Entscheidungsdatum
17.11.2020Norm
AlVG §1 Abs1 litaSpruch
I413 2163657-1/21E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Martin ATTLMAYR, LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch Mag. Antonius FALKNER, Barwies 329/5, 6414 Mieming, gegen den Bescheid der Österreichische Gesundheitskasse Landesstelle Tirol (ÖGK-T) vom 05.04.2017, Zl. 2017-18-GPLA-SV-JHa-V-014/1, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.10.2020 und am 21.10.2020 zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde fest, dass der Beschwerdeführer am 28.12.2015 auf Grund seiner Tätigkeit als Hausbetreuer bei der Firma XXXX GmbH & Co KG der Pflichtversicherung in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung gemäß § 4 Abs 1 iVm Abs 2 des allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes sowie der Arbeitslosenversicherung gemäß § 1 Abs 1 lit a Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 unterlag.
2. Gegen diesen Beschwerdeführer am 07.04.2017 eingelangten Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
3. Mit dem Schriftsatz vom 04.07.2017 legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht vor und erstattete eine Stellungnahme.
4. Am 14.10.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht die mündliche Verhandlung durch. In dieser mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer (Erstbeschwerdeführer), der Geschäftsführer XXXX für die Firma XXXX GmbH und Co KG, XXXX , XXXX für die XXXX GmbH und der Zeuge XXXX einvernommen.
5. Am 21.10.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht eine weitere mündliche Verhandlung durch, in der der Beschwerdeführer, die Zweitbeschwerdeführerin und die Zeugen XXXX sowie XXXX einvernommen wurden. In dieser mündlichen Verhandlung wurde das Ermittlungsverfahren geschlossen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch Einzelrichter gemäß § 6 BVwGG erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz in XXXX und ist gelernter Koch und Kellner, zum Lenken von Bussen und Lastkraftwagen berechtigt, und verfügt über die Gewerbeberechtigungen „Mietwagen-Gewerbe (Beförderung mit Omnibussen) mit einem Omnibus“, „Gastgewerbe gemäß § 94 Z 26 GewO 1004 mit den Berechtigungen nach § 111 Abs 1 Z 2 GewO 1994 in der Betriebsart „Restaurant““, „Mietwagengewerbe (Beförderung mit PKW) mit einem PKW“, „Hausbetreuung, bestehend in der Durchführung einfacher Reinigungstätigkeiten einschließlich objektbezogener einfacher Wartungstätigkeiten“ und „Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen im grenzüberschreitenden Verkehr mit einem LKW“. Aufgrund seiner vorgenannten aufrechten Gewerbeberechtigungen ist er Mitglied der Wirtschaftskammer Tirol. Der Beschwerdeführer hat seine Tätigkeit so ausgerichtet, dass er überall dort, wo „Not am Mann“ ist, flexibel einspringen und aushelfen kann. Seine Dienstleistungen bietet er im Raum Telfs bis Imst im Tiroler Oberland an und ist über Mundpropaganda für solche Tätigkeiten bekannt. Seine Dienstleistungen bietet er von Zu Hause in XXXX aus an, wo er als „One-Man-Show“ ein eigenes Zimmer als Büro eingerichtet hat, das mit einem Schreibtisch, einem Sessel, einem Computer, Regalen und Ordnern ausgestattet ist. Zudem hat er ein neben seinem privaten Mobiltelefon ein betrieblich genutztes. Als weitere Betriebsmittel besitzt er einen Neunsitzer-Bus der Marke Renault Trafic, einen PKW und einen Mietwagen. Den Renault Trafic verwendet er auch für Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Gewerbe des Hausmeisterservice. Weiter beisitzt er Werkzeuge zur Schneeräumung, Besen, Schaufeln und Geräte zum Rasen Mähen und Hecken Schneiden. Für seine Buchhaltung beauftragte er XXXX in XXXX Er unterhält unter „ XXXX .tirol“ eine Homepage, die mit „ XXXX Fahrservice & Dienstleistungen“ übertitelt ist, seine Mobiltelefonnummer, Adresse und E-Mail ausweist und unter „Meine Services“ folgende Dienstleistungen anbietet: „Ich bin Ihre Vertretung für den Notfall: Gewerblich oder Privat... - für freie Tage, Krankenstand, grössere Veranstaltungen oder bei zu wenig Personal. HAUSMEISTER- und EINKAUFSSERVICE IN DER GASTRONOMIE: Gelernter Koch und Kellner Fuer FAHRSERVICE: Busfahrer für Ausflugs- und Linienverkehr, Flughafentransfer und Überstellungsfahrten ALS LKW-FAHRER: ADR-Schein (Stückgut und Tankwagen)“. Über den auf dieser Homepage verfügbaren Terminkalender „Mein Terminkalender XXXX – Termine“ kann Einsicht genommen werden, ob der Beschwerdeführer an einem bestimmten Tag verfügbar ist oder nicht. Der Beschwerdeführer
Die mitbeteiligte Partei ist eine Kommanditgesellschaft (GmbH & Co KG) mit Sitz in XXXX . Das von ihr getragene Unternehmen ist im Bereich der Abfallwirtschaft tätig.
