TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/3 G304 2219219-1

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Veröffentlicht am 03.06.2020
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Entscheidungsdatum

03.06.2020

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

G304 2219219-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER als Vorsitzende, sowie den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER und den fachkundigen Helmut WEIß als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Steiermark, vom 02.04.2019, Sozialversicherungsnummer: XXXX , betreffend die Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung“ nicht vorliegen, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß §§ 1 Abs. 2, 40, 41 Abs. 1, 42 und 45 des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. Nr. 283/1990, sowie § 1 Abs. 2 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, in der jeweils geltenden Fassung, stattgegeben.

Die Voraussetzungen für die Eintragung des Zusatzes „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung“ in den Behindertenpass liegen vor.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) brachte am 25.10.2018 beim Sozialministeriumservice (im Folgenden: belangte Behörde) einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung 1960 (Parkausweis) samt Beilagen ein, der gemäß Hinweis auf dem Antragsformular auch als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass gilt.

2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt.

Im Gutachten von Dr. XXXX , Facharzt für Orthopädie, vom 25.02.2019 wurde nach am 21.02.2019 durchgeführter Begutachtung des BF Folgendes ausgeführt:

„Im Vordergrund steht die Beschwerdesymptomatik im Bereich der Hüft- und Kniegelenke, wobei beim Antragsteller linksseitig bereits mehrfache Operationen erfolgt sind. In den 70iger Jahren wurde eine Umstellugnsoperation vorgenommen. Danach folgte eine Hüft-TEP-Implantation sowie eine dreifache Pfannenrevision, zuletzt 2009. In den aktuellen Befunden ist die Revisionsendoprothese ohne Lockerungszeichen einliegend beschrieben. Links zeigen sich höhergradige Einschränkungen. An der rechten Hüfte bestehen Abnützungserscheinungen mit endgradigen Funktionseinschränkungen. Darüber hinaus bestehen Beugedefizite beider Kniegelenke und der Antragsteller beschreibt belastungsabhängige Beschwerden, vor allem rechts. Hier ist anamnestisch auch ein operativer Eingriff geplant. Am rechten Bein erfolgte vor Jahren eine Beinverkürzungsoperation. Nichts desto trotz besteht eine Beinlängenverkürzung links von rund 1,5 cm mit entsprechendem Beckentiefstand und Wirbelsäulenfehlhaltung. Von Seiten der Schulter- und Ellbogengelenke bestehen beginnende Abnützungserscheinungen ohne Funktionseinschränkungen. Am linken Bein kam es zu einer tiefen Beinvenenthrombose mit pulmonalarterieller Embolie im Jahr 2009. Weiters besteht eine Innenohrschwerhörigkeit mit beidseitiger Hörgeräteversorgung und der Antragsteller erlitt bereits mehrfache Splitterverletzungen an beiden Augen.“

3. Eine ärztliche Stellungnahme von Dr. XXXX vom 02.04.2019 lautet wie folgt:

„Der Antragsteller beeinsprucht das Ergebnis der gutachterlichen Untersuchung vom 21.02.2019 und beklagt, dass die Zusatzeintragung „öffentliche Verkehrsmittel unzumutbar“ nicht gewährt wurde. Nachgereicht wurden ein Ambulanz-Befund der Orthopädischen Klinik des LKH (…) von 03/2019 (St.p. Mehfachrevision Hüftgelenk links zuletzt 209 inzipienter PE-Abrieb Hüftgelenk H-TEP links, Gonarthrose rechts) und ein GKK-Ambulanz-Befund von 06/2018 (Gonalgie rechts bei Gonarthrose, Z.n. multiplen Hüftrevisionsoperationen links).

