TE Vwgh Erkenntnis 1997/8/12 93/17/0003

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Veröffentlicht am 12.08.1997
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
55 Wirtschaftslenkung;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
AVG §58 Abs2;
PrG 1976 §10;
PrG 1976 §3 Abs1;
PrG 1976 §6 Abs1;
PrG 1976 §9;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde der XY-Pharma-Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz (nunmehr Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) vom 16. November 1992, Zl. 2.225.561/2-II/A/7/92, betreffend einen Apothekeneinstandspreis, zu Recht erkannt:

Spruch

Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Für das gegenständliche Präparat U war ursprünglich ein Apothekeneinstandspreis von S 3.714,-- bescheidmäßig festgesetzt. Da die Herstellungskosten des Präparats in der Zwischenzeit erheblich gesenkt worden waren, meldete die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 1. September 1991 dem österreichischen Apothekerverlag für das Präparat einen Apothekeneinstandspreis ohne Umsatzsteuer von S 2.400,--.

Da es sich hiebei um eine über das übliche Maß hinausgehende Preisminderung handelte, wurde die Beschwerdeführerin von der belangten Behörde aufgefordert, eine entsprechende Preiskalkulation vorzulegen sowie den Preis im Erzeugerland bekanntzugeben. Dies erfolgte auch anläßlich einer Besprechung zwischen einem Vertreter der Beschwerdeführerin und einem Vertreter der belangten Behörde. Nach Befassung der Preiskommission erging der nunmehr angefochtene Bescheid, in dessen Spruchpunkt I "auf Grund des Antrages" der Beschwerdeführerin der Apothekeneinstandspreis für das Präparat U mit S 2.279,-- festgesetzt wird und in dessen Spruchpunkt II gemäß § 12 Abs. 1 des Preisgesetzes 1992 für die auf Antrag vorgenommene behördliche Preisbestimmung die Kosten in Höhe von S 300,-- festgesetzt werden.

Die Begründung des angefochtenen Bescheides lautet wie

folgt:

"Begründung

Zu I: Gemäß § 6 des Preisgesetzes wurde der im Spruch angeführte Apothekeneinstandspreis aus volkswirtschaftlich gerechtfertigten Gründen unter Berücksichtgung der von der Firma bekanntgegebenen betriebswirtschaftlichen Daten und gesamtwirtschaftlicher Aspekte festgesetzt. Dabei wurden vollinhaltlich die Beratungsergebnisse der im Rahmen des Ermittlungsverfahrens gemäß §§ 9 und 10 des Preisgesetzes ordnungsgemäß befaßten Preiskommission berücksichtigt.

Zu II: Gemäß § 12 Abs. 1 des Preisgesetzes sind für die auf Antrag vorgenommene behördliche Preisbestimmung die der Behörde erwachsenen Kosten zu ersetzen. Diese Kosten wurden in der im Spruch angeführten Höhe errechnet."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der sowohl Spruchteil I als auch Spruchteil II des angefochtenen Bescheides bekämpft werden und Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften insbesondere im Hinblick auf die Begründung des Bescheides und die Verletzung des Parteiengehörs geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet. In dieser Gegenschrift wird nach kurzer Wiedergabe des Inhalts der Beschwerde das Verwaltungsgeschehen dargestellt und ausgeführt, daß in der bescheidmäßigen Preisgenehmigung auf eine detaillierte Begründung verzichtet worden sei, da die belangte Behörde davon ausgegangen sei, daß mit dieser Entscheidung dem Standpunkt der Partei vollinhaltlich Rechnung getragen worden sei. Es wird ausdrücklich eingeräumt, daß die belangte Behörde exakter hätte ermitteln müssen, ob dem Standpunkt der Partei vollinhaltlich Rechnung getragen worden sei, um eine Begründung entfallen lassen zu können. Ausdrücklich klargestellt wird auch, daß die belangte Behörde irrtümlicherweise von einem Antrag auf Änderung des Apothekeneinstandspreises ausgegangen sei. Die Vorschreibung des Kostenbeitrages gemäß § 12 Abs. 1 Preisgesetz 1992 sei daher zu Unrecht erfolgt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Bestimmung von Preisen gemäß § 3 Abs. 1 Preisgesetz kann - auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Preisgesetz - gemäß § 10 Preisgesetz sowohl von Amts wegen als auch auf Antrag erfolgen. Daher verletzte die fälschlicherweise erfolgte Bezugnahme auf einen Antrag der Beschwerdeführerin diese noch nicht in ihren Rechten

In der Beschwerde wird zu Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides insbesondere auch ausgeführt, daß das rechtswidrige Unterlassen jeglicher Begründung eine verwaltungsgerichtliche Nachprüfung der Gesetzmäßigkeit hindere. Die Unterlassung einer Begründung sei im vorliegenden Zusammenhang insbesondere auch deshalb wesentlich, weil die Beschwerdeführerin dadurch über die Erwägungen der Behörde nicht unterrichