Entscheidungsdatum
19.08.2020Norm
ASVG §18aSpruch
W209 2232501-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Reinhard SEITZ als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , XXXX , XXXX , gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt, Hauptstelle Wien, vom 08.05.2020, GZ: HVBA- XXXX , betreffend Beendigung der Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes gemäß § 18a Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid vom 04.11.2014 gab die belangte Behörde (im Folgenden: PVA) dem Antrag der Beschwerdeführerin vom 29.04.2014 auf freiwillige Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege ihrer behinderten Tochter XXXX geboren am XXXX , statt und erkannte ihr ab 01.04.2013 sowie rückwirkend ab 01.01.2003 im Höchstausmaß von 120 Beitragsmonaten einen Anspruch auf freiwillige Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes gemäß § 18a ASVG zu.
2. Mit beschwerdegegenständlichem Bescheid vom 08.05.2020 sprach die PVA aus, dass der Anspruch der Beschwerdeführerin auf freiwillige Selbstversicherung mit 30.04.2019 ende. Begründend wurde ausgeführt, dass ein bescheidmäßig zuerkannter Anspruch auf eine laufende eigene Leistung aus einer gesetzlichen Pensionsversicherung vorliege und das Höchstausmaß der laut § 669 Abs. 3 ASVG vorgesehenen 120 Beitragsmonate der freiwilligen Selbstversicherung erreicht worden sei.
3. Dagegen richtet sich die vorliegende, binnen offener Rechtsmittelfrist erhobene Beschwerde, die zunächst nicht näher definiert nur mit der Unklarheit des Gesetzes bzw. der 2015 erfolgten Gesetzesänderung begründet wurde, mit Schriftsatz vom 10.06.2020 aber dahingehend ergänzt wurde, dass es richtig sei, dass die Beschwerdeführerin seit 01.05.2019 eine Alterspension beziehe, deswegen aber keine Beendigung der Selbstversicherung erfolgen hätte dürfen. Dies deswegen, weil § 18 Abs. 2 Z 1 ASVG mit Wirkung vom 31.12.2014 (BGBl. I Nr. 2/2015) aufgehoben worden sei. Seit diesem Zeitpunkt sei ein bescheidmäßig zuerkannter Anspruch auf eine laufende Leistung aus einer eigenen gesetzlichen Pensionsversicherung kein Ausschlussgrund mehr. Wie Pfeil in Mosler/Müller/Pfeil, der SV-Komm (Stand 1.8.2015, rdb.at), in Rz 15 zu § 18a ASVG ausführe, hätten weder die Aufnahme einer pensionsversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit, die noch nicht als Wegfall des Tatbestandsmerkmals „erhebliche Beanspruchung der Arbeitskraft“ verstanden werden könne, noch das Entstehen eines Eigenpensionsanspruchs den Wegfall der Berechtigung zur Selbstversicherung zur Folge. Die PVA hätte daher die Selbstversicherung nicht mit 30.04.2019 beenden dürfen.
4. Am 29.06.2020 legte die PVA die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor und bekräftigte in einer beigefügten Stellungnahme, dass die der Beschwerdeführerin mit 01.05.2019 zuerkannte Alterspension die freiwillige Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes ausschließe.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Entscheidung wird folgender Sachverhalt zu Grunde gelegt:
Mit Bescheid vom 04.11.2014 erkannte die PVA der am XXXX geborenen Beschwerdeführerin ab 01.04.2013 sowie rückwirkend ab 01.01.2003 im Höchstausmaß von 120 Beitragsmonaten einen Anspruch auf freiwillige Selbstversicherung in er Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege ihrer behinderten Tochter XXXX geboren am XXXX , zu.
Ausschlussgründe iSd § 18a Abs. 2 ASVG oder Beendigungsgründe iSd § 18a Abs. 6 ASVG liegen nicht vor.
Soweit die PVA in dem seit 01.05.2019 bestehenden Anspruch der Beschwerdeführerin auf eine Alterspension einen Ausschlussgrund erblickte, ist auf die rechtliche Würdigung weiter unten zu verweisen, der zufolge ein bescheidmäßig zuerkannter Anspruch auf eine laufende Leistung aus einer eigenen gesetzlichen Pensionsversicherung seit 01.01.2015 keinen Ausschluss- bzw. Beendigungsgrund mehr darstellt.
