TE Bvwg Beschluss 2020/8/6 L501 2232111-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.08.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

06.08.2020

Norm

ASVG §410
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §8a

Spruch

L501 2232111-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Irene ALTENDORFER als Einzelrichterin über den Antrag von Frau XXXX , geboren XXXX , auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid der Österreichischen Gesundheitskasse, Landesstelle Oberösterreich, vom 27.3.2020, GZ: XXXX , beschlossen:

A) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird gemäß § 8a Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

I.1. Mit Bescheid vom 27.3.2020 sprach die Österreichische Gesundheitskasse, Landesstelle Oberösterreich, (im Folgenden "ÖGK") aus, dass der Antrag vom 26.11.2019 gegen die Einbehaltung bzw. den Übergang eines Leistungsanspruches nach § 324 Abs. 4 iVm Abs. 3 ASVG bezüglich des mit Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt, Landesstelle Oberösterreich, (im Folgenden "PVA") vom 1.2.2016 zuerkannten Anspruches auf Rehabilitationsgeld wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückgewiesen werde.

Zur Begründung führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass die Antragstellerin (im Folgenden "ASt") laut Bescheid der PVA vom 1.2.2016 Anspruch auf Rehabilitationsgeld ab dem 1.7.2015 habe. Aus diesem Grund sei sie (bis einschließlich 31.12.2019) bei der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse (im Folgenden "OÖGKK") zur Krankenversicherung angemeldet worden. Seit 1.1.2020 sei die ASt bei der ÖGK krankenversichert. Die Administration (Berechnung und Auszahlung) des Rehabilitationsgeldes erfolge durch den zuständigen Krankenversicherungsträger, im Fall der ASt durch die OÖGKK bzw. nunmehr durch die ÖGK.

Am 31.3.2018 sei die ASt aus der Maßnahmenunterbringung unter Bestimmung einer Probezeit von fünf Jahren bedingt entlassen worden. Dabei sei der ASt u.a. die Weisung der Wohnsitznahme in einer geeigneten Nachsorgeeinrichtung entsprechend der betreuten Frauenwohngemeinschaft des XXXX (im Folgenden "Verein E.") erteilt worden. Nach § 179a StVG erfolge die weisungsgemäße Nachbetreuung auf Kosten des Bundes (Beschluss des Landesgerichtes Linz vom 9.3.2018, GZ: XXXX ). In weiter Folge sei Mitte des Jahres 2019 im Rahmen der Nachbetreuung beim Verein E. ein Wechsel von der Intensivbetreuung zur Standardbetreuung erfolgt. Aufgrund der Unterbringung im Maßnahmenvollzug bzw. in weiterer Folge durch die Wohnsitznahme in einer betreuten Wohneinrichtung gehe ein Teil des Anspruches der ASt auf Rehabilitationsgeld kraft Gesetzes auf den Bund über. Diese Legalzession zugunsten des Bundes nach § 324 Abs. 4 iVm Abs. 3 ASVG erfolge unmittelbar bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen. Die OÖGKK bzw. ÖGK habe von der Unterbringung in einer entsprechenden "Anstalt oder Einrichtung" durch die Anordnung des Gerichts bzw. durch Information des Bundesministeriums für Justiz/Generaldirektion Kenntnis erlangt und die Rehabilitationsgeld-Teilung entsprechend den gesetzlichen Vorgaben ermittelt. Infolge der Legalzession an den Bund sei das Rehabilitationsgeld somit nicht zu 100% an die ASt überwiesen worden.

Mit Schreiben vom 26.11.2019 habe die ASt einen Bescheidantrag gestellt.