Das Restaurant & Hotel XXXX hat seinen Sitz in XXXX und steht seit Dezember 2015 im Eigentum der Familie XXXX , die auch die mitbeteiligte Partei ihr eigen nennt. Am 28.12.2015 sollte eine größere Veranstaltung in diesem Hotel stattfinden. Um die dafür nötigen Vorbereitungsarbeiten für die Abhaltung der Veranstaltung durchführen zu können, beauftragte die mitbeteiligte Partei über Empfehlung des damaligen Geschäftsführers XXXX , den Beschwerdeführer mit der Durchführung dieser Aufgaben. Der Beschwerdeführer wurde von XXXX beauftragt, diese Vorbereitungsarbeiten für die Veranstaltung am 28.12.2015 vorzubereiten. Hierbei sollte er die Küche so herrichten und vorbereiten, dass Leihköche in ihr arbeiten konnten. Außerdem sollte er die Terrasse so herrichten, dass dort Glühwein ausgeschenkt werden konnte. Zu diesem Zweck machte er dort in der Küche und auf der Terrasse sauber und stellte auf der Terrasse Tische auf und nahm kleinere Reparaturen, wie das Auswechseln von Glühbirnen, vor. Ansprechpartner für die durchzuführenden Aufgaben war XXXX . Er teilte dem Beschwerdeführer zu Beginn mit, welche Arbeiten erledigt werden müssten. Die Arbeiten erledigte der Beschwerdeführer, ohne dass weitere Rücksprachen erfolgten, selbständig. Der Beschwerdeführer musste sich nicht an die Organisation des Hotelbetriebs halten. In welcher Reihenfolge er die Arbeiten erledigte, blieb ihm überlassen. Es war nur erheblich, dass der diese erledigte. Da er alleine arbeitete, musste er sich nicht mit anderen Personen abstimmen. Es erfolgte auch keine Kontrolle des Beschwerdeführers bei der Arbeitsausführung. Eine Einschulung zu Beginn der Arbeiten erfolgte nicht. Für den Zutritt zum Hotel war es nicht nötig, dem Beschwerdeführer einen Schlüssel oder eine Magnetkarte auszustellen. Im Hotel waren gängige Werkzeuge für Aufräumarbeiten und kleinere Reparaturen vorhanden, welche der Beschwerdeführer auch verwenden konnte. Eine Regelung über eine allfällige Vertretung des Beschwerdeführers wurde zwischen den Vertragsparteien nicht getroffen. Der Beschwerdeführer ließ sich auch nicht am 28.12.2015 vertreten. Es wäre dem Auftraggeber egal gewesen, wer die Arbeiten tatsächlich durchführt. XXXX kam es nur darauf an, dass die Vorbereitungsarbeiten erledigt wurden und die Veranstaltung wie geplant stattfinden konnte. Die Abrechnung der Arbeiten erfolgte nach tatsächlich geleistetem Stundenaufwand, wobei der Beschwerdeführer einen Stundensatz von EUR 23 pro Stunde verrechnete. Zu Abrechnungszwecken führte er Stundenaufzeichnungen. Insgesamt verrechnete er fünf Stunden in einem Betrag von EUR 115,00 zuzüglich 20 % Umsatzsteuer, insgesamt somit EUR 138,00. Diesen Betrag verrechnete er mit Rechnung Nr 3/2015 vom 28.12.2015 der mitbeteiligten Partei, welche den Betrag in weiterer Folge bezahlte.
