

5. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.04.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 unter einem festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Pakistan gemäß § 46 FPG 2005 zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.). Dies im Wesentlichen mit der Begründung der mangelnden Glaubwürdigkeit des Vorbringens.

6. Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde an das BVwG. Hinsichtlich des Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16.12.1999, 99/20/0524) verwiesen.

7. Hinsichtlich des Verfahrensganges und des Parteivorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu Spruchpunkt A)

1. Verfahrensbestimmungen

1.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

1.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt

Gemäß §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss. Gemäß Abs. 3 sind auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes § 29 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 4 und § 30 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z2).

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

2. Zur Entscheidungsbegründung:

2.1. Obwohl gem. § 17 iVm § 58 VwGVG seit 01.01.2014 der § 66 Abs. 2 AVG in Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht mehr anzuwenden ist und gem. § 58 VwGVG stattdessen § 28 Abs. 3 VwGVG mit genanntem Datum in Kraft trat, womit das Erfordernis des § 66 Abs. 2 leg.cit, wonach die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, weggefallen ist, und sich die Regelungsgehalte beider Normen nicht somit gänzlich decken, findet die einschlägige höchstgerichtliche Judikatur zu § 66 Abs. 2 AVG grundsätzlich weiterhin Anwendung.

Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 28 VwGVG Anm. 11).

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:

?        Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht komme nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 1 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.

?        Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist.

?        Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 10.09.2014, Ra 2014/08/0005 die im Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063 angeführten Grundsätze im Hinblick auf Aufhebungs- und Zurückweisungsbeschlüsse des Verwaltungsgerichtes gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG nochmals bekräftigt und führte ergänzend aus, dass selbst Bescheide, die in der Begründung dürftig sind, keine Zurückverweisung der Sache rechtfertigen, wenn brauchbare Ermittlungsergebnisse vorliegen, die im Zusammenhalt mit einer allenfalls durchzuführenden mündlichen Verhandlung im Sinn des § 24 VwGVG zu vervollständigen sind (vgl. hierzu auch VwGH Ra 2015/01/0123 vom 06.07.2016 und VwGH Ra 2017/01/0433 vom 03.04.2018).

Der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner Rechtsprechung auch eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens, wobei letzteres eine Auseinandersetzung mit (aktuellen) Länderberichten verlangt (VwGH 26.11.2003, 2003/20/0389).

Im Erkenntnis vom 17.10.2006 (Zl 2005/20/0459) hat der VwGH betont, dass eine Behebung nach § 66 Absatz 2 AVG nur zulässig ist, wenn eine weitere Verhandlung/Einvernahme erforderlich ist, was nicht der Fall wäre, wenn die Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens durch schriftliches Parteiengehör saniert hätten werden können.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nun zusammengefasst in verschiedenen Erkenntnissen betont, dass eine umfangreiche und detaillierte Erhebung des asylrechtlich relevanten Sachverhaltes durch die Behörde erster Instanz durchzuführen ist.

Ebenso hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 07.11.2008, Zl. U 67/08-9, ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, wenn in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes. Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 m. w. N., 14.421/1996, 15.743/2000).

In seiner Entscheidung vom 03.04.2018, Ra 2017/01/0433 hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass in § 28 VwGVG ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert ist, weswegen die in § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden; eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen hat, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Sind (lediglich) ergänzende Ermittlungen vorzunehmen, liegt die (ergänzende) Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht im Interesse der Raschheit im Sinn des § 28 Abs. 2 Z 2 erster Fall VwGVG, zumal diesbezüglich nicht bloß auf die voraussichtliche Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens alleine, sondern auf die Dauer des bis zur meritorischen Entscheidung insgesamt erforderlichen Verfahrens abzustellen ist. Nur mit dieser Sichtweise kann ein dem Ausbau des Rechtsschutzes im Sinn einer Verfahrensbeschleunigung Rechnung tragendes Ergebnis erzielt werden, führt doch die mit der verwaltungsgerichtlichen Kassation einer verwaltungsbehördlichen Entscheidung verbundene Eröffnung eines neuerlichen Rechtszugs gegen die abermalige verwaltungsbehördliche Entscheidung an ein Verwaltungsgericht insgesamt zu einer Verfahrensverlängerung.