Rechtlich führte die ÖGK nach Darstellung der einschlägigen Rechtsgrundlagen aus, dass sowohl der Anspruch der ASt auf Gewährung des Rehabilitationsgeldes als auch dessen Höhe unstrittig seien. Die ASt wende sich in ihrem Bescheidantrag ausdrücklich nur gegen die Rehabilitationsgeld-Teilung, also gegen die Auszahlung eines Teiles des Rehabilitationsgeldes aufgrund der Legalzession nach § 324 Abs. 4 iVm Abs. 3 ASVG. Zur Unzulässigkeit des Rechtsweges im Zusammenhang mit der Rehabilitationsgeld-Teilung sei auf drei rechtskräftige Beschlüsse des Oberlandesgerichtes Linz zu verweisen. In der rechtlichen Begründung werde darin jeweils ausgeführt, dass es sich bei der Frage, an wen bzw. in welchem Umfang die rechtskräftig zuerkannte Leistung auszuzahlen sei, weder um eine Leistungssache im Sinne des § 65 Abs. 1 Z 1 ASGG noch um eine bürgerliche Rechtssache im Sinn des § 1 JN, sondern um einen öffentlich-rechtlichen Leistungsanspruch handle, dessen Überprüfung den ordentlichen Gerichten entzogen sei. Die Überprüfung der Auszahlung einer (bereits rechtskräftig) zuerkannten Leistung sei jedoch keine Leistungs- bzw. Sozialrechtssache, daher auch nicht die Klage des Versicherten gegen die Einbehaltung bzw. den Übergang eines Leistungsanspruchs nach § 324 Abs. 3 ASVG. Auch eine Leistungssache nach § 65 Abs. 1 Z 3 ASGG, in der eine Klage nur von einem Träger der Sozialhilfe oder (im Fall des § 324 Abs. 4 ASVG) vom Bund, nie aber von einem Renten- oder Pensionsberechtigten erhoben werden könne, liege hier nicht vor. Im Übrigen werde auf mögliche Ansprüche nach dem Amtshaftungsgesetz bzw. auf mögliche Rechtsmittel aus der Exekutionsordnung verwiesen.

I.2. Am 12.5.2020 brachte die ASt bei der ÖGK einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht ein, wobei dem Antrag unter anderem der eben dargestellte Bescheid der ÖGK vom 27.3.2020 sowie ein Vermögensbekenntnis angeschlossen waren. Unter Punkt 6. ("Rechtssache") des Antragsformulars gab die ASt an, dass die Verfahrenshilfe für eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht benötige. Konkret wurde die einstweilige Befreiung von den Gerichtsgebühren und anderen bundesgesetzlich geregelten staatlichen Gebühren sowie die Befreiung von den Kosten für die Vertretung durch einen Rechtsanwalt beantragt. Als Grund, warum sie die vorläufige unentgeltliche Beigabe eines Verfahrenshilfeanwalts beantrage, führte die ASt die "zu erwartenden besonderen Schwierigkeiten im Verfahren" an.

In einem Beiblatt zu Punkt 6. des Antragsformulars mit der Überschrift "Geltendmachung der Verfassungswidrigkeit" führte die ASt aus, dass ihr Antrag auf Änderung der Rehageld-Teilung in der teilversorgten Wohngemeinschaft abgelehnt worden sei. Mit 31.3.2018 sei die bedingte Entlassung mit Wohnsitznahme in der Intensivbetreuung des Vereins E. bestimmt worden. Dort seien vom Rehabilitationsgeld der ASt 80% als Legalzession zugunsten des Bundes einbehalten worden. Im Juli 2019 habe die ASt in die standardbetreute Wohngemeinschaft des Vereins E. gewechselt. In dieser Einrichtung sei eine selbständige Lebensführung verpflichtend, die im Gegensatz zur Intensivbetreuung, auch die Selbstversorgung beinhalte. Das heiße, Lebensmittel, Kleidung, Hygieneartikel und Haushaltsartikel müssten vom eigenen Einkommen bezahlt werden. Nun würden aber weiterhin 80% des Rehageldes der ASt einbehalten. Aufgrund des Einbehalts sehe die ASt ihre Existenzsicherung massiv gefährdet. 20% ihres Einkommens würden für ihre notwendige Selbstversorgung nicht ausreichen. An langfristigen Zielen, wie zum Beispiel einer eigenständigen Wohnform, könne sie nicht arbeiten, da es ihr nicht möglich sei, Geld für die Kaution anzusparen. Aus Sicht der ASt und der Betreuungseinrichtung beziehe sich § 324 Abs. 3 ASVG mit 80% Einbehalt auf vollbetreute Einrichtungen. § 324 Abs. 3 ASVG gebe weiters keine ausschließliche Teilung vor, "höchstens" beschreibe das Maximum und nicht die einzige Möglichkeit. Der Gesetzgeber gebe der ausführenden Behörde hier einen Spielraum, durch den man auf die individuelle Situation und Versorgungsform Rücksicht nehmen könne. Wie die ASt von anderen Mitbewohnern wisse, werde dies von der PVA auch so durchgeführt. Die ASt beantrage daher eine an die Versorgungsform der Wohneinrichtung angepasste Teilung. Sie ersuche um eine – im Beiblatt zum Verfahrenshilfeantrag namentlich genannte – Rechtsanwältin.