Aufgrund der entsprechenden Nachfrage durch die belangte Behörde bei der mitbeteiligten Partei meldete diese den Beschwerdeführer nachträglich am 01.06.2016 für den 28.12.2015 als Arbeiter mit einem monatlichen Grundentgelt von EUR 138,00 für Hilfstätigkeiten in der Beitragsgruppe A1 an und zugleich wieder ab. Die Anmeldung des Beschwerdeführers durch die mitbeteiligte Partei zur Sozialversicherung erfolgte nur deshalb, um höhere Kosten durch allfällige Nachforderungen seitens der belangten Behörde zu vermeiden.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum Beschwerdeführer, zu seinem Betrieb und zu seinen Betriebsmitteln basieren auf den glaubhaften Aussagen im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 14.10.2020 (Verhandlungsprotokoll S 4, S 17 f), seinen Angaben vor der belangten Behörde am 19.04.2016 (ON 1) sowie hinsichtlich seiner Gewerbeberechtigungen zudem auch auf die WKO-Firmenabfrage der belangten Behörde (ON 10) sowie auf der Homepage www. XXXX .tirol (Zugriff 16.11.2020), die vollständig beschrieben und zitiert ist.
Die Feststellungen zur mitbeteiligten Partei ergeben sich aus dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Firmenbuchauszug und sind – zumal es sich um ein weithin bekanntes Unternehmen handelt – hinsichtlich des Unternehmens der Gesellschaft notorisch.
Die Feststellungen zum Restaurant & Hotel XXXX sowie zu den Eigentumsverhältnissen beruhen auf der homepage dieses Unternehmens https://www. XXXX .at/, Zugriff am 16.11.2020, sowie den Aussagen des Geschäftsführers der mitbeteiligten Partei XXXX am 14.10.2020 (Verhandlungsprotokoll S 19). Dass XXXX den Beschwerdeführer beauftragt hatte, Vorbereitungsarbeiten für eine Veranstaltung am 28.12.2020 im XXXX vorzunehmen, geht aus seiner Aussage in der mündlichen Verhandlung (Verhandlungsprotokoll S 19) sowie aus der Aussage des Beschwerdeführers hervor (Verhandlungsprotokoll S 4 f). Die Feststellungen zu den Arbeiten des Beschwerdeführers beruhen auf dessen Angaben vor dem Bundesverwaltungsgericht am 14.10.2020 (Verhandlungsprotokoll S 4). Dass XXXX Ansprechpartner des Beschwerdeführers war und diesem die auszuführenden Arbeiten mitteilte, geht aus der Aussage des Beschwerdeführers am 14.10.2020 (Verhandlungsprotokoll S 5) hervor. Aus seiner Aussage ist auch zu entnehmen, dass die Arbeiten ohne weitere Rücksprache, also selbständig vorgenommen wurden (Verhandlungsprotokoll S 4 und S 5). Aus seiner Aussage (Verhandlungsprotokoll S 4) geht auch hervor, dass er nicht zu einem bestimmten Ablauf der Arbeiten verpflichtet war; wesentlich war, dass die Arbeiten erledigt, zB die Terrasse aufgeräumt war. XXXX kümmerte sich auch offensichtlich nicht um die konkrete Arbeitsdurchführung (Verhandlungsprotokoll vo 14.10.2020, S 20 – „Ich kannte den konkreten Ablauf des Auftrages nicht“). Insgesamt vermittelte XXXX , der nach dem bekämpften Bescheid als Geschäftsführer der mitbeteiligten Partei der Vorgesetzte des Beschwerdeführers gewesen wäre, den persönlichen Eindruck, dass es ihm völlig gleichgültig gewesen war, wie der Auftrag durch den Beschwerdeführer abgewickelt wurde. Vielmehr scheint es ihm nur darauf angekommen zu sein, dass die Veranstaltung am Abend des 28.12.2015 stattfinden konnte und hierbei sei der Beschwerdeführer, wie XXXX betont, eine Hilfe gewesen (Verhandlungsprotokoll vom 14.10.2020, S 20). Zudem geht auch aus seiner Aussage hervor, dass der Beschwerdeführer nicht kontrolliert worden ist – er wurde einfach als vertrauenswürdig eingestuft (Verhandlungsprotokoll vom 14.10.2020, S 20). Da XXXX Geschäftsführer eines höchst erfolgreichen Unternehmens ist, ist nicht anzunehmen, dass dieser leichtfertig auf eine Kontrolle des Beschwerdeführers verzichtet hätte, hätte er Bedenken gehabt, dass dieser den