TE OGH 2020/10/7 5Ob161/20t

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Veröffentlicht am 07.10.2020
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerinnen 1. J*****, 2. S*****, ebenda, beide vertreten durch Dr. Robert Starzer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin G***** AG, *****, vertreten durch Breitenecker Kolbitsch Vana Rechtsanwältinnen und Rechtsanwalt in Wien, wegen § 14a Abs 2 Z 2b iVm § 22 Abs 1 Z 1 WGG infolge des Revisionsrekurses der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 25. März 2020, GZ 39 R 51/20v-16, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 30. Juli 2019, GZ 77 MSch 7/19y-5, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Akt wird an das Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

Die Antragstellerinnen haben von der Antragsgegnerin, einer gemeinnützigen Bauvereinigung im Sinn des WGG, eine Wohnung gemietet. Gegenstand des Verfahrens ist ihr Antrag auf Durchführung von Erhaltungsarbeiten, weil die Motoreinheit der elektrischen Lüftungsanlage des WCs defekt sei.

Das Erstgericht gab dem Antrag statt.

Das Rekursgericht gab dem von der Antragsgegnerin erhobenen Rekurs nicht Folge und erklärte den Revisionsrekurs für zulässig, weil zur Frage, wann die Grenzen einer bloßen Bagatellreparatur im Sinn des § 14a Abs 2 Z 2b WGG überschritten werden, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Eine Zustellung der Entscheidungen der Vorinstanzen durch Hausanschlag ist nach der Aktenlage unterblieben.

Im Revisionsrekurs strebt die Antragsgegnerin die Abänderung im Sinn der Antragsabweisung an, hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Die Antragstellerinnen beantragen in ihrer Revisionrekursbeantwortung den Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Der Oberste Gerichtshof kann über den ordentlichen Revisionsrekurs derzeit noch nicht entscheiden.

Rechtliche Beurteilung

1. Nach § 22 Abs 4 Z 1 WGG ist in einem Verfahren, das von einem oder mehreren Mietern oder sonstigen Nutzungsberechtigten einer Baulichkeit gegen die Bauvereinigung eingeleitet wird, der verfahrenseinleitende Antrag auch jenen anderen Mietern oder sonstigen Nutzungsberechtigten zuzustellen, deren Interessen durch eine stattgebende Entscheidung darüber unmittelbar berührt werden könnten; diesen Mietern oder sonstigen Nutzungsberechtigten ist Gelegenheit zur Teilnahme am Verfahren zu geben, wofür es genügt, wenn sie zu einem Zeitpunkt, zu dem dies noch zulässig ist, Sachvorbringen erstatten können. Die Bestimmung entspricht § 37 Abs 3 Z 2 MRG, sodass die dazu ergangene Rechtsprechung zur Beurteilung der Parteistellung der übrigen Hauptmieter herangezogen werden kann.

2. Eine unmittelbare Interessensbeeinträchtigung der übrigen Hauptmieter besteht in einem Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 2 MRG deshalb, weil der Vermieter die zur ordnungsgemäßen Erhaltung oder nützlichen Verbesserung des Hauses aufgewendeten Beträge als Ausgaben in die Hauptmietzinsrechnung einstellen darf und sich zur Rechtfertigung dieses Vorgehens auch den übrigen Hauptmietern gegenüber auf die im Verfahren erteilten Aufträge berufen kann. Im Verfahren, das der Durchsetzung von Erhaltungsarbeiten dient, geht die ständige Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0070366 [T9, T10]; RS0070534 [T2]) in Übereinstimmung mit der Lehre (Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht I23 § 37 MRG Rz 68 mwN; T. Klicka in Hausmann/Vonkilch Österreichisches Wohnrecht3 § 37 MRG Rz 85) von einer Teilnahmeberechtigung aller Hauptmieter des Hauses aus.

3. Diese Grundsätze sind auch in diesem Verfahren anzuwenden, in dem die Qualifikation der begehrten Arbeiten als Erhaltungsarbeit im Sinn des § 14a Abs 2 Z 2b WGG strittig ist. Da die gemeinnützige Bauvereinigung die Kosten für Erhaltungsarbeiten im Rahmen der Abrechnung des Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrags im Sinn des § 14d WGG zu berücksichtigen hat und nicht durch verbrauchte Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge und künftige im gesetzlichen Ausmaß einzuhebende Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge gedeckte Erhaltungsarbeiten zu einer Erhöhung dieser Beiträge nach § 14 Abs 2 WGG führen könnten, gilt auch für den Bereich des WGG, dass die Interessen anderer Hauptmieter durch eine stattgebende Entscheidung über den Antrag auf Erhaltungsarbeiten unmittelbar berührt werden könnten. Diesen ist daher rechtliches Gehör einzuräumen (vgl RS0006036).

4. Nach der Aktenlage gibt es in der Wohnhausanlage weitere Hauptmieter, die dem bisherigen Verfahren nicht beigezogen wurden. Diesen ist Gelegenheit zu geben, sich am Revisionsrekursverfahren zu beteiligen und ihre materiellen und/oder prozessualen Rechte geltend zu machen oder auch nicht (RS0123128). Die allfällige Verletzung des Parteiengehörs weiterer Mieter wäre dann als saniert anzusehen, wenn diese nach Zustellung der Sachentscheidung kein zulässiges Rechtsmittel erheben oder den Stand des Verfahrens genehmigen (5 Ob 237/09b).

5. Das Erstgericht wird daher zunächst die Zustellung der Rekursentscheidung und des Revisionsrekurses samt Rechtsmittelbelehrung an die übrigen Hauptmieter durch Hausanschlag zu veranlassen haben. Der Akt ist erst nach dem Einlangen allfälliger weiterer Rechtsmittel oder Rechtsmittelbeantwortungen oder nach ungenütztem Ablauf der hiefür offenstehenden Fristen wieder vorzulegen.

Textnummer

E129973

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0050OB00161.20T.1007.000

Im RIS seit

19.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

19.12.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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