I.3. Am 18.6.2020 wurde der Akt dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt. Im Vorlagebericht ging die ÖGK davon aus, dass die ASt am 12.5.2020 fristgerecht eine Beschwerde samt Verfahrenshilfeantrag (do. OZ 25) eingebracht habe. Zur Zurückweisung des Antrages vom 26.11.2019 wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges führte sie im Wesentlichen wie im Bescheid vom 27.3.2020 aus.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

Hinsichtlich des entscheidungsrelevanten Sachverhalts wird auf den unter I. angeführten Verfahrensgang verwiesen.

II.2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der ÖGK. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich unmittelbar aus dem Akteninhalt.

III. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung des Antrags auf Verfahrenshilfe

III.1. Einschlägige Rechtsgrundlage (§ 8a VwGVG):

§ 8a. (1) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ist einer Partei Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Juristischen Personen ist Verfahrenshilfe sinngemäß mit der Maßgabe zu bewilligen, dass an die Stelle des Bestreitens der Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts das Aufbringen der zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel durch die Partei oder die an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten tritt.

(2) Soweit in diesem Paragraphen nicht anderes bestimmt ist, sind die Voraussetzungen und die Wirkungen der Bewilligung der Verfahrenshilfe nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung – ZPO, RGBl. Nr. 113/1895, zu beurteilen. Die Bewilligung der Verfahrenshilfe schließt das Recht ein, dass der Partei ohne weiteres Begehren zur Abfassung und Einbringung der Beschwerde, des Vorlageantrags, des Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder zur Vertretung bei der Verhandlung ein Rechtsanwalt beigegeben wird.

(3) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist schriftlich zu stellen. Er ist bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht einzubringen. Für Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG ist der Antrag unmittelbar beim Verwaltungsgericht einzubringen.

(4) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe kann ab Erlassung des Bescheides bzw. ab dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene Kenntnis von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erlangt hat, gestellt werden. Wird die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer Säumnisbeschwerde beantragt, kann dieser Antrag erst nach Ablauf der Entscheidungsfrist gestellt werden. Sobald eine Partei Säumnisbeschwerde erhoben hat, kann der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe auch von den anderen Parteien gestellt werden.

(5) In dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist die Rechtssache bestimmt zu bezeichnen, für die die Bewilligung der Verfahrenshilfe begehrt wird.

(6) Die Behörde hat dem Verwaltungsgericht den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe und die Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Hat das Verwaltungsgericht die Bewilligung der Verfahrenshilfe beschlossen, so hat es den Ausschuss der zuständigen Rechtsanwaltskammer zu benachrichtigen, damit der Ausschuss einen Rechtsanwalt zum Vertreter bestelle. Dabei hat der Ausschuss Wünschen der Partei zur Auswahl der Person des Vertreters im Einvernehmen mit dem namhaft gemachten Rechtsanwalt nach Möglichkeit zu entsprechen.