Auftrag nicht bewältigen könnte. Aus diesen Gründen muss davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdeführer ein gewisses Maß an Spielraum bei der eigenständigen Ableistung des Auftrages eingeräumt wurde. Dass keine Einschulung erfolgte, und auch keine besonderen Vorkehrungen für den Zutritt zum Hotel (wie Aushändigung eines Schlüssels oder einer Magnetkarte) erforderlich waren, geht aus der glaubhaften Aussage von XXXX hervor (Verhandlungsprotokoll vom 14.10.2020, S 20). Übereinstimmend geben auch XXXX und der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung am 14.10.2020 (Verhandlungsprotokoll S 20 bzw S 5) an, dass die zur Ausführung der Arbeiten erforderlichen Werkzeuge im Hotel vorhanden waren und auch vom Beschwerdeführer benutzt werden konnten. Dass keine Vertretungsregelung getroffen wurde und der Beschwerdeführer sich auch tatsächlich nicht vertreten ließ, geht unzweifelhaft aus den Aussagen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung am 14.10.2020 und den Aussagen von XXXX in dieser Verhandlung hervor (Verhandlungsprotokoll S 6 und S 19). Aus dessen Aussage (Verhandlungsprotokoll vom 14.10.2020, S 19) geht auch unmissverständlich hervor, dass es ihm egal gewesen wäre, wenn ein anderer diese Arbeiten anstelle des Beschwerdeführers durchgeführt hätte. Es kam ihm darauf an, dies geht klar aus dessen Aussage hervor, dass die Arbeit bis zur Veranstaltung am Abend des 28.12.2015 erledigt war, um diese wie geplant abzuhalten. Die Feststellung zur Stundenaufzeichnung durch den Beschwerdeführer ergibt sich aus seiner diesbezüglichen Aussage am 14.10.2020 (Verhandlungsprotokoll S 5). Die weiteren Feststellungen zur Abrechnung ergeben sich aus der im Verwaltungsakt einliegenden Rechnung des Beschwerdeführers vom 28.11.2015 und des Zeugen XXXX im Rahmen der Befragung durch die belangte Behörde am 10.05.2016 (ON 3) sowie durch das Bundesverwaltungsgericht am 14.10.2020 (Verhandlungsprotokoll S 21).
Die An- und Abmeldung des Beschwerdeführers zur Sozialversicherung durch die mitbeteiligte Partei ist durch die im Verwaltungsakt einliegende An- bzw Abmeldung (ON 5) erwiesen. Die näheren Umstände der An- und Abmeldung schilderte der Zeuge XXXX in der mündlichen Verhandlung am 14.10.2020 (Verhandlungsprotokoll S 21) glaubhaft, dahingehend, dass eine Mitarbeiterin der belangten Behörde ihn kontaktiert hätte und angegeben habe, dass der Beschwerdeführer anzumelden gewesen wäre. Dass die mitbeteiligte Partei die Anmeldung zur Sozialversicherung nur vorgenommen hatte, um allfällige höhere Kosten zu vermeiden (Verhandlungsprotokoll vom 14.10.2020, S 21), erscheint glaubhaft.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Stattgebung der Beschwerde
3.1. Gemäß § 4 Abs 1 Z 1 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes - ASVG, BGBl Nr 189/1955 idF BGBl I Nr 8/2019, sind in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung aufgrund des ASVG versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß §§ 5 und 6 von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet, die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer. Im vorliegenden Fall liegen keine Gründe für eine Ausnahme von der Vollversicherung iSd ASVG vor. Die mitbeteiligten Parteien gehören nicht dem Personenkreis des § 5 ASVG an und war auch nicht geringfügig beschäftigt. Auch eine Teilversicherung im Sinne des § 7 ASVG liegt im vorliegenden Fall nicht vor, da die mitbeteiligten Parteien nicht dem in § 7 ASVG genannten Personenkreis angehören.
§ 4 Abs 2 ASVG normiert den Dienstnehmerbegriff. Danach ist Dienstnehmer, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird. Hierzu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher oder wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.
