Entscheidungsdatum
13.08.2020Norm
BFA-VG §9 Abs3Spruch
G307 1438482-3/3E
Im namen der republik!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus MAYRHOLD als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, alias XXXX, geb. XXXX, StA: Serbien und Mazedonien, vertreten durch die Rechtsanwälte RAST & MUSLIU in 1080 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.05.2020, Zahl XXXX, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird s t a t t g e g e b e n , eine Rückkehrentscheidung in Bezug auf die Herkunftsstaaten Serbien und Mazedonien gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt und dem Beschwerdeführer gemäß §§ 54 Abs. 1 Z 2, 58 Abs. 2 iVm. 55 Abs. 1 AsylG, der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ für die Dauer von 12 Monaten erteilt.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) wurde am XXXX.2019 wegen des Verdachtes des unrechtmäßigen Aufenthaltes in Österreich von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes festgenommen.
2. Am selben Tag fand eine niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) statt.
3. Mit per E-Mail am 06.12.2019 beim BFA eingebrachtem Schriftsatz gab der BF durch seine Rechtsvertretung (im Folgenden: RV) eine Stellungnahme ab.
4. Am 04.02.2020 wurde die aktuelle Lebensgefährtin des BF, XXXX, geb. XXXX, StA: Serbien, vor dem BFA niederschriftlich einvernommen.
5. Am 06.02.2020 fand eine neuerliche schriftliche Einvernahme des BF vor dem BFA statt.
6. Am 19.02.2020 wurde die ehemalige Lebensgefährtin des BF, XXXX, geb. XXXX, StA: Österreich, am 02.03.2020 der Sohn des BF, XXXX, geb., XXXX, StA: Serbien und am 04.03.2020 eine weitere ehemalige Lebensgefährtin des BF, XXXX, geb. XXXX, StA: Österreich, vor dem BFA als Zeugen niederschriftlich einvernommen.
7. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des BFA, der RV des BF zugestellt am 27.05.2020, wurde dem BF eine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Serbien und Mazedonien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.), festgestellt, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV.) sowie gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 2 Z 6 und 7 und Abs. 3 Z 1 FPG gegen den BF ein auf 7 Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt V.).
8. Mit per Post am 24.06.2020 beim BFA eingebrachtem Schreiben erhob der BF durch seine RV Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid an das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG).
Darin wurde die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung und Behebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Zurückverweisung der Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde beantragt.
9. Die Beschwerde samt Verfahrensakt wurde vom BFA dem BVwG vorgelegt, wo sie am 10.07.2020 einlangten.
10. Am 10.08.2020 langte ein Schreiben der StA XXXX vom XXXX.2020 ein, wonach gegen den Bf zu XXXX Anklage wegen §§ 12 2. Fall, §§ 153, 153 Abs. 3, 1. Fall, § 15 StGB erhoben worden sei.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der BF führt die im Spruch angegebene Identität (Name und Geburtsdatum) und ist Staatsangehöriger Serbiens und Mazedoniens. Er BF wurde in Serbien geboren und ist der deutschen Sprache mächtig.
Der BF hält sich seit 02.02.1983 beinahe durchgehend im Bundesgebiet auf, in dem er den Kindergarten besuchte und seine Pflichtschulausbildung (Volk- und Hauptschule) absolvierte.
Dem BF wurde erstmals am 09.09.1986 ein Aufenthaltstitel erteilt und war er beginnend mit 21.09.1994 im Besitz eines unbefristeten Aufenthaltstitels.
Mit am 19.11.2008 in Rechtskraft erwachsenen Bescheid der Bundespolizeidirektion XXXX, Zl. XXXX, vom 27.10.2008, wurde gegen den BF ein – mit seit 04.11.2008 durchsetzbares – auf 10 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen, welches am 29.08.2014 auf Antrag des BF gemäß § 69 ABS. 2 FPG wieder aufgehoben wurde.
Der BF verblieb jedoch entgegen des besagten Aufenthaltsverbotes im Bundesgebiet bzw. kehrte in dieses zurück. Zu diesem Zweck änderte der BF seinen Nachnamen auf den Geburtsnamen seiner Mutter (XXXX) und ließ sich auf diesen Namen einen neuen Reisepass ausstellen.
Der BF stellte am 31.05.2013 einen unbegründeten Asylantrag, welcher am 23.08.2013 negativ beschieden wurde.
Der BF weist keine durchgehende Wohnsitzmeldung in Österreich auf und wurde innerhalb der folgenden Zeiträume in Justizanstalten angehalten:
? ?XXXX.2011 bis XXXX.2012
? ?XXXX.2008 bis XXXX.2008
? ?XXXX.2010 bis XXXX.2011
? ?XXXX.2016 bis XXXX.2016
? ?XXXX.2017 bis XXXX.2018
Von XXXX.2019 bis XXXX.2019 befand sich der BF in Untersuchungshaft, wurde jedoch im Rahmen des dazu geführten Straffverfahrens freigesprochen.
Der BF ist Vater von mehreren, jedenfalls 5 Kindern unterschiedlicher Mütter, und für 4 davon sorgepflichtig. Er führt mit der serbischen Staatsangehörigen XXXX, geb. XXXX, StA: Serbien und dem gemeinsamen Sohn XXXX, geb. XXXX, ein aufrechtes Familienleben in Österreich. Die besagte Beziehung wurde vor 4 Jahren begründet und ist die Lebensgefährtin des BF im Besitz eines Daueraufenthaltstitels.
