TE Bvwg Beschluss 2020/10/15 W121 2226648-2

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Veröffentlicht am 15.10.2020
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Entscheidungsdatum

15.10.2020

Norm

ArbVG §144
ArbVG §146
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §33 Abs1
VwGVG §7 Abs4

Spruch

W121 2226648-2/10E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Erika ENZLBERGER-HEIS als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid der Schlichtungsstelle beim Arbeits- und Sozialgericht XXXX vom XXXX und den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom XXXX beschlossen:

A)

I. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

II. Die Beschwerde wird gemäß § 7 Abs. 4 iVm § 31 Abs. 1 VwGVG als verspätet zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

Mit Schriftsatz vom XXXX beantragte der Beschwerdeführer die Errichtung einer Schlichtungsstelle gemäß § 144 ArbVG betreffend Abschluss einer Betriebsvereinbarung (Erzwingung eines Sozialplans) und begründete diesen im Wesentlichen mit der Stilllegung von Betriebsteilen durch die XXXX (im Folgenden: Mitbeteiligte), woraus sich wesentliche Nachteile für die an den XXXX beschäftigten Dienstnehmer ergäben.

Die Mitbeteiligte bestritt die inhaltliche Berechtigung des Antrags im Wesentlichen damit, dass keine erhebliche Zahl der Gesamtbelegschaft betroffen sei, XXXX kein (Teil-)Betrieb bzw keine Arbeitsstätten iSd ArbVG seien und auch keine (Teil-)Betriebsänderung iSd § 109 Abs. 1 ArbVG vorliege.

Mit Bescheid der XXXX vom XXXX wurde die beantragte Schlichtungsstelle zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung eröffnet und die von den Parteien zuvor namhaftgemachten Personen zum Vorsitzenden bzw. zu den Beisitzern bestellt.

Die errichtete Schlichtungsstelle erließ den nunmehr angefochtenen Bescheid vom XXXX , mit dem der Antrag des Beschwerdeführers vom XXXX auf Festsetzung einer Betriebsvereinbarung als Sozialplan abgewiesen wurde. In der Rechtsmittelbelehrung wurde richtig ausgeführt, dass gegen diesen Bescheid innerhalb von vier Wochen nach dessen Zustellung bei der belangten Behörde schriftlich eine Beschwerde eingebracht werden kann.

Aufgrund der Verfahrensunterlagen und eigenen Angaben des Beschwerdeführers steht fest, dass der oben angeführte Bescheid dem bevollmächtigten Rechtsvertreter des Beschwerdeführers am XXXX rechtswirksam zugestellt wurde.

Die gesetzliche Rechtsmittelfrist von vier Wochen endete daher am Montag, XXXX .

Gegen diesen Bescheid richtete der Beschwerdeführer die gegenständliche, mit XXXX datierte Beschwerde, die die Schlichtungsstelle des Arbeits- und Sozialgerichts XXXX als Empfänger anführt, am XXXX (letzter Tag der Frist) mittels elektronischem Rechtsverkehr (ERV) jedoch direkt an das Bundesverwaltungsgericht versendet wurde.

Die gegenständliche Beschwerde langte somit beim Bundesverwaltungsgericht ein, wurde zur Zahl XXXX protokolliert und der Gerichtsabteilung XXXX zugeteilt und vorgelegt.

Mit Schreiben vom XXXX leitete das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde mittels FAX zuständigkeitshalber an die belangte Behörde weiter, wo sie am selben Tag einlangte.

Daraufhin wurde die gegenständliche Beschwerde von der belangten Behörde samt dem Bezug habenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht übermittelt, wo diese am XXXX einlangte.