§ 539a ASVG regelt die Grundsätze der Sachverhaltsermittlung. Danach ist gemäß Abs 1 leg cit für die Beurteilung von Sachverhalten nach diesem Bundesgesetz in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes (zB Werkvertrag, Dienstvertrag) maßgebend. Durch den Missbrauch von Formen und durch Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechtes können Verpflichtungen nach diesem Bundesgesetz, besonders die Versicherungspflicht, nicht umgangen oder gemindert werden (Abs 2 leg cit). Ein Sachverhalt ist so zu beurteilen, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessenen rechtlichen Gestaltung zu beurteilen gewesen wäre (Abs 3 leg cit). Nach Abs 4 leg cit sind Scheingeschäfte und andere Scheinhandlungen für die Feststellung eines Sachverhaltes nach diesem Bundesgesetz ohne Bedeutung. Wird durch ein Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft verdeckt, so ist das verdeckte Rechtsgeschäft für die Beurteilung maßgebend. Die Grundsätze, nach denen die wirtschaftliche Betrachtungsweise (Z 1), Scheingeschäfte, Formmängel und Anfechtbarkeit (Z 2) sowie die Zurechnung (Z 3) nach den §§ 21 bis 24 der Bundesabgabenordnung für Abgaben zu beurteilen sind, gelten auch dann, wenn eine Pflichtversicherung und die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten nach diesem Bundesgesetz zu beurteilen sind (Abs 5 leg cit).
Aus § 539a Abs 1 ASVG ist auch zu entnehmen, dass nicht der Wille der Vertragsparteien, sondern der wahre wirtschaftliche Gehalt, nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes in wirtschaftlicher Betrachtungsweise relevant sind. Daher ist es nicht ausschlaggebend, ob die Beschwerdeführerin und die mitbeteiligte Partei einen Werkvertrag abschließen wollten, sondern einzig und allein, ob der wahre wirtschaftliche Gehalt des Sachverhalts aufgrund wirtschaftlicher Betrachtungsweise als solcher oder vielmehr als (echtes) Dienstverhältnis anzusehen ist. Der Wille der Vertragsparteien ist aufgrund des Gebots der wirtschaftlichen Betrachtungsweise daher nicht ausschlaggebend. Ebensowenig ist die Bezeichnung eines Vertrages als Werkvertrag von Bedeutung.
3.2. Entscheidend ist im vorliegenden Fall, ob nach dem Gesamtbild des zu beurteilenden Beschäftigungsverhältnisses beim Beschwerdeführer die Merkmale persönlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen der persönlichen Unabhängigkeit überwiegen und somit persönliche Abhängigkeit iSd § 4 Abs 2 ASVG gegeben ist.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind unterscheidungskräftige Kriterien dieser Abgrenzung die Bindung des Beschäftigten an Ordnungsvorschriften über Arbeitsort, Arbeitszeit, arbeitsbezogenes Verhalten sowie die sich darauf beziehenden Kontroll- und Weisungsbedugnisse, während das Fehlen anderer Umstände (wie zB die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses oder ein das Arbeitsverfahren betreffendes Weisungsrecht des Empfängers der Arbeit) dann, wenn die unterscheidungskräftigen Kriterien kumulativ vorliegen, persönliche Abhängigkeit nicht ausschließt (VwGH 22.10.2020, Ra 2019/08/0090). Erlaubt im Einzelfall die konkrete Gestaltung der organisatorischen Gebdungenheit des Beschäftigten in Bezug auf Arbeitsort, Arbeitszeit und arbeitsbezogenes Verhalten keine abschließende Beurteilung des Überwiegens der Merkmale persönlicher Abhängigkeit, so können im Rahmen der vorzunehmenden Beurteilung des Gesamtbildes der Beschäftigung auch an sich nicht unterscheidungskräftige Kriterien ebenso wie die Art des Entgelts und der Entgeltsleistung von maßgebender Bedeutung sein (vgl dazu VwGH 20.02.2020, Ra 2019/08/0171; 22.10.2020, Ra 2019/08/0090).