Zwischen dem BF und seinem ein Daueraufenthaltsrecht besitzenden Sohn, XXXX, geb. XXXX, StA: Serbien, besteht zudem eine Vater-Kind Beziehung. Jedoch pflegt der BF zu seinen weiteren Kindern, XXXX, XXXX und XXXX und deren Müttern, die ebenfalls alle in Österreich leben, keine enge Beziehung.
Im Bundesgebiet halten sich zudem die Mutter, die Schwester, ein Onkel und eine Tante des BF auf, und wird der BF von seiner Familie, insbesondere seiner Schwester wirtschaftlich unterstützt.
In Serbien halten sich der Vater und die Ur-Großmutter des BF auf.
Der BF ging während seines Aufenthaltes in Österreich insgesamt für einen Zeitraum von etwas mehr als 1 ½ Jahren Erwerbstätigkeiten nach. Zuletzt war der BF von 01.10.2019 bis 15.10.2019 beschäftigt und bezog bis 29.07.2020 Leistungen aus der staatlichen Arbeitslosenversicherung. Er lebt jedoch überwiegend von Zuwendungen seiner Familie.
Der BF weist folgende Verurteilungen in Österreich auf:
1. LG XXXX, Zl. XXXX, vom XXXX.208, RK XXXX.2008, wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften gemäß §§ 27 Abs. 1/1 8. Fall, Abs. 3 und 5, 27 Abs. 1/1 1. und 2. Fall SMG, sowie der Körperverletzung gemäß § 83/1 StGB, zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten, wovon 8 Monate bedingt nachgesehen wurden.
Der BF wurde für schuldig befunden, er habe in XXXX
zwischen Juni und XXXX 2008 in mehrfachen Angriffen gewerbsmäßig vorschriftswidrig Suchtgift, konkret insgesamt 32 g Heroin und 3,6 g Kokain, gegen Entgelt anderen überlassen, wobei er selbst an ein Suchtmittel gewöhnt ist und die Straftaten vorwiegend deshalb begangen hat, um sich für seinen persönlichen Gebrauch Suchtmittel oder Mittel zu deren Erwerb zu verschaffen;
I. von Mitte Juli bis XXXX 2008 vorschriftswidrig Suchtgift, zumindest 6 g Kokain erworben und besessen;
II. am XXXX.2008 die schwangere D.D. durch mehrmalige Schläge gegen Körper, Kopf und Gesicht vorsätzlich am Körper verletzt, wodurch diese eine Schädelprellung, eine Prellung des Gesichtes, der rechten Schulter, des rechten Unterarmes, einen Bluterguss um das linke Auge, drei Blutergüsse am rechten Oberarm, drei Blutergüsse am rechten Unterarm, einen Bluterguss an der rechten Ohrmuschel, mehrere Blutergüsse am Thorax und Brustkorb sowie Schwellungen mit Blutunterlaufungen auf der Stirn und am rechten Scheitelbein erlitten habe.
Als mildernd wurde dabei der bisher ordentliche Lebenswandel und das Geständnis, als erschwerend das Zusammentreffen von Vergehen und die Tatwiederholung gewertet.
2. LG XXXX, Zahl XXXX, vom XXXX.2011, RK XXXX.2011, wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften gemäß §§ 27 (1) Z 1 1. Fall, 27 (1) Z 1 2. Fall, 27 (2) SMG, des Suchtgifthandels §§ 28a (1) 1.Fall, 28a (3) 1. Alternative SMG, sowie der Fälschung besonders geschützter Urkunden gemäß §§ 223 (2), 224 StGB, zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren.
Dem BF wurde darin angelastet, er habe in XXXX und anderen Orten
A. zwischen Juli 2010 und XXXX.2010 in mehreren Angriffen vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b AMG) übersteigenden Menge, konkret insgesamt 539 g Heroin und 250 g Kokain, mit einem Reinheitsgrad von 7 % beim Heroin und von 30 % beim Kokain anderen teils durch gewinnbringenden Verkauf überlassen, wobei er an ein Suchtgift gewöhnt ist und die Straftat vorwiegend deshalb beging, um sich für seinen persönlichen Gebrauch Suchtmittel oder Mittel zu deren Erwerb zu verschaffen;
B. von Mai 2009 bis XXXX.2010 vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Heroin und Kokain, zum Eigenkonsum erworben und besessen;
C. am XXXX.2010 falsche ausländische öffentliche Urkunden, die durch Gesetz inländischen öffentlichen Urkunden gleichgestellt sind, nämlich einen auf P.T. lautenden gefälschten slowenischen Reisepass und gefälschten Führerschein, im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache gebraucht, nämlich anlässlich seiner Meldung zum Nachweis seiner Identität.
Als mildernd wurde dabei das Geständnis, erschwerend jedoch das Zusammentreffen von Vergehen und die einschlägige Vorstrafe gewertet.
3. BG XXXX, Zahl XXXX vom XXXX.2005, RK XXXX.2011, wegen § 83/1 StGB, zu einer Geldstrafe von 40 Tagsätzen zu je € 5,00 (= € 200,00)
4. LG XXXX, Zahl XXXX, vom XXXX.2012, RK XXXX.2012, wegen der Vergehen der versuchten Nötigung gemäß § 15 StGB, §105 (1) StGB, der gefährlichen Drohung gemäß § 107 (1) StGB, der Körperverletzung gemäß § 83 (1) StGB, der Freiheitsentziehung gemäß § 99 (1) StGB und der Nötigung gemäß § 105 (1) StGB, zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten, davon 10 Monate bedingt nachgesehen wurden.
