TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/13 W145 2219379-1

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Veröffentlicht am 13.10.2020
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Entscheidungsdatum

13.10.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
GSVG §2 Abs1 Z1
GSVG §25

Spruch

W145 2219379-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Daniela HUBER-HENSELER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , SVNR XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt XXXX , gegen den Bescheid der (vormals:) Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (nunmehr: Sozialversicherung der Selbständigen) vom 22.02.2019, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid vom 22.02.2019 stellte die (vormals:) Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (nunmehr: Sozialversicherung der Selbständigen, im Folgenden: belangte Behörde) gemäß § 410 ASVG iVm § 194 GSVG fest, dass XXXX (im Folgende: Beschwerdeführerin), SVNR XXXX , aufgrund ihrer Gewerbeberechtigung seit 01.10.2007 bis laufend der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 1 GSVG unterliege und ihre monatliche Beitragsgrundlage in der Kranken- und Pensionsversicherung nach § 25 GSVG im Kalenderjahr € 4.328,60 betrage.

Begründend wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin seit 01.10.2007 eine aufrechte Gewerbeberechtigung lautend auf Friseur- und Perückenmacher innehabe.

Aktenkundig sei, dass aus der Einkommensteuererklärung 2016 ein Sanierungsgewinn in Höhe von € 6.627,91 ersichtlich sei und die Herausrechnung des Sanierungsgewinns durch die steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin beantragt worden sei.

Aus der Ediktsdatei ist ersichtlich, dass am 21.06.2016 beim BG Donaustadt zur Aktenzahl XXXX ein Schuldenregulierungsverfahren eröffnet worden sei. Dieses sei mit Beschluss vom 04.10.2016 aufgehoben worden, weil der Zahlungsplan rechtskräftig bestätig worden ist.

Der Einkommenssteuerbescheid der Beschwerdeführerin aus dem Jahr 2016 weise Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von € 35.611,17 aus.

Die Beschwerdeführerin unterliege aufgrund der aufrechten Gewerbeberechtigung der Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 1 GSVG und daher komme bei der Ermittlung der Beitragsgrundlage § 25 GSVG zur Anwendung.

Gemäß § 25 Z 3 GSVG vermindere sich die Beitragsgrundlage um die auf einen Sanierungsgewinn nach den Vorschriften des EStG 1988 entfallenden Betrag im Durchschnitt der Monate der Erwerbstätigkeit. Diese Minderung trete nur auf Antrag ein.

Zur Ermittlung der monatlichen Beitragsgrundlage 2016 der Beschwerdeführerin führte die belangte Behörde Folgendes aus:

Einkünfte aus Gewerbetrieb lt. Einkommensteuerbescheid 2016:    € 35.611,17

Erhöht um die im Kalenderjahr 2016 vorgeschriebenen Beitrage zur KV, PV:  € 22.959,96

Vermindert um den Sanierungsgewinn in Höhe von     - € 6.627,91

=        € 51.943,22

Endgültige monatliche Beitragsgrundlage nach § 25 GSVG: € 51.943,22/12= € 4.328,60

Die monatliche Beitragsgrundlage nach § 25 GSVG im Kalenderjahr 2016 betrage daher € 4.328,60.

Im Jahr 2016 seien der Beschwerdeführerin folgende Hinzurechnungsbeiträge (PV, KV) in Höhe von € 22.959,96 vorgeschrieben:

Für die Jahre 2016:

Pensionsversicherungsbeiträge:  € 6.409,20

Aufschlüsselung:

Nachbelastung 2013:   € 3.280,08

Nachbelastung 2014:   € 1.986,96

Nachbelastung 2015:   € 1.142,6

Krankenversicherungsbeiträge:  € 2.650,08

Aufschlüsselung:

Nachbelastung 2013:   € 1.356,24

Nachbelastung 2014:   € 821,64

Nachbelastung 2015:   € 472,20

Für 2016:

Pensionsversicherungsbeiträge € 9.834,12

Krankenversicherungsbeiträge € 4.066,56

2. Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin durch ihre rechtsfreundliche Vertretung mit Schriftsatz vom 28.03.2019 fristgerecht Beschwerde erhoben und machte unrichtige rechtliche Beurteilung sowie Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften geltend und beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie die ersatzlose Behebung des bekämpften Bescheides in eventu die Vorschreibung der belangten Behörde unter Berücksichtigung der Konkurseröffnung am 21.06.2016 angemessen zu reduzieren.

