TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/20 W133 2224552-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.08.2020
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Entscheidungsdatum

20.08.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W133 2224552-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumsservice, Landesstelle Wien, vom 04.09.2019, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am 18.03.2019 unter Vorlage eines Befundkonvoluts einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (in der Folge als „belangte Behörde“ bezeichnet). Dem Antrag wurde außerdem ein Diplom der Technischen Universität Wien beigelegt.

Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag. In diesem Gutachten vom 15.07.2019 wurden auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung und umfassender Darstellung der Statuserhebung die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Position

GdB %

1

Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule

Oberer Rahmensatz dieser Position, da geringe Beweglichkeitseinschränkung in allen Abschnitten

02.01.01

20

2

Beginnende Kniegelenksarthrose rechts

Unterer Rahmensatz dieser Position, da ohne Beweglichkeitseinschränkung und ohne Reizerguss, bei wiederkehrenden Beschwerden

02.05.18

10

zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 20 von Hundert (v.H.) eingeschätzt. Begründend führte der Gutachter aus, das führende Leiden 1 werde durch das Leiden 2 nicht erhöht wegen fehlender wechselseitiger ungünstiger Leidensbeeinflussung und zu geringer funktioneller Relevanz.

Mit Schreiben vom 16.07.2019 räumte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer ein förmliches Parteiengehör gemäß § 45 AVG samt Möglichkeit zur Stellungnahme ein. Das Gutachten vom 15.07.2019 wurde dem Beschwerdeführer als Beilage übermittelt.

Am 27.08.2019 langte bei der belangten Behörde eine Stellungnahme des Beschwerdeführers ein. Darin führt er zusammengefasst aus, dass sich der bereits vor 9-10 Jahren von der belangten Behörde festgestellte Behinderungsgrad von 20 v.H. massiv verschlechtert habe. Dies sei auch durch mehrere Fachärzte für Orthopädie festgestellt worden. Es sei nicht nachvollziehbar, dass trotz der mehrfach bestätigten wesentlichen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes (v.a. beim rechten Knie) von der belangten Behörde wiederum ein Behinderungsgrad von 20 v.H. festgestellt worden sei. Er sei der Meinung, dass bei nachweislicher Verschlechterung seines (Knie)-Zustandes um etwa 50 v.H., ein Grad der Behinderung von 30 v.H. ermittelt werden hätte müssen. Er habe im letzten Jahr aufgrund der massiven Verschlechterungen nur hinkend und mit Behelfsmitteln (Stöcken) kurze Strecken (von maximal 200 — 300 Metern) mit großer Mühe zu Fuß zurücklegen können. Das Stiegen-Steigen sei nur mit seinem linken Fuß hinkend und mit größten Schwierigkeiten möglich gewesen. Zu dieser Zeit habe er den gegenständlichen Antrag gestellt. Er sei zu dieser Zeit aufgrund seiner unerträglichen Schmerzen am rechten Knie sowie am Rücken bereits seit mehreren Monaten (und Jahren) unter intensiver Behandlung durch Fachärzte für Orthopädie gestanden (diese Fachärzte werden in der Folge aufgezählt). Den von der belangten Behörde vergebenen Untersuchungstermin im April-Mai 2019 habe er aus beruflichen Gründen nicht einhalten können, daher sei dieser seinerseits auf einen späteren Zeitpunkt verschoben worden. Kurz zuvor sei er nach Schmerztherapien mit Cortison-Spritzen in das rechte Kniegelenk schmerzfrei geworden, damit er seiner Berufstätigkeit nachkommen könne, ohne ständig unter starken Knieschmerzen und Therapien leiden zu müssen. Die Schmerzen seien auch deshalb verschwunden, da er während dieser Zeit hauptsächlich mit dem Auto unterwegs gewesen sei und nicht täglich Stiegen steigen habe müssen. Den Termin zur medizinischen Untersuchung habe er - nach mehrmaligen Verschiebungen - im Hochsommer 2019 wahrgenommen. In dieser Zeit seien seine Behandlungen schon zu Ende gewesen. Er habe keine Medikamente verwendet, da seine Behandlungen nur 2x (2 Phasen) im Jahr in der kalten Jahreszeit von ca. Oktober bis Mai durchzuführen und (vorschriftsmäßig seitens WGKK: 2x 10 -16 Behandlungen) möglich seien. Hinzu komme die Tatsache, dass er in der warmen Jahreszeit weniger unter seinen Gesundheitsbeschwerden leide bzw. manchmal auch beschwerdefrei sei. Daher habe er zu dieser Zeit weder irgendwelche Behandlungen gehabt, noch Medikamente genommen. Es sei vom Sachverständigen im Gutachten festgehalten worden „War Bauingenieur, jetzt AMS“. Er halte ausdrücklich fest, dass er schon seit 21 Jahren als Bauingenieur tätig gewesen sei. Er sei nur momentan arbeitslos, wovon die meisten Bauingenieure in Österreich in seinem Alter betroffen seien. Er ersuche um eine neuerliche Untersuchung im Oktober oder November, wo seine Beschwerden tatsächlich und eindeutig feststellbar seien. Sein Anliegen sei es, dass sein Behinderungsgrad korrekt festgestellt werde, die Ausstellung eines Behindertenpasses sei nicht sein Ziel und Zweck. Der Stellungnahme wurden drei (teilweise bereits vorgelegte) Befunde beigelegt.

Aufgrund der eingebrachten Stellungnahme holte die belangte Behörde eine Stellungnahme des Facharztes für Orthopädie, welcher das Gutachten vom 15.07.2019 erstellt hatte, vom 03.09.2019 ein. Darin führt der Gutachter zusammenfassend aus, der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers sei korrekt festgestellt worden.

Am 03.09.2019 langten medizinische Unterlagen des Beschwerdeführers (größtenteils Bestätigungen verschiedener Therapien) bei der belangten Behörde ein.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 04.09.2019 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) ab, da er mit dem festgestellten Grad der Behinderung von 20 v.H. die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfülle. In der Begründung verwies die belangte Behörde auf das Ergebnis der ärztlichen Begutachtung, wonach der Grad der Behinderung 20 v.H. betrage. Das Gutachten vom 15.07.2019 und die Stellungnahme vom 03.09.2019 wurden dem Beschwerdeführer als Beilage übermittelt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit E-Mailschreiben vom 15.10.2019 fristgerecht eine Beschwerde. Darin führt er zusammengefasst aus, sein Behinderungsgrad sei von der belangten Behörde vor ca. 10-11 Jahren (ca. 2008/2009) mit 20 v.H. festgestellt worden. Inzwischen habe sich der Zustand seines rechten Knies wesentlich verschlechtert, und zwar von einer damals beginnenden Degeneration des Gelenkknorpels zu einer heutigen hochgradigen Chondropathie des Grads IV, einem deutlich erkennbaren Meniskusriss etc. Die ständigen Schmerzzustände am rechten Knie würden die bisher durchgeführten Infiltrationen/Schmerztherapien mit Kortison-Spritzen sowie eine kommende Knie-Operation (Arthroskopie am rechten Knie) in den nächsten Wochen unvermeidbar machen. Hinzu würden noch die Beschwerden an der Wirbelsäule sowie eine Gelenkverletzung an der rechten Schulter kommen, die ständige physiotherapeutische Behandlungen notwendig machen würden. Bei der aktuellen Untersuchung durch den Arzt des Sozialministeriums im Juli 2019 sei trotz aller Verschlechterungen (v.a. am rechten Kniegelenk) keine Erhöhung seines Behinderungsgrades festgestellt worden. Es sei unmöglich, dass trotz seines mehrfach verschlechterten Zustandes allgemein und speziell am rechten Knie keine Änderung/Verschlechterung/Erhöhung des Behinderungsgrades vom alten Wert von 20 v.H. festgestellt worden sei. Das Ziel seiner gegenständlichen Beschwerde sei die Anerkennung bzw. Anpassung/Erhöhung seines aktuellen Behinderungsgrads nach den aktuellen Befunden. Der Beschwerde wurden vier (teilweise bereits vorgelegte) Befunde beigelegt.