(7) Hat die Partei innerhalb der Beschwerdefrist die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt, so beginnt für sie die Beschwerdefrist mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Beschluss über die Bestellung des Rechtsanwalts zum Vertreter und der anzufechtende Bescheid diesem zugestellt sind. Wird der rechtzeitig gestellte Antrag abgewiesen, so beginnt die Beschwerdefrist mit der Zustellung des abweisenden Beschlusses an die Partei zu laufen. Entsprechendes gilt für die Fristen, die sich auf die sonstigen in Abs. 2 genannten Anträge beziehen.

(8) Die Bestellung des Rechtsanwalts zum Vertreter erlischt mit dem Einschreiten eines Bevollmächtigten.

(9) In Verfahrenshilfesachen ist die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht zulässig.

(10) Der Aufwand ist von jenem Rechtsträger zu tragen, in dessen Namen das Verwaltungsgericht in der Angelegenheit handelt.

III.2. Im konkreten Fall bedeutet dies:

III.2.1. Gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG ist Verfahrenshilfe einer Partei zu gewähren, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 EMRK oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist. Durch den Verweis auf Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC ist sichergestellt, dass die Verfahrenshilfe im verwaltungsgerichtlichen Verfahren den Anforderungen des Europäischen Menschenrechtsschutzes entspricht (siehe auch VwGH vom 3.9.2015, Ro 2015/21/0032).

Der EuGH hat in seinem Urteil vom 22.12.2010, C-279/09, festgehalten, dass die Frage der unionsrechtlich gebotenen Gewährung von Prozesskostenhilfe, die auch Gebühren für den Beistand eines Rechtsanwaltes umfassen können, einzelfallbezogen nach Maßgabe folgender Kriterien zu erfolgen habe: Begründete Erfolgsaussichten des Klägers, die Bedeutung des Rechtsstreits für diesen, die Komplexität des geltenden Rechts und des anwendbaren Verfahrens sowie die Fähigkeit des Klägers, sein Anliegen wirksam (selbst) zu verteidigen (VwGH vom 3.9.2015, Ro 2015/21/0032). Nach der Rechtsprechung des EGMR ist die Verfahrenshilfe nicht in allen erdenklichen Verfahren zu gewähren. In seinem Prüfungsbeschluss, der zur Aufhebung der Bestimmung des § 40 VwGVG führte, fasste der Verfassungsgerichtshof die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte dahingehend zusammen, dass der "Zugang zu einem Gericht nicht bloß theoretisch und illusorisch, sondern effektiv gewährleistet sein müsse". In jenen Fällen, in denen es "unentbehrlich sei, dass der Partei eines Verfahrens ein unentgeltlicher Verfahrenshelfer beigestellt werde", müsse ein solcher beigestellt werden. Für diese Beurteilung sind verschiedene Kriterien maßgeblich. Das sind zum einen Kriterien, die sich auf die Person der Parteien beziehen, nämlich ihre Vermögensverhältnisse oder ihre Fähigkeiten zum Verkehr mit Behörden; zum anderen auch Kriterien, die in Zusammenhang mit der Rechtssache stehen, nämlich die Erfolgsaussichten, die Komplexität des Falles oder die Bedeutung der Angelegenheit für die Parteien. Erscheint die Rechtsverfolgung (oder Rechtsverteidigung) als „offenbar mutwillig“ oder „aussichtslos“, ist Verfahrenshilfe nicht zu bewilligen. Dadurch sollen Verfahrensverzögerungen und eine etwaige finanzielle Belastung des öffentlichen Haushalts vermieden werden. (vgl. ErläutRV 1255 BlgNR XXV. GP zu § 8a VwGVG).