2.2. Die von der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts geforderte ganzheitliche Würdigung bzw. die Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens ist im gegenständlichen Fall unterblieben und ist die belangte Behörde nach dem Dafürhalten des Bundesverwaltungsgerichtes ihrer Begründungspflicht nicht ausreichend nachgekommen. Im vorliegenden Fall sind die seitens der Höchstgerichte gestellten Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren in qualifizierter Weise unterlassen worden.

Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 Z 1 und 2 VwGVG, welche zu einer meritorischen Entscheidungspflicht führen, nicht gegeben sind. Weder steht, wie anhand der darzustellenden Ermittlungsmängel zu zeigen ist, der maßgebliche Sachverhalt fest, noch ist die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden. Dies vor allem, weil die aufzuzeigenden Ermittlungslücken derart erheblich sind, dass zu deren Beseitigung über eine der Feststellung des Sachverhaltes dienende mündliche Verhandlung hinausgehende weitere Ermittlungsschritte zu setzen wären, welche durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, welches - anders als das Bundesverwaltungsgericht - eine asyl- und fremdenrechtliche Spezialbehörde ist (so ist die sog. Staatendokumentation beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingerichtet, vgl. § 5 BFA-Einrichtungsgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012), rascher und effizienter durchgeführt werden können.

2.2.1. Aus folgenden Gründen muss angenommen werden, dass das BFA den entscheidungsrelevanten Sachverhalt nur ansatzweise ermittelt hat respektive erweist sich der angefochtene Bescheid in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt aus folgenden Gründen als mangelhaft:

2.2.1.1. Der Beschwerdeführer brachte vor, im Jahr 2015 von religiösen Gruppierungen bedroht und durch einen Schuss in den Fuß verletzt worden zu sein, wovon er eine große Narbe davongetragen habe (AS 67 ff). Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bestritt das Vorhandensein dieser Verletzung bzw. Narbe am Fuß nicht, tätigte diesbezüglich jedoch aber auch keinerlei weitere Ermittlungsschritte.

Damit ist das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl seinen Ermittlungspflichten jedoch nicht gerecht geworden, sondern belastete das Verfahren mit einem Ermittlungsmangel, indem es die Verletzung des BF keinerlei näherer Beweiswürdigung und auch keiner (sachverständiger) Begutachtung zuführte. Durch Einholung eines gerichtsmedizinischen Sachverständigengutachtens wäre es der belangten Behörde möglich gewesen, Aufschluss über Alter und Ursprung jener Verletzung bzw. Narbe zu erlangen, um derart eine Überprüfung zu ermöglichen, ob sie mit dem seitens des BF geschilderten Tatherganges in Einklang steht.

