Entscheidungsdatum
13.10.2020Norm
ASVG §59 Abs1Spruch
G305 2234420-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, XXXX, vertreten durch die IMRE & SCHAFFER RCHTSANWÄLTE OG, Ludersdorf 201, 8200 Gleisdorf, gegen den Bescheid der Österreichischen Gesundheitskasse, Landesstelle XXXX, vom XXXX.03.2020, GZ. XXXX, und über den Vorlageantrag gegen die Beschwerdevorentscheidung vom XXXX.07.2020, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:
A) Der Spruch des Bescheides der Österreichischen Gesundheitskasse vom XXXX.03.2020, GZ. XXXX, wird dahingehend abgeändert, dass er wie folgt lautet:
„ XXXX, geb. XXXX, XXXX, schuldet der Österreichischen Gesundheitskasse als Geschäftsführer von Beitragskontoinhaberin XXXX, für auf dem Beitragskonto mit der Nummer XXXX aushaftende Sozialversicherungsbeiträge den Betrag von EUR 4.033,43 zuzüglich Verzugszinsen im gem. § 59 Abs. 1 ASVG gültigen Satz von derzeit 3,38% p.a. aus dem Betrag von EUR 3.520,61 ab XXXX.07.2020.
Er ist verpflichtet, diesen Betrag binnen 15 Tagen nach Zustellung bei sonstigen Zwangsfolgen an die Österreichische Gesundheitskasse zu bezahlen.“
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und die Beschwerdevorentscheidung vom XXXX.07.2020 bestätigt.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid vom XXXX.03.2020, GZ. XXXX, sprach die Österreichische Gesundheitskasse, Landesstelle XXXX (im Folgenden: belangte Behörde oder kurz: ÖGK) aus, dass ihr XXXX, geb. XXXX, (in der Folge Beschwerdeführer oder kurz: BF) als Geschäftsführer der Beitragskontoinhaberin XXXX (in der Folge: Primärschuldnerin oder kurz: GmbH) gemäß § 67 Abs. 10 ASVG iVm. § 83 ASVG die zu entrichten gewesenen Beiträge samt Nebengebühren aus den Vorschreibungen für die Zeiträume Oktober 2018 bis März 2019 von EUR 5.708,09 zzgl. Verzugszinsen in der sich nach § 59 ASVG jeweils ergebenden Höhe, das sind ab 10.03.2020 3,38% p.a. aus EUR 5.713,99 schulde und er verpflichtet sei, der Österreichischen Gesundheitskasse diesen Betrag binnen 14 Tagen nach Zustellung des Bescheides bei sonstiger Zwangsfolge zu zahlen.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen kurz zusammengefasst aus, dass sämtliche Einbringungsmaßnahmen erfolglos geblieben seien. Am XXXX.05.2019 sei über das Vermögen der Primärschuldnerin der Konkurs eröffnet und das Konkursverfahren gem. § 139 IO am XXXX.06.2019 beendet worden. Die Quote in Höhe von 8% sowie die Vergütung durch den IEF seien vom Rückstand bereits in Abzug gebracht worden. Gemäß den gesetzlichen Bestimmungen würden die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen für die von diesen zu entrichten gewesenen Beiträge insoweit haften, als diese infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht hereingebracht werden können. Zu den in § 67 Abs. 10 ASVG genannten Personen würden auch die Geschäftsführer der GmbH gehören. Selbst wenn eine Beitragsverrechnung der Gesellschaft erst nach Beendigung der Geschäftstätigkeit angelastet wird, haftet dafür, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mit seinem Erkenntnis vom 10.02.1981, Zl. 1729/80, ausführte, der Geschäftsführer für diese Abgabenverbindlichkeiten. Das gelte auch dann, wenn die Festsetzung der nicht einbekannten Beiträge zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem die Gesellschaft zahlungsunfähig geworden ist oder wegen Konkurseröffnung oder wegen Niederlegung der Geschäftsaktivitäten der Geschäftsführer über die Mittel der Gesellschaft nicht mehr disponieren kann. Als schuldhaft gelte jede Form des Verschuldens, somit auch leichte Fahrlässigkeit. Trotz Schreibens des rechtsfreundlichen Vertreters und antragsgemäßer Verlängerung der Frist zur Vorlage der geforderten Unterlagen bis XXXX.12.2019 sei keine weitere Reaktion und auch keine Vorlage des angekündigten Entlastungsnachweises erfolgt.
Mit dem Haftungsbescheid übermittelte die belangte Behörde auch eine zum XXXX.03.2020 datierte Rückstandsaufstellung, die eine detaillierte Aufgliederung des Haftungsbetrages enthält.
2. Gegen diesen, dem BF am 12.03.2020 persönlich zugestellten Ausgangsbescheid richtete sich dessen Beschwerde vom 30.03.2020, die er der belangten Behörde im Wege seiner ausgewiesenen Rechtsvertretung zukommen ließ und die er mit der Erklärung verband, dass er den Bescheid seinem gesamten Umfang nach anfechte.