III.2.2. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass eine Beschwerde im Sinne des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG gegen den Bescheid der ÖGK vom 27.3.2020 nach Ansicht des erkennenden Gerichtes gegenständlich nicht vorliegt. Soweit die ÖGK im Vorlagebericht ausführt, bei dem gemeinsam mit dem Verfahrenshilfeantrag vom 12.5.2020 bei der Behörde eingebrachten Schreiben zur "Geltendmachung der Verfassungswidrigkeit" handle es sich um eine Beschwerde (vgl. auch den Aktenvermerk der ÖGK vom 26.5.2020; do. OZ 29/1), ist dem Folgendes zu entgegnen:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es bei der Ermittlung von Rechtsqualität und Inhalt eines Anbringens nicht auf die Bezeichnung durch den Einschreiter, sondern auf den Inhalt der Eingabe, also auf das daraus erkenn- und erschließbare Ziel des Einschreiters an. Entscheidend ist, wie das Erklärte, also der Wortlaut des Anbringens unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszwecks und der Aktenlage objektiv verstanden werden muss. Im Zweifel darf nicht davon ausgegangen werden, dass eine Partei einen von vornherein sinnlosen oder unzulässigen Antrag gestellt hat. Bei eindeutigem Inhalt eines Anbringens sind aber davon abweichende, nach außen nicht zum Ausdruck gebrachte Absichten und Beweggründe ohne Belang. Es ist unzulässig, entgegen dem erklärten Willen der Partei ihrem Begehren eine Deutung zu geben, die aus dem Wortlaut des Begehrens nicht unmittelbar erschlossen werden kann, mag auch das Begehren, so wie es gestellt worden ist, von vornherein aussichtslos oder gar unzulässig sein (vgl. VwGH vom 19.1.2011, 2009/08/0058, mit Hinweis auf Hengstschläger/Leeb, AVG § 13 Rz 38 f).

Das mit dem gegenständlichen Verfahrenshilfeantrag eingebrachte Schreiben der ASt zur "Geltendmachung der Verfassungswidrigkeit" wurde nicht als "Beschwerde" o.ä. tituliert und lässt auch sonst nicht erkennen, dass die ASt bereits mit diesem Schreiben ein Rechtsmittel gegen den Bescheid der ÖGK vom 27.3.2020 erheben wollte; vielmehr verstand die ASt dieses Schreiben unzweifelhaft als einen Bestandteil des verfahrensgegenständlichen Verfahrenshilfeantrags, was schon dadurch zum Ausdruck kommt, dass sie zu Punkt 6. ("Rechtssache") des Verfahrenshilfeantrags ("Bitte führen sie genau aus, worum es in der Rechtssache, für welche Sie Verfahrenshilfe beantragen, geht […])" wie folgt auf dieses Schreiben verwies: "Siehe Beiblatt Geltendmachung der Verfassungswidrigkeit". Im Kopf des genannten Beiblattes machte die ASt mit der verwendeten Formulierung "Ad 6) Rechtssache" wiederum deutlich, dass es sich hierbei lediglich um eine Beilage zum Verfahrenshilfeantrag, nicht aber um eine Beschwerde handeln sollte. Dies erschließt sich auch aus dem Schlusssatz des Beiblattes: "Als Rechtsanwältin ersuche ich um Dr.in [Name, Anschrift]." Daraus ist klar ersichtlich, dass die ASt nicht eigenständig eine Beschwerde einbringen wollte, zumal sie gerade aufgrund der "zu erwartenden besonderen Schwierigkeiten im Verfahren" für eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (vgl. Punkt 6.) um die unentgeltliche Beigebung eines Verfahrenshilfeanwalts ansuchte (vgl. Punkt 7. des Verfahrenshilfeantrags) und es demnach als widersinnig erschiene, wenn die ASt den Beschwerdeschriftsatz nun dennoch selbständig verfassen und sogleich gemeinsam mit dem Verfahrenshilfeantrag einbringen sollte. Eine derartige Willensrichtung kann der ASt nicht unterstellt werden, sodass im Ergebnis nicht davon auszugehen war, dass im gegenständlichen Fall tatsächlich bereits Beschwerde erhoben wurde. Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens war daher ausschließlich der Verfahrenshilfeantrag vom 12.5.2020.