2. Beweiswürdigung:
Die Zuerkennung des Anspruchs auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18 ASVG ab 01.04.2013 steht aufgrund der Aktenlage als unstrittig fest.
Das Vorliegen von Beendigungsgründen iSd § 18a Abs. 6 ASVG, so insbesondere der Wegfall der erhöhten Familienbeihilfe oder einer sonstigen Voraussetzung gemäß § 18a Abs. 1 ASVG, wurde von der belangten Behörde nicht behauptet und es ergeben sich hierfür aus der Aktenlage auch keine Anhaltspunkte.
3. Rechtliche Beurteilung:
§ 414 Abs. 1 ASVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide eines Versicherungsträgers.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. § 414 Abs. 2 ASVG sieht in den in § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 ASVG aufgezählten Angelegenheiten die Entscheidung durch einen Senat unter Laienrichterbeteiligung vor, wenn dies von einer Partei beantragt wird. Im gegenständlichen Fall handelt es sich um eine derartige Angelegenheit (Z 1). Mangels Antrages liegt jedoch Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A)
Vorliegend gelangt folgende maßgebende Bestimmung des ASVG, BGBl. Nr. 189/1955, zur Anwendung:
§ 18a ASVG idF BGBl. I Nr. 2/2015:
„Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten
der Pflege eines behinderten Kindes
§ 18a. (1) Personen, die ein behindertes Kind, für das erhöhte Familienbeihilfe im Sinne des § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376, gewährt wird, unter überwiegender Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung pflegen, können sich, solange sie während dieses Zeitraumes ihren Wohnsitz im Inland haben, längstens jedoch bis zur Vollendung des 40. Lebensjahres des Kindes, in der Pensionsversicherung selbstversichern. Der gemeinsame Haushalt besteht weiter, wenn sich das behinderte Kind nur zeitweilig wegen Heilbehandlung außerhalb der Hausgemeinschaft aufhält. Eine Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes kann jeweils nur für eine Person bestehen.
(2) Die Selbstversicherung ist für eine Zeit ausgeschlossen, während der
1. (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 2/2015)
2. eine Ausnahme von der Vollversicherung gemäß § 5 Abs. 1 Z 3 besteht oder auf Grund eines der dort genannten Dienstverhältnisse ein Ruhegenuß bezogen wird oder
3. eine Ersatzzeit gemäß § 227 Abs. 1 Z 3 bis 6 oder § 227a vorliegt.
(3) Eine überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft im Sinne des Abs. 1 wird jedenfalls dann angenommen, wenn und so lange das behinderte Kind
1. das Alter für den Beginn der allgemeinen Schulpflicht (§ 2 des Schulpflichtgesetzes 1985, BGBl. Nr. 76/1985) noch nicht erreicht hat und ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf,
2. während der Dauer der allgemeinen Schulpflicht wegen Schulunfähigkeit (§ 15 des Schulpflichtgesetzes 1985) entweder von der allgemeinen Schulpflicht befreit ist oder ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf,
3. nach Vollendung der allgemeinen Schulpflicht und vor Vollendung des 40. Lebensjahres dauernd bettlägrig ist oder ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf.
(4) Die Selbstversicherung ist in dem Zweig der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz zulässig, in dem der (die) Versicherungsberechtigte zuletzt Versicherungszeiten erworben hat. Werden keine Versicherungszeiten in der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz nachgewiesen oder richtet sich deren Zuordnung nach der ersten nachfolgenden Versicherungszeit, so ist die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung der Angestellten zulässig.
(5) Die Selbstversicherung beginnt mit dem Zeitpunkt, den der (die) Versicherte wählt, frühestens mit dem Monatsersten, ab dem die erhöhte Familienbeihilfe (Abs. 1) gewährt wird, spätestens jedoch mit dem Monatsersten, der auf die Antragstellung folgt.
(6) Die Selbstversicherung endet mit dem Ende des Kalendermonates,
1. in dem die erhöhte Familienbeihilfe oder eine sonstige Voraussetzung (Abs. 1) weggefallen ist,
2. in dem der (die) Versicherte seinen (ihren) Austritt erklärt hat.