Begründend führte er aus, dass es nicht richtig sei, dass der verpflichtende Entlastungsnachweis nicht erbracht worden sei. Vielmehr habe er mit anwaltlichem Schriftsatz vom 18.10.2019 die ÖGK aufgefordert, eine Rückstandsaufstellung mit einer genauen Bekanntgabe der Forderungsart und jeweiligen Fälligkeit der einzelnen Beiträge unter Zuordnung zu den einzelnen Monaten bzw. Versicherungsperioden zu übermitteln, da nur dann auf die Liquiditätssituation am jeweiligen Fälligkeitstag abgestellt werden könne. Mit Schreiben vom 11.11.2019 habe die belangte Behörde seinen ausgewiesenen Vertretern eine Rückstandsaufstellung gem. § 64 ASVG übermittelt, wobei lediglich als Grund der Forderung „Beitrag Rest“ und entsprechende Zeiträume und ein Betrag angeführt worden seien, wobei sich ein Gesamtbetrag von EUR 3.520,61 zzgl. Verzugszinsen ergeben habe. Demgegenüber weise der Bescheid samt nunmehriger Rückstandsaufstellung einen weiteren relevanten Mangel auf. So habe sich der Haftungsbetrag von ursprünglich EUR 3.520,61 auf EUR 5.173,99 erhöht und seien plötzlich neue Positionen angeführt und einbezogen, die bis jetzt nicht verfahrensgegenständlich gewesen seien. Aus den beiden Rückstandsaufstellungen vom 11.11.2019 ließe sich keineswegs irgendwie ableiten, wie hoch die angeblich angerechnete Konkursquote und die Vergütung durch den IEF gewesen seien. Diese Verfahrensmängel würden es ihm verunmöglichen, derzeit die notwendigen Vergleichsrechnungen für den Entlastungsbeweis zu erstellen.
3. In der Beschwerdevorentscheidung vom XXXX.07.2020, Zl. XXXX, sprach die belangte Behörde über die gegen den Ausgangsbescheid vom XXXX.03.2020 erhobene Beschwerde des BF dahingehend ab, dass ihr der BF als ehemaliger Geschäftsführer der Fa. XXXX für aushaftende Sozialversicherungsbeiträge auf dem Beitragskonto mit der Nummer XXXX für die Zeiträume Oktober 2018 bis März 2019 den Betrag von EUR 4.033,43 zzgl. Verzugszinsen im gem. § 59 Abs. 1 ASVG gültigen Satz von derzeit 3,38% p.a. aus dem Betrag von EUR 3.520,61 ab XXXX.07.2020 schulde und er verpflichtet sei, diese Schuld binnen 15 Tagen nach Zustellung dieses Bescheides zu bezahlen.
Mit der dem BF am 03.07.2020 im Wege seiner Rechtsvertretung zugestellten Beschwerdevorentscheidung brachte die belangte Behörde auch eine zum XXXX.07.2020 datierte (aktualisierte) Rückstandsaufstellung gem. § 64 ASVG zur Vorlage.
4. Am 07.07.2020 übermittelte der BF der belangten Behörde einen Vorlageantrag, den er mit dem Begehren verband, dass seine Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt werden möge.
5. Am 26.08.2020 legte die belangte Behörde den Ausgangsbescheid vom XXXX.03.2020, die dagegen erhobene Beschwerde, die zum XXXX.07.2020 datierte Beschwerdevorentscheidung und den dagegen erhobenen Vorlageantrag vom 07.07.2020 dem Bundesverwaltungsgericht samt einem zum 25.08.2020 datierten Vorlagebericht vor.
In der zum Vorbringen des BF im Vorlagebericht enthaltenen Stellungnahme heißt es im Wesentlichen kurz zusammengefasst, dass der Haftungsbetrag in der Rückstandsaufstellung näher aufgegliedert sei und die Aufschlüsselung den Vorgaben des § 64 Abs. 2 ASVG entsprochen hätte, wonach der rückständige Betrag, die Art des Rückstands samt Nebengebühren, der Zeitraum, auf den die rückständigen Beiträge entfallen, allenfalls vorgeschriebene Verzugszinsen, Beitragszuschläge und sonstige Nebengebühren anzuführen gewesen seien. Der Haftungsbetrag sei dem Betrag angepasst worden, der im Schreiben vom 11.11.2019 angeführt wurde. Da er seiner Darlegungspflicht trotz Fristverlängerung nicht nachgekommen sei, habe angenommen werden können, dass der Beschwerdeführer die ihm obliegenden Pflichten nicht erfüllt habe und könne somit von einer schuldhaften Pflichtverletzung mit der Konsequenz einer Haftung für die gesamten offenen Beitragsverbindlichkeiten ausgegangen werden. Zur Berechnung einer Gleichbehandlungsquote sei ihm gemeinsam mit dem Schreiben vom 01.10.2019 ein Berechnungsblatt übermittelt worden. Anhand des ausgefüllten Berechnungsblattes und der dazugehörigen Nachweise hätte eine Quotenermittlung erfolgen können. Im Schreiben vom 11.11.2019 sei die Frist zur Vorlage der Unterlagen erstreckt worden. Die Gleichbehandlungsprüfung bestehe darin, dass die Verbindlichkeiten im haftungsrelevanten Zeitraum gegenüber anderen Gläubigern und Zahlungen hierauf den Verbindlichkeiten gegenüber der Österreichischen Gesundheitskasse und Zahlungen hierauf gegenüberzustellen seien und hieraus eine Über- oder Unterbedeckung der Forderung der ÖGK zu errechnen sei. Der Nachweis der Gleichbehandlung sei nicht vorgelegt worden.