Im gegenständlichen Fall kann von einer Einbindnung des Beschwerdeführers in einen Betrieb mit einer vom Dienstgeber determinierten Ablauforganisation, die einer die Erteilung persönlicher Weisungen und entsprechender Kontrollen gleichkommt („stille Autorität“ des Dienstgebers) keine Rede sein. Der Beschwerdeführer hatte schlicht Arbeiten vorzunehmen, wie sie mit „Hausmeistertätigkeiten“ treffend umschrieben werden können. Er musste sich nicht nach bestimmten Zeiten richten, sondern hatte nur dafür zu sorgen, dass die Vorbereitung der Veranstaltung rechtzeitig fertig wird. Weder trat er als Mitarbeiter der mitbeteiligten Partei optisch in Erscheinung, noch gehörte er organisatorisch dem Hotelpersonal an. Er musste sich nicht an bestimmte Abläufe im Unternehmen richten. Seine Tätigkeit war auch nicht auf die Tätigkeit anderer Mitarbeiter oder auf die Anwesenheit eines Vorgesetzten abgestimmt. Damit fehlt es im Sinne der Rechtsprechung einer Einbindung in eine Betriebsorganisation; vielmehr spricht der dem Beschwerdeführer eingeräumte Spielraum bei der Erbringung seiner Tätigkeit für das Vorliegen eines freien Dienstvertrages (vgl VwGH 14.11.2018, Ra 2018/08/0172, 0173 mwN).
Bei einfachen manuellen Tätigkeiten, wie sie Hausmeisterarbeiten darstellen, kann bei einer Integration des Beschäftigten in den Betrieb des Beschäftigers – in Ermangelung gegenläufiger Anhaltspunkte – das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher Abhängigkeit iSd § 4 Abs 2 ASVG ohne weitwendige Untersuchungen vorausgesetzt werden (VwGH 03.10.2013, 2013/08/0162 mwN). Alledings fehlt es im vorliegenden Fall an der Integration in den Betrieb des Auftraggebers, sodass es nicht ausreicht, aufgrund des Vorliegens einfacher manueller Arbeiten vom Vorliegen eines Beschäftigungsverhätltnisses in persönlicher Abhängigkeit iSd § 4 Abs 2 ASVG ausgehen zu können (vgl VwGH 22.10.2020, Ra 2019/08/0090 mwHa die Rsp). Hierbei ist auch zu bedenken, dass der Beschwerdeführer das Gewerbe der Hausbetreuung innehalt. Zwar spricht die Tatsache der Innehabung eines solchen Gewerbes für sich noch nicht für eine selbständige Tätigkeit, jedoch kommt diesem Aspekt mangels Einbingung in den Betrieb seines Auftraggebers Bedeutung zu. Anderenfalls wäre zwingend jeder Gewerbetreibende, der Hausbetreuungsdienste angibt, bei jedem Auftraggeber als Dienstnehmer anzumelden, da Hausbetreuung eine einfache Hilfstätigkeit ist, die weder besondere Qualifikationen, noch besondere Betriebsmittel zwingend voraussetzt. Allein auf diesen Umstand kommt es aber – wie oben dargelegt – nach der Rsp nicht an. Es ist zunächst auf die Integration des Beschwerdeführers in den Betrieb seines Auftraggebers abzustellen. Eine solche lag fallgegenständlich nicht vor.
Aus dem Umstand, dass die mitbeteiligte Partei nachträglich den Beschwerdeführer als Dienstnehmer angemeldet hat, kann eine solche Integration angesichts des Umstandes, wie diese nachträgliche Anmeldung erfolgte und aus welchen Gründen, nicht angenommen werden. Da es ein Anerkennen im öffentlichen Recht nicht gibt, vermag eine irrtümliche oder – wie in diesem Fall – eine aufgrund der Intervention der belangten Behörde vorgenommene nachträgliche Anmeldung nichts dazu beizutragen, ob tatsächlich ein Beschäftigungsverhältnis in persönlicher Abhängigkeit iSd § 4 Abs 2 ASVG vorliegt oder nicht.
Aus diesen Gründen war der Beschwerde Folge zu geben und der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs 5 VwGVG ersatzlos zu beheben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Das gegenständliche Erkenntnis weicht nicht von der im Erkenntnis zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, die auch nicht als uneinheitlich zu qualifizieren ist. Eine Rechtsfrage von Bedeutung ist nicht hervorgekommen. Bei gegenständlichem Sachverhalt handelt es sich um einen nicht reversiblen Einzelfall, weshalb die Revision nicht zulässig ist.
Schlagworte
Hausarbeit Integration Ordnungsvorschrift Pflichtversicherung wahrer wirtschaftlicher Gehalt WeisungsfreiheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:I413.2163657.1.00Im RIS seit
21.12.2020Zuletzt aktualisiert am
21.12.2020