TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/18 W200 2232135-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.08.2020
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Entscheidungsdatum

18.08.2020

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W200 2232135-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Scherz als Vorsitzende und durch den Richter Dr. Kuzminski sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Halbauer als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice Niederösterreich vom 02.06.2020, Zl. 70157523500026, mit welchem der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:


A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 42 und 47 des Bundesbehindertengesetzes, BGBl. I Nr. 283/1990, idF BGBl. I Nr. 39/2013 iVm § 1 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die beschwerdeführende Partei ist seit 05.12.2019 im Besitz eines Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50 %.

Dass dieser Entscheidung zugrundeliegende internistische Gutachten vom 02.12.2019 gestaltete sich wie folgt:

„Anamnese:

COPD III c (Exraucherin seit 4/2019), arterielle Hypertonie medikamentös behandelt.

Frau XXXX beantragt die Ausstellung eines Behindertenpasses.

Letzter KH Aufenthalt lt. Patientin vor 3 Jahren wegen respiratorischem Infekt (keine Dokumentation)

Derzeitige Beschwerden:

Bekomme zeitweise keine Luft, wenn ich etwas hebe oder schwer trage, kann nicht weit gehen, glaube oft der BH drückt mir die Luft ab, wird ärger bei Nebel oder Feuchtigkeit. Manchmal Druck in der Brust als ob ein Elefant drauf sitzt.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Liste Ordination Dr. XXXX & Dr. XXXX , vom 20.11.2019.

Dilatrend 25 mg 1-0-1, Ebrantil 60 mg 1-0-1, Thiamazol 20 mg 1/2, Trimbow Druck Inhalation 1-0-1, Aerocortin n. bed.

Orthopädische Hilfsmittel: Brille

Sozialanamnese:

Frau XXXX ist verheiratet, Pensionistin, kein Pflegegeldbezug

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe): Lungenfunktion Dr. XXXX , Pulmologe, vom 28.10.2019:

FVC     Soll 3,39  Ist 2,48 % 90,7

FEV 1          2,79  1,11  % 88,8

FEV1% VC MAX
81,52         42,52     % 102,9

MEF 50    3,76    0,57       % 86,2

SO2 94 %

COPD III

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand: Mittelgroße normgewichtige Patientin in gutem AZ kommt erstmals zur Untersuchung in meine Ordination.

Ernährungszustand: normal

Größe: 172,00 cm Gewicht: 71,00 kg Blutdruck: 200/105

Klinischer Status - Fachstatus:

Haut blass, Lippen livide, keine Dyspnoe, HNO Bereich frei, Sehen und Hören normal, Thorax symmetrisch, Cor normal konfiguriert, HA rh, Töne mittellaut und rein, Pulmo hypersonorer KS, hochstehende basen, Pleura frei, substanzarmes VA ohne NG, Abdomen im Thoraxniveau, weich, kein DS, keine Defense oder Resistenz, Hepar und Lien nicht tastbar, OE: Faustschluss seitengleich und kräftig (KG 5), Schürzen- und Nackengriff bds. ungehindert, WS: Brustkyphose, kein Klopfschmerz, Seitwärtsneigung frei, Nierenlager bds. frei, UE: Hüft- und Kniegelenke in allen Ebenen frei beweglich, keine Ödeme, neurologischer Status: grob klinisch unauffällig (…)

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd.

Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD), Chronisch obstruktive Lungenerkrankung - Schwere Form - COPD III

Unterer Rahmensatz, stabil unter Dauertherapie und Nikotinkarenz

06.06.03

50

2

Hypertonie, Mäßige Hypertonie

Fixer Rahmensatz

05.01.02

20

Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Leiden 2 erhöht bei fehlender ungünstiger wechselseitiger Leidensbeeinflussung nicht.