Mit Schreiben der Mitbeteiligten an das BVwG vom XXXX beantragte diese, die Beschwerde als verspätet zurückzuweisen und führte aus, dass die Beschwerde, obwohl laut Beschwerdeschriftsatz dorthin gerichtet, nicht bei der belangten Behörde eingebracht worden sei, sondern beim Bundesverwaltungsgericht, wo sie am XXXX eingelangt sei. Das BVwG habe die Beschwerde am XXXX an die belangte Behörde weitergeleitet. Gemäß § 12 VwGVG sei die Beschwerde aber bei der belangten Behörde einzubringen, worauf in der Rechtsmittelbelehrung des verfahrensgegenständlichen Bescheides zutreffend hingewiesen worden sei. Da die Beschwerde jedenfalls erst nach Ablauf der Beschwerdefrist bei der belangten Behörde eingelangt sei, sei diese verspätet und somit zurückzuweisen.

Mit Schreiben vom XXXX übermittelte der Beschwerdeführer im gewährten Parteiengehör eine Stellungnahme und gab an, dass es richtig sei, dass die Beschwerde am XXXX eingebracht worden sei und am Rubrum der Bescheidbeschwerde die Behörde erster Instanz als Einbringungsstelle angegeben worden sei. Daher sei die richtige Einbringungsstelle bezeichnet worden. Gegenständlich handle es sich um eine NC-Rechtssache, also um eine solche des bürgerlichen Rechts, die nicht in ein anderes Register verwiesen sei. Die Problematik der fehlenden Harmonisierung der Einbringungssysteme sei allgemein bekannt und könne dem Beschwerdeführer hier nicht zum Nachteil gereichen. Sollte das BVwG die Beschwerde als unzulässig zurückweisen wollen, werde ausgeführt, dass offenkundig bei der elektronischen Einbringung mittels Anwaltssoftware der Kanzlei des Beschwerdeführers im Zuge der sogenannten „Betreibung“ das BVwG anstatt der belangten Behörde als Einbringungsstelle geführt werde. Dass das XXXX die zuständige Einbringungsstelle sei, ergebe sich nicht zuletzt aus dem Umstand, dass die belangte Behörde bereits auf der ersten Seite der Eingabe als Zustelladresse angegeben worden sei. Der Rechtsanwaltskanzlei sei bewusst gewesen, dass die Einbringung beim XXXX zu erfolgen habe. Es habe vor der Einbringung sogar noch ein Telefonat mit der Einbringungsstelle des XXXX gegeben. Lediglich die unrichtige Bezeichnung der Einbringungsstelle am Beschwerdeschriftsatz falle in den Verantwortungsbereich des Rechtsanwalts. Es liege daher keine unrichtige rechtliche Beurteilung des Sachverhalts vor, weshalb der Beschwerdeführer behelfsweise einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stelle und neuerlich auf den Beschwerdeinhalt verweise.

Im zu diesem Schreiben gewährten Parteiengehör übermittelte die Mitbeteiligte ein Schreiben vom XXXX und beantragte im Wesentlichen erneut die Zurückweisung der Beschwerde, da beim Beschwerdeführer kein Wiedereinsetzungsgrund vorliege und die Beschwerde verspätet sei.

Mit Schreiben vom XXXX übermittelte der Beschwerdeführer im gewährten Parteiengehör eine Stellungnahme und beantragte im Wesentlichen erneut die inhaltliche Behandlung der Beschwerde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Verfahrensgang wird, wie unter Pkt. I. angeführt, festgestellt. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Verfahrensgang.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich aus den Verwaltungsakten und ist unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zuständigkeit und Entscheidungsbefugnis des Bundesverwaltungsgerichts:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Mangels materiengesetzlicher Anordnung einer Senatszuständigkeit liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 59 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht sind, unberührt.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß Art 131 Abs. 2 B-VG erkennt das Verwaltungsgericht des Bundes, soweit sich aus Abs. 3 nicht anderes ergibt, über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden. Sieht ein Gesetz gemäß Art 130 Abs. 2 Z 2 eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte vor, erkennt das Verwaltungsgericht des Bundes über Beschwerden in Rechtssachen in den Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens, die gemäß Art 14b Abs. 2 Z 1 in Vollziehung Bundessache sind. Sieht ein Gesetz gemäß Art 130 Abs. 2 Z 3 eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte vor, erkennt das Verwaltungsgericht des Bundes über Streitigkeiten in dienstrechtlichen Angelegenheiten der öffentlich Bediensteten des Bundes.

