Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AsylG 1991 §7 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde der G in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 21. März 1996, Zl. 118.833/2-III/11/96, betreffend Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin beantragte am 1. August 1995 die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 26. Jänner 1996 gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. Die Beschwerdeführerin habe den Antrag nicht vor ihrer Einreise nach Österreich vom Ausland aus gestellt. Ein Fall der ausnahmsweisen Zulässigkeit der Inlandsantragstellung liege nicht vor.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. Sie brachte vor, sie sei als Flüchtling in das Bundesgebiet eingereist und als Asylwerberin zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt gewesen. Sie sei seit Juli 1993 mit einem österreichischen Staatsangehörigen verheiratet. Die nach Ansicht der belangten Behörde notwendige Neuantragstellung vom Ausland aus hätte zur Folge, daß die Beschwerdeführerin aufgrund der Dauer des Verfahrens bei der erstinstanzlichen Behörde - durchschnittlich drei bis vier Monate - ihren Arbeitsplatz verlieren würde und in ihrem Grundrecht nach Art. 8 MRK beeinträchtigt wäre.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 21. März 1996 wies der Bundesminister für Inneres diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 6 Abs. 2 AufG ab. Gemäß § 6 Abs. 2 AufG sei der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Die Beschwerdeführerin habe sich im Zeitpunkt der Antragstellung im Inland aufgehalten. Der Bestimmung des § 6 Abs. 2 AufG sei daher nicht Genüge getan. Die Erteilung einer Bewilligung sei ausgeschlossen. Die öffentlichen Interessen überwögen die privaten Interessen der Beschwerdeführerin im Sinne des Art. 8
MRK.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:
Im Hinblick auf das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides (4. April 1996) hatte die belangte Behörde die Rechtslage nach Inkrafttreten der AufG-Novelle, BGBl. Nr. 351/1995, sowie die Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1996, BGBl. Nr. 854/1995, anzuwenden.
§ 1, § 6 Abs. 2 und § 13 AufG lauten auszugsweise:
"§ 1. ...
(3) Keine Bewilligung brauchen Fremde, wenn sie
...
6. aufgrund des Asylgesetzes 1991, BGBl. Nr. 8/1992, zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sind.
§ 6. ....
(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der
Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. ... Eine
Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: im Fall
des Verlustes der österreichischen Staatsbürgerschaft, des
Asyls oder des Aufenthaltsrechts gemäß § 1 Abs. 3 Z 1; ... Der
Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung und auf Änderung des Aufenthaltszwecks kann bis zum Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung auch vom Inland aus gestellt werden.
§ 13. (1) Die Berechtigungen zum Aufenthalt von Fremden, auf die dieses Bundesgesetz Anwendung findet und die sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, bleiben unberührt. Sie können mit Ablauf der Geltungsdauer dieser Berechtigung die Erteilung einer Bewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften (§ 4 Abs. 2) beantragen.
(2) Abs. 1 findet auf die in § 1 Abs. 3 und 4 genannten Fremden keine Anwendung. Für diese kommt eine Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung nur nach Maßgabe des § 6 Abs. 2 in Betracht."
§ 4 Z. 2 und 4 der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1996, BGBl. Nr. 854/1995, lautete:
"§ 4. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung kann ausnahmsweise im Inland gestellt werden von:
1.
...
2.
Angehörigen von österreichischen Staatsbürgern (§ 3 Abs. 1 Z 1 Aufenthaltsgesetz), die gemäß § 14 Abs. 3 FrG einreisen oder denen vor der Einreise ein gewöhnlicher Sichtvermerk erteilt wurde,
...
4. Personen, für die eine Beschäftigungsbewilligung, eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt ist und deren Familienangehörigen im Sinne des § 3 des Aufenthaltsgesetzes, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten."
Die Beschwerdeführerin bringt vor, sie sei am 31. Jänner 1993 als Flüchtling in das Bundesgebiet eingereist. Sie habe am 3. Februar 1993 einen Asylantrag eingebracht. Ihr Asylantrag sei am 22. November 1993 in letzter Instanz abgewiesen worden. Während der Dauer des Asylverfahrens sei sie im Bundesgebiet aufenthaltsberechtigt gewesen. Sie könne aus rechtlichen und faktischen Gründen nicht in ihren Heimatstaat, Ghana, abgeschoben werden. Sie habe am 6. Juli 1993 einen österreichischen Staatsangehörigen geheiratet. Sie verfüge über einen Befreiungsschein mit Geltungsdauer bis 6. Juli 1998. Sie könne als Flüchtling weder in ihren Heimatstaat zurückkehren noch in ein Drittland ausreisen. Im Falle einer Rückkehr nach Ghana habe sie mit Verhaftung, Folterung und möglicherweise Tötung zu rechnen.
Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie könne aus rechtlichen und faktischen Gründen nicht nach Ghana abgeschoben werden, sie habe, wenn auch nicht aus asylrelevanten Gründen, in Ghana mit Verhaftung, Folterung und der Tötung zu rechnen, widerspricht dem aus § 41 Abs. 1 VwGG abzuleitenden Neuerungsverbot im verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Ein diesbezügliches Vorbringen hat die Beschwerdeführerin im erstinstanzlichen Verfahren nicht erstattet. Auch sonst ergaben sich aus dem Akteninhalt keine Hinweise darauf, daß die Beschwerdeführerin ungeachtet der Abweisung ihres Asylantrages den in der Beschwerde behaupteten Gefahren ausgesetzt wäre. Das diesbezügliche Beschwerdevorbringen war daher der Überprüfung des angefochtenen Bescheides auf seine Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof nicht zugrundezulegen.
Die Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, sie sei gemäß § 13 Abs. 1 AufG zur Antragstellung im Inland berechtigt. Dieser Argumentation ist entgegenzuhalten, daß die Anwendung des § 13 Abs. 1 AufG schon deshalb scheitert, weil - wie aus § 13 Abs. 2 AufG klar hervorgeht - diese Bestimmung auf die in § 1 Abs. 3 genannten Fremden, also auch auf solche, die aufgrund des Asylgesetzes 1991 zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sind, keine Anwendung findet. Überdies hat die Beschwerdeführerin den gegenständlichen Antrag am 1. August 1995, also nicht vor Ablauf der Geltungsdauer ihrer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung am 22. November 1993 gestellt. Für sie gilt der Grundsatz, daß der abgewiesene Asylwerber gemäß § 6 Abs. 2 AufG den Antrag vor einer weiteren Einreise in das Bundesgebiet vom Ausland aus zu stellen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. November 1995, Zl. 95/19/0666).
Auch ein Fall der ausnahmsweisen Zulässigkeit der Antragstellung im Inland liegt bei der Beschwerdeführerin nicht vor. Nach § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 ist eine Antragstellung im Inland nur in den dort taxativ aufgezählten Fällen ausnahmsweise zulässig. Da § 6 Abs. 2 AufG nach seinem klaren Wortlaut keine Ausnahmebestimmung für Fremde enthält, die nach § 1 Abs. 3 Z. 6 AufG aufgrund des Asylgesetzes 1991 während der Anhängigkeit ihres Asylverfahrens zum Aufenthalt in Österreich berechtigt waren, sind im Inland gestellte Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung auch in denjenigen Fällen abzuweisen, in denen eine Berechtigung zum vorläufigen Aufenthalt im Sinne des § 7 des Asylgesetzes 1991 vorgelegen ist. Da § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG den "Verlust des Asyls" ausdrücklich als Ausnahmetatbestand anführt, fehlt ein Indiz für eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes hinsichtlich der nach § 7 Asylgesetz 1991 vorläufig aufenthaltsberechtigten Personen.
Die Ausnahmebestimmungen des § 4 Z. 2 und 4 der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1996, BGBl. Nr. 854/1995, kann die Beschwerdeführerin für sich schon deshalb nicht in Anspruch nehmen, weil ihr weder eine Aufenthaltsbewilligung noch ein gewöhnlicher Sichtvermerk erteilt worden war.
Insoweit sich die Beschwerdeführerin schließlich auf ihre durch den Aufenthalt ihres österreichischen Ehegatten in Österreich begründeten familiären Interessen beruft, ist ihr zu entgegnen, daß der Gesetzgeber der Novelle zum Aufenthaltsgesetz BGBl. Nr. 351/1995 bereits auf die privaten und familiären Interessen von Personen, die aufgrund des Asylgesetzes 1991 aufenthaltsberechtigt waren, Bedacht genommen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1996, Zl. 96/19/0738).
Die in § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG vorgenommene Einschränkung des Rechtes solcher Fremder zur Inlandsantragstellung auf den Fall des Verlustes des Asyls widerspricht aus folgenden Erwägungen nicht dem Art. 8 MRK:
Die aus den Erläuternden Bemerkungen zum Aufenthaltsgesetz (vgl. RV 525 BlgNR 18. GP) ersichtliche Zielvorstellung dieses Gesetzes, die Umgehung von Einwanderungsvorschriften durch Stellung von Asylanträgen zu verhindern, welche zum Schutz der öffentlichen Ordnung auch im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK gerechtfertigt erscheint, verbietet es, abgewiesene Asylwerber (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 26. September 1996, Zl. 95/19/0396) in Ansehung ihrer persönlichen Interessen im Inland besser zu stellen als einen Fremden, der erstmals eine Aufenthaltsbewilligung beantragt. Eine Einschränkung eines - allenfalls bestehenden - durch Art. 8 Abs. 1 MRK geschützten Rechtes auf Neuzuwanderung zur Wahrung familiärer Interessen im Inland durch die in Rede stehende Bestimmung des § 6 Abs. 2 AufG wäre - ebenfalls aus dem Gesichtspunkt der öffentlichen Ordnung und des damit verbundenen Rechtes des Staates auf Regelung der Neuzuwanderung - aus dem Grunde des Art. 8 Abs. 2 MRK gerechtfertigt.
Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996191533.X00Im RIS seit
11.07.2001