(…) Dauerzustand

(…)

1.       Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Unter Berücksichtigung der im Rahmen der Untersuchung festgestellten Defizite, chronischer obstruktive Lungenschädigung, stabil unter Dauertherapie und Nikotinkarenz, ohne erforderliche Langzeitsauerstoffversorgung, sowie ohne fassbare wesentliche cardiorespiratorische Leistungseinschränkung, mit erhaltener Kraft aller Extremitäten, sind weder die Gehleistung noch die Beweglichkeit der Arme maßgeblich eingeschränkt, sodass das Zurücklegen kurzer Wegstrecken, sowie das Ein- und Aussteigen und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieses Verkehrsmittels angegebenen Bedingungen gewährleistet sind. Das Tragen schwerer Lasten kann durch die Verwendung eines Einkaufs- Trolleys umgangen werden.

2.       Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

Nein“

Gegenständliches Verfahren

In weiterer Folge stellte die Beschwerdeführerin am 03.01.2020 einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass.

Zu diesem Antrag führte die befasste Fachärztin für Innere Medizin aus, dass keine neuen Befunde vorgelegt worden seien, die eine Verschlechterung des Zustandsbildes gegenüber der Begutachtung am 02.12.2019 dokumentierten. Wie bereits in diesem Gutachten dargelegt, sei das Zurücklegen kurzer Wegestrecken von 300 bis 400 Meter unverändert möglich.

Nach Vorlage eines lungenfachärztlichen Befundes durch die Beschwerdeführerin sowie Ausführung in einer Stellungnahme, dass sie, wenn sie ca. 120 bis 150 Meter gehe und einen Einkauf von ca. 2 Kilogramm bis 5 Kilogramm trage, stehen bleiben müsse, da sie sonst keine Luft mehr bekomme, wurde neuerlich einer Stellungnahme der befassten Internistin eingeholt.

Die Internistin führte zum neuen Lungenfunktionsbefund vom 11.02.2020 aus, dass dieser weitgehend ident mit den Werten des Lungenfunktionsbefundes vom 28.11.2019 (im Gutachten vom 02.12.2019 erfasst) sei. Das Zustandsbild wäre trotz Infekts als stationär bewertet und keine Änderung vorgeschlagen. Das Zurücklegen kurzer Wegstrecken von 300 bis 400 Meter auch unter eventueller Nutzung einfacher Hilfsmittel sei möglich. Das Tragen schwerer Lasten könne durch die Verwendung eines Einkaufstrolleys umgangen werden.

Mit Bescheid vom 28.02.2020 wurde der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass abgewiesen.

Begründend wurde auf das eingeholte Gutachten verwiesen.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wurde vorgebracht, dass die Beschwerdeführerin immer mit einem Trolley einkaufen gehe, das Auto jedoch oft mehr als 300 Meter entfernt geparkt sei. Dazu habe sie sehr oft starke Kreuzschmerzen, noch dazu, da sie nicht hinuntergreifen könne. Der Beschwerde angeschlossen waren zwei radiologische Befunde.

Aufgrund der neuerlichen vorgelegten Befunde holte das Sozialministeriumservice abermals ein Sachverständigengutachten basierend auf der Aktenlage von der befassten Fachärztin für Innere Medizin und Ärztin für Allgemeinmedizin ein. Das Gutachten vom 06.04.2020 gestaltete sich wie folgt:

„Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Radiologischer Befund, Dr. XXXX & Dr. XXXX , vom 13.3.2020:

Densitometrie:

Densitometrie: DEXA-Methode

Die Knochendichtemessung mit DEXA ergibt am Schenkelhals einen T-score von -1,1, an der LWS gemessen an den Wirbelkörpern L1 bis L4 einen T-score von -1,7. Der TBS-T-score bei L1 bis L4 ergibt einen Wert von -3,2. FRAX: TBS-korrigiert ergibt sich eine 10-Jahres- Wahrscheinlichkeit für eine Fraktur von 8,6 % der LWS und 1,1 % am Schenkelhals. an Gesamte Wirbelsäule ap und seitlich:

Achsengerechte Stellung der HWS bei deutlich vermehrter Lordosierung, flache s-förmige Fehlhaltung der BWS bei deutlich vermehrter Kyphosierung, sowie achsengerechte Stellung der LWS bei deutlich vermehrter Lordosierung. Insgesamt deutlich osteopenisch rarefizierte Spongiosastrukturen, im HWS-Bereich keine wesentlichen degenerativen Veränderungen, die BWS zeigt kleine ventrale und seitlich Spondylophyten vor allem im mittleren Abschnitt bei auch geringer Osteochondrose, die LWS zeigt mäßige arthrotische Veränderungen an den kleinen Zwischenwirbelgelenken der unteren Segmente, sowie deutlich Zeichen des M. Baastrup.

Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel:

Beschwerdevorentscheidung - 3. Stellungnahme nach VGA vom 2.12.2019, da Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass nicht zuerkannt wurde. Laut VGA vom 2.12.2019 50 % GdB bei COPD III und arterieller Hypertonie. Keine weitere therapeutische Konsequenz.

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1

Chronisch obstruktive Lungenerkrankung - Schwere Form - COPD III, stabil unter Dauertherapie und Nikotinkarenz

2

Hypertonie, medikamentös gut beherrscht

3

Degenerative Veränderungen geringen Grades ohne maßgebliche Alltagseinschränkung

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Geringgradige altersentsprechende degenerative Veränderungen der Wirbelsäule- nun unter Leiden 3 geführt (laut radiologischem Befund vom 13.3.2020) neu dokumentiert. Leiden 1 und 2 aus VGA stationär bewertet.

Dauerzustand

(…)

Gutachterliche Stellungnahme:

Unter Berücksichtigung der im Rahmen der Untersuchung am 2.12.2019 festgestellten Defizite, chronischer obstruktive Lungenschädigung, stabil unter Dauertherapie und Nikotinkarenz, ohne erforderliche Langzeitsauerstoffversorgung, sowie ohne fassbare wesentliche kardiorespiratorische Leistungseinschränkung, mit erhaltener Kraft aller Extremitäten, einschließlich auch der Beurteilung in den beiden Stellungnahmen vom der in den vorangegangenen Stellungnahmen vom 28.1.2020 und vom 27.2.2020 angeführt, sowie unter Berücksichtigung der neu dokumentierten geringgradigen radiologischen Veränderungen der der Wirbelsäule (inklusive Befund der Knochendichtemessung), sind weder die Gehleistung noch die Beweglichkeit der Arme maßgeblich eingeschränkt, sodass das Zurücklegen kurzer Wegstrecken, sowie das Ein- und Aussteigen und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieses Verkehrsmittels angegebenen Bedingungen gewährleistet sind. Das Tragen schwerer Lasten kann durch die Verwendung eines Einkaufs- Trolleys umgangen werden.

Der neu vorgelegte Befund führt zu keiner Änderung der zuvor getroffenen Einschätzungen

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 02.06.2020 wies das Sozialministeriumservice die Beschwerde gegen den Bescheid vom 28.02.2020 ab.

In dem Vorlageantrag vom 17.06.2020 ersuchte die Beschwerdeführerin um eine neue Begutachtung und listete sämtliche von ihr einzunehmende Medikamente auf.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1.    Die Beschwerdeführerin ist im Besitz eines Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung in der Höhe von 50 von Hundert.