III.2.3. Zum Verfahrenshilfeantrag selbst ist zunächst auszuführen, dass es in einem allfälligen Beschwerdeverfahren einzig darum ginge, ob die ÖGK den Antrag zu Recht zurückgewiesen hat; eine "inhaltliche" Entscheidung über das Begehren der ASt – samt erforderlichen Ermittlungen und einer Mitwirkung der ASt – wäre in einem Beschwerdeverfahren jedenfalls ausgeschlossen (vgl. VwGH 21.12.1993, 92/08/0200). Zudem besteht in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten keine Anwaltspflicht und ist der entscheidungsrelevante Sachverhalt grundsätzlich von Amts wegen zu ermitteln.

Im konkreten Fall spielen schließlich aber die Erfolgsaussichten einer Beschwerde eine entscheidende Rolle:

Gemäß § 369 ASVG steht den Versicherungsträgern im Verfahren über Ersatzansprüche der Träger der Sozialhilfe gemäß Abschnitt II des Fünften Teils ein Bescheidrecht nicht zu. Dabei wird nicht verkannt, dass in den Fällen des § 367 Abs. 1 und 2 ASVG (Entziehung, Versagung, Neufeststellung, Widerruf, Abfindung, Abfertigung oder Feststellung des Ruhens eines Leistungsanspruches, Geltendmachung des Anspruchs auf Rückersatz einer unrechtmäßig bezogenen Leistung, Aufrechnung auf eine Geldleistung oder Zurückhaltung einer Ausgleichszulage) auch bei Legalzession ein Bescheid zu erlassen ist (vgl. Tarmann-Prentner in Sonntag, ASVG § 369 Rz 3). Ein derartiger Fall liegt hier aber nicht vor; vielmehr geht es hier um die Auszahlung einer bereits rechtskräftig zuerkannten Leistung. Ein Recht der ÖGK, bescheidmäßig inhaltlich über den Antrag abzusprechen, der sich gegen die Aufteilung des Rehabilitationsgeldes im Sinne von § 324 Abs. 4 iVm Abs. 3 ASVG – somit gegen eine bloße Auszahlungsmodalität – richtet, ist nicht ersichtlich.

Der Verwaltungsgerichtshof hatte sich bereits in seinem Erkenntnis vom 21.12.1993, 92/08/0200, mit einer derartigen Konstellation zu befassen und verwies darauf, dass es sich um eine bloße „Auszahlungsmodalität“ handle und dass das ASVG „keine ausdrückliche Regelung [enthalte], dass über einen solchen Antrag von dem für die Auszahlung der Pensionsleistungen zuständigen Pensionsversicherungsträger bescheidmäßig zu entscheiden sei. Ein verfahrensrechtlicher Anspruch auf Entscheidung dieser Frage sei zu verneinen; diese Angelegenheit sei "weder als Leistungssache … noch als Verwaltungssache zu werten". Auch verfassungsrechtliche Probleme vermochte der Verwaltungsgerichtshof dabei nicht zu erblicken: "Obwohl … der Beschwerdeführerin auch keine Befugnis zur Erhebung einer Drittschuldnerklage im Sinne der Bestimmungen der EO gegen die mitbeteiligte Pensionsversicherungsanstalt zukommt und auch eine Klagsberechtigung nach Art. 137 B-VG beim Verfassungsgerichtshof schon deshalb ausscheidet, weil diese Klage nur zugunsten vermögensrechtlicher Ansprüche gegen Bund, Länder, Bezirke, Gemeinden und Gemeindeverbände, nicht aber gegen Sozialversicherungsträger eingeräumt ist, wirft doch nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes diese Rechtslage keine verfassungsrechtlich bedenkliche Rechtsschutzlücke auf, weil der Beschwerdeführerin unter den Voraussetzungen des Amtshaftungsgesetzes jedenfalls die Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen gegen die mitbeteiligte Pensionsversicherungsanstalt zusteht."

Im Erkenntnis vom 22.2.2000, 99/11/0217, vertrat der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht, dass Auffassungsunterschiede zwischen dem Sozialversicherungsträger und dem Anspruchsberechtigten über die Auszahlung der Leistung im Rahmen von Einwendungen des Sozialversicherungsträgers gegen die auf den Leistungsbescheid gestützte Exekutionsführung zu klären sind (dies mit Hinweis auf Müller, Wichtige Verfahrensfragen der Sozialgerichtsbarkeit in Leistungsstreitverfahren, DRdA 1997, 449).