Der BF wurde für darin schuldig befunden, er habe zu den nachgenannten Zeiten in Wien D.D
I. am XXXX.2011 auf andere Weise für zumindest eine Stunde die persönliche Freiheit entzogen, indem er sie gegen ihren Willen in ihrem Fahrzeug einsperrte und sie trotz ihrer Aufforderung nicht aus dem Fahrzeug aussteigen ließ;
II. mit Gewalt bzw. durch gefährliche Drohung zu Handlungen bzw. Unterlassungen genötigt, und zwar
a. am XXXX.2011 durch die sinngemäße Äußerung, dass er sie und ihre Familie umbringen werde, wenn sie ihn verlasse und zu ihnen zurückkehre, mithin zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme von der Beendigung der Lebensgemeinschaft;
b. am XXXX.2011, indem er sie mit der linken Hand am Unterarm packte, sie in Richtung seines Fahrzeuges zerrte sowie sie gegen einen am Fahrbahnrand abgestellten Kastenwagen drückte, zu einer Handlung, nämlich zur Führung eines Gespräches über die Fortsetzung ihrer Beziehung;
III. vorsätzlich am Körper verletzt, und zwar
a. am XXXX.2011, indem er ihr einen Faustschlag gegen den Oberarm versetzte, wobei die Tat zwei Blutergüsse zur Folge hatte;
b. am XXXX.2011, indem er ihr zweimal mit der Faust ins Gesicht sowie jeweils einmal in den Bauch und den Intimbereich schlug, sie mit der rechten Hand würgte sowie ihr in die Nase biss, wobei die Tat Prellungen und Abschürfungen im Gesichtsbereich, eine menschliche Bissverletzung im Bereich der Nase sowie Blutergüsse im Bereich des linken Oberschenkels, der linken Kniekehle, am Hals, am rechten Ellenbogen, an der rechten Schulter und am linken Oberarm sowie eine Abschürfung an der rechten Ohrmuschel zur Folge hatte;
Zudem wurde der BF dort für schuldig befunden, er habe am XXXX.2011 in Wien D.D.
I. durch gefährliche Drohung zu einer Handlung, nämlich zur Übergabe des gemeinsamen Sohnes zu nötigen versucht, indem er sie mit dem Umbringen bedrohte,
II. gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er sie wiederholt mit dem Umbringen bedrohte;
Als mildernd wurden dabei das umfassende und reumütige Geständnis, der Umstand, dass es teilweise beim Versuch blieb und das volle Anerkenntnis des Privatbeteiligtenanspruches, als erschwerend das Zusammentreffen mehrerer Vergehen gewertet.
5. BG XXXX, Zahl XXXX, vom XXXX.2016, RK XXXX.2016, wegen § 83 (1) StGB und § 50 (1) Z 2 WaffG, zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten.
6. BG XXXX, Zahl XXXX, vom XXXX.2016, RK XXXX.2016, wegen § 2413 (3) StGB, zu einer Geldstrafe von 100 Tagsätzen zu je € 4,00 (= € 400,00)
7. LG XXXX, Zahl XXXX, vom XXXX.2017, RK XXXX.2017, wegen der Vergehen der Körperverletzung gemäß § 83 (1) StGB, der fahrlässigen Körperverletzung gemäß § 88 (1) StGB, der Sachbeschädigung gemäß § 125 StGB, und der Nötigung gemäß § 105 (1) StGB, sowie des Verbrechens der schweren Körperverletzung gemäß § 84 (4) StGB, zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten.
Dem BF wurde darin angelastet, er habe
I. S.P. durch Gewalt zu Handlungen bzw. einer Unterlassung genötigt, und zwar
a. am XXXX.2016 zum Verlassen eines Lokals zum Zwecke der Aussprache, indem er sie an den Haaren vor das Lokal zerrte;
b. am XXXX.2016 im Anschluss an die unter I.a. genannte Straftat als sie im Begriff stand, die Polizei zu verständigen, zur Abstandnahme der Verständigung der Polizei, indem er ihre Hand packte und nach hinten drückte;
c. am XXXX.2016 zur Herausgabe seiner Gegenstände, indem er sie würgte und ihr mehrere Schläge und Tritte gegen den Kopf und den Körper versetzte;
II. S.P. vorsätzlich am Körper verletzte, und zwar
a. am XXXX.2016 durch die unter Punkt I.b. angeführte Straftat, wodurch sie Rötungen und Schwellungen im Bereich der rechten Hand sowie eine Prellung des rechten Handgelenks erlitt:
b. Ende November 2016, indem er ihr mit der flachen Hand ins Gesicht schlug, wodurch sich Nasenbluten hatte;
c. am XXXX.2016 durch die unter Punkt I.c. angeführten Straftat wenn auch nur fahrlässig eine an sich schwere Körperverletzung der S.P. herbeigeführt, wodurch sie Prellungen und Hämatome im Gesicht, eine Rissquetschwunde am rechten Auge und Würgemale am Hals erlitt und zumindest zwei Schneidezähne verlor;
III. im Zuge der unter II. c. angeführten Straftat fremde Sachen, nämlich das Mobiltelefon der S.P. in nicht mehr festzustellendem, nicht jedoch € 5.000,00 übersteigenden Wert zerstört, indem er auf dieses eintrat.
IV. im Zuge der unter Punkt I.c. und II.c. angeführten Straftat J.P. fahrlässig am Körper verletzt, indem er dieser ohne Vorsatz einen Schlag ins Gesicht versetzte, wodurch diese ein Hämatom im Gesicht erlitt.