Die belangte Behörde legte am 18.10.2019 dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor. Das Verfahren wurde der hg. Gerichtsabteilung W115 zugeteilt.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.01.2020 wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren mit Wirksamkeit vom 07.02.2020 der Gerichtsabteilung W115 abgenommen und der Gerichtsabteilung W133 neu zugeteilt.

Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde vom Bundesverwaltungsgericht ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie sowie Ärztin für Allgemeinmedizin unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung vom 25.05.2020 eingeholt. In diesem Gutachten wurden auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung und umfassender Darstellung der Statuserhebung die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Position

GdB %

1

Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule 

Oberer Rahmensatz, da rezidivierende Beschwerden und geringgradige funktionelle Einschränkung vor allem im Bereich der Lendenwirbelsäule.

02.01.01

20

2

Kniegelenksarthrose rechts 

Oberer Rahmensatz, da zum Teil höhergradige Knorpelschäden und Zustand nach Meniskusteilresektion bei jedoch geringer funktioneller Einschränkung.

02.05.18

20

zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 20 v.H. eingeschätzt. Begründend führte die Gutachterin aus, Leiden 1 werde durch Leiden 2 nicht erhöht, da aufgrund des Ausmaßes von Leiden 2 keine maßgebliche negative Beeinflussung von Leiden 1 bestehe. Im Vergleich zum von der belangten Behörde eingeholten Gutachten vom 15.07.2019 werde das Leiden 2 um eine Stufe angehoben, da eine Verschlimmerung eingetreten sei und eine Arthroskopie erforderlich geworden sei. Maßgeblich für die herangezogene Position seien die funktionellen Einschränkungen geringen Ausmaßes, eine höhere Einstufung sei daher nicht gerechtfertigt.

Mit Schreiben vom 09.06.2020 informierte das Bundesverwaltungsgericht die Parteien des Verfahrens über das Ergebnis der Beweisaufnahme und räumte ihnen in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit ein, dazu eine Stellungnahme abzugeben.

Die belangte Behörde erstattete keine Stellungnahme.

Mit E-Mail vom 27.06.2020 brachte der Beschwerdeführer eine Stellungnahme ein. Darin wird ohne Vorlage von Beweismitteln zusammengefasst ausgeführt, dass der Sinn und Zweck des gegenständlichen Antrages darin bestehe, eine korrekte und gerechte Anpassung seines Behinderungsgrades festzustellen. Er sei Baumeister und Dipl. Ing. für Bauingenieurwesen, habe eine ausgezeichnete Stelle und dementsprechendes Gehalt. Somit würden keine finanziellen Interessen betreffend den gegenständlichen Antrag bestehen. Seine Beschwerden am rechten Knie würden aus einer Patella-Luxation und deren Folgen stammen, die ihm im Rahmen seines Grundwehrdienstes beim österreichischen Bundesheer und durch einen Dienstunfall im April 1999 passiert seien. Daher sei in den Jahren 2009/2010 ein Behinderungsgrad von 20 v.H. festgestellt worden. In den letzten Jahren habe sich seine Situation im Zusammenhang mit seinen Kniebeschwerden jedoch drastisch verschlechtert, er sei kaum in der Lage kurze Strecken von ca. 200 Metern zu Fuß zu gehen. Im Durchschnitt habe sich seine Lage um 75 v.H. verschlechtert. Es sei von etlichen Ärzten eine "starke Degeneration im Kniegelenk sowie Meniskus-Riss, etc." diagnostiziert worden. In weiterer Folge führt der Beschwerdeführer ein Rechenbeispiel an, wonach bei ihm mindestens ein Grad der Behinderung von 35 v.H. bestehen würde. Auch nach der durchgeführten Knieoperation (Kniearthroskopie) im vergangenen November seien diese hochgradigen Degenerierungen seitens seiner chirurgischen Ärzte festgestellt und bestätigt worden, wobei die Notwendigkeit der durchgeführten Operation bei den entsprechenden Nachuntersuchungen wiederum bestätigt worden sei. Nach der Knieoperation sei eine Verbesserung eingetreten, trotzdem sei er nicht beschwerde- und schmerzfrei. Er sei nicht in der Lage Entfernungen von mehr als 300-400 Metern zu Fuß zurückzulegen, ohne dass dabei Schmerzen v.a. am Kniegelenk entstehen würden. Hinzu würden Beschwerden im Zusammenhang mit der Wirbelsäule (Lumbalgie, Beckenschiefstand, etc.) kommen, die sich in den letzten 10 Jahren auch verschlechtert hätten. Zwischen den bei ihm bestehenden Leiden würde eine Wechselwirkung bestehen, weshalb bei ihm ein höherer Grad der Behinderung als 20 v.H. vorliege. Daher ersuche er aus Gründen der Korrektheit, Richtigkeit und Gerechtigkeit um Neuermittlung seines Behinderungsgrades.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer brachte am 18.03.2019 den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bei der belangten Behörde ein.