Am 21.06.2016 sei das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beschwerdeführerin unter Fortführung des Geschäftsbetriebes eröffnet worden. Der Zahlungsplan, in welchem unter anderem auch die belangte Behörde ihre Forderungen iHv € 15.977,67 angemeldet habe, sei vom Gericht bestätigt worden und die Quotenzahlungen würden wie vorgesehen erfüllt werden.

Der Einkommenssteuerbescheid aus dem Jahr 2016 berücksichtige weder den Sanierungsgewinn iHv € 6.627,91 noch die von der belangten Behörde angemeldete Insolvenzforderung.

Eine Jahresvorschreibung für 2016 basierend auf den Einkünften aus Gewerbebetrieb könne nur unrichtig sein, das eine Teilung zwischen Forderungen, die als Konkursforderung zu werten sind, also jene die bis zum 21.06.2016 dem Grunde nach entstanden sind und Forderungen, die nach Konkurseröffnung neu entstanden sind, nicht vorgenommen worden seien. Die belangte Behörde schreibe Beträge vor, so als gebe es das Insolvenzverfahren nicht und nehme daher billigend in Kauf, dass sie durch diese Art der Verrechnung vor den anderen Konkursgläubigern bevorzugt werde.

Für den Zeitraum 01.01.2016 bis zur Insolvenzeröffnung 21.06.2016 würden Forderungen aufgrund der erfolgten Jahresabrechnung konstruiert werden, die zu einer Begünstigung des Gläubigers (der belangten Behörde) und zu einer Ungleichbehandlung gegenüber den anderen Gläubigern, die berechtigterweise keine Jahresabrechnung vornehmen würden, führen würde. So normiere § 1 Abs. 1 IO, dass die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich aus dem Haftungsvermögen des Schuldners zu befriedigen seien, ohne das einzelne Gläubiger bevorzugt werden dürfen.

Bei Berücksichtigung der Würdigung der Insolvenzeröffnung 21.06.2016 hätte die Bemessungsgrundlage richtigerweise wie folgt ermittelt werden müssen:

1.       versicherungspflichtige Einkünfte ex ESt-Bescheid 2016   € 35.611,17

2.       abzüglich Sanierungsgewinn ex ESt-Bescheid 2016    € 6.627,91

3.       zuzüglich SV-Beiträge 1—4. Qu. 2016

Berichtigungen für 2013, 2014 und 2015 ex SV-Vorschreibungen  € 19.949,88

Und nicht € 22.959,96

4.       abzüglich als Insolvenzforderung angemeldeter Betrag   € 15.977,67

5.       Summe                 € 32.955,25

6.       versicherungspflichtes monatliches Einkommen    € 2.746,29

7.       Monatlicher Betrag 26,15%       € 718,15

8.       Monatlicher Betrag für 6 Monate 07-12/2016    € 4.308,00

01-06/2016 falle in die Insolvenz und sei mit der Insolvenzforderung abgedeckt.

Berechnung der Ausgleichsforderung beträgt: bisheriger Betrag   € 1.152,39

abzüglich monatlicher Beitrag nach Korrektur     € 718,15

Differenz          € 434,24

434,24 x 6 Monate

Gutschrift für die Beschwerdeführerin      € 2.605,44

Die Erhebung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes gehöre zu den Grundregeln eines ordnungsgemäßen Bescheides und mangle es daher dem Bescheid an der amtswegigen Erforschungspflicht.

Die belangte Behörde negiere zur Gänze die Konkurseröffnung, negiere daher den entscheidungswesentlichen Sachverhalt und behandle die Beschwerdeführerin wie eine Beitragsschuldnerin, die nicht unter den Schutz des Insolvenzrechts gestellt worden sei.

3. In der Stellungnahme vom 27.05.2019 führte die belangte Behörde aus, dass die korrekte Berechnung und Erstellung der Beitragsgrundlage nach § 25 Abs. 2 GSVG erfolgt sei. Sache des Beschwerdeverfahrens vor dem BVwG sei jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs der belangten Behörde gebildet habe. Diese Sache bilde den äußersten Rahmen für die Prüfbefugnis. Gegenstand sei somit im Verfahren nur, ob die belangte Behörde die Beitragsgrundlage (richtig) festgestellt habe. Eine Berechnung, wie von der Beschwerdeführerin in der Beschwerde vorgenommen, entbehre jeglicher Grundlage da der Spruch des Bescheides den äußersten Rahmen des Verwaltungsverfahrens bilde, sei das Beschwerdevorbringen mangels Überschreitung der Sache zurückzuweisen.

Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass das Insolvenzverfahren keine Auswirkungen auf die Ermittlung der Beitragsgrundlage habe, sei richtig. Aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen (§ 25 GSVG) werde klar definiert, wie die Beitragsgrundlage errechnet werde. Eine Herausrechnung von Beträgen aufgrund eines Insolvenzverfahrens sei nach §§ 25ff GSVG gesetzlich nicht vorgesehen.

Tatsächlich sei das Insolvenzverfahren sehr wohl bei den tatsächlich vorgeschriebenen Beiträgen berücksichtigt worden:

Eine erste Nachbemessung sei unter Heranziehung der versicherungspflichtigen Einkünfte in Höhe von € 35.611, 17 durchgeführt worden. Dies habe zu folgenden monatlichen Nachbemessungen geführt: PV: 83,46, KV: 34,51.

Die Beitragsgrundlage sei auf Basis des Einkommenssteuerbescheides 2016 des Finanzamtes vom 26.09.2018 erstellt worden. Der Gesamtbetrag der Einkünfte werde mit € 35.611,17 festgesetzt.

Vorläufige BGL 2016

Einkommenssteuerbescheid 2013 – Bescheid vom 28.11.2014

Einkünfte aus Gewerbebetrieb  € 38.674,42

Hinzurechnungsbeiträge:   € 10.774,20

=                                        € 49.448,62 x 1,075

=                                    € 53.157,27

Vorläufige monatliche Beitragsgrundlage 2016: € 4.429,77 (€ 53.157,27/12)

PV: € 4.429,77 x 18,5% = € 819,51

KV: € 4.429,77 x 7,65% = € 338,88

Vorgeschriebene Beiträge monatlich insgesamt: € 1.158,39

1. Nachbemessung ohne Berücksichtigung des Sanierungsgewinns

Endgültige BGL 2016

Erklärung der endgültigen Beitragsgrundlage 2016

Einkommenssteuerbescheid 2016 – Bescheid vom 26.09.2018

Einkünfte aus Gewerbebetrieb: € 35.611,17

Hinzurechnungsbeträge: € 22.959,96

Jahres- BGL 2016 € 58.571,13

Endgültige monatliche Beitragsgrundlage 2016 € 4.880,93

PV: € 4.880.93 x 18,5% = € 902,97

KV: € 4880,93 x 7,65% = € 373,39

Nachbelastung PV € 83,46 monatlich (€ 902,977 - € 819,51)

Nachbelastung KV € 34,51 monatlich (€ 373,39 - € 338,88)

Nachbelastung insgesamt € 117,97 monatlich

Dies ergäbe eine jährliche Nachbelastung in Höhe von € 1.415,64.

Diese Nachbelastung ergebe sich aus einer Insolvenzforderung in Höhe von € 672,43 (Beiträge von 01.01.2016 bis 21.06.2016) und einer Masseforderung (Beiträge von 22.06.2016 bis 31.12.2016) in Höhe von € 743,21.

Berechnung der Insolvenzforderung:

€ 117,97 x 5 (Jänner bis Mai) + € 117,97 x 21/30 (Juni) = € 672,43

Die belangte Behörde habe im Insolvenzverfahren nachträglich eine Insolvenzforderung gemäß § 197 Abs. 2 IO in Höhe von € 672,43 angemeldet, habe aber diesen Antrag am 11.12.2018 zurückgezogen.

Aus dem Kontoauszug vom 26.90.2019 sei eine sonstige Ausbuchung von Kapital in Höhe von € 672,43 ersichtlich, die der Beschwerdeführerin als Gutbuchung verbucht worden sei.

2. Nachbemessung (korrigiert) unter Berücksichtigung des Sanierungsgewinns

Unter Berücksichtigung des Sanierungsgewinns in Höhe von € 6.627,91 sei eine zweite Bemessung erfolgt (versicherungspflichtige Einkünfte € 35.611,17).