Gemäß § 144 Abs. 1 ArbVG ist zur Entscheidung von Streitigkeiten über den Abschluss, die Änderung oder die Aufhebung von Betriebsvereinbarungen in Angelegenheiten, in welchen das Gesetz die Entscheidung durch Schlichtungsstellen vorsieht, auf Antrag eines der Streitteile eine Schlichtungsstelle zu errichten. Die Schlichtungsstelle ist am Sitz des mit Arbeits- und Sozialrechtssachen in erster Instanz befassten Gerichtshofes, in dessen Sprengel der Betrieb liegt, zu errichten. Bei Streitigkeiten über den Abschluss, die Änderung oder Aufhebung von Betriebsvereinbarungen, deren Geltungsbereich Betriebe umfasst, die in zwei oder mehreren Sprengeln liegen, ist der Sitz des Unternehmens, dem die Betriebe angehören, maßgebend. Durch Vereinbarung der Streitteile kann die Schlichtungsstelle am Sitz eines anderen mit Arbeits- und Sozialrechtssachen in erster Instanz befassten Gerichtshofes errichtet werden. Ein Antrag auf Entscheidung einer Streitigkeit durch die Schlichtungsstelle ist an den Präsidenten des in Betracht kommenden Gerichtshofes zu richten.

Gemäß § 146 Abs. 2 letzter Satz ArbVG kann gegen die Entscheidung der Schlichtungsstelle Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben werden.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Gemäß § 29 Abs. 1 zweiter Satz VwGVG sind die Erkenntnisse zu begründen. Für Beschlüsse ergibt sich aus § 31 Abs. 3 VwGVG eine sinngemäße Anwendung.

Zu A)

Zu Spruchpunkt I.:

Das Bundesverwaltungsgericht kann einen Wiedereinsetzungsantrag wegen Unzulässigkeit zurückweisen, ihn als unbegründet abweisen oder dem Wiedereinsetzungsbegehren stattgeben, wobei die Entscheidung stets in Beschlussform zu ergehen hat (s. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren², 2018, § 33 VwGVG, Anm. 21).

§ 33 VwGVG lautet:

„Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

§ 33. (1) Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis – so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat – eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

(2) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Vorlageantrags ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil die anzufechtende Beschwerdevorentscheidung fälschlich ein Rechtsmittel eingeräumt und die Partei das Rechtsmittel ergriffen hat oder die Beschwerdevorentscheidung keine Belehrung zur Stellung eines Vorlageantrags, keine Frist zur Stellung eines Vorlageantrags oder die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.

(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. In den Fällen des Abs. 2 ist der Antrag binnen zwei Wochen

1. nach Zustellung eines Bescheides oder einer gerichtlichen Entscheidung, der bzw. die das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.

2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Stellung eines Antrags auf Vorlage Kenntnis erlangt hat,

bei der Behörde zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

(4) Bis zur Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

(4a) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Antrags auf Ausfertigung einer Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4 ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil auf das Erfordernis eines solchen Antrags als Voraussetzung für die Erhebung einer Revision beim Verwaltungsgerichtshof und einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof nicht hingewiesen wurde oder dabei die zur Verfügung stehende Frist nicht angeführt war. Der Antrag ist binnen zwei Wochen

1. nach Zustellung einer Entscheidung, die einen Antrag auf Ausfertigung der Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4, eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof oder eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.

2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit eines Antrags auf Ausfertigung der Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4 Kenntnis erlangt hat,

beim Verwaltungsgericht zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen. Über den Antrag entscheidet das Verwaltungsgericht.

(5) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.

(6) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags findet keine Wiedereinsetzung statt.“

Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:

Gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand einer Partei zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Die umfangreiche, zu § 71 Abs. 1 Z 1 AVG ergangene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist unzweifelhaft auf den gleichlautenden Begriff "unabwendbares oder unvorhergesehenes Ereignis" in § 33 Abs. 1 VwGVG übertragbar, der erkennbar § 71 Abs. 1 Z 1 AVG nachgebildet ist.