Insofern die belangte Behörde die Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen ihrer Beweiswürdigung bezüglich der Konvertierung zudem - ohne nähere Präzisierung - als vage erachtet, so ist zu bemerken, dass der Beschwerdeführer von sich aus ein relativ umfangreiches Fluchtvorbringen erstattet hat (vgl. AS 67 ff) und kann dem belangten Bundesamt daher in dieser Hinsicht nicht gefolgt werden. Was die Ausführungen in der Beweiswürdigung betrifft, wonach sich das Vorbringen des Beschwerdeführers als unglaubwürdig erweise, da dieser in der Erstbefragung keine Angaben über seine Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit getätigt habe, so ist zunächst festzuhalten, dass sich die Niederschrift im Erstbefragungsprotokoll hinsichtlich des Fluchtgrundes des Beschwerdeführers auf eineinhalb Zeilen beschränkte (AS 13). Auch wenn der Beschwerdeführer in der Erstbefragung noch keine abschließende Darstellung seiner Fluchtgründe zu Protokoll gegeben hat, so stellen seine späteren Angaben keine gravierende Abänderung seines Vorbringens gegenüber seinen Angaben anlässlich seiner Erstbefragung - welche weitergehende Ermittlungen entbehrlich machen würde - dar, zumal es in der Erstbefragung in erster Linie um die Erhebung der persönlichen Daten und die Ermittlung der Fluchtroute geht, auf die genauen Fluchtgründe jedoch nicht näher einzugehen ist (vgl. § 19 AsylG 2005: "(...) Ein Fremder, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nach Antragstellung oder im Zulassungsverfahren in der Erstaufnahmestelle zu befragen. Diese Befragung dient insbesondere der Ermittlung der Identität und der Reiseroute des Fremden und hat sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen. (...)" sowie das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27.06.2012 zu U98/12). Vor diesem Hintergrund entbindet allein der Umstand, dass der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe anlässlich der Erstbefragung noch nicht im Detail dargelegt hat, die Behörde jedenfalls nicht gänzlich von weiteren diesbezüglichen Erhebungen, welche eine Beurteilung der Glaubwürdigkeit seiner Angaben (davon unabhängig) ermöglichen würden. Darüber hinausgehende Unschlüssigkeiten oder Widersprüchlichkeiten innerhalb der Angaben des Beschwerdeführers, welche eine Wertung seiner Angaben als unglaubwürdig stützen würden, werden im angefochtenen Bescheid nicht nachvollziehbar aufgezeigt und stehen die anlässlich der Erstbefragung protokollierten Angaben grundsätzlich mit den später im Verfahrensverlauf erstatteten Schilderungen im Einklang. Was die fehlenden Angaben zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit in der Erstbefragung betrifft (AS 5), so kann es keineswegs ausgeschlossen werden, dass das Nichtvorhandensein von entsprechenden Eintragungen anlässlich seiner polizeilichen Erstbefragung, wie in der Beschwerdeschrift dargelegt, auf einem Versehen bzw. Missverständnis oder auch Zeitmangel beruht. Insoweit im Rahmen der Beweiswürdigung ferner moniert wird, dass der BF keine Details bezüglich seines Glaubenswechsels im Rahmen der Einvernahme vor dem BFA darlegen konnte, so erweisen sich diese Ausführungen ebenso wenig als tragfähig, zumal der BF - unter Berücksichtigung seines Bildungsgrades - durchaus einige Angaben zum Vorgang des Glaubenswechsels zu Protokoll gab (AS 68). Im Rahmen des Beschwerdeschriftsatzes wird in diesem Zusammenhang zudem darauf hingewiesen, dass es bezüglich des Glaubenswechsels zum Islam schiitischer Prägung keinen formalen Prozess gebe, was wiederum erklären könnte, weshalb die Schilderungen des BF diesbezüglich eher kurz und prägnant gehalten sind. Jedenfalls hätte es weiterer Ermittlungen des BFA, etwa unter Heranziehung entsprechender Dokumentationsunterlagen zu den Voraussetzungen und den Formalitäten eines Glaubenswechsels zwischen den Strömungen des Islam bedurft, um abschließend beurteilen zu können, ob die Ausführungen des BF bezüglich des Glaubenswechsels mit den wahren Gegebenheiten zur Frage einer derartigen Konversion übereinstimmen.

Auch die Argumentation der belangten Behörde, dass das Vorbringen nicht glaubhaft sei, weil der Beschwerdeführer die Frage, ob er jemals Probleme aufgrund seiner Religions- oder Volksgruppenzugehörigkeit gehabt habe, verneint habe, ist nicht geeignet die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers tragfähig zu begründen. Insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der BF stets gleichbleibend im Verfahren vorgebracht habe, dass er aufgrund seines Glaubenswechsels verfolgt worden sei, ist diese Argumentation der belangten Behörde letztlich nicht tragfähig.