Der Antragsteller beschrieb im Rahmen der Untersuchung, dass er nicht mehr weit gehen könne. Nach ein paar 100 Metern würden die Beschwerden in den Hüft- und Kniegelenken zu stark sein und er müsste pausieren. Im vorliegenden Ambulanzbefund der Orthopädischen Klinik des LKH (..) vom September ist ein symmetrisches Gangbild beschrieben. Zur Untersuchung erschien der Antragsteller ohne Hilfsmittel und war problemlos mobilisiert. Das Gangbild war etwas breitbeinig und unelastisch aber insgesamt heikel. Aus orthopädischer Sicht ist dem Antragsteller das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke zum Erreichen öffentlicher Verkehrsmittel auch weiterhin zumutbar. Auch das selbstständige Ein- und Austeigen in öffentliche Verkehrsmittel kann mit ausreichender Sicherheit gewährleistet werden.

4. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 02.04.2019 wurde der Antrag des BF auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ gem. §§ 42 und 45 des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. 283/1990, idgF, abgewiesen.

Begründend wurde ausgeführt, dass im Ermittlungsverfahren ein Gutachten eingeholt worden sei und nach diesem Gutachten die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung nicht vorliegen. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien dem beiliegenden Gutachten, der einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Die Ergebnisse des ärztlichen Sachverständigengutachtens seien als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt worden.

Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke (300 bis 400 Meter) nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, auch unter der Verwendung der zweckmäßigsten Behelfe, ohne Unterbrechung zurückgelegt werden könne oder wenn die Verwendung des erforderlichen Behelfs die Benützung des öffentlichen Transportmittels in hohem Maß erschweren würde. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauerhafte Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieses Verkehrsmittels angegebenen Bedingungen auswirke.

Da das ärztliche Begutachtungsverfahren ergeben habe, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorliegen, sei der Antrag des BF abzuweisen.

5. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Der BF beantragte unter Verweis auf seine schmerzhaften gesundheitlichen Beeinträchtigungen um Stattgebung der Beschwerde.

6. Am 23.05.2019 langte die gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) ein.

7. Mit Schreiben des BVwG vom 11.10.2019, Zl. G304 2219219-1/3Z, wurde Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, ersucht, ein Sachverständigengutachten auf der Grundlage der Einschätzungsverordnung zu erstellen und dieses „binnen sechs Wochen ab Begutachtung dieser Anordnung“ dem BVwG zu übermitteln.

Mit weiterem Schreiben des BVwG vom 11.10.2019, Zl. G304 2219219-1/3Z, wurde der BF aufgefordert, sich am 05.12.2019, um 16:20 Uhr bei Dr. XXXX zur ärztlichen Begutachtung einzufinden.

8. Im eingeholten Sachverständigengutachten von Dr. XXXX vom 05.12.2019 wurde nach Begutachtung des BF am 05.12.2019 auszugsweise Folgendes ausgeführt:

„Jede Einschränkung für sich stellt keine hochgradige Einschränkung dar, als dass auch aus einem Grund die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar wäre.

Berücksichtigt man jedoch das Zusammenwirken der noch nicht unerheblichen orthopädischen Funktionseinschränkungen mit eingeschränkter Gangleistung und Gangstabilität mit der deutlich verminderten Hörleistung und der eingeschränkten psychischen Anpassungsfähigkeit wird auch, unter Berücksichtigung des Alters, dann doch ein Zustand erreicht, der die tatsächliche Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel im wesentlichen Ausmaß erschwert.

Zwar können ebene Wegstrecken im ausreichenden Maße zurückgelegt werden, Erschwernisse bestehen beim Überwinden von Niveauunterschieden.

Einschränkungen ergeben sich in der Anpassungsfähigkeit bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel in einem solchen Ausmaß, als dass von allgemeinmedizinischer Seite insgesamt daher doch eine derart hochgradige Mobilitätseinschränkung bewertet wird, die die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel als nicht mehr zumutbar erscheinen lässt.“

Als „Begründung für eventuelle Änderung und Stellungnahme zum Vorgutachten“ wurde angeführt:

„Grundsätzlich ist daher der orthopädischen Vorbewertung im Gutachten erster Instanz von meiner Seite Recht zu geben. Die Abänderung der Vorbewertungen ergibt sich aus einer gesamten holistischen allgemeinmedizinischen Betrachtung.“

Es wurde von einem Dauerzustand ausgegangen.