Als mildernd wurde kein Umstand, als erschwerend zahlreiche einschlägige Vorstrafen, das Zusammentreffen von zahlreichen Delikten und einem Verbrechen, die Begehung trotz Kenntnis des Strafverfahrens sowie die Begehung innerhalb offener Probezeit gewertet.
Es wird festgestellt, dass der BF die besagten Straftaten begangen und die beschriebenen Verhaltensweisen gesetzt hat.
Mit Beschluss des LG XXXX, Zahl XXXX, vom XXXX.2018, wurde der BF am XXXX.2018 bedingt aus seiner Freiheitsstrafe entlassen.
Serbien und Mazedonien gelten als sichere Herkunftsstaaten.
De BF ist gesund und arbeitsfähig.
2. Beweiswürdigung
2.1.Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
2.2. Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:
2.2.1. Die Anhaltungen des BF in Justizanstalten konnten durch Einsichtnahme in des Zentrale Melderegister ermittelt werden und beruht der aktuelle Bezug von Leistungen aus der staatlichen Arbeitslosenversicherung auf einem Sozialversicherungsauszug.
Die strafgerichtlichen Verurteilungen des BF in Österreich samt den näheren Ausführungen sowie die Feststellung, dass der BF die besagten Straftaten begangen hat, ergeben sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich sowie aus jeweiligen Ausfertigungen der oben zitierten und näher ausgeführten Strafurteile. Durch Nachschau im besagten Register konnte zudem die bedingte Entlassung des BF aus seiner Strafhaft ermittelt werden.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand und der Arbeitsfähigkeit des BF ergeben sich aus dem Nichtvorbringen eines dem widersprechenden Sachverhaltes seitens des BF. Vielmehr gab der BF vor der belangten Behörde wiederholt an, gesund zu sein und behauptete bis dato nicht das Gegenteil. Mangels vorgebrachter Erkrankungen und Erwerbseinschränkungen waren sohin obige Feststellungen zu treffen.
Die Feststellung, dass Serbien und Mazedonien als sichere Herkunftsstaaten gelten, ergibt sich aus § 1 Z 4 und 6 HStV.
Die sonstigen oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Feststellungen im angefochtenen Bescheid, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht – substantiiert – entgegengetreten wurde.
Zudem finden sich im Akt einliegend Zeugnisse des BF, welche dessen Schulbesuch in Österreich belegen (siehe Aktenteil 1 AS 397ff). Auch liegt eine jeweilige Ausfertigung des oben zitierten negativen Asylbescheides des Bundesasylamtes, Zahl XXXX, (siehe Aktenteil 1 AS 430), des Aufenthaltsverbotsbescheides der Bundespolizeidirektion XXXX, Zahl XXXX (siehe Aktenteil 1 AS 145) sowie des das besagte Aufenthaltsverbot aufhebenden Bescheides des BFA (siehe Aktenteil 1 AS 573) im Akt.
Hinsichtlich des seit dem Jahr 1983 durchgehenden Aufenthaltes in Österreich und Nichteinhaltung des seinerzeitigen Aufenthaltsverbotes ist anzumerken, dass auf Seiten des BF zwar Wohnsitzmeldelücken im Bundesgebiet bestehen, er jedoch jeweils am XXXX.2010 (siehe Aktenteil 1 AS 275), XXXX.2011 (siehe Aktenteil 1 AS 316), XXXX.2013 (siehe Aktenteil 1 AS 413) und am XXXX.2014 (siehe Aktenteil 1 AS 510) im Bundesgebiet betreten wurde, wiederholt auch in Zeiten fehlender Wohnsitzmeldungen in Österreich Sozialversicherungsmeldungen aufweist und mehrfach innerhalb besagten Zeiträume strafbare Handlungen, welche letztlich auch zu Verurteilungen geführt haben, begangen hat. Ferner betonte seine Lebensgefährtin vor der belangten Behörde, dass der BF sich beinahe durchgehend im Bundesgebiet aufgehalten habe, was der BF in der gegenständlichen Beschwerde ebenfalls bestätigte. Der erhobene Sachverhalt lässt darauf schließen, dass der BF sich seit 1983, teils entgegen eines gültigen Aufenthaltsverbotes, teils ohne Wohnsitzmeldungen vorzunehmen, abgesehen von kurzen Aufenthalten in Serbien – die letzte im Zentralen Fremdenregister dokumentierte freiwillige Rückkehr nach Serbien datiert mit XXXX.2015 – beinahe durchgehend im Bundesgebiet aufhältig ist.
Die Aufenthaltstitel der aktuellen Lebensgefährtin und des oben genannten Sohnes des BF, beruhen auf Einsichtnahmen in das Zentrale Fremdenregister.
Die Untersuchungshaft des BF im Jahr 2019 beruht auf einer Benachrichtigung des LG XXXX, Zl. XXXX, vom XXXX.2019 (siehe Aktenteil 2 AS 7) sowie einer Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister und ergibt sich der Freispruch des BF aus einer Enthaftungsanordnung des LG XXXX (siehe Aktenteil 2 AS 17f) sowie einer Mitteilung desselben Gerichtes an die zuständige Justizanstalt (siehe Aktenteil 2 AS 18) vom XXXX.2019.
2.2.2. Wie die wiederholten Einvernahmen des BF sowie die Anhörungen von Zeugen, konkret der Lebensgefährtinnen und eines Sohnes des BF zeigt vor der belangten Behörde zeigen, hat diese hinreichende Ermittlungsschritte gesetzt und dabei dem BF wiederholt die Möglichkeit geboten, sich zur Sache zu äußern und allfällige Beweismittel vorzubringen. Ein Ermittlungsmangel kann somit nicht ausgemacht werden.
Einen davon abweichenden oder neuen relevanten Sachverhalt hat der BF bis dato nicht vorgebracht und ist er den Feststellungen der belangten Behörde in der gegenständlichen Beschwerde auch nicht substantiiert entgegengetreten.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
3.1. Zur Stattgabe der Beschwerde:
3.1.1. Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt, und gemäß Abs. 4 Z 10 leg cit, jeder Fremder der nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger ist, als Drittstaatsangehöriger.
Der BF als Staatsangehöriger von Serbien und Mazedonien ist sohin Drittstaatsangehöriger iSd. § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.
3.1.2. Staatsangehörige der Republik Serbien und/oder Mazedonien, die Inhaber eines biometrischen Reisepasses sind, sind nach Art. 1 Abs. 2 iVm Anlage II der Verordnung (EG) Nr. 539/2011 vom 15.03.2001, idF VO (EU) 109/2010 vom 24.11.2010 von der Visumpflicht für einen Aufenthalt, der 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreitet, befreit.
Gemäß § 31 Abs. 1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthaltes im Bundesgebiet die Befristung oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthaltes oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben (Z 1), oder sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder eine Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder aufgrund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind (Z 2).
Der BF fällt nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG.
Der BF hält sich seit 02.02.1983 – von kurzen Auslandsaufenthalten abgesehen – durchgehend in Österreich auf. Er war seit 09.09.1986 im Besitz von befristeten Aufenthaltsberechtigungen und wurde ihm am 21.09.1994 ein unbefristeter Aufenthaltstitel erteilt. Mit am 19.11.2008 in Rechtskraft erwachsenen Bescheid, wurde gegen den BF ein auf 10 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen welches mit Bescheid am 29.08.2014 aufgehoben wurde.
Gemäß § 10 Abs 1 NAG werden Aufenthaltstitel und Dokumentationen des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts ungültig, wenn gegen Fremde eine Rückkehrentscheidung, ein Aufenthaltsverbot oder eine Ausweisung durchsetzbar oder rechtskräftig wird.
Mit Rechtskraft des gegen den BF seinerzeit erlassenen Aufenthaltsverbotes wurde dessen Aufenthaltstitel jedenfalls ungültig. Ein Wiederaufleben des Aufenthaltstitels des BF durch die erfolgte Aufhebung des Aufenthaltsverbotes gemäß § 69 Abs. 2 FPG durch das BFA iSd. § 10 Abs. 1 zweiter Satz NAG ist verfahrensgegenständlich mangels nachträglicher Behebung im Rechtswege (vgl. VwGH 09.08.2018, Ra 2018/22/0045: wonach ein Wiederaufleben nicht für Fälle einer Aufhebung gemäß § 69 FrPolG 2005 in Frage komme, sondern nur im Fall der Aufhebung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme durch ein Erkenntnis des VfGH oder des VwGH.) nicht erfolgt.
Da dem BF seither auch kein Aufenthaltstitel mehr erteilt wurde und er aufgrund durchgehenden Aufenthaltes im Bundesgebiet zudem die sichtvermerkfreie Aufenthaltsdauer bei weitem überschritten hat, erweist sich der Aufenthalt des BF im Bundesgebiet als unrechtmäßig.
3.1.3. Der mit „Rückkehrentscheidung“ betitelte § 52 FPG lautet:
„§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich
1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder
2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.
(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,
2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird
und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.
(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1. nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre,
1a. nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist,
2. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,
3. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,
4. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder
5. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.
Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.
(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.
(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.
(7) Von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 ist abzusehen, wenn ein Fall des § 45 Abs. 1 vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll.
(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Liegt ein Fall des § 55a vor, so wird die Rückkehrentscheidung mit dem Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise durchsetzbar. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.
(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.
(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde.“
Der mit „Aufenthaltstitel aus Gründen des Art 8 EMRK“ betitelte § 55 ASylG lautet:
„§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn
1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und
2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird.
(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.“
Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ betitelte § 9 BFA-VG lautet:
„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)
(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.
(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.“
3.1.4. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich:
Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jede Person Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihres Briefverkehrs.
Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit ein Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, wie sie eine Ausweisung eines Fremden darstellt, kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob die Ausweisung einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt:
Die Zulässigkeit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, insbesondere die gegenständlichen Rückkehrentscheidung, setzt nach § 9 Abs. 1 BFA-VG unter dem dort genannten Gesichtspunkt eines Eingriffs in das Privat- und/oder Familienleben voraus, dass ihre Erlassung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (vgl. VwGH vom 12.11.2015, Zl. Ra 2015/21/0101).
Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem, dass das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens, das Vorhandensein einer „Familie“ voraussetzt. Der Begriff des „Familienlebens“ in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern bzw. von verheirateten Ehegatten, sondern auch andere nahe verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine hinreichende Intensität für die Annahme einer familiären Beziehung iSd. Art. 8 EMRK erreichen. Der EGMR unterscheidet in seiner Rechtsprechung nicht zwischen einer ehelichen Familie (sog. „legitimate family“ bzw. „famille légitime“) oder einer unehelichen Familie („illegitimate family“ bzw. „famille naturelle“), sondern stellt auf das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens ab (siehe EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 454; 18.12.1986, Johnston u.a., EuGRZ 1987, 313; 26.05.1994, Keegan, EuGRZ 1995, 113; 12.07.2001 [GK], K. u. T., Zl. 25702/94; 20.01.2009, ?erife Yi?it, Zl. 03976/05). Als Kriterien für die Beurteilung, ob eine Beziehung im Einzelfall einem Familienleben iSd. Art. 8 EMRK entspricht, kommen tatsächliche Anhaltspunkte in Frage, wie etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, die Art und die Dauer der Beziehung sowie das Interesse und die Bindung der Partner aneinander, etwa durch gemeinsame Kinder, oder andere Umstände, wie etwa die Gewährung von Unterhaltsleistungen (EGMR 22.04.1997, X., Y. und Z., Zl. 21830/93; 22.12.2004, Merger u. Cros, Zl. 68864/01). So verlangt der EGMR auch das Vorliegen besonderer Elemente der Abhängigkeit, die über die übliche emotionale Bindung hinausgeht (siehe Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3 [2008] 197 ff.). In der bisherigen Spruchpraxis des EGMR wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Europäischen Kommission für Menschenrechte auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).
Wie der Verfassungsgerichtshof (VfGH) bereits in zwei Erkenntnissen vom 29.09.2007, Zl. B 328/07 und Zl. B 1150/07, dargelegt hat, sind die Behörden stets dazu verpflichtet, das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung gegen die persönlichen Interessen des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich am Maßstab des Art. 8 EMRK abzuwägen, wenn sie eine Ausweisung verfügt. In den zitierten Entscheidungen wurden vom VfGH auch unterschiedliche – in der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) fallbezogen entwickelte – Kriterien aufgezeigt, die in jedem Einzelfall bei Vornahme einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art. 8 EMRK einer Ausweisung entgegensteht:
• die Aufenthaltsdauer, die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird (EGMR 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 16.09.2004, Ghiban, Zl. 11103/03, NVwZ 2005, 1046),
• das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80, 9473/81, 9474/81, EuGRZ 1985, 567; 20.06.2002, Al-Nashif, Zl. 50963/99, ÖJZ 2003, 344; 22.04.1997, X, Y und Z, Zl. 21830/93, ÖJZ 1998, 271) und dessen Intensität (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00),
• die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
• den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert (vgl. EGMR 04.10.2001, Adam, Zl. 43359/98, EuGRZ 2002, 582; 09.10.2003, Slivenko, Zl. 48321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.06.2005, Sisojeva, Zl. 60654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 05.07.2005, Zl. 2004/21/0124; 11.10.2005, Zl. 2002/21/0124),
• die Bindungen zum Heimatstaat,
• die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (vgl. zB EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 11.04.2006, Useinov, Zl. 61292/00), sowie
• auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 05.09.2000, Solomon, Zl. 44328/98; 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07).
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sind die Staaten im Hinblick auf das internationale Recht und ihre vertraglichen Verpflichtungen befugt, die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden zu überwachen (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80 ua, EuGRZ 1985, 567; 21.10.1997, Boujlifa, Zl. 25404/94; 18.10.2006, Üner, Zl. 46410/99; 23.06.2008 [GK], Maslov, 1638/03; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07). Die EMRK garantiert Ausländern kein Recht auf Einreise, Aufenthalt und Einbürgerung in einem bestimmten Staat (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00; 28.06.2011, Nunez, Zl. 55597/09).
Hinsichtlich der Rechtfertigung eines Eingriffs in die nach Art. 8 EMRK garantierten Rechte muss der Staat ein Gleichgewicht zwischen den Interessen des Einzelnen und jenen der Gesellschaft schaffen, wobei er in beiden Fällen einen gewissen Ermessensspielraum hat. Art. 8 EMRK begründet keine generelle Verpflichtung für den Staat, Einwanderer in seinem Territorium zu akzeptieren und Familienzusammenführungen zuzulassen. Jedoch hängt in Fällen, die sowohl Familienleben als auch Einwanderung betreffen, die staatliche Verpflichtung, Familienangehörigen von ihm Staat Ansässigen Aufenthalt zu gewähren, von der jeweiligen Situation der Betroffenen und dem Allgemeininteresse ab. Von Bedeutung sind dabei das Ausmaß des Eingriffs in das Familienleben, der Umfang der Beziehungen zum Konventionsstaat, weiters ob im Ursprungsstaat unüberwindbare Hindernisse für das Familienleben bestehen, sowie ob Gründe der Einwanderungskontrolle oder Erwägungen zum Schutz der öffentlichen Ordnung für eine Ausweisung sprechen. War ein Fortbestehen des Familienlebens im Gastland bereits bei dessen Begründung wegen des fremdenrechtlichen Status einer der betroffenen Personen ungewiss und dies den Familienmitgliedern bewusst, kann eine Ausweisung nur in Ausnahmefällen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bedeuten (EGMR 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07, mwN; 28.06.2011, Nunez, Zl. 55597/09; 03.11.2011, Arvelo Aponte, Zl. 28770/05; 14.02.2012, Antwi u.a., Zl. 26940/10).