Nach § 71 Abs. 1 Z 1 AVG setzt die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand voraus, dass die Partei an der Versäumung der Frist kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft. Ein Verschulden der Partei steht der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand demnach nur entgegen, wenn es den "minderen Grad des Versehens" übersteigt. Ein solcher minderer Grad des Versehens (§ 1332 ABGB) liegt insbesondere bei leichter Fahrlässigkeit, sohin dann vor, wenn ein Fehler begangen wird, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch macht (VwGH vom 22.01.1992, Zl. 91/13/0254; siehe auch Hengstschläger/Leeb, AVG, Rz. 40 zu § 71).

Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Behörden für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihn nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben, wobei an berufliche, rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist, als an rechtsunkundige oder bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligten Personen (VwGH vom 18.04.2002, Zl. 2001/01/0559; VwGH vom 29.01.2004, Zl. 2001/20/0425).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bildet etwa der Umstand, dass entgegen einer unmissverständlich formulierten Rechtsmittelbelehrung, worin die belangte Behörde unzweideutig bezeichnet, welches Rechtsmittel gegen diesen Bescheid eingebracht werden konnte und welche Behörde über dieses Rechtsmittel zu entscheiden gehabt hätte, keines oder ein anderes, nicht vorgesehenes Rechtsmittel eingebracht wird, keinen minderen Grad des Versehens (VwGH 26.02.2003, Zl. 2002/17/0279).

Den eingebrachten Wiedereinsetzungsantrag begründete die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers damit, dass der (rechtskundige) Vertreter die Beschwerde, die am Rubrum der Beschwerde die belangte Behörde als Einbringungsstelle anführte, versehentlich elektronisch beim Bundesverwaltungsgericht anstatt bei der belangten Behörde erster Instanz eingebracht habe, weil bei der elektronischen Einbringung mittels Anwaltssoftware der Kanzlei des Beschwerdeführers im Zuge der sogenannten „Betreibung“ das BVwG anstatt der belangten Behörde als Einbringungsstelle geführt worden sei. Den Kanzleimitarbeitern sei allesamt bewusst gewesen, dass die belangte Behörde die richtige Einbringungsstelle sei. Es hätte vor der Einbringung sogar noch ein Telefonat mit der Einbringungsstelle des XXXX gegeben. Lediglich die unrichtige Bezeichnung der Einbringungsstelle am Beschwerdeschriftsatz falle in den Verantwortungsbereich des Rechtsanwalts, nicht jedoch die falsche Einbringung. Den Beschwerdeführervertreter treffe daher kein Verschulden.

Dem ist im Lichte der o.a. Judikatur jedoch zu entgegnen, dass die irrtümliche Einbringung einer Beschwerde beim BVwG anstatt beim XXXX durch falsche Verwendung der Anwaltssoftware im Zuge der Betreibung durch den rechtskundigen Vertreter jedenfalls keinen minderen Grad des Versehens darstellen kann, zumal aus der Rechtsmittelbelehrung des bekämpften Bescheides unzweideutig hervorgeht, dass der Beschwerdeführer das Recht habe, gegen diesen Bescheid binnen vier Wochen nach der Zustellung Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zu erheben und diese bei der Schlichtungsstelle einzubringen sei. Darüber hinaus ist ein Wiedereinsetzungsantrag nach § 33 Abs. 1 VwGVG nur dann zulässig, wenn eine Partei eine Frist auf Grund eines unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses versäumt hat. Der Beschwerdeführer behauptet jedoch kein derartiges Hindernis in seiner Stellungnahme. Gerade wenn ihm offenbar bewusst war, bei welcher Stelle die Beschwerde einzubringen gewesen wäre (wofür neben seiner diesbezüglichen Stellungnahme auch die richtige Bezeichnung am Beschwerderubrum spricht), hätte die Einbringung bei der falschen Stelle jedenfalls auffallen und sofort behoben werden müssen.