1.2.    Der Beschwerdeführerin ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.

1.2.1. Art und Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen:

Status:

Allgemeinzustand: Mittelgroße normgewichtige Patientin in gutem AZ, Ernährungszustand: normal

Größe: 172,00 cm Gewicht: 71,00 kg Blutdruck: 200/105

Klinischer Status - Fachstatus:

Haut blass, Lippen livide, keine Dyspnoe, HNO Bereich frei, Sehen und Hören normal, Thorax symmetrisch, Cor normal konfiguriert, HA rh, Töne mittellaut und rein, Pulmo hypersonorer KS, hochstehende basen, Pleura frei, substanzarmes VA ohne NG, Abdomen im Thoraxniveau, weich, kein DS, keine Defense oder Resistenz, Hepar und Lien nicht tastbar,

Lungenfunktion vom 28.10.2019:

FVC     Soll 3,39  Ist 2,48  % 90,7

FEV 1          2,79  1,11  % 88,8

FEV1% VC MAX
81,52         42,52     % 102,9

MEF 50    3,76    0,57       % 86,2

SO2 94 %

COPD III

OE: Faustschluss seitengleich und kräftig (KG 5), Schürzen- und Nackengriff bds. ungehindert, WS: Brustkyphose, kein Klopfschmerz, Seitwärtsneigung frei, Nierenlager bds. frei,

UE: Hüft- und Kniegelenke in allen Ebenen frei beweglich, keine Ödeme,

neurologischer Status: grob klinisch unauffällig(…)

-        Art der Funktionseinschränkungen: - Chronisch obstruktive Lungenerkrankung - Schwere Form - COPD III, - Hypertonie, - Degenerative Veränderungen geringen Grades ohne maßgebliche Alltagseinschränkung

1.2.2. Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:

Die Beschwerdeführerin leidet zwar an einer Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit, konkret einer chronischen obstruktiven Lungenschädigung COPD III, jedoch unter Dauertherapie ohne erforderliche Langzeitsauerstoffversorgung, sowie ohne fassbare wesentliche cardiorespiratorische Leistungseinschränkung. Mit erhaltener Kraft aller Extremitäten sind weder die Gehleistung noch die Beweglichkeit der Arme maßgeblich eingeschränkt. Das Zurücklegen kurzer Wegstrecken, sowie das Ein- und Aussteigen und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieses Verkehrsmittels angegebenen Bedingungen gewährleistet sind.

Das Zurücklegen kurzer Wegstrecken ist bei derzeitiger selbständiger Mobilität ohne Hilfsmittel bis zu mindestens 300-400 Meter selbsttätig und ohne Pause möglich und zumutbar.

Das Erreichen eines Sitzplatzes und das Stehen in einem fahrenden Verkehrsmittel, das Festhalten beim Ein- und Aussteigen sind einwandfrei möglich und zumutbar.

Es liegen weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten noch psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten vor und auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems

2. Beweiswürdigung:

Zur Klärung des Sachverhaltes war von der belangten Behörde ein lungenfachärztliches Sachverständigengutachten vom 02.12.2020 basierend auf einer Untersuchung sowie zwei Stellungnahme vom 28.01.2020 und 27.02.2020 und im Beschwerdevorentscheidungsverfahren ein Sachverständigengutachten aufgrund der Aktenlage vom 06.04.2020 eingeholt worden.

Dem Gutachten vom 02.12.2020 ist eine „Gesamtmobilität – Gangbild: normalschrittig, sicher und frei“ zu entnehmen. Die Sauerstoffsättigung lag laut dem von der Beschwerdeführerin vorgelegten Befund vom 28.10.2019 mit 94% im Normbereich. Der Lungenfunktionsbefund vom 11.02.2020 weist weitgehend idente Werte auf, obwohl die Beschwerdeführerin an einem Infekt gelitten hat.

Die Beschwerdeführerin benötigt keine Langzeitsauerstoffversorgung und weist laut Gutachten keine wesentliche cardiorespiratorische Leistungseinschränkung auf.

Auch die vorgebrachten degenerativen Veränderungen geringen Grades ohne maßgebliche Alltagseinschränkung bewirken keine maßgebliche Einschränkung der Mobilität der Beschwerdeführerin.