Erklärung der endgültigen Beitragsgrundlage 2016

Einkommenssteuerbescheid 2016 – Bescheid vom 26.09.2018

Einkünfte aus Gewerbebetrieb: € 35.611,17

Hinzurechnungsbeträge: € 22.959,96

Abzüglich Sanierungsgewinn: € 6.627,91

Jahres-BGL € 51.943,22

Endgültige monatliche Beitragsgrundlage 2016: € 4.328,60

PV: € 4.328,60 x 18,5% = € 800,79

KV: € 4.328,60 x 7,65% = € 331,14

Gutschrift im Verhältnis zur 1. Bemessung (ohne Sanierungsgewinn):

PV: € 102,18 (€ 902,18 - € 800,79)

KV: € 42,25 (€ 373,39 - € 331,14)

Gutschrift in Höhe von € 1.733,28 ((€ 102,18 + € 42,25) x 12 – Rundungsdifferenz von 1 Cent pro Monat enthalten; streng genommen € 1.733,16)

Siehe dazu Kontoauszug von € 20.04.2019: Gutschrift € 1.733,28

Dadurch falle die gesamte Nachbelastung der 1. Nachbemessung (€ 1.415,64) weg und es ergebe sich eine weitere Gutschrift in Höhe von € 317,64

Im Insolvenzverfahren seien die Beträge von der vorläufigen BGL angemeldet worden, weshalb hier ein Vergleich der 2. Bemessung mit der vorläufigen Bemessung stattzufinden habe.

2. endgültige monatliche Bemessung: € 800,79 (PV) + € 331,14 (KV) = € 1.131,93

Monatliche Bemessung (PV, KV) der vorläufigen Beiträge: € 1.158,39

(€ 1.158,39 – 1.131,93) = € 26,46 Gutschrift, weil vorläufige Beiträge höher als endgültige Beiträge seien.

Gutschrift € 26,47 x 12 = 317,64

Diese Forderung sei in Insolvenzforderung und Masseforderung aufzuteilen:

Gutschrift der Insolvenzforderung:

€ 26,47 x 5 (bis Mai 2016) + € 26,47 x 21/30 (Juni 21 Tage) - € 150,88

= € 150,88 + Verzugszinsengutschrift in Höhe von € 1,65

= 153,53

Der Beschwerdeführerin sei mit Schreiben vom 04.02.2019 der belangten Behörde mitgeteilt worden, dass der Zahlungsplan eingeschränkt worden sei. Die erwähnte Beitragsgutschrift in diesem Schreiben in Höhe von € 824,96 setze sich aus dem Wegfall der Nachbelastung der nachträglichen Insolvenzforderung in Höhe von € 672,43 und der berechneten Gutschrift in Höhe von € 152,53 zusammen.

Im Insolvenzverfahren sei mit 07.07.2016 eine Forderung in Höhe von € 15.977,67 von 01.05.2015 bis 21.06.2016 angemeldet worden. Aufgrund der zweiten Nachbemessung ergebe sich eine Einschränkung dieser Forderung in Höhe von € 152,53. Die tatsächliche Insolvenzforderung betrage € 15.825,12 – Quote Zahlungsplan 15% = € 2.373,77.

Es seien insgesamt Zahlungen in Höhe von € 1.114,63 geleistet worden und belaufe sich die aktuelle Insolvenzforderung daher auf € 14.710,51.

Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin sei demnach entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde sehr wohl den Unterschied zwischen einer Insolvenzforderung und einer Masseforderung kenne und das Verfahren sehr wohl bei den vorgeschriebenen Beiträgen seinen Niederschlag gefunden habe, aber eben nicht bei der Bildung der Beitragsgrundlage.

4. Mit Beschluss vom 15.10.2019 wurde die gegenständliche Rechtssache der Abteilung W145 neu zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin verfügt seit 01.10.2007 über eine Gewerbeberechtigung „Friseur und Perückenmacher“ (Registernummer XXXX ).

Beim Bezirksgericht Donaustadt wurde am 21.06.2016 zur Aktenzahl XXXX ein Schuldenregulierungsverfahren eröffnet. Mit Beschluss vom 04.10.2016 wurde dieses aufgehoben und der Zahlungsplan rechtskräftig bestätigt.

Mit rechtskräftigem Einkommenssteuerbescheid 2016 (Steuer-Nr. XXXX ) wurde der Gesamtbetrag der Einkünfte mit € 35.611,17 festgesetzt. In diesen Einkünften aus Gewerbebetrieb ist ein Sanierungsgewinn in Höhe von € 6.627,91 enthalten.

Die monatliche Beitragsgrundlage der Beschwerdeführerin in der Kranken- und Pensionsversicherung beträgt nach § 25 GSVG im Kalenderjahr 2016 € 4.328,60.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Ausführungen zum Verfahrensgang und zu den Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichts.

Die Feststellungen zur Gewerbeberechtigung ergeben sich aus den Unterlagen im Akt und wurden verfahrensgegenständlich auch nicht bestritten.

Die Feststellungen zum Schuldenregulierungsverfahren ergeben sich aus den im Akt aufliegenden diesbezüglichen Beschlüssen des BG Donaustadts.

Der Gesamtbetrag der Einkünfte ergibt sich aus dem Einkommenssteuerbescheid 2016 zu Steuer-Nr. XXXX . Die Höhe des Sanierungsgewinns ergibt sich aus der Einkommenssteuererklärung der Beschwerdeführerin vom 28.08.2018.

Die Höhe der Beitragsgrundlage ergibt sich aus folgender Berechnung:

Einkünfte aus Gewerbebetrieb:        € 35.611,17

Erhöht um die im Kalenderjahr 2016 vorgeschriebenen Beiträge zur KV, PV:  € 22.959,96

Vermindert um den Sanierungsgewinn:       - € 6.627,91

=         € 51.943,22

Die monatliche Bemessungsgrundlage ergibt sich durch eine Division der Gesamtsumme durch 12.

51.943,22 / 12 =  € 4.328,60

2.2. Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag, oder wenn es die für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Nach der Rechtsprechung des EGMR kann eine mündliche Verhandlung in Verfahren gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK unterbleiben, wenn besondere beziehungsweise außergewöhnliche Umstände dies rechtsfertigen (vgl. EGMR 05.09.2002, Speil/Österreich, Appl. 42057/98, VwGH 17.09.2009, 2008/07/0015). Derartige außergewöhnliche Umstände hat der EGMR etwa bei Entscheidungen über sozialversicherungsrechtliche Ansprüche, die ausschließlich rechtliche oder in hohem Maße technische Fragen aufwerfen, als gegeben erachtet. Hier kann das Gericht unter Berücksichtigung der Anforderungen an Verfahrensökonomie und Effektivität von einer mündlichen Verhandlung absehen, wenn der Fall auf Grundlage der Akten und der schriftlichen Stellungnahme der Parteien angemessen entschieden werden kann (vgl. EGMR 12.11.2002, Fall Döry, Appl. 28.394/95, Z 37 ff.; EGMR 8.2.2005, Fall Miller, Appl. 55.853/00).

Zwar stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung, jedoch kann gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung abgesehen werden, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und der Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Im gegenständlichen Fall ergab sich klar aus der Aktenlage, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten war und sich der Sachverhalt zur Beurteilung des Vorliegens mit der Beschwerde als hinreichend geklärt darstellte. Die belangte Behörde führte ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durch. Der Sachverhalt war weder in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig. Es wurden keine Rechts- oder Tatfragen aufgeworfen, deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte (vgl. ua VfGH 18.06.2012, B 155/12, wonach eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt unbestritten und die Rechtsfragen von keiner besonderen Komplexität ist).

Dem Entfall der mündlichen Verhandlung stehen weder Art. 6 EMRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Nach § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat – vorliegend die (damalige:) Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft.

§ 414 Abs. 1 ASVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide eines Versicherungsträgers.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

In Ermangelung einer entsprechenden Anordnung der Senatszuständigkeit liegt im gegenständlichen Fall Einzelrichterzuständigkeit vor.

3.2. Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. Nr. 33/2013m idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anders bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.3. Prüfungsumfang und Entscheidungsbefugnis des Bundesverwaltungsgerichts

§ 27 VwGVG legt den Prüfungsumfang fest und beschränkt diesen insoweit als das Verwaltungsgericht (bei Bescheidbeschwerden) prinzipiell (Ausnahme: Unzuständigkeit der Behörde) an das Beschwerdevorbringen gebunden ist (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], Anm. 1 zu § 27 VwGVG). Konkret normiert die zitierte Bestimmung: Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.“

Die zentrale Regelung der Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte bildet § 28 VwGVG. Die vorliegend relevanten Abs. 1 und 2 dieser Bestimmung lauten wie folgt:

„§ 28 (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.“

Gegenständlich steht der maßgebliche Sachverhalt im Sinne von § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG fest. Das Bundesverwaltungsgericht hat folglich in der Sache selbst zu entscheiden.