Bei den sonstigen Ausführungen des Bundesamtes zur Begründung der mangelnden Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens (was sich vorwiegend auf das Verhalten seiner Widersacher und seiner Person in Bezug auf die ihm gegenüber ausgesprochenen Drohungen und das Verhalten der Hilfeleistenden nach der Schussverletzung stützt) handelt es sich schließlich um reine Mutmaßungen, welche einer Schlüssigkeitsprüfung nicht Stand halten. Es handelt sich dabei um bloße Spekulationen, die demnach nicht geeignet sind, die Unglaubwürdigkeit des (gesamten) Vorbringens des Beschwerdeführers tragfähig zu begründen. So baut das BFA die Beweiswürdigung zum überwiegenden Teil auf mangelnde Nachvollziehbarkeit und Plausibilität des Fluchtvorbringens auf, was jedoch keiner schlüssigen Beweiswürdigung entspricht.

Die belangte Behörde hat auch keine Widersprüche in den Angaben des Beschwerdeführers in haltbarer Weise aufzuzeigen vermocht. Besonders hervorzuheben ist hierbei, dass bei genauerer Betrachtung der Niederschrift vom 15.03.2017 - entgegen den Ausführungen in der Beweiswürdigung - auch kein Widerspruch hinsichtlich der geschilderten Bedrohungslage erblickt werden kann. Der BF legte gleichbleibend dar, bei der ersten Begegnung bedroht und gleichzeitig - unter Setzung einer Frist - aufgefordert worden zu sein, zu den Sunniten zurückzukehren, wobei er bei diesem ersten Zusammentreffen nicht verletzt worden sei. Insoweit die belangte Behörde zudem ausführt, dass es nicht ganz korrekt sei, wenn der BF behaupte, dass Schiiten immer schwarze Kleidung tragen würden, zumal dies lediglich für den Monat Muharram zutreffe, so wird bereits von Seiten der belangten Behörde selbst eingestanden, dass diese Schilderungen doch in gewissem Maße stimmen würden. Mit dieser Argumentation hat das BFA daher ebenfalls keinen wesentlichen Widerspruch bzw. wesentliche Ungereimtheit aufzuzeigen vermocht. Das BVwG kann daher nicht davon ausgehen, dass es sich bei den Angaben des Beschwerdeführers um ein wahrheitswidriges Konstrukt handeln würde; dies auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass beim Vorbringen des Beschwerdeführers Asylrelevanz (vgl. die seitens des BFA getroffenen Länderfeststellungen) jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann. Das Vorbringen des Beschwerdeführers erscheint daher auch nicht von vornherein als unmöglich.