9. Mit Verfügung des BVwG vom 24.01.2020, Zl. G304 2219219-1/5Z, dem BF zugestellt am 31.01.2020, wurde dem BF das eingeholte Sachverständigengutachten vom 05.12.2019 übermittelt und ihm zur Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, binnen zwei Wochen ab Zustellung dieser Verfügung zum Ergebnis der Beweisaufnahme schriftlich Stellung dazu zu nehmen.

10. Eine Stellungnahme des BF dazu ist bis dato beim BVwG nicht eingelangt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist XXXX Jahre alt und im Besitz eines Behindertenpasses.

Die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung „Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung ist nicht zumutbar“ liegen vor.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und die unter Punkt II. getroffenen Feststellungen ergaben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

2.2. Basierend auf der ständigen Rechtsprechung des VwGH bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" in einen Behindertenpass regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, das die Auswirkungen der Gesundheitsschädigung auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilt, sofern diese Frage nicht in einem unmittelbar zuvor durchgeführten Verfahren gemäß § 14 Abs. 2 Behinderteneinstellungsgesetz im Rahmen der ärztlichen Begutachtung ausreichend behandelt wurde oder die Unzumutbarkeit aufgrund der Art der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt (VwGH vom 20.03.2001, GZ 2000/11/0321).

Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrunde legt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).

Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).

Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).

Der Verwaltungsgerichtshof führte aber in diesem Zusammenhang auch aus, dass keine Verletzung des Parteiengehörs vorliegt, wenn einem Antrag auf Einholung eines zusätzlichen Gutachtens nicht stattgegeben wird (VwGH vom 25.06.1987, 87/06/0017).

2.3. Im seitens des BVwG eingeholten Sachverständigengutachten vom 05.12.2019 wurde folgende „zusammenfassende Bewertung“ abgegeben:

„Von orthopädischer Seite zeigen sich keine wesentlichen Funktionseinschränkungen der oberen Extremitäten, lediglich eine mäßig verminderte feinmotorische Einschränkung der Hantierfähigkeit. Die Wirbelsäule zeigt moderate Funktionseinschränkungen. An den unteren Extremitäten findet sich eine deutliche Funktionseinschränkung im linken Hüftgelenk nach mehrfachen operativen Interventionen mit Abschwächung der Gefäßmuskulatur links und eine deutlich verminderte Belastbarkeit des rechten Beines bei Zustand nach Kniegelenksersatz rechts im August 2019 und noch nicht erfolgter Rehabilitation und eine angegebene Belastungsschmerzhaftigkeit mit maßgeblicher Bewegungseinschränkung im rechten Hüftgelenk.

Manifeste neurologische Ausfälle sind nicht fassbar. Erkennbar ist eine leichte Verminderung der koordinativen Fähigkeiten und eine geringgradige Verminderung der Feinmotorik der Hände.

Von kardiopulmonaler Seite finden sich keine relevanten Funktionseinschränkungen. Von Seiten des Sensoriums zeigt sich eine geringgradige Visumsminderung ohne mobilitätseinschränkende Relevanz und eine hochgradige Schwerhörigkeit trotz Choleaimplantat rechts mit deutlich verminderter Kommunikationsfähigkeit.

Von Seiten des psychischen Zustandsbildes zeigen sich deutliche Zeichen einer eingeschränkten Anpassungsfähigkeit und Verminderung der geistigen Flexibilität.

Angegeben wird ein imperativer Stuhldrang bei grenzwertiger Funktionsfähigkeit des Schließmuskelapparates ohne manifeste Stuhlinkontinenz und ohne Verwendung von Inkontinenzprodukten.

Eine Immunschwäche besteht nicht

Jede Einschränkung für sich stellt keine hochgradige Einschränkung dar, als dass auch aus einem Grund die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar wäre.