Ab dem erstmaligen Beginn der Selbstversicherung (Abs. 5) gelten die Voraussetzungen bis zum Ablauf des nächstfolgenden Kalenderjahres als erfüllt; in weiterer Folge hat der Versicherungsträger jeweils jährlich einmal festzustellen, ob die Voraussetzungen für die Selbstversicherung nach Abs. 1 gegeben sind. Der Versicherte ist verpflichtet, den Wegfall der erhöhten Familienbeihilfe dem Träger der Pensionsversicherung binnen zwei Wochen anzuzeigen.
(7) Das Ende der Selbstversicherung steht hinsichtlich der Berechtigung zur Weiterversicherung in der Pensionsversicherung dem Ausscheiden aus der Pflichtversicherung im Sinne des § 17 Abs. 1 Z 1 lit. a gleich.“
Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:
Die Beschwerde richtet sich gegen die mit der Zuerkennung einer Alterspension ab 01.05.2019 begründete bescheidmäßige Feststellung der PVA, dass die freiwillige Selbstversicherung der Beschwerdeführerin in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege ihrer behinderten Tochter mit 30.04.2019 endet.
§ 18a Abs. 2 Z 1 ASVG in der Fassung vor dem Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz, BGBl. I Nr. 2/2015, sah (u.a.) vor, dass ein bescheidmäßig zuerkannter Anspruch auf eine laufende Leistung aus einer eigenen gesetzlichen Pensionsversicherung den Anspruch auf Selbstversicherung ausschließt.
Mit Wirkung vom 31.12.2014 (BGBl. I Nr. 2/2015) wurde jedoch § 18 Abs. 2 Z 1 ASVG aufgehoben. Seit diesem Zeitpunkt ist somit ein bescheidmäßig zuerkannter Anspruch auf eine laufende Leistung aus einer eigenen gesetzlichen Pensionsversicherung kein Ausschlussgrund mehr. Wie Pfeil in Mosler/Müller/Pfeil, der SV-Komm (Stand 1.8.2015, rdb.at), in Rz 15 zu § 18a ASVG ausführt, haben weder die Aufnahme einer pensionsversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit, die noch nicht als Wegfall des Tatbestandsmerkmals „erhebliche Beanspruchung der Arbeitskraft“ verstanden werden könne, noch das Entstehen eines Eigenpensionsanspruchs den Wegfall der Berechtigung zur Selbstversicherung zur Folge.
Vorliegend steht daher der Umstand, dass der Beschwerdeführerin ab 01.05.2019 eine Alterspension zuerkannt wurde, der Selbstversicherung nicht entgegen (vgl. auch BVwG 21.03.2016, W164 2016503-2/9E).
Sonstige Ausschluss- oder Beendigungsgründe liegen den Feststellungen zufolge nicht vor.
Demensprechend war der Beschwerde stattzugeben und der bekämpfte Bescheid gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos zu beheben.
Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass gemäß § 230 Abs. 1 ASVG Beiträge, die nach dem Stichtag (vgl. § 223 Abs. 2 ASVG) für einen anderen Beitragszeitraum als den letzten dem Stichtag zeitlich unmittelbar vorangehenden entrichtet werden, für die Leistung aus dem eingetretenen Versicherungsfall (hier: des Alters) unwirksam sind.
Insofern hat daher die weitere freiwillige Selbstversicherung der Beschwerdeführerin gemäß § 18a ASVG keine Auswirkungen auf die Höhe der bestehenden Alterspension.
Die nach dem Stichtag für die Alterspension erworbenen Versicherungszeiten können aber bei Eintritt des nächsten Versicherungsfalls – also des Todes – Berücksichtigung finden und wirken sich sohin in einer allfälligen Hinterbliebenenpension aus (vgl. Panhölzl in Mosler/Müller/Pfeil, der SV-Komm (Stand 1.3.2015, rdb.at) in Rz 32 zu § 230 ASVG).
Entfall der mündlichen Verhandlung.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Zwar fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob ein Eigenpensionsanspruch nach der geltenden Rechtslage die Selbstversicherung gemäß § 18a ASVG ausschließt. Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu einer konkreten Fallgestaltung liegt aber auch dann keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn das Gesetz selbst – wie im vorliegenden Fall – eine eindeutige Regelung trifft (vgl. VwGH 15.10.2019, Ra 2019/02/0109).
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Alterspension Ausschlusstatbestände Pensionsversicherung Rechtslage SelbstversicherungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W209.2232501.1.00Im RIS seit
21.12.2020Zuletzt aktualisiert am
21.12.2020