Überdies ist nochmals darauf hinzuweisen, dass sich die erfolgte Beweiswürdigung der belangten Behörde zur Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers hinsichtlich der Konversion wie auch die rechtliche Würdigung als unschlüssig erweisen. So hat das BFA ausgeführt, dass es dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen sei, seinen Entschluss zum schiitischen Glauben zu konvertieren, ernsthaft zu begründen bzw. den Ablauf der Konversion näher darzulegen. Da die Feststellung der religiösen Einstellung von Antragstellern naturgemäß gewisse Schwierigkeiten bereiten kann, zumal es sich dabei um innere Vorgänge handelt, die regelmäßig schwer zu objektivieren sind, erscheint es gerade deswegen unerlässlich, alle sich bietenden Beweise zu erheben, was jedoch vom belangten Bundesamt nur in unzureichender Weise durchgeführt wurde. Es wäre am belangten Bundesamt gelegen durch konkrete Fragestellungen an den Beschwerdeführer zu ermitteln, inwieweit von einer nachhaltigen Auseinandersetzung mit Glaubenseinstellungen oder den von den involvierten Religionen vermittelten Weltbildern ausgegangen werden könne. Das Bundesamt hat den Beschwerdeführer nun aber lediglich sehr oberflächlich zu seiner Konversion befragt und insbesondere keine nähere Erörterung seines Wissensstandes über die verschiedenen Strömungen des Islam befragt. Dass der Übertritt zum schiitischen Islam nicht glaubhaft sei, hat das Beweisverfahren des belangten Bundesamtes nicht ergeben. Der Beschwerdeführer wurde lediglich kurz, nicht aber im Detail über das Motiv und die Umstände seines Übertritts zum schiitischen Islam befragt. Glaubensinhalte des schiitischen Islam wurden mit dem BF überhaupt nicht erörtert. Die vom belangten Bundesamt getroffenen Ausführungen erweisen sich somit als nicht schlüssig und ohne weitere Erhebungen ungeeignet, die Entscheidung tragfähig zu begründen. Im Hinblick auf die religiöse Einstellung des BF wären dem belangten Bundesamt jedenfalls weitere Ermittlungsmöglichkeiten offen gestanden, um einer ganzheitlichen Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes gerecht zu werden. Derartige Schritte wurden vom Bundesamt offensichtlich jedoch nicht als notwendig erachtet, womit es jedoch gegen die ihm obliegende Ermittlungspflicht verstößt. Das Bundesamt hätte jedenfalls sohin auch eine nähere Befragung des Beschwerdeführers zur Konversion (Teilnahme an religiösen Veranstaltungen und Feierlichkeiten, Grund für das erstmalige Aufsuchen schiitischer Zusammenkünfte, Zeitpunkt des erstmaligen Kontaktes mit dem schiitischen Glauben, Kenntnisse über den schiitischen Glauben usw.) vorzunehmen gehabt und wären die Angaben des Beschwerdeführers anschließend auf ihre Glaubwürdigkeit zu überprüfen sowie entsprechend rechtlich zu würdigen gewesen. Wenngleich es die Aufgabe des BF ist, begründete Furcht vor Verfolgung glaubhaft zu machen, wäre die belangte Behörde gehalten gewesen, den maßgeblichen Sachverhalt durch entsprechendes Nachfragen aufzuklären und dem BF die Möglichkeit einzuräumen, zu allfälligen Ungereimtheiten Stellung zu nehmen. Die belangte Behörde hat es somit auch aus diesem Grunde unterlassen, sich ausreichend mit dem Fluchtvorbringen des BF auseinanderzusetzen.

2.2.1.2. Das vor der belangten Behörde geführte Verfahren gestattet somit keine abschließende Beurteilung, ob die religiöse Einstellung des Beschwerdeführers ein maßgebender Faktor für die Verfolgungshandlungen durch gegnerische religiöse Gruppierungen sein kann. Anhand der vom BFA herangezogenen Berichtslage ist es nicht auszuschließen, dass allfällige Bedrohungen und/ oder Verfolgungen des Beschwerdeführers aufgrund seiner religiösen Einstellung erfolgen könnten. Ausgehend davon kann im Lichte der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes im angefochtenen Bescheid nicht schlüssig nachvollzogen werden, worauf die Würdigung der mangelnden Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers in Bezug auf den von ihm vorgebrachten Sachverhalt gestützt wurde.

Insofern ist dem Bundesamt vorzuwerfen, dass es im vorliegenden Fall einerseits keine ausreichenden Ermittlungen in Hinblick auf das fluchtrelevante Vorbringen des Beschwerdeführers getätigt hat und sich auch die getroffene Beweiswürdigung als nicht haltbar erweist. Um die Glaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers beurteilen zu können, bedarf es sohin einerseits entsprechender Ermittlungen zu den Voraussetzungen und den Formalitäten eines Glaubenswechsels zwischen den Strömungen des Islam, um abschließend beurteilen zu können, ob die Ausführungen des BF bezüglich des Glaubenswechsels mit den wahren Gegebenheiten zur Frage einer derartigen Konversion übereinstimmen und andererseits einer vertiefenden Befragung des Beschwerdeführers zu den fluchtauslösenden Ereignissen; gegebenenfalls wird es eventuell auch der Einholung eines medizinischen Sachverständigen-gutachtens in Bezug auf dessen - behauptetermaßen im Konnex mit den fluchtauslösenden Vorfällen entstandene - Verletzung bzw. Narbe bedürfen.

Aufgrund der dadurch gewonnen Ermittlungsergebnisse wird eine entsprechende Würdigung des Sachverhaltes zu erfolgen haben. Insofern bedarf es jedenfalls detaillierter Erhebungen der die Person des Beschwerdeführers treffenden Sachlage, um zu einer haltbaren Beweiswürdigung hinsichtlich der Glaubwürdigkeit und zu einer tragbaren Entscheidung überhaupt im Verfahren gelangen zu können.

Anzumerken ist abschließend, dass der Inhalt des Beschwerdeschriftsatzes samt den vorgelegten Unterlagen nunmehr Teil des vom BFA zu berücksichtigenden Sachverhaltes ist und sich die belangte Behörde mit den dort gemachten verfahrensrelevanten Einwendungen auseinanderzusetzen haben wird.

2.2.2. Die belangte Behörde hat unter Verstoß gegen den Grundsatz der Offizialmaxime, der sie zur amtswegigen Erhebung des gesamten wahren Sachverhaltes verpflichtet, keine umfassenden Ermittlungen getätigt und daraus resultierend auch keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Die aufgezeigte Mangelhaftigkeit ist wesentlich, weil vorweg nicht ausgeschlossen werden kann, dass deren Vermeidung für den Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der Antragstellung auf internationalen Schutz zu einem günstigeren Ergebnis hätte führen können.

Von einer ganzheitlichen Würdigung des individuellen Parteivorbringens kann im vorliegenden Fall somit nicht gesprochen werden und sind die im angefochtenen Bescheid beweiswürdigend angeführten Argumente im zu beurteilenden Fall keinesfalls zur Begründung einer negativen Entscheidung geeignet.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wird im fortgesetzten Verfahren daher die genannten Ermittlungsschritte zu setzen haben und sich sodann in sorgfältiger Weise mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers in Verbindung mit aktuellen Länderinformationen, insbesondere zur Konversion zum schiitischen Islam durch Sunniten und zu den - vom BF genannten - gegnerischen religiösen Gruppierungen, und unter Berücksichtigung der allgemeinen Verhältnisse in der Heimatregion des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen haben, um eine tragfähige Entscheidung betreffend die Frage des Vorliegens asylrelevanter Verfolgung als auch bezüglich der Frage des Refoulementschutzes treffen zu können.

2.3. Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann – im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 66 Abs. 2 AVG – nicht im Sinne des Gesetzes liegen, vor allem unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als Spezialbehörde im Rahmen der Staatendokumentation gemäß § 5 BFA-Einrichtungsgesetz für die Sammlung relevanter Tatsachen zur Situation in den betreffenden Staaten samt den Quellen zuständig ist.

Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist – angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes – nicht ersichtlich.

Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben.

Da der maßgebliche Sachverhalt noch nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.

2.4. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben, zumal aufgrund der Aktenlage in Verbindung mit dem Vorbringen in der Beschwerde feststeht, dass der angefochtene Bescheid zu beheben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen war.

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 26.06.2014, Ra 2014/03/0063 sowie VwGH 10.09.2014, Ra 2014/08/0005, VwGH Ra 2015/01/0123 vom 06.07.2016 und VwGH Ra 2017/01/0433 vom 03.04.2018) ab. Durch die genannten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes fehlt es auch nicht an einer Rechtsprechung und die zu lösende Rechtsfrage wird in der Rechtsprechung auch nicht uneinheitlich beantwortet.

Schlagworte

Beweiswürdigung Ermittlungspflicht Gesundheitszustand Gutachten Kassation Konversion mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L508.2157575.1.00

Im RIS seit

21.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

21.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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