Berücksichtigt man jedoch das Zusammenwirken der noch nicht unerheblichen orthopädischen Funktionseinschränkungen mit eingeschränkter Gangleistung und Gangstabilität mit der deutlich verminderten Hörleistung und der eingeschränkten psychischen Anpassungsfähigkeit wird auch, unter Berücksichtigung des Alters, dann doch ein Zustand erreicht, der die tatsächliche Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel im wesentlichen Ausmaß erschwert.

Zwar können ebene Wegstrecken im ausreichenden Maße zurückgelegt werden, Erschwernisse bestehen beim Überwinden von Niveauunterschieden.

Einschränkungen ergeben sich in der Anpassungsfähigkeit bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel in einem solchen Ausmaß, als dass von allgemeinmedizinischer Seite insgesamt daher doch eine derart hochgradige Mobilitätseinschränkung bewertet wird, die die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel als nicht mehr zumutbar erscheinen lässt.“

Als „Begründung für eventuelle Änderung und Stellungnahme zum Vorgutachten“ wurde angeführt:

„Grundsätzlich ist daher der orthopädischen Vorbewertung im Gutachten erster Instanz von meiner Seite Recht zu geben. Die Abänderung der Vorbewertungen ergibt sich aus einer gesamten holistischen allgemeinmedizinischen Betrachtung.“

Zusammengefasst geht der Sachverständige von einer deutlichen Funktionseinschränkung im linken Hüftgelenk, einer deutlich verminderten Belastbarkeit des rechten Beines und einer Belastungsschmerzhaftigkeit mit mäßiger Bewegungseinschränkung im rechten Hüftgelenk, einer leichten Verminderung der koordinativen Fähigkeiten, einer geringgradigen Verminderung der Feinmotorik der Hände, einer hochgradigen Schwerhörigkeit (trotz Choleaimplantats) und einer eingeschränkten Anpassungsfähigkeit und Verminderung der geistigen Flexibilität aus und zog in Gesamtbetrachtung den Schluss, dass unter Berücksichtigung der nicht unerheblichen orthopädischen Funktionseinschränkungen (mit eingeschränkter Gangleistung und Gangstabilität), der hochgradigen Schwerhörigkeit, der eingeschränkten psychischen Anpassungsfähigkeit des BF unter Berücksichtigung seines Alters das Überwinden von Niveauunterschieden wesentlich erschwert ist und der BF durch seine eingeschränkte Anpassungsfähigkeit derart hochgradig in seiner Mobilität eingeschränkt ist, dass ihm die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel als nicht mehr zumutbar erscheint.

Dieses Sachverständigengutachten, wozu keine Einwendung des BF eingegangen ist, wird gegenständlicher Entscheidung in freier Beweiswürdigung zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 des Bundesbehindertengesetzes genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 des Bundesbehindertengesetzes anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

3.2. Zu Spruchteil A): Stattgebung der Beschwerde:

3.2.1. Gemäß § 1 Abs. 2 Z 3 der am 01. Jänner 2014 in Kraft getretenen Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen, die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-        erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-        erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-        erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-        eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-        eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach
§ 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

3.2.2. Im seitens des BVwG eingeholten, als schlüssig und nachvollziehbar erachteten, allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachten vom 05.12.2019 wurde unter Berücksichtigung aller Funktionseinschränkungen – der nicht unerheblichen orthopädischen Einschränkungen mit eingeschränkter Gangleistung und Gangstabilität, der deutlich verminderten Hörschwerhörigkeit des BF und seiner psychischen Beeinträchtigungen, darunter seiner eingeschränkten Anpassungsfähigkeit – die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel für nicht zumutbar gehalten.

Im gegenständlichen Fall wird dem Sachverständigengutachten vom 05.12.2019 gefolgt, die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht für zumutbar gehalten und der gegenständlichen Beschwerde spruchgemäß stattgegeben.

3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht bestrittenen Sachverständigengutachtens von Dr. XXXX vom 05.12.2019, welches als schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei erachtet wird, geklärt. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher abgesehen werden.

3.4. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.

Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behindertenpass Sachverständigengutachten Unzumutbarkeit Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G304.2219219.1.00

Im RIS seit

21.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

21.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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