In diesem Sinne betonte auch der Verfassungsgerichtshof, dass ein Streit um die ordnungsgemäße Auszahlung (Liquidierung) von bescheidmäßig rechtskräftig zuerkannten Pensionsansprüchen weder im ASVG noch im ASGG eine gesonderte Regelung erfahren habe; eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter erblickte der Verfassungsgerichtshof – wenngleich sich dieses Verfahren um einen Ersatzanspruch nach § 324 Abs. 1 ASVG und einen insofern indirekt beteiligten Sozialhilfeträger drehte – nicht (VfGH vom 29.2.2012, VfSlg. 19614/2012).

Im Beschluss vom 12.6.2015, A 5/2015, wies der Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Klage gemäß Art. 137 B-VG gegen das Land Wien ab und führte dazu aus: "Wie der Verfassungsgerichtshof in VfSlg. 19.614/2012 ausgesprochen hat, kann ein Streit um die ordnungsgemäße Auszahlung (Liquidierung) von bescheidmäßig rechtskräftig zuerkannten Pensionsansprüchen der gesetzlichen Sozialversicherung – anders als ein Liquidierungsstreit aus öffentlich-rechtlichen Dienst- und Pensionsverhältnissen – nicht nach Art. 137 B-VG vor den Verfassungsgerichtshof gebracht werden, da sich der Anspruch nicht gegen eine der in Art. 137 B-VG genannten Gebietskörperschaften richtet. Soweit ein Pensionsbezieher der Meinung ist, ihm sei ein rechtskräftig zuerkannter Pensionsanspruch nicht ordnungsgemäß ausgezahlt worden, ist daher weder ein Bescheid des Sozialversicherungsträgers zu erlassen noch das Arbeits- und Sozialgericht anrufbar, sondern gegebenenfalls der Exekutionsweg zu beschreiten." Der Verfassungsgerichtshof teilt damit die vorstehend dargelegte Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes, wonach Auffassungsunterschiede zwischen dem Sozialversicherungsträger und dem Anspruchsberechtigten über die Auszahlung der Leistung im Rahmen von Einwendungen des Sozialversicherungsträgers gegen die auf den Leistungsbescheid gestützte Exekutionsführung zu klären sind.

Da nach der eben dargestellten höchstgerichtlichen Rechtsprechung ein Bescheid des Sozialversicherungsträgers über die Auszahlung eines bereits rechtskräftig zuerkannten Leistungsanspruches (gegenständlich: auf Rehabilitationsgeld) nicht zu erlassen ist, erscheint die Erhebung einer Beschwerde gegen die Zurückweisung des Antrags auf Bescheiderlassung – ohne das Ergebnis eines allfälligen Beschwerdeverfahrens in irgendeiner Weise vorwegzunehmen – als aussichtslos. Die sonstigen Voraussetzungen der Bewilligung von Verfahrenshilfe – etwa, ob die ASt außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts bestreiten zu können – müssen demnach nicht mehr geprüft werden müssen. In einer Gesamtbetrachtung liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe gemäß § 8a VwGVG nicht vor.

Der Antrag war daher spruchgemäß abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Entscheidung weicht weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Bewilligung von Verfahrenshilfe ab, noch fehlt es an einer – auszugsweise auch zitierten – Rechtsprechung zu den entscheidungswesentlichen Fragen; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.

Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann eine Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 [GRC] entgegenstehen.

Im gegenständlichen Fall kann von einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden, weil sich Fragen der Beweiswürdigung nicht stellen, der maßgebliche Sachverhalt als durch die Aktenlage geklärt erachtet werden konnte und keine Rechtsfragen vorliegen, deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordern würden. Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier Art 6 Abs 1 EMRK und Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen.

Schlagworte

Aussichtslosigkeit Verfahrenshilfeantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L501.2232111.1.00

Im RIS seit

21.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

21.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten