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19/05 MenschenrechteNorm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z2Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn sowie die Hofräte Mag. Eder und Mag. Feiel, die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schmidt, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 169, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 2. September 2015, Zl. W185 1435680-1/20E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (mitbeteiligte Partei: D C O in G), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird in seinem Spruchpunkt A. II. wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.
Begründung
Der aus Nigeria stammende Mitbeteiligte wurde am 13. Mai 2013 in Guntramsdorf von Polizeibeamten der Polizeiinspektion Gumpoldskirchen wegen unrechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet vorläufig festgenommen. Am 14. Mai 2013 stellte er einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).
Im Zuge seiner Antragstellung gab der Mitbeteiligte an, Anfang April 2013 in das Bundesgebiet eingereist zu sein. Er habe sein Heimatland wegen des Konflikts zwischen muslimischen und christlichen Bevölkerungsgruppen verlassen. Er selbst sei Christ.
Der Antrag des Mitbeteiligten auf internationalen Schutz wurde vom Bundesasylamt (nunmehr: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) mit Bescheid vom 21. Mai 2013 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten - gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 - als auch des Status des subsidiär Schutzberechtigten - gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 - abgewiesen. Unter einem wurde der Mitbeteiligte nach § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen.
In ihrer Begründung ging die Verwaltungsbehörde davon aus, das Vorbringen zu den Gründen für die Flucht des Mitbeteiligten sei als unglaubwürdig anzusehen. Es könne daher der Entscheidung nicht als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt werden. Somit läge kein Grund vor, dem Mitbeteiligten den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen. Es gebe aber auch keine Hinweise auf das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, wonach seine Abschiebung im Sinn des Art. 3 EMRK oder § 50 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) unzulässig sein könnte. Es handle sich bei ihm um einen gesunden, arbeitsfähigen und arbeitswilligen Mann. Anhand der Feststellungen zur Situation im Heimatland des Mitbeteiligten ergäben sich keine Umstände, denen zufolge er im Fall seiner Rückkehr in eine existenzbedrohende Lage versetzt wäre. Er könne in seinem Heimatland seine bisherige Tätigkeit als selbständiger Musiker wieder aufnehmen.
Der Mitbeteiligte - so die Behörde weiter - habe in Österreich keine Verwandten. Er beherrsche die deutsche Sprache nicht, habe keine konkreten Zukunftspläne, finanziere seinen Aufenthalt in Österreich aus öffentlichen Mitteln und sei somit hier "nicht selbständig" (gemeint: nicht selbsterhaltungsfähig). Sein Aufenthalt im Bundesgebiet sei bloß von kurzer Dauer. Im Rahmen der nach Art. 8 Abs. 2 EMRK vorzunehmenden Interessenabwägung sei zum Ergebnis zu kommen, dass das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung überwiege und der durch die Ausweisung erfolgte Eingriff in das Privatleben als verhältnismäßig anzusehen sei. Dem öffentlichen Interesse am geordneten Vollzug des Fremdenwesens sei Vorrang einzuräumen.
Mit Schreiben vom 4. Juni 2013 erhob der Mitbeteiligte gegen diese Entscheidungen Beschwerde an den Asylgerichtshof. Das Verfahren über die Beschwerde wurde ab 1. Jänner 2014 gemäß § 75 Abs. 19 AsylG 2005 vom Bundesverwaltungsgericht zu Ende geführt.
Am 6. Juli 2015 hielt das Bundesverwaltungsgericht eine Verhandlung über die Beschwerde ab. Dem Verhandlungsprotokoll ist zu entnehmen, dass der Mitbeteiligte nach "durchgeführter Rechtsberatung" die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides zurückzog und ihm vom die Verhandlung leitenden Richter als Verfahrensergebnis in Aussicht gestellt wurde, über die Beschwerde zu Spruchpunkt III. (gegen die von der Verwaltungsbehörde erlassene Ausweisung) werde insofern positiv entschieden werden, als die Erlassung einer Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig erklärt werden würde.
Mit dem in der Ausfertigung des angefochtenen Erkenntnisses enthaltenen Beschluss vom 2. September 2015 stellte das Bundesverwaltungsgericht das Verfahren über die vom Mitbeteiligten eingebrachte Beschwerde betreffend die Spruchpunkte I. und II. des verwaltungsbehördlichen Bescheides (hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten) gemäß § 28 Abs. 1 iVm § 31 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) ein.
Unter einem fällte es das Erkenntnis, dass der vom Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und gemäß § 9 Abs. 3 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) iVm § 75 Abs. 20 AsylG 2005 festgestellt werde, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei.
Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.
In seiner Begründung führte das Bundesverwaltungsgericht - auf das für das Revisionsverfahren Wesentliche zusammengefasst - aus, der Mitbeteiligte sei im Mai 2013 irregulär nach Österreich eingereist. Er halte sich auf Grund einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung seit mehr als zwei Jahren als Asylwerber im Bundesgebiet auf. Er habe sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus stets bewusst sein müssen. Allerdings sei der bisherige Aufenthalt des Mitbeteiligten in Österreich durchgehend rechtmäßig gewesen. Die bisherige (Gesamt-)Verfahrensdauer von zwei Jahren könne dem Mitbeteiligten nicht angelastet werden. Insoweit könne der Fall des Mitbeteiligten nicht mit jenen Fällen verglichen werden, in denen es auch Zeiten des illegalen Aufenthalts gegeben habe, sich Asylwerber über längere Zeit hinweg dem Verfahren entzogen hätten oder hintereinander mehrere Anträge nach asylrechtlichen oder fremdenrechtlichen Bestimmungen gestellt hätten. Der Mitbeteiligte habe während seines Aufenthalts in Österreich auch "respektable Anstrengungen" zur Integration in die österreichische Gesellschaft unternommen. Er verfüge seit seiner Einreise in Österreich über "ortsübliche Unterkünfte" und sei durchgehend polizeilich gemeldet. Seit 7. Juli 2014 lebe der Mitbeteiligte im gemeinsamen Haushalt mit seiner damaligen Lebensgefährtin und jetzigen Ehefrau, die österreichische Staatsbürgerin sei. Die Ehe sei am 8. Oktober 2014 geschlossen worden. Aus den vorgelegten Unterstützungsschreiben gehe hervor, dass er über einen Freundes- und Bekanntenkreis in Österreich verfüge. Der Mitbeteiligte verfüge bloß über beschränkte Kenntnisse der deutschen Sprache, er versuche aber diese im Selbststudium besser zu erlernen. Seit 1. Oktober 2014 befinde sich der Mitbeteiligte nicht mehr in der Grundversorgung. Er beziehe auch keine Sozialhilfe. Der Lebensunterhalt werde von der Ehefrau des Mitbeteiligten, die als Taxifahrerin tätig sei, erwirtschaftet. Der Mitbeteiligte sei somit auch bei der Ehefrau sozialrechtlich mitversichert. Er sei strafrechtlich unbescholten.
Im Rahmen der Abwägung der persönlichen Interessen des Mitbeteiligten gegenüber den öffentlichen Interessen sei - so das Verwaltungsgericht resümierend - zum Ergebnis zu kommen, dass die Auswirkungen einer Rückkehrentscheidung auf die Lebenssituation des Mitbeteiligten und seiner Ehefrau, welche bei einer Ausweisung ebenfalls in ihren nach Art. 8 EMRK geschützten Rechten betroffen sei, schwerer wögen als die öffentlichen Interessen an der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme. Angesichts der besonderen Umstände des gegebenen Falles erwiesen sich nämlich aufenthaltsbeendende Maßnahmen mit Blick auf die Schutzwürdigkeit des zwischenzeitig in Österreich begründeten Familien- und Privatlebens des Mitbeteiligten als unverhältnismäßig im Sinn des Art. 8 Abs. 2 EMRK. Somit sei gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG iVm § 75 Abs. 20 AsylG 2005 festzustellen gewesen, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei.
Die Revision sei nicht zulässig, weil hinsichtlich der maßgeblichen Rechtsfragen eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bestehe und sich das Bundesverwaltungsgericht darüber hinaus auf eine ohnehin klare Rechtslage habe stützen können.
Gegen diese Entscheidung, soweit festgestellt wird, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist (Spruchpunkt A. II. des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts), wendet sich die vorliegende (Amts-)Revision des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision nach Vorlage derselben und der Verfahrensakten durch das Bundesverwaltungsgericht sowie nach Einleitung des Vorverfahrens und nach Erstattung einer Revisionsbeantwortung durch den Mitbeteiligten erwogen:
In der Revision wird zu deren Zulässigkeit geltend gemacht, das Bundesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Es habe die in der Rechtsprechung für die bei Aufenthaltsbeendigungen vorzunehmende Interessenabwägung entwickelten Grundsätze missachtet. Das Bundesverwaltungsgericht habe nicht alle für und gegen die Erlassung der Rückkehrentscheidung sprechenden Umstände in seine Erwägungen einbezogen. Zudem habe es die zu berücksichtigenden Umstände nicht entsprechend der in der Rechtsprechung entwickelten Leitlinien gewichtet.
Die Revision ist zulässig. Sie ist auch berechtigt.
Zunächst ist - der Vollständigkeit halber - darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof keine Zweifel hegt, dass das Bundesverwaltungsgericht auch in einem Fall, wie er hier vorliegt, befugt war, gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 darüber zu entscheiden, ob sich die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig darstellt oder das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen wird. Daran ändert auch nichts, dass § 75 Abs. 20 AsylG 2005 von einer Bestätigung des abweisenden Bescheides des Bundesasylamtes spricht, im gegenständlichen Fall aber keine formelle Bestätigung vorliegt, sondern das den Antrag auf internationalen Schutz betreffende Beschwerdeverfahren durch Zurückziehung der Beschwerde erledigt wurde und damit die von der Verwaltungsbehörde ausgesprochene Antragsabweisung in Rechtskraft erwachsen ist. Ein solcher Fall ist nämlich - vor dem Hintergrund, dass dies auf das im Beschwerdeverfahren bis dahin hervorgekommene Verfahrensergebnis zurückzuführen war - einer Bestätigung der verwaltungsbehördlichen Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht im Sinn des § 75 Abs. 20 Z 1 AsylG 2005 gleichzuhalten. Somit ist auch im vorliegenden Fall die Erfüllung des in § 75 Abs. 20 Z 1 AsylG 2005 enthalten Tatbestandes zu bejahen.
Der vom Bundesverwaltungsgericht als maßgeblich herangezogene § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:
"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
(4) ..."
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Beurteilung der Frage, ob die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zulässig ist, eine gewichtende Gegenüberstellung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit dem persönlichen Interesse des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich vorzunehmen. Das persönliche Interesse nimmt grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden zu. Die bloße Aufenthaltsdauer ist freilich nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles vor allem zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Aufenthaltsbeendigung auf die familiären oder sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (vgl. aus jüngerer Zeit etwa das hg. Erkenntnis vom 10. November 2015, Ro 2015/19/0001, mwN; zur Übertragbarkeit der zu früher geltenden Rechtslagen des FPG ergangenen Rechtsprechung zur Interessenabwägung bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen auf die seit 1. Jänner 2014 geltende Rechtslage nach dem BFA-VG vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. November 2015, Ra 2015/21/0101).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch geordnete Abwicklung des Fremdenwesens ein hoher Stellenwert zu. Gegen diese Normen verstoßen Fremde, die nach dem negativen Abschluss ihres Asylverfahrens über kein weiteres Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet verfügen und unrechtmäßig in diesem verbleiben. Ebenso entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass das durch eine soziale Integration erworbene Interesse an einem Verbleib in Österreich in seinem Gewicht gemindert ist, wenn der Fremde keine genügende Veranlassung gehabt hatte, von einer Erlaubnis zu einem dauernden Aufenthalt auszugehen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. April 2013, 2013/22/0106, mwN). Grundsätzlich ist nach negativem Ausgang des Asylverfahrens - infolge des damit einhergehenden Verlustes des vorläufig während des Verfahrens bestehenden Rechts zum Aufenthalt und sofern kein anderweitiges Aufenthaltsrecht besteht - der rechtmäßige Zustand durch Ausreise aus dem Bundesgebiet wiederherzustellen (vgl. in diesem Sinn das hg. Erkenntnis vom 19. Februar 2014, 2013/22/0028).
Fallbezogen fällt besonders schwer ins Gewicht, dass der Mitbeteiligte unrechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist ist, einen - infolge teilweiser Beschwerdezurückziehung letztlich rechtskräftig abgewiesenen und sohin - (von Beginn an) unbegründeten Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat und von Anfang seines Aufenthalts in Österreich an nicht damit rechnen konnte, er werde hier ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht erlangen können.
Umstände, die im vorliegenden Fall eine Rechtfertigung dafür geboten hätten, der Mitbeteiligte könnte bereits nach der - als bloß kurz anzusehenden - Zeit seines Aufenthalts von etwas mehr als zwei Jahren ein Recht auf Verbleib im Bundesgebiet aus Art. 8 EMRK ableiten, sind ausgehend von den Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht erkennbar.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt der Bindung eines Fremden an einen österreichischen Ehepartner im Rahmen der Abwägung nach Art. 8 EMRK große Bedeutung zu, was auch in der Bestimmung des § 9 Abs. 2 letzter Satz BFA-VG Ausdruck findet. In einem solchen Fall müssen nähere Feststellungen zu den Lebensverhältnissen des Fremden und seines Ehepartners, insbesondere zu den Wohnverhältnissen, der Art ihrer Beschäftigungen und den erzielten Einkommen, aber etwa auch zur Frage der Deutschkenntnisse sowie zu den Bindungen zum Heimatstaat und zur Möglichkeit und Zumutbarkeit der Führung eines Familienlebens außerhalb Österreichs getroffen werden (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 11. Juni 2014, 2012/22/0142, und vom 17. April 2013, 2012/22/0235, jeweils mwN). Feststellungen zu den zuletzt genannten Themen fehlen im angefochtenen Erkenntnis zur Gänze, was die Revision vor dem Hintergrund der angeführten Rechtsprechung zu Recht kritisiert. Der Mitbeteiligte hat - abgesehen von seinem letztlich als unberechtigt anzusehenden Vorbringen zum Antrag auf internationalen Schutz - zudem auch nie behauptet, es wäre nicht möglich, das Familienleben außerhalb Österreichs zu führen.
Fallbezogen hätte das Verwaltungsgericht aber auch unter Bedachtnahme auf die bisherige bloß kurze Dauer des Aufenthalts des Mitbeteiligten dem Umstand, dass die Ehe zu einer Zeit geschlossen wurde, während sein Aufenthaltsstatus als unsicher anzusehen war und somit für ihn (aber auch für seine Ehefrau) kein ausreichender Grund zur Annahme bestand, er werde dauerhaft in Österreich bleiben dürfen, eine höhere Bedeutung beimessen müssen (vgl. zu einer ähnlichen Konstellation bei noch längerem Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet etwa die hg. Erkenntnisse vom 10. Dezember 2013, 2013/22/0351, und bezogen auf einen etwa zweieinhalbjährigen Aufenthalt jenes vom 10. November 2010, 2008/22/0177). Anders als das Bundesverwaltungsgericht meint, fällt in diesem Zusammenhang auch die überwiegende Rechtmäßigkeit seines bisherigen Aufenthalts nicht entscheidend ins Gewicht; beruhte diese doch - wie erwähnt - lediglich auf einem bloß während der Dauer des Asylverfahrens zustehenden vorübergehenden Aufenthaltsrecht.
Sonstige besondere Gründe, die - allenfalls im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung in Verbindung mit der festgestellten Ehe - einen Anspruch des Mitbeteiligten auf Verbleib im Bundesgebiet im Sinn des Art. 8 EMRK hätten herbeiführen können, sind nicht ersichtlich. Der Mitbeteiligte verfügt nur über geringe Kenntnisse der deutschen Sprache und geht keiner Erwerbstätigkeit nach. Im Übrigen ist die Aussage des Bundesverwaltungsgerichts, der Lebensunterhalt des Mitbeteiligten werde von den Einkünften seiner Ehefrau als Taxifahrerin bestritten, in dieser Absolutheit nicht ohne Weiteres mit dem Akteninhalt in Einklang zu bringen. Die Ehefrau des Mitbeteiligten hat nämlich im Rahmen der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht die Kopie des Bescheides vom 8. April 2015 des Sozialamtes der Stadt Graz vorgelegt, womit ihr eine (näher festgesetzte) finanzielle monatliche Leistung aus der bedarfsorientierten Mindestsicherung für die Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes in Form einer monatlich pauschalierten Geldleistung auf die Dauer unveränderter persönlicher und wirtschaftlicher Verhältnisse zuerkannt wurde. Die Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen zur Bestreitung des Lebensunterhalts hat sie im Zuge ihrer Aussage vor dem Verwaltungsgericht auch eingeräumt. Daraus ergibt sich nun aber, dass das von ihr aus der Tätigkeit als Taxifahrerin erzielte Einkommen schon nicht hinreicht, um damit den für sie lebensnotwendigen Unterhalt zu erwirtschaften; demgemäß umso weniger für jenen des Mitbeteiligten.
Nach dem Gesagten hat das Bundesverwaltungsgericht bei seiner Entscheidung über die Zulässigkeit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung die vom Verwaltungsgerichtshof aufgestellten Leitlinien verlassen und zudem infolge dessen keine ausreichenden Feststellungen getroffen, die eine dem Gesetz entsprechende rechtliche Beurteilung ermöglicht hätten. Diese Entscheidung war daher - im angefochtenen Umfang - wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am 15. Dezember 2015
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2015:RA2015190247.L00Im RIS seit
21.12.2020Zuletzt aktualisiert am
21.12.2020