Bei Beurteilung der Frage, ob die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 zur Aufrechterhaltung des Privat- und/oder Familienlebens iSd Art. 8 MRK geboten ist bzw. ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 MRK geschützten Rechte darstellt, ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG 2014 genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG 2014 ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. E 12. November 2015, Ra 2015/21/0101). (vgl. VwGH 08.11.2018, Ra 2016/22/0120)
Bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden ist regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, wurden etwa Aufenthaltsbeendigungen ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen. Diese Rechtsprechung zu Art. 8 MRK ist auch für die Erteilung von Aufenthaltstiteln relevant (vgl. E 26. Februar 2015, Ra 2015/22/0025; E 19. November 2014, 2013/22/0270). Auch in Fällen, in denen die Aufenthaltsdauer knapp unter zehn Jahren lag, hat der VwGH eine entsprechende Berücksichtigung dieser langen Aufenthaltsdauer gefordert (vgl. E 16. Dezember 2014, 2012/22/0169; E 9. September 2014, 2013/22/0247; E 30. Juli 2014, 2013/22/0226). Im Fall, dass ein insgesamt mehr als zehnjähriger Inlandsaufenthalt für einige Monate unterbrochen war, legte der VwGH seine Judikatur zum regelmäßigen Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich bei einem mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalt des Fremden zugrunde (vgl. E 26. März 2015, Ra 2014/22/0078 bis 0082). (vgl. VwGH 08.11.2018, Ra 2016/22/0120)
Dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, können Ausweisungen ausnahmsweise auch nach über zehn Jahre andauernden Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen werden (Vgl. VwGH 10.12.2013, 2012/22/0129)
„Es trifft zu, dass bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen ist und grundsätzlich nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, eine Aufenthaltsbeendigung ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen werden kann (vgl. etwa VwGH 23.2.2017, Ra 2016/21/0340, mwN). Diese zu mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalten entwickelte Judikatur wurde vom VwGH - bei stärkerem Integrationserfolg - auch auf Fälle übertragen, in denen die Aufenthaltsdauer knapp unter zehn Jahren lag (vgl. VwGH 21.12.2017, Ra 2017/21/0132, mwN). Diese Rechtsprechungslinie betraf aber nur Konstellationen, in denen der Inlandsaufenthalt bereits über zehn Jahre dauerte und sich aus dem Verhalten des Fremden - abgesehen vom unrechtmäßigen Verbleib in Österreich - sonst keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ergab (VwGH 25.4.2014, Ro 2014/21/0054; 10.11.2015, Ro 2015/19/0001).“ (VwGH 10.09.2018, Ra 2018/19/0169)
„Die "Zehn-Jahres-Grenze" spielt in der Judikatur des VwGH nur dann eine Rolle, wenn einem Fremden, kein - massives - strafrechtliches Fehlverhalten vorzuwerfen ist (vgl E 26. März 2015, 2013/22/0303). In Fällen gravierender Kriminalität und daraus ableitbarer hoher Gefährdung der öffentlichen Sicherheit stand die Zulässigkeit der Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auch gegen langjährig in Österreich befindliche Ehegatten von österreichischen Staatsbürgern nie in Frage (vgl. E 2. August 2013, 2012/21/0262).“ (VwGH 03.09.2015, Ra 2015/21/0121)
„Im Falle der Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen, wenn diese (auch) wegen strafrechtlichen Fehlverhaltens verhängt werden, bedarf es vor allem im Rahmen der zu treffenden Gefährlichkeitsprognose einer näheren Auseinandersetzung mit diesem strafrechtlichen Fehlverhalten im Einzelnen (Hinweis E 19. Mai 2015, Ra 2014/21/0057).“ (VwGH 03.09.2015, Ra 2015/21/0121)
3.1.5. „Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nehmen die persönlichen Interessen des Fremden an seinem Verbleib in Österreich grundsätzlich mit der Dauer seines bisherigen Aufenthalts zu. Die bloße Aufenthaltsdauer ist jedoch nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalls zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren (vgl. VwGH 10.11.2015, Ro 2015/19/0001).“ und VwGH 08.11.2018, Ro 2016/22/0120).
Der BF hält sich mittlerweile seit 37 ½ Jahren im Bundesgebiet auf und war dessen Aufenthalt bis 19.11.2008 durchgehend rechtmäßig. Ferner absolvierte der BF in Österreich seine Pflichtschulausbildung und ging, wenn auch insgesamt nur für einen kurzen Zeitraum, Erwerbstätigkeiten im Bundesgebiet nach. Zudem weist der BF soziale und – enge – familiäre Bezugspunkte in Österreich auf, ist Vater von 5 Kindern, führt mit seiner Lebensgefährtin und dem gemeinsamen Sohn XXXX ein aufrechtes Familienleben und pflegt zu einem weiteren seiner Kinder, XXXX, eine Vater-Sohn Beziehung. Die Beziehung zu seiner Familie, insbesondere zu seiner Schwester, erweist sich zudem insofern als sehr eng, als er von dieser Unterstützung erhält.
Demgegenüber ist in Anschlag zu bringen, dass der BF sich entgegen eines von 2008 bis 2014 aufrechten Aufenthaltsverbotes im Bundesgebiet aufgehalten hat, er mangels aktueller Erwerbstätigkeit nicht selbsterhaltungsfähig ist, teilweise entgegen bestehender Meldepflichten (siehe § 2 Abs. 1 und 7 Abs 2 MeldeG) auf Wohnsitzmeldungen im Bundesgebiet verzichtet hat und zudem insgesamt 7 Mal strafgerichtlich, teils einschlägig, verurteilt wurde.