Er ist österreichischer Staatsbürger und hat seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich.

Beim Beschwerdeführer bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1.       Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit rezidivierenden Beschwerden und geringgradigen funktionellen Einschränkungen vor allem im Bereich der Lendenwirbelsäule;

2.       Kniegelenksarthrose rechts mit zum Teil höhergradigen Knorpelschäden und Zustand nach Meniskusteilresektion bei jedoch geringer funktioneller Einschränkung.

Das führende Leiden 1 wird durch das Leiden 2 nicht erhöht, da aufgrund des Ausmaßes von Leiden 2 keine maßgebliche negative Beeinflussung von Leiden 1 besteht.

Der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers beträgt aktuell 20 v.H.

Im Vergleich zum von der belangten Behörde eingeholten Gutachten vom 15.07.2019 wurde das Leiden 2 (Kniegelenksarthrose rechts) um eine Stufe angehoben, da eine Verschlimmerung eingetreten ist und eine Arthroskopie erforderlich wurde. Maßgeblich für die herangezogene Position sind die funktionellen Einschränkungen geringen Ausmaßes, eine höhere Einstufung ist daher nicht gerechtfertigt. Der Gesamtgrad der Behinderung wird durch das neu eingestufte Leiden 2 nicht verändert, da – wie soeben ausgeführt - kein maßgebliches negatives Zusammenwirken mit Leiden 1 vorliegt.

Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, medizinischer Diagnose, wechselseitiger Leidensbeeinflussung und medizinischer Einschätzung werden daher die diesbezüglichen Beurteilungen in dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie sowie Ärztin für Allgemeinmedizin vom 25.05.2020, welches das von der belangten Behörde eingeholte Gutachten eines Facharztes für Orthopädie vom 15.07.2019 sowie dessen ergänzende Stellungnahme vom 03.09.2019 im Wesentlichen bestätigt, der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.

Unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden medizinischen Befunde und der Untersuchungsergebnisse in den gegenständlich eingeholten Gutachten ist eine höhere Einschätzung der festgestellten Leidenszustände zum Entscheidungszeitpunkt nicht möglich.

2. Beweiswürdigung:

Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland ergeben sich aus dem im Akt aufliegenden aktuellen ZMR-Auszug und seinen eigenen Angaben bei der Antragstellung; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Auch die belangte Behörde ging vom Vorliegen dieser Voraussetzung aus.