Das eingeholte Sachverständigengutachten ist schlüssig und nachvollziehbar, es gibt für den erkennenden Senat keinen Grund an den plausiblen befundbelegten Ausführungen der befassten Internistin zu zweifeln.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Zu A)

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG).

Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird (§ 45 Abs. 2 BBG).

Zur Frage der Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel:

Gemäß § 1 Abs. 2 Z. 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 ist die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist, einzutragen; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

?        erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

?        erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

?        erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

?        eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

?        eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d
vorliegen.

Entscheidend für die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist, wie sich eine bestehende Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH vom 20.10.2011, Zl. 2009/11/0032).

In den Erläuterungen zu § 1 Abs. 2 Z 3 wird ausgeführt:

Ausgehend von den bisherigen durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten Beurteilungskriterien zur Frage „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ sind Funktionseinschränkungen relevant, die die selbstständige Fortbewegung im öffentlichen Raum sowie den sicheren, gefährdungsfreien Transport im öffentlichen Verkehrsmittel erheblich einschränken. Als Aktionsradius ist eine Gehstrecke von rund 10 Minuten, entsprechend einer Entfernung von rund 200 bis 300 m anzunehmen.

Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Alle therapeutischen Möglichkeiten sind zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des behandelnden Arztes/der behandelnden Ärztin ist nicht ausreichend.

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

- Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

- Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

- COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie

- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt.

Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt. (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080)

Die Beschwerdeführerin leidet an COPD III. Es liegen im konkreten Fall die Voraussetzungen für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung jedoch nicht vor.

Wie den oben angeführten Erläuterungen zu entnehmen ist, liegt dann jedenfalls eine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit bei COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie sowie einem Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie vor und muss darüber hinaus ein mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff nachweislich benützt werden.

Die Beschwerdeführerin erfüllt jedoch keines der Kriterien.

Die degenerative Veränderung der Wirbelsäule ist nur geringgradig, weshalb eine erhebliche Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten vom erkennenden Senat ausgeschlossen wird.

Wenn die Beschwerdeführerin meint, dass ihr Auto oft nicht in einer Entfernung von 300m vom Einkaufsort abgestellt werden kann, und ihre Gehstrecke deshalb weiter wäre, so ist dem die ständige Judikatur des VwGH zur Entfernung zwischen der Wohnung und der nächstgelegenen Haltestelle öffentlicher Verkehrsmittel entgegenzuhalten. Nichts Anderes kann wohl für ein abgestelltes Privat-PKW gelten:

Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel kommt es entscheidend auf die Art und Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel an, nicht aber auf andere Umstände wie die Entfernung zwischen der Wohnung und der nächstgelegenen Haltestelle öffentlicher Verkehrsmittel (Hinweis E vom 22. Oktober 2002, 2001/11/0258).

Demnach war die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid abzuweisen.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. (§ 24 Abs. 1 VwGVG)

Die Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist. (§ 24 Abs. 2 Z.1 VwGVG)

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)

Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)

Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. (§ 24 Abs. 5 VwGVG)

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

Zur Klärung des Sachverhaltes waren von der belangten Behörde zwei internistische Gutachten und zwei Stellungnahmen eingeholt worden. Darin wurde der Zustand der Beschwerdeführerin im Detail dargelegt und übereinstimmend das Nichtvorliegen der Voraussetzungen – konkret das Nichtvorliegen erheblicher Funktionseinschränkungen – für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung festgestellt.

Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, wurden die Sachverständigengutachten und Stellungnahmen als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet. Sohin erscheint der Sachverhalt geklärt, dem Bundesverwaltungsgericht liegt kein Beschwerdevorbringen vor, das mit der Beschwerdeführerin mündlich zu erörtern gewesen wäre. Eine Verhandlung konnte angesichts der plausiblen Beschreibung des medizinischen Zustandes des Beschwerdeführers unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass Sachverständigengutachten Zumutbarkeit Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W200.2232135.1.00

Im RIS seit

21.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

21.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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