So wurde der BF zuletzt – wiederholt – wegen der Vergehen der Körperverletzung, der fahrlässigen Körperverletzung, der Sachbeschädigung und der Nötigung sowie des Verbrechens der schweren Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt. Dabei fällt die wiederholte Verurteilung wegen mit Gewalt oder Drohen mit Gewalt im Zusammenhang stehender Delikte, welche im Ergebnis auch immer wieder zu Verletzungen von Personen führten, besonders ins Auge. Unter Berücksichtigung der wiederholten, überwiegend einschlägigen, Verurteilungen wegen Gewalt- bzw. gewaltnaher Delikte/n (vgl. VwGH 20.11.2008, 2008/21/0603: wonach ein einschlägiges Verhältnis von gefährlicher Drohung und Sachbeschädigung zu Gewaltdelikten besteht), aber auch zweier Verurteilungen wegen Verstößen gegen das Suchtmittelgesetz, steht es außer Zweifel, dass das vom BF gezeigte Verhalten eine maßgebliche Beeinträchtigung öffentlicher Interessen darstellt.
Es gilt jedoch auch zu bedenken, dass der BF seit 2011 keine Verstöße gegen das Suchtmittelgesetz verübt hat, was den Schluss zulässt, dass er seine Suchtmittelgewöhnung überwunden hat und sich zudem – abgesehen seiner Untersuchungshaft im Jahre 2019, aus welcher er anlässlich seines Freispruches wieder entlassen wurde, seit 07.08XXXX.2018 auf freiem Fuß befindet, sich seit seiner letzten Verurteilung in strafgerichtlicher Sicht nichts mehr zu Schulden hat kommen lassen und aktuell in familiär geordneten Verhältnissen lebt. So sind seit seiner letzten Straftat mittlerweile 3 ½ Jahre vergangen, wovon der BF bereits zwei Jahre in Freiheit verbracht hat. Auch hat der BF nach seiner letzten Strafhaft erneut Bemühungen, am österreichischen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, angestrengt und letztlich seine Reue bekundet.
Das erkennende Gericht verkennt keinesfalls, dass der Beachtung fremdenrechtlicher, die Einreise und den Aufenthalt von Fremden in Österreich regelnden Normen, sowie an der Beendigung unrechtmäßiger Aufenthalte im Bundesgebiet (vgl. VwGH 09.03.2003, 2002/18/0293) sowie an der Verhinderung von Suchtmitteldelikten (vgl. VwGH 29.03.2012, 2011/23/0662) und Eigentums- und Gewaltdelikten (vgl. VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0474) große Bedeutung zukommt. Insbesondere hat der BF weiterhin Bezugspunkte im Herkunftsstaat, wo sein Vater und seine Urgroßmutter leben, zudem seine Beziehungen teilweise während unrechtmäßigen Aufenthaltes eingegangen ist und diese insbesondere durch Zeugung von Kindern im besagten Zeitraum vertieft hat. Wenn die integrativen Leistungen des BF sowie dessen Bezugspunkte in Österreich wegen seiner Straftaten und unrechtmäßigen Aufenthalts auch eine gewisse Relativierung hinzunehmen haben, so kommt das erkennende Gericht dennoch zur Ansicht, dass eingedenk der – einen Abbruch der Beziehungen zum Herkunftsstaat bewirkenden – langen Zeit des Aufenthaltes des BF in Österreich, welchen dieser bereits im Säuglingsalter begründet hat und Berücksichtigung bestehender enger familiärer Bande im Bundesgebiet nach Abwägung der sich widerstreitenden privaten Interessen des BF und jenen der Republik Österreich, ein Überwiegen der Interessen des BF festzustellen ist.
Die Anordnung einer Rückkehrentscheidung zöge sohin eine Verletzung der Rechte des BF nach Art. 8 EMRK nach sich und erweist sich eine solche sohin aufgrund des nicht nur vorübergehenden Wesens der dieser Verletzung zugrundeliegenden Umstände, als iSd. § 9 Abs. 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig.
Insofern liegen die Voraussetzungen für die Erteilungen eines Aufenthaltstitels an den BF gemäß §§ 58 Abs. 2 iVm. 55 AsylG vor (vgl. Szymanski, AsylG § 55 Anm. 1, in Schrefler-
König/Szymanski (Hrsg) Fremdenpolizei- und Asylrecht Teil II: wonach § 55 AsylG das Bleiberecht iSd. der Judikatur des VfGH umsetzt, und hierfür Bedingung sei, dass eine Aufenthaltsbeendigung im Hinblick auf Art 8 EMRK auf Dauer unzulässig ist).
Eingedenk der Absolvierung der Pflichtschulausbildung in Österreich und damit des Erfüllens der Voraussetzungen iSd. § 81 Abs. 36 NAG iVm. § 14b Abs. 2 Z 5 NAG idF. BGBl. I Nr. 38/2011 bzw. § 10 Abs. 2 Z 5 IntG seitens des BF war der Beschwerde stattzugeben und spruchgemäß festzustellen, dass dem BF ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 Abs. 1 iVm. § 54 Abs. 2 AsylG „Aufenthaltsberechtigung plus“ für die Dauer von 12 Monaten zu erteilen ist. Ausschlussgründe iSd. § 60 AsylG liegen nicht vor.
3.1.6. Aufgrund erfolgter – die Aufhebung der von der belangten Behörde ausgesprochenen aufenthaltsbeendenden Maßnahme bewirkender – Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG an den BF, fällt auch die Voraussetzung für einen Ausspruch über die Zulässigkeit der Abschiebung (siehe § 52 Abs. 9 FPG) samt Festsetzung einer Frist zur freiwilligen Ausreise (§ 55 FPG) sowie die Erlassung eines Einreiseverbotes weg, weshalb die entsprechenden Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides – im Zuge der Stattgabe der Beschwerde – als aufgehoben gelten.
3.2. Entfall einer mündlichen Verhandlung
Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFAVG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.
Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung „wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der