Der Gesamtgrad der Behinderung basiert auf dem seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholten Sachverständigengutachten vom 25.05.2020, welches sich im Wesentlichen mit dem von der belangten Behörde eingeholten Gutachten vom 15.07.2019 inklusive der Stellungnahme vom 03.09.2019 deckt. In diesen Gutachten wird auf die Art der Leiden des Beschwerdeführers und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen, welche auf den im Rahmen persönlicher Untersuchungen erhobenen Befunden basieren, entsprechen auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen (diesbezüglich wird auch auf die oben auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen im Gutachten verwiesen); die Gesundheitsschädigungen wurden nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Führendes Leiden des Beschwerdeführers sind die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule. Dieses Leiden wurde von beiden im gegenständlichen Verfahren beigezogenen Gutachtern korrekt dem oberen Rahmensatz (20 v.H.) der Positionsnummer 02.01.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung (Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule geringen Grades mit mäßigen radiologischen Veränderungen ohne Dauertherapie) zugeordnet, da rezidivierende Beschwerden und geringgradige funktionelle Einschränkungen vor allem im Bereich der Lendenwirbelsäule festgestellt werden konnten. Betreffend die Wirbelsäule wurde von der vom Bundeverwaltungsgericht beigezogenen Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie sowie Ärztin für Allgemeinmedizin im ihrem Gutachten vom 25.05.2020 folgender Status erhoben:

„Wirbelsäule: Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet, mäßig Hartspann im Bereich der Schulter- und Nackenmuskulatur, geringgradig Klopfschmerz über der unteren LWS Aktive Beweglichkeit: HWS: in allen Ebenen frei beweglich BWS/LWS: FBA: 20 cm, in allen Ebenen frei beweglich Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar.“

Daraus ergibt sich, dass beim Beschwerdeführer im Bereich der Wirbelsäule lediglich geringgradige funktionelle Einschränkungen objektiviert werden konnten. Daher wurde dem Ausmaß der bestehenden Funktionseinschränkungen im Bereich der Wirbelsäule durch die Heranziehung der Positionsnummer 02.01.01 mit einem Grad der Behinderung von 20 v.H. entsprechend Rechnung getragen.

Als Leiden 2 wurde von den Gutachtern die Kniegelenksarthrose rechts eingestuft. Dieses Leiden wurde von der vom Bundesverwaltungsgericht beigezogenen Sachverständigen korrekt dem oberen Rahmensatz der Positionsnummer 02.05.18 der Anlage zur Einschätzungsverordnung zugeordnet, welche Funktionseinschränkungen geringen Grades im Kniegelenk einseitig betrifft. Im Vergleich zu dem von der belangten Behörde eingeholten Gutachten vom 15.07.2019 wurde der Einzelgrad der Behinderung des Leidens 2 nunmehr um eine Stufe angehoben, da die nun nachgewiesenen Knorpelschäden und die diskrete Beugehemmung in der Beurteilung berücksichtigt wurden. Es ist somit eine Verschlimmerung eingetreten, außerdem wurde eine Arthroskopie erforderlich. Maßgeblich für die herangezogene Position sind die funktionellen Einschränkungen, diese sind im Fall des Beschwerdeführers von geringem Ausmaß. Im Rahmen der persönlichen Untersuchung am 22.05.2020 konnte beim Kniegelenk rechts eine Narbe nach Arthroskopie und eine geringgradige Umfangsvermehrung suprapatellar objektiviert werden. Ansonsten konnten keine Umfangsvermehrung, keine Überwärmung und lediglich ein geringgradiger Erguss festgestellt werden. Objektiviert werden konnte retropatellar ein geringgradiger Anpressschmerz, jedoch kein Druckschmerz über dem Gelenkspalt. Auch waren keine Bewegungsschmerzen auslösbar und lagen keine endlagigen Beugeschmerzen vor. Schließlich konnte nur eine geringgradige Einschränkung der Beugefähigkeit des rechten Kniegelenkes – links 0/0/140, gegenüber rechts 0/0/135 – objektiviert werden. In seiner Stellungnahme zum Parteiengehör vom 27.06.2020 gab der Beschwerdeführer selbst auch an, dass es durch die Knieoperation zu einer Verbesserung seines Zustandes gekommen sei. Dem vorgelegten Entlassungsbericht vom 11.11.2019 ist zu entnehmen, dass der postoperative Verlauf und der stationäre Aufenthalt komplikationslos verliefen. Der Beschwerdeführer konnte in voll mobilisierten Zustand sowie Vollbelastung des operierten Beines entlassen werden. Insofern ist die gegenständliche Einstufung des Knieleidens rechts nicht zu beanstanden.