5. Mit hg. Verfahrensanordnung vom 10.09.2020, dem BF im Wege seiner ausgewiesenen Rechtsvertretung per ERV am 14.09.2020 zugestellt, wurden ihm der Vorlagebericht der ÖGK vom XXXX.08.2020 und das Ergebnis des hg. Beweisverfahrens zur Kenntnis gebracht und ihm im Rahmen des Parteiengehörs die Gelegenheit gegeben, binnen festgesetzter Frist ab Zustellung eine Stellungnahme abzugeben und den geforderten rechnerischen Entlastungsnachweis zu erbringen, widrigenfalls er damit zu rechnen habe, dass die Entscheidung auf Grund der Aktenlage gefasst wird.
Die ihm gewährte Frist zur Erbringung des rechnerischen Entlastungsnachweises ließ der Beschwerdeführer jedoch ungenützt verstreichen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Die Primärschuldnerin führte die Firma XXXX und war sie in Firmenbuch des Landesgerichtes XXXX zur Firmenbuchnummer XXXX eingetragen. Die Gesellschaft der Primärschuldnerin wurde ins Firmenbuch am XXXX neu eingetragen und umfasste ihr Geschäftszweig die Produktion von und den Handel mit XXXX.
Am XXXX.2019 wurde die Gesellschaft der Primärschuldnerin im Firmenbuch amtswegig gelöscht.
Ab dem 31.03.2015 bis zur amtswegigen Löschung der Gesellschaft am XXXX.2019 fungierte der BF gemeinsam mit der am XXXX geborenen XXXX als handelsrechtlicher Geschäftsführer. In dieser Eigenschaft waren die Genannten für die Abfuhr der auf die Primärschuldnerin entfallenen Steuern und sozialversicherungsrechtlichen Abgaben verantwortlich.
1.2. Am XXXX.05.2019 eröffnete das Landesgericht XXXX zu XXXX das Konkursverfahren über das Vermögen der Primärschuldnerin. Im Konkursverfahren meldete die belangte Behörde Beitragsforderungen an, die vom Masseverwalter weder dem Grunde, noch der Höhe nach bestritten wurden. Am 19.08.2019 legte der Masseverwalter einen (am 03.09.2019 genehmigten) Verteilungsentwurf vor, der eine Verteilungsquote von 8 % ausweist. Am XXXX.09.2019 kam es zur Aufhebung des über das Vermögen der Primärschuldnerin eröffneten Konkursverfahrens nach erfolgter Schlussverteilung, womit der über die Verteilungsquote von 8 % hinausgehende Forderungsrest uneinbringlich wurde.
1.3. Mit Haftungsschreiben der Österreichischen Gesundheitskasse vom 01.10.2019 wurde der Beschwerdeführer davon in Kenntnis gesetzt, dass auf dem Beitragskonto der Primärschuldnerin Sozialversicherungsbeiträge und Nebengebühren für den Zeitraum 10/2018 bis 03/2019 und einer GPLA in Höhe von insgesamt EUR 5.308,88 unberichtigt aushaften und das über das Vermögen der Primärschuldnerin eröffnete Insolvenzverfahren mit einer Quote von 8 Prozent beendet wurde. Gleichzeitig wurde er auf die Bestimmung des § 67 Abs. 10 ASVG aufmerksam gemacht, wonach er als Geschäftsführer für die ordnungsgemäße und termingerechte Abfuhr der vorgeschriebenen Sozialversicherungsbeiträge verantwortlich gewesen sei und erging in der Folge die Aufforderung, bis 30.10.2019 schriftlich darzulegen, weshalb ihm ein Verschulden, welches für eine Haftung des Vertreters der juristischen Person verlangt wird, nicht anzulasten sei und einen umfassenden, rechnerisch überprüfbaren Entlastungsnachweis derart zu erbringen, dass einerseits die Verbindlichkeiten und andererseits die Zahlungen an die Gläubiger im Zeitraum 11/2018 bis 03/2019 ermittelt und für das jeweilige Monat belegt werden.