3.4 Zu A) Abweisung der Beschwerde

Da die Beschwerdeführerin seit 01.10.2007 über eine Gewerbeberechtigung verfügt, unterliegt sie der Pflichtversicherung gemäß § 2 Abs. Z 1 GSVG.

Gemäß § 25 Abs. 1 des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes (GSVG), BGBl. Nr. 560/1978 idF BGBl. Nr. 31/2020, sind für die Ermittlung der Beitragsgrundlage für Pflichtversicherte gemäß § 2 Abs. 1 GSVG, soweit nichts anderes bestimmt wird, die im jeweiligen Kalenderjahr auf einen Kalendermonat der Erwerbstätigkeit im Durchschnitt entfallenden Einkünfte aus einer oder mehreren Erwerbstätigkeiten, die der Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz, unbeschadet einer Ausnahme gemäß § 4 Abs. 1 Z 5 unterliegen, heranzuziehen; als Einkünfte gelten die Einkünfte im Sinne des Einkommenssteuergesetzes 1988. Als Einkünfte einer die Pflichtversicherung begründenden Erwerbstätigkeit gelten auch die Einkünfte als Geschäftsführer und die Einkünfte des zu einem Geschäftsführer bestellten Gesellschafter der Gesellschaft mit beschränkter Haftung.

Gemäß § 25 Abs. 2 Z 3 GSVG ist die Beitragsgrundlage der gemäß Abs. 1 ermittelte Betrag vermindert um die auf einen Sanierungsgewinn oder auf Veräußerungsgewinne nach den Vorschriften des EStG 1988 entfallenden Beträge im Durchschnitt der Monate der Erwerbtätigkeit; diese Minderung tritt jedoch nur dann ein ,w wenn der Versicherte es beantragt und bezüglich der Berücksichtigung von Veräußerungsgewinnen überdies nur soweit, als der auf derartige Gewinne entfallende Betrag dem Sachanlagevermögen eines Betriebes des Versicherten oder einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, an der der Versicherte mit mehr als 25% beteiligt ist, zugeführt worden ist; diese Minderung ist bei der Feststellung der Ausnahme von der Pflichtversicherung gemäß § 4 Abs. 1 Z 5 nicht zu berücksichtigen; ein Antrag auf Minderung ist binnen einem Jahr ab dem Zeitpunkt des Eintritts der Fälligkeit des ersten Teilbetrages (§ 35 Abs. 3) der endgültigen Beiträge für jenen Zeitraum, für den eine Verminderung um den Veräußerungsgewinn oder Sanierungsgewinn begehrt wird, zu stellen.

§ 25 Abs. 2 Z 3 GSVG enthält eine taxative Aufzählung jener Beiträge, die die Beitragsgrundlage mindern können. (Pacic, GSVG, Große Gesetzesausgabe, zu § 25 Teil I, S 88/2). Diese abschließende Aufzählung bedeutet, dass die nach Abs. 1 gebildete Beitragsgrundlage nach § 25 GSVG lediglich um die auf einen Sanierungsgewinn (oder auf einen Veräußerungsgewinn) entfallenden Beträge vermindert wird. Von einer Verminderung um Forderungen aus einem Insolvenzverfahren spricht § 25 GSVG nicht, und gibt es diesbezüglich auch weder gegenteilige Rechtsprechung noch Rechtsansichten in Kommentaren. Aus der Stellungnahme der belangten Behörde ist ersichtlich, dass sie sehr wohl die Insolvenzforderung bzw. die bereits darauf geleisteten Beiträge bei den vorgeschriebenen Beiträgen berücksichtigt hat. Bei der Bildung der Beitragsgrundlage nach § 25 GSVG spielt sie allerdings keine Rolle.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

3.5 Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Beitragsgrundlagen Gewerbeberechtigung Insolvenzverfahren Pflichtversicherung Sanierungsgewinn

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W145.2219379.1.00

Im RIS seit

21.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

21.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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