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, die bei ihm vorliegenden Leiden würden sich ungünstig beeinflussen, ist festzuhalten, dass die funktionelle Beurteilung das entscheidende Kriterium zur Feststellung des Grades der Behinderung darstellt, diese individuell erfolgt - weshalb eine klinische Untersuchung zur Beurteilung durchgeführt wird - und Hilfsbefunde wie bildgebende oder fachärztliche Befunde zur Objektivierung herangezogen werden. Eine erhöhende Wirkung mehrerer Leiden liegt vor, wenn sich die einzelnen Defizite ungünstig beeinflussen, Kompensationsmöglichkeiten beschränken oder im Zusammenwirken besonders ungünstig auf den Gesamtorganismus wirken. Die befassten Sachverständigen halten unter Berücksichtigung der Ergebnisse der klinischen Untersuchungen nachvollziehbar fest, dass im gegenständlichen Fall zwischen Leiden 1 und Leiden 2 eine solche ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung nicht vorliegt. Von einer besonders nachteiligen Auswirkung im Sinne des § 3 Abs. 3 der Einschätzungsverordnung kann auch aufgrund des vorliegenden Ausmaßes der festgestellten Gesundheitsschädigungen nicht ausgegangen werden.

Insofern in diesem Zusammenhang in der Stellungnahme zum Parteiengehör vom 27.06.2020 gerügt wird, dass die festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen nicht addiert worden seien, was einen (Gesamt)Grad der Behinderung von 40 v.H. ergeben hätte, so ist dieses Vorbringen zwar zutreffend, jedoch ist eine Addition entsprechend § 3 Abs. 1 Einschätzungsverordnung rechtsrichtig nicht erfolgt; diesbezüglich wird auf die nachfolgenden rechtlichen Ausführungen verwiesen.

Es liegt beim Beschwerdeführer kein einschätzungsrelevantes Schulterleiden vor. Weder liegen diesbezügliche Befunde der bildgebenden Diagnostik vor noch konnte eine funktionelle Einschränkung festgestellt werden, auch wurden im Rahmen der Anamnese keine Schulterschmerzen angegeben.

Die in den Stellungnahmen zu den Parteiengehören bzw. in der Beschwerde vorgebrachten Schmerzempfindungen wurden bereits im Rahmen der Statuserhebungen im Zuge der persönlichen Untersuchungen des Beschwerdeführers am 09.07.2019 und 22.05.2020 sowie bei der Erstellung der Gutachten im Rahmen der vorzunehmenden Einstufungen nach den Bestimmungen der Anlage der Einschätzungsverordnung mitberücksichtigt. Aus den Sachverständigengutachten geht diesbezüglich auch hervor, dass der Beschwerdeführer bei seinen persönlichen Untersuchungen angab, insbesondere unter Knieschmerzen und auch unter Rückenschmerzen zu leiden (vgl. dazu den Punkt „Derzeitige Beschwerden“). Eine Bedarfsmedikation ist zur Behandlung der Beschwerden etabliert. Höhergradige Schmerzzustände sind weder aus der erforderlichen Medikation noch aus dem klinischen Status, insbesondere dem Gangbild (vgl. Gutachten vom 25.05.2020: „Gesamtmobilität - Gangbild: Kommt selbständig gehend mit festen Freizeitschuhen ohne Hilfsmittel, das Gangbild ist hinkfrei und unauffällig, harmonisch und zügig.“), ableitbar. Den vorliegenden Schmerzen wurde im Rahmen der Beurteilung daher ausreichend hoch Rechnung getragen.