Würde man der Rechtsansicht des Beschwerdeführers folgen, wonach es nur auf die richtige Bezeichnung der Einbringungsstelle im Rubrum, nicht aber auf die Einbringung bei eben jener Stelle ankomme, wäre etwa die Bestimmung in § 61 Abs. 4 AVG, wonach dann, wenn der Bescheid keine oder eine unrichtige Angabe über die Behörde enthält, bei der das Rechtsmittel einzubringen ist, das Rechtsmittel auch dann richtig eingebracht ist, wenn es bei der den Bescheid erlassenden Behörde, oder bei der angegebenen Behörde eingebracht wurde, überflüssig. Ebenso wäre die Vorschrift des § 6 Abs. 1 AVG unnötig, wonach die Behörde Anbringen, zu deren Behandlung sie nicht zuständig ist, auf Gefahr des Einschreiters an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese zu weisen hat, wenn alleine schon die richtige Bezeichnung der Einbringungsstelle auf einem Anbringen ausreichend wäre, um diese richtig einzubringen.

Inwiefern eine fehlende Harmonisierung von Einbringungssystemen bzw. die OGH-GeO im gegenständlichen Fall relevant sein sollen, ist nicht ersichtlich, zumal der OGH in der gegenständlichen Verfahrensart keinerlei Zuständigkeit hat. Das Einbringungssystem hat auf die Einbringung des Rechtsmittels der Beschwerde im Übrigen auch sonst keinerlei Einfluss und es besteht auch kein erkennbarer Unterschied zum sonstigen Verwaltungsverfahrensrecht außer jenem, dass die Entscheidung der Behörde erster Instanz (belangte Behörde) eben eine Geschäftszahl nach § 365 GeO aufweist, statt einer solchen beispielsweise nach der Geschäftsordnung einer Verwaltungsbehörde.

Das schuldhafte Verhalten des rechtskundigen Vertreters, für den ein strengerer Maßstab anzulegen ist, ist dem Beschwerdeführer zuzurechnen, weshalb der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 VwGVG als unbegründet abzuweisen war.

Zu Spruchpunkt II.:

§ 61 AVG lautet:

„§ 61. (1) Die Rechtsmittelbelehrung hat anzugeben, ob gegen den Bescheid ein Rechtsmittel erhoben werden kann, bejahendenfalls welchen Inhalt und welche Form dieses Rechtsmittel haben muss und bei welcher Behörde und innerhalb welcher Frist es einzubringen ist.

(2) Enthält ein Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung oder fälschlich die Erklärung, dass kein Rechtsmittel zulässig sei oder ist keine oder eine kürzere als die gesetzliche Rechtsmittelfrist angegeben, so gilt das Rechtsmittel als rechtzeitig eingebracht, wenn es innerhalb der gesetzlichen Frist eingebracht wurde.

(3) Ist in dem Bescheid eine längere als die gesetzliche Frist angegeben, so gilt das innerhalb der angegebenen Frist eingebrachte Rechtsmittel als rechtzeitig.

(4) Enthält der Bescheid keine oder eine unrichtige Angabe über die Behörde, bei der das Rechtsmittel einzubringen ist, so ist das Rechtsmittel auch dann richtig eingebracht, wenn es der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, oder bei der angegebenen Behörde eingebracht wurde.“

Gemäß § 12 erster Satz VwGVG sind bis zur Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht die Schriftsätze bei der belangten Behörde einzubringen.

Gemäß § 6 Abs. 1 AVG hat die Behörde ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen; langen bei ihr Anbringen ein, zu deren Behandlung sie nicht zuständig ist, so hat sie diese ohne unnötigen Aufschub auf Gefahr des Einschreiters an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese zu weisen.

Gemäß § 32 Abs. 1 AVG wird bei der Berechnung von Fristen, die nach Tagen bestimmt sind, der Tag nicht mitgerechnet, in den der Zeitpunkt oder das Ereignis fällt, wonach sich der Anfang der Frist richten soll.

Gemäß § 32 Abs. 2 AVG enden nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Fehlt dieser Tag im letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats.

Gemäß § 33 Abs. 1 AVG werden Beginn und Lauf einer Frist durch Samstage, Sonntage oder gesetzliche Feiertage nicht behindert.