Mit dem bezogenen Haftungsschreiben wurde 1.) ein Berechnungsblatt, anhand dessen eine Quotenermittlung angestellt und auf diese Weise der Beweis über die Gleichbehandlung aller GläubigerInnen geführt hätte werden können und 2.) eine Rückstandsaufstellung gemäß § 64 ASVG übermittelt, die folgende Aufgliederung der Gesamtforderung enthielt:
10/2018 Beitrag Rest (01.10.2018 - 31.10.2018) EUR 99,42
11/2018 Beitrag Rest (01.11.2018 - 30.11.2018) EUR 806,98
12/2018 Beitrag Rest (01.12.2018 - 31.12.2018) EUR 654,84
12/2018 Beitrag GPLA Rest (01.12.2018 - 31.12.2018) EUR 471,10
12/2018 Beitrag GPLA Rest (01.12.2018 - 31.12.2018) EUR 1.072,47
01/2019 Beitrag Rest (01.01.2019 - 31.01.2019) EUR 647,93
02/2019 Beitrag Rest (01.02.2019 - 28.02.2019) EUR 655,72
02/2019 NV Beitrag GPLA Rest (01.02.2019 - 28.02.2019) EUR 45,75
03/2019 Beitrag Rest (01.03.2019 - 31.03.2019) EUR 655,72
Summe der Beiträge EUR 5.109,93
Verzugszinsen gem. § 59 Abs. 1 ASVG gerechnet bis 07.05.2019 EUR 35,64
Nebengebühren EUR 263,31
Summe der Forderungen EUR 5.408,88
1.4. Mit Schriftsatz vom 18.10.2019 gab die außen ausgewiesene Rechtsvertretung das ihr vom Beschwerdeführer erteilte Vollmachtsverhältnis bekannt, bestritt inhaltlich das Vorliegen einer Haftung und gab an, dass eine abschließende Stellungnahme und die Erstellung eines rechnerisch nachprüfbaren Entlastungsnachweises derzeit nicht möglich seien, da aus der übermittelten Rückstandsaufstellung gem. § 64 ASVG die Fälligkeiten der einzelnen Forderungen nicht ersichtlich seien. Die Eingabe wurde mit dem Antrag verbunden, „eine Rückstandsaufstellung mit genauer Bekanntgabe der Forderungsart und jeweiligen Fälligkeit der einzelnen Beträge und der Zuordnung zu den einzelnen Monaten bzw. Versicherungsperioden zu übermitteln und eine ergänzende Stellungnahmefrist mit 4 Wochen ab Zustellung der geforderten Rückstandsaufstellung einzuräumen“.
1.5. Mit Schreiben vom 11.11.2019 übermittelte die belangte Behörde dem BF eine zum 11.11.2019 datierte Rückstandsaufstellung gemäß § 64 ASVG, die eine Gesamtforderung in Höhe von EUR 3.920,76 ausweist und eine auf Monate und Beitragsart abgestellte Aufgliederung wie folgt enthält:
10/2018 Beitrag Rest (01.10.2018 - 31.10.2018) EUR 99,42
11/2018 Beitrag Rest (01.11.2018 - 30.11.2018) EUR 806,98
12/2018 Beitrag Rest (01.12.2018 - 31.12.2018) EUR 654,84
01/2019 Beitrag Rest (01.01.2019 - 31.01.2019) EUR 647,93
02/2019 Beitrag Rest (01.02.2019 - 28.02.2019) EUR 655,72
03/2019 Beitrag Rest (01.03.2019 - 31.03.2019) EUR 655,72
Summe der Beiträge EUR 3.520,61
Verzugszinsen gem. § 59 Abs. 1 ASVG gerechnet bis 10.11.2019 EUR 136,84
Nebengebühren EUR 263,31
Summe der Forderung EUR 3.920,76
1.6. Mit dem in Beschwerde gezogenen Haftungsbescheid vom XXXX.03.2020 brachte die belangte Behörde einen Forderungsbetrag in Höhe von EUR 5.173,99 zuzüglich EUR 270,79 an Verzugszinsen und EUR 263,31, sohin im Betrag von gesamt EUR 5.708,09 zur Vorschreibung.
1.7. Mit ihrer über die Beschwerde des BF am XXXX.07.2020 erlassenen Beschwerdevorentscheidung änderte die belangte Behörde den Vorschreibungsbetrag auf einen Forderungsbetrag von EUR 3.520,61 (zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von EUR 249,51 und Nebengebühren in Höhe von EUR 263,31, sohin auf eine Gesamtforderung in Höhe von EUR 4.033,43) ab.
Demnach haftet auf dem Beitragskonto Nr. XXXX der Primärschuldnerin folgender Forderungsbetrag aus, der sich wie folgt aufgliedert:
10/2018 Beitrag Rest (01.10.2018 - 31.08.2018) EUR 99,42
11/2018 Beitrag Rest (01.11.2018 - 30.11.2018) EUR 806,98
12/2018 Beitrag Rest (01.12.2018 - 31.12.2018) EUR 654,84
01/2019 Beitrag Rest (01.01.2019 - 31.01.2019) EUR 647,93
02/2019 Beitrag Rest (01.02.2019 - 28.02.2019) EUR 655,72
03/2019 Beitrag Rest (01.03.2019 - 31.03.2019) EUR 655,72
Summe der Beiträge EUR 3.520,61
Verzugszinsen gem. § 59 Abs. 1 ASVG gerechnet bis 30.06.2020 EUR 249,51
Nebengebühren EUR 263,31
Summe der Forderung EUR 4.033,43
1.8. Bis heute hat der BF den rechnerischen Entlastungsnachweis bzw. den Nachweis der Gleichbehandlung aller Gläubiger der Gemeinschuldnerin im Zeitraum 01.10.2018 bis 31.03.2019 nicht erbracht.
2. Beweiswürdigung:
Der oben dargestellte Verfahrensgang und der festgestellte Sachverhalt ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und aus dem vor dem Bundesverwaltungsgericht durchgeführten Ermittlungsverfahren, aus den eingeholten öffentlichen Urkunden, sowie aus den im Verwaltungsakt einliegenden und auf den im Beschwerdeverfahren vom BF im Beschwerdeverfahrens vorgelegten Urkunden, die, soweit sie hinsichtlich ihres Aussagegehaltes unbestritten geblieben sind, dem beschwerdegegenständlichen Ermittlungsverfahren im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu Grunde gelegt werden konnten.
Die zur Primärschuldnerin Fa. XXXX und zur Vertretungsbefugnis des BF und der XXXX getroffenen Feststellungen gründen im Wesentlichen auf dem eingeholten Firmenbuchauszug zu FN XXXX. Auf derselben Quelle beruht auch die Feststellung, dass der BF im Zeitraum XXXX.03.2015 bis zur Löschung der Gesellschaft der Primärschuldnerin am XXXX gemeinsam mit XXXX deren vertretungsbefugter handelsrechtlicher Geschäftsführer war und als solcher für die Abfuhr der Steuern und der sozialversicherungsrechtlichen Abgaben verantwortlich war.
Die zum Geschäftszweck und zur Tätigkeit der Primärschuldnerin getroffenen Feststellungen beruhen im Wesentlichen auf den unbestritten gebliebenen Angaben in dem von Amts wegen eingeholten Firmenbuchauszug.
Die zu dem auf dem Beitragskonto-Nr. XXXX der Primärschuldnerin unberichtigt aushaftenden Forderungen der Österreichischen Gesundheitskasse gründen einerseits auf der Rückstandsaufstellung gem. § 64 ASVG vom XXXX.03.2020 und weiters auf der der Beschwerdevorentscheidung vom XXXX.07.2020 angehängten Rückstandsaufstellung selben Datums. Beide Rückstandsaufstellungen weisen eine zum Beitragskonto-Nr. XXXX offen und unberichtigt aushaftende Beitragsforderung von EUR 3.520,61 zuzüglich eines Betrages für Verzugszinsen und eines Betrages für Nebengebühren aus, der in Summe die Gesamtforderung ergibt.
Zwischen den Verfahrensparteien ist unstrittig, dass der BF den rechnerischen Entlastungsnachweis bzw. den Nachweis der Gleichbehandlung aller Gläubiger der Primärschuldnerin im Zeitraum XXXX.10.2018 bis XXXX.03.2019 bis heute nicht erbracht hat. Es waren daher die entsprechenden Konstatierungen zu treffen.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß Art. 135 Abs. 1 B-VG iVm. § 2 VwGVG und § 6 BVwGG (Bundesgesetz über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichts) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
§ 414 Abs. 1 ASVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes zur Entscheidung über Beschwerden gegen die Bescheide eines Versicherungsträgers.
Gemäß § 414 Abs. 2 ASVG ist die Entscheidung über Beitragshaftungen gemäß § 67 ASVG nicht von einer Senatsentscheidung umfasst. Somit obliegt die Entscheidung der vorliegenden Beschwerdesache dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idF. BGBl. I Nr. 122/2013 geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht waren, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 27 VwGVG legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Demzufolge hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde zu überprüfen. Verwiesen wird dabei auf die Bestimmungen des § 9 VwGVG, der den Inhalt der Beschwerde beschreibt und hier insbesondere auf Abs. 1 Z 3 und Z 4 leg. cit.. Dies betrifft die Angabe der Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie das Begehren.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Zu Spruchteil A):
3.2.1. Anlassbezogen ist im Kern die Frage zu klären, ob der BF als vormaliger handelsrechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin für die auf dem Beitragskonto Nr. XXXX aushaftenden Beitrags(rest)forderungen zur Haftung heranzuziehen ist.
3.2.2. Die maßgebliche Haftungsgrundlage des handelsrechtlichen Geschäftsführers für uneinbringliche Sozialversicherungsbeiträge ergibt sich aus § 67 Abs. 10 iVm. § 58 Abs. 5 und § 83 ASVG, BGBl. Nr. 189/1955 idF. BGBl. I Nr. 86/2013
Gemäß § 58 Abs. 5 ASVG haben die Vertreterinnen und Vertreter juristischer Personen, die gesetzlichen Vertreterinnen und Vertreter natürlicher Personen und die Vermögensverwalterinnen und Vermögensverwalter (§ 80 BAO) alle Pflichten und Rechte zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind diese auch befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Beiträge jeweils bei Fälligkeit aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Die Novellierung dieser Gesetzesbestimmung führte zu einer Reaktivierung der Vertreterhaftung des § 67 Abs. 10 AVG unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung.
Gemäß § 67 Abs. 10 ASVG haften die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften (offene Gesellschaft, Kommanditgesellschaft) berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der von den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Vermögensverwalter haften, soweit ihre Verwaltung reicht, entsprechend.
Die für den beschwerdegegenständlichen Zeitraum geltende Bestimmung des § 67 ASVG, BGBl. Nr. 189/1955 idF. BGBl. I Nr. 86/2013, hat folgenden Wortlaut:
„Haftung für Beitragsschuldigkeiten
§ 67. (1) Wenn mehrere Dienstgeber im Einvernehmen dieselbe Person, wenn auch gegen gesondertes Entgelt, in einer die Pflichtversicherung begründenden Weise beschäftigen, haften sie zur ungeteilten Hand für die Beiträge, denen das Gesamtentgelt zugrunde zu legen ist.
(2) Dienstgeber, die auf gemeinsame Rechnung einen Betrieb führen, haften zur ungeteilten Hand für die anläßlich dieser Betriebsführung auflaufenden Beiträge, gleichviel, ob sie die Arbeiten nach einem einheitlichen Plan gemeinsam durchführen (Mitunternehmer) oder ob jeder von ihnen einen bestimmten Teil der gesamten Arbeiten selbständig durchführt (Teilunternehmer).
(3) Fällt einem anderen als dem Dienstgeber die wirtschaftliche Gefahr des Betriebes (der Verwaltung, des Haushaltes, der Tätigkeit) oder der erzielte Gewinn vorwiegend zu, so haften beide zur ungeteilten Hand für die fällig gewordenen Beiträge.
(4) Wird ein Betrieb übereignet, so haftet der Erwerber für Beiträge, die sein Vorgänger zu zahlen gehabt hätte, unbeschadet der fortdauernden Haftung des Vorgängers sowie der Haftung des Betriebsnachfolgers nach § 1409 ABGB unter Bedachtnahme auf § 1409a ABGB und der Haftung des Erwerbers nach § 38 des Unternehmensgesetzbuches (UGB), dRGBl. S. 219/1897, für die Zeit von höchstens zwölf Monaten vom Tag des Erwerbes zurückgerechnet. Im Fall einer Anfrage beim Versicherungsträger haftet er jedoch nur mit dem Betrag, der ihm als Rückstand ausgewiesen worden ist.
(5) Abs. 4 gilt nicht bei einem Erwerb im Zuge eines Vollstreckungsverfahrens, bei einem Erwerb aus einer Insolvenzmasse oder im Wege der Überwachung der SchuldnerInnen durch TreuhänderInnen der GläubigerInnen.
(6) Geht der Betrieb auf
1. einen Angehörigen des Betriebsvorgängers gemäß Abs. 7,
2. eine am Betrieb des Vorgängers wesentlich beteiligte Person gemäß Abs. 8 oder
3. eine Person mit wesentlichem Einfluß auf die Geschäftsführung des Betriebsvorgängers (zB Geschäftsführer, leitender Angestellter, Prokurist) über, so haftet dieser Betriebsnachfolger ohne Rücksicht auf das dem Betriebsübergang zugrunde liegende Rechtsgeschäft wie ein Erwerber gemäß Abs. 4, solange er nicht nachweist, daß er die Beitragsschulden nicht kannte bzw. trotz seiner Stellung im Betrieb des Vorgängers nicht kennen konnte.
(7) Angehörige gemäß Abs. 6 Z 1 sind:
1. der Ehegatte/die Ehegattin oder der/die eingetragene PartnerIn;
2. die Verwandten in gerader Linie und die Verwandten zweiten und dritten Grades in der Seitenlinie;
3. die Verschwägerten in gerader Linie und die Verschwägerten zweiten Grades in der Seitenlinie;
4. die Wahl(Pflege)eltern und die Wahl(Pflege)kinder;
5. der Lebensgefährte;
6. unbeschadet der Z 2 die im § 32 Abs. 2 der Insolvenzordnung genannten Personen.
(8) Eine Person ist an einem Betrieb wesentlich beteiligt, wenn sie zu mehr als einem Viertel Anteil am Betriebskapital hat. Bei der Beurteilung des Anteiles am Betriebskapital ist der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend. Die §§ 22 bis 24 der Bundesabgabenordnung sind sinngemäß anzuwenden.
(9) Stehen Wirtschaftsgüter, die einem Betrieb dienen, nicht im Eigentum des Betriebsinhabers, sondern im Eigentum einer der im Abs. 6 Z 2 bzw. 3 genannten Personen, so haftet der Eigentümer der Wirtschaftsgüter mit diesen Gütern für die Beiträge, solange er nicht nachweist, daß er die Beitragsschulden nicht kannte bzw. trotz seiner Stellung im Betrieb nicht kennen konnte.
(10) Die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften (offene Gesellschaft, Kommanditgesellschaft) berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haften im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Vermögensverwalter haften, soweit ihre Verwaltung reicht, entsprechend.“
3.2.3. Gemeinsam mit XXXX war der BF vom XXXX.2015 bis einschließlich zu der am XXXX.2019 erfolgten amtswegigen Löschung der Firma der Primärschuldnerin - sohin auch im Zeitpunkt der Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Primärschuldnerin zur Zl. XXXX des Landesgerichtes XXXX - zur Vertretung befugter handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma XXXX.
Zwar kommt dem Firmenbuchstand die Vermutung der Echtheit und Richtigkeit zu, doch können die daraus erfließenden Informationen durch den Beweis des Gegenteils widerlegt werden. Die Beweisführung obliegt diesbezüglich dem BF. Im beschwerdegegenständlichen Fall hat er jedoch zu keinem Zeitpunkt behauptet oder den Beweis dafür erbracht, dass seine Funktion als handelsrechtlicher Geschäftsführer schon vor Beginn des Beobachtungszeitraumes (XXXX.2018 bis XXXX.2019) bzw. vor der Konkurseröffnung über das Vermögen der Firma der Primärschuldnerin am XXXX.2019 geendet hätte. Die auf dem Beitragskonto der Gemeinschuldnerin im Zeitraum XXXX.2018 bis XXXX.2019 aufscheinenden Beitragsrückstände sind während seiner Funktion als handelsrechtlichen Geschäftsführer anerlaufen.
In dem in Beschwerde gezogenen Haftungsbescheid vom XXXX.03.2020 konnte die belangte Behörde daher zu Recht davon ausgehen, dass der BF im Zeitraum XXXX.2018 bis XXXX.2019 - gemeinsam mit XXXX - die Funktion des handelsrechtlichen Geschäftsführers der Firma der Primärschuldnerin innehatte und er schon auf Grund der innegehabten Funktion für die (zeitgerechte) Abfuhr der Sozialversicherungsbeiträge im genannten Zeitraum verantwortlich war.
Aus den angeführten Gründen begegnet es daher keinen Bedenken, wenn die belangte Behörde im gegenständlichen Fall den Beschwerdeführer in Anspruch genommen hat.
3.2.4. In der Beschwerdeschrift brachte der BF vor, dass er trotz der mit Schreiben der belangten Behörde vom 11.11.2019 übermittelten Rückstandsaufstellung gemäß § 64 ASVG nicht in der Lage gewesen sei, zeitpunktbezogen Stellung zu nehmen, da keine Fälligkeiten angeführt gewesen seien und auch die Art der Forderung keineswegs spezifiziert worden sei. Auch lasse sich aus den beiden Rückstandsaufstellungen vom XXXX.11.2019 und XXXX.03.2020 keineswegs nachvollziehbar ableiten, wie hoch die angeblich angerechnete Konkursquote sowie die Vergütung durch den IEF waren und in welcher Form diese angerechnet worden seien. Dies habe es ihm verunmöglicht, die notwendigen Vergleichsrechnungen für den Entlastungsnachweis zu erstellen.
Anlassbezogen ist dem BF zu entgegnen, dass die Bestimmung des § 67 ASVG eine Vertreterhaftung wegen Ungleichbehandlung der Gläubiger der Primärschuldnerin normiert (Derntl in Sonntag, ASVG 6. Aufl, Rz. 77a zu § 67). Dabei ist für die Haftung das Verschulden an der nicht ordnungsgemäßen (rechtzeitigen) Beitragsentrichtung vor Insolvenzeröffnung entscheidungswesentlich (VwGH vom 28.02.1989, Zl. 89/14/0003 mit Hinweis auf VwGH vom 13.12.1988, Zl. 88/14/0192). Dabei ist es Sache des Vertreters der Primärschuldnerin, darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Beiträge rechtzeitig entrichtet hat. Reichen die vorhandenen Mittel zur Befriedigung sämtlicher Gläubiger nicht aus, hat der Vertreter darzutun, dass er den Sozialversicherungsträger bei der Verfügung über die vorhandenen Mittel nicht benachteiligt hat. Nicht die Behörde hat das Ausreichen der Mittel nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel. Außerdem hat er darzutun, dass er die öffentlich-rechtliche Forderung bei der Verfügung über die vorhandenen Mittel nicht benachteiligt hat (VwGH vom 28.02.1989, Zl. 89/14/0003 mit Hinweis auf VwGH vom 13.12.1988, Zl. 88/14/0192). Kommt der Vertreter, wie im gegenständlichen Anlassfall, seiner Darlegungspflicht nicht nach, kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs angenommen werden, dass er die ihm obliegenden Pflichten nicht erfüllt hat (VwGH vom 19.02.1991, Zl. 90/08/0100, vom 16.03.1999, Zl. 97/08/0394 und vom 26.05.2004, Zl. 2001/08/0043).
Wenn der BF in der Beschwerde nur sehr allgemein ausgeführt hat, dass er nicht in der Lage gewesen sei, zeitpunktbezogen Stellung zu nehmen, vermag dies nicht zu überzeugen. Zu berücksichtigen ist, dass ihm gemeinsam mit dem Haftungsschreiben vom XXXX.10.2019 ein Berechnungsblatt übermittelt wurde, anhand dessen er eine Quotenermittlung anstellen und so den Beweis der Gleichbehandlung führen hätte können. Dabei besteht der vom Vertreter der Primärschuldnerin zu führende Nachweis über die Gleichbehandlung aller Gläubiger im Wesentlichen darin, dass die Verbindlichkeiten im haftungsrelevanten Zeitraum (d.h. bis zur Insolvenzeröffnung) gegenüber den übrigen Gläubigern und Zahlungen hierauf den Verbindlichkeiten gegenüber der Österreichischen Gesundheitskasse und Zahlungen hierauf gegenüberzustellen sind. Daraus ist eine Über- oder Unterbedeckung der Forderungen der Österreichischen Gesundheitskasse zu errechnen. Diese Anleitung lässt sich nicht nur dem an den BF übermittelten Berechnungsblatt, sondern auch dem Vorlagebericht vom XXXX.08.2020 entnehmen, welcher an den BF mit der hg. Verfahrensanordnung vom 10.09.2020 zur Versendung gelangte, die jedoch unbeantwortet geblieben ist. Der BF kam auch der in der hg. Verfahrensanordnung enthaltenen Aufforderung, einen Nachweis über die Gleichbehandlung aller Gläubiger der Primärschuldnerin zu führen, nicht nach.
Kommt der haftungspflichtige Vertreter, wie im gegenständlichen Fall, dieser Aufforderung nicht nach, bleibt die Behörde zur Annahme berechtigt, dass er seiner Pflicht schuldhaft nicht nachgekommen ist. Diesfalls hat er für die von der Haftung betroffenen Beitragsschulden einzustehen (VwGH vom 26.01.2005, Zl. 2002/08/0213, vom 11.04.2018, Ra 2015/08/0038 und vom 09.01.2020, Ra 2019/08/0180).
3.2.5. Wenn der BF vermeint, er habe den Nachweis über die Gleichbehandlung der GläubigerInnen der Primärschuldnerin deshalb nicht führen können, weil die Rückstandsaufstellung gemäß § 64 ASVG vom XXXX.03.2020 mangelhaft gewesen sei und er dann noch ausführt, dass keine Fälligkeiten angeführt gewesen seien und auch die Art der Forderung keineswegs spezifiziert worden sei, greift er vermeintliche inhaltliche Mängel auf, an denen der Rückstandsausweis bzw. die Rückstandsausweise der belangten Behörde leide bzw. litten.
Die inhaltlichen Kriterien eines Rückstandsausweises werden in § 64 Abs. 2 ASVG, BGBl. Nr. 189/1955 idF. BGBl. I Nr. 62/2010 aufgezählt. Demnach hat der Rückstandsausweis gem. Abs. 2 den Namen und die Anschrift des Beitragsschuldners, den rückständigen Betrag, die Art des Rückstandes samt Nebengebühren, den Beitragszeitraum, auf den die rückständigen Beiträge entfallen, allenfalls vorgeschriebene Verzugszinsen, Beitragszuschläge und sonstige Nebengebühren sowie den Vermerk des Versicherungsträgers zu enthalten, dass der Rückstandsausweis einem die Vollstreckbarkeit hemmenden Rechtszug nicht unterliegt.
Die von der belangten Behörde vorgelegten Rückstandsausweise genügen den in § 64 Abs. 2 leg. cit. normierten inhaltlichen Kriterien. Die in der Beschwerdeschrift aufgezeigten Mängel lassen sich unter die in § 64 Abs. 2 ASVG aufgezählten inhaltlichen Kriterien nicht subsumieren und ergibt sich die Fälligkeit der allgemeinen Beiträge aus § 58 Abs. 1 ASVG und jene der Verzugszinsen aus § 59 ASVG. Deshalb bleibt die in der Beschwerde enthaltene Rüge unbeachtlich. Mit seinem Beschwerdeeinwand vermag der BF die von ihm durch die Nichterbringung des rechnerischen Nachweises über die Gleichbehandlung aller GläubigerInnen begangene fortgesetzte Verletzung der ihn treffenden Darlegungspflicht iSd. § 67 Abs. 10 ASVG nicht zu exkulpieren.
In einem Punkt erweist sich die Beschwerde als begründet und berechtigt, wenn dort moniert wird, dass sich der Haftungsbetrag in der vergleichenden Betrachtung des Rückstandsausweises vom 11.11.2019 von EUR 3.520,76 zzgl. Verzugszinsen und Nebengebühren und des dem Haftungsbescheid vom XXXX.03.2020 angeschlossenen Rückstandsausweises gleichen Datums auf EUR 5.173,99 zzgl. Verzugszinsen und Nebengebühren erhöht hätte. In der Beschwerdevorentscheidung vom XXXX.07.2020 und dem Rückstandsausweis gleichen Datums wurde dem Beschwerdevorhalt insofern Rechnung getragen, als der Haftungsbetrag hier wieder mit EUR 3.520,76 zzgl. Verzugszinsen und Nebengebühren (sohin mit gesamt EUR 4.033,43) festgesetzt wurde. Das war auch im gegenständlichen Erkenntnis zu berücksichtigen.
3.2.6. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.3. Zum Absehen von der Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag, oder wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Gemäß Abs. 4 kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) entgegenstehen. Gemäß Abs. 5 kann das Verwaltungsgericht von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde vorangegangen. Der für diesen Fall maßgebliche Sachverhalt konnte als durch die Aktenlage hinreichend geklärt erachtet werden. In der Beschwerde wurden keine noch zu klärenden Tatsachenfragen in konkreter und substantiierter Weise aufgeworfen und war gegenständlich auch keine komplexe Rechtsfrage zu lösen (VwGH 31.07.2007, GZ 2005/05/0080). Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art 6 Abs. 1 EMRK und Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen.
Der Sachverhalt blieb darüber hinaus unstrittig und nur eine Rechtsfrage zu lösen, die durch die Nichterbringung des rechnerischen Nachweises über die Gleichbehandlung schon beantwortet.
4. Zu Spruchpunkt B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH vertritt eine eindeutige und einheitliche Rechtsprechung, weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt. Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH und VfGH ist zwar teilweise zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Beitragsschuld Berichtigung Geschäftsführer Gleichbehandlung Haftung Nachweismangel Pflichtverletzung Uneinbringlichkeit VerzugszinsenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:G305.2234420.1.00Im RIS seit
21.12.2020Zuletzt aktualisiert am
21.12.2020