Zum Einwand des Beschwerdeführers, ihm sei bereits im Jahr 2008/2009 ein Grad der Behinderung in Höhe von 20 v.H. zugesprochen worden, nunmehr hätten sich seine Beschwerden jedoch massiv verschlechtert, ist festzuhalten, dass die gegenständliche Beurteilung des Gesamtgrades der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung zu erfolgen hat, wodurch es gegenüber der Beurteilung aus 2008/2009 – welche nach der (nicht mehr anzuwendenden) Richtsatzverordnung erfolgte, die in vielen Positionen andere (oft höhere) Einschätzungen enthielt als die nunmehr anzuwendende Einschätzungsverordnung - zu einem Gleichbleiben des festgestellten Grades der Behinderung trotz Verschlechterung des Zustandes kommen kann.

Zusammenfassend ist daher vor dem Hintergrund der vorgelegten Befunde sowie unter Berücksichtigung der Untersuchungsergebnisse nicht ersichtlich, dass die im gegenständlichen Verfahren beigezogenen Gutachter die Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers tatsachenwidrig beurteilt hätten. Der Beschwerdeführer ist dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Gutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin mit der Zusatzqualifikation Orthopädie vom 25.05.2020 auch nicht substantiiert entgegengetreten.

Das Vorbringen im Rahmen der Beschwerde bzw. in den Stellungnahmen zu den Parteiengehören waren somit im Ergebnis nicht geeignet, die vorliegenden Sachverständigengutachten zu entkräften und eine Änderung des Ermittlungsergebnisses herbeizuführen. Der Beschwerdeführer ist den Sachverständigengutachten auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie sowie Ärztin für Allgemeinmedizin vom 25.05.2020, welches das von der belangten Behörde eingeholte Gutachten eines Facharztes für Orthopädie vom 15.07.2019 sowie dessen ergänzende Stellungnahme vom 03.09.2019 im Wesentlichen bestätigt. Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

...

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45.

(1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.“

§ 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung), StF: BGBl. II Nr. 261/2010, lautet in der geltenden Fassung:

"Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

- sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

- zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine."

Wie oben unter Punkt II.2. eingehend ausgeführt wurde, wird der gegenständlichen Entscheidung das seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholte Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie sowie Ärztin für Allgemeinmedizin vom 25.05.2020, welches das von der belangten Behörde eingeholte Gutachten eines Facharztes für Orthopädie vom 15.07.2019 sowie dessen ergänzende Stellungnahme vom 03.09.2019 im Wesentlichen bestätigt, zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers aktuell 20 v.H. beträgt. Die Gesundheitsschädigungen wurden in den eingeholten Gutachten auch nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft; diesbezüglich wird auch auf die obigen Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung verwiesen. Wie ebenfalls bereits oben im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, waren die im Rahmen der Beschwerde bzw. der Stellungnahmen erhobenen Einwendungen nicht geeignet, die vorliegenden Gutachten zu entkräften.

Die medizinischen Sachverständigengutachten sind auch nicht zu beanstanden, wenn sie im Sinne des § 3 Abs. 3 und 4 der Einschätzungsverordnung eine entscheidungswesentliche ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung in dem Sinne, dass sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirken würde oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen würden, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen würden, im gegenständlichen Fall nicht gegeben sehen.

Zutreffend wird in der Stellungnahme vom 27.06.2020 ausgeführt, dass die zwei festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen nicht addiert worden seien; diese rechtskonforme Vorgangsweise entspricht der Bestimmung des § 3 Abs. 1 Einschätzungsverordnung, wonach bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren sind.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 20 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, nicht erfüllt.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass für das Verfahren nach § 46 BBG eine Neuerungsbeschränkung besteht, wonach im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden dürfen. Bei einer Verschlechterung des Leidenszustandes kommt jedoch eine neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht.

Im gegenständlichen Fall wurde die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Schmerzen, Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund der vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachten geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). Beide Parteien stellten zudem keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird (vgl. dazu die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 09.06.2017, Zl. E 1162/2017-5).

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W133.2224552.1.00

Im RIS seit

21.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

21.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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