Fällt das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag, Karfreitag oder 24. Dezember, so ist gemäß § 33 Abs. 2 AVG der nächste Tag, der nicht einer der vorgenannten Tage ist, als letzter Tag der Frist anzusehen.

Gemäß § 33 Abs. 3 AVG werden die Tage von der Übergabe an einen Zustelldienst im Sinne des § 2 Z 7 des Zustellgesetzes (ZustG) zur Übermittlung an die Behörde bis zum Einlangen bei dieser (Postlauf) in die Frist nicht eingerechnet.

Gemäß § 33 Abs. 4 AVG können durch Gesetz oder Verordnung festgesetzte Fristen, wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, nicht geändert werden.

Die Behörde hat vor der Zurückweisung eines Rechtsmittels als verspätet entweder von Amts wegen zu prüfen, ob ein Zustellmangel unterlaufen ist, wenn Umstände auf einen solchen hinweisen, oder dem Rechtsmittelwerber die offenbare Verspätung des Rechtsmittels vorzuhalten (vgl. VwGH 29.08.2013, 2013/16/0050).

Dem Beschwerdeführer wurde mit Gewährung des Parteiengehörs zum Schreiben der Mitbeteiligten vom XXXX diese Verspätung entsprechend der oben angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vorgehalten.

Der angefochtene Bescheid der belangten Behörde vom XXXX wurde dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers nachweislich und unbestritten am XXXX rechtswirksam zugestellt.

Die Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheides nennt ausdrücklich eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht als zulässiges Rechtsmittel gegen diesen Bescheid und, dass diese „bei der Schlichtungsstelle“ einzubringen ist.

Weiters wird entsprechend der geltenden gesetzlichen Regelung des § 7 Abs. 4 VwGVG in der Rechtsmittelbelehrung eine Beschwerdefrist von vier Wochen genannt.

Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers brachte die Beschwerde am letzten Tag dieser vierwöchigen Frist (Frist bis zum XXXX ), per elektronischem Rechtsverkehr, direkt beim Bundesverwaltungsgericht ein, wo die Beschwerde zunächst der Gerichtsabteilung XXXX zugewiesen wurde. Mit Schreiben vom XXXX , auch am XXXX mittels FAX an die belangte Behörde übermittelt, wurde die Beschwerde gemäß dem oben dargestellten § 6 AVG iVm § 17 VwGVG weitergeleitet, wo die Beschwerde gemäß § 12 erster Satz VwGVG einzubringen war.

Die Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheides enthielt keine unrichtigen Angaben iSd § 61 Abs. 4 AVG über die Behörde, bei der das Rechtsmittel einzubringen ist. Auch wurde die Beschwerde nicht bei der Behörde, die den Bescheid erlassen hat eingebracht. Entsprechend der dargestellten Bestimmung des § 6 Abs. 1 AVG und der dazu ergangenen ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geht die Gefahr einer Fristversäumnis bei, an falsche Stellen gerichtete, fristgebundenen Anbringen, welche eine Weiterleitung des Anbringens oder eine entsprechende Information an den Beschwerdeführer durch die unzuständige Behörde erfordern, zu Lasten des Einschreiters. Dabei ist es unbeachtlich, dass die Beschwerde vom XXXX noch während der laufenden Rechtsmittelfrist seitens des Beschwerdeführers an das Bundesverwaltungsgericht übermittelt wurde, da es sich dabei um eine unzuständige Behörde handelte und der zuständigen Behörde, dem XXXX , die Beschwerde vom XXXX durch ehest baldige Weiterleitung durch das Bundesverwaltungsgericht am XXXX , erst nach dem XXXX und somit nach Ablauf der Beschwerdefrist am XXXX zugekommen ist.

Die gegenständliche Beschwerde erweist sich vor diesem Hintergrund als jedenfalls verspätet und war daher als solche zurückzuweisen.

Da die Beschwerde zurückzuweisen war, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 erster Fall VwGVG eine mündliche Verhandlung entfallen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Einbringungsstelle Rechtsmittelfrist Rechtsvertreter Verspätung Wiedereinsetzungsantrag Zurückweisung Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W121.2226648.2.00

Im RIS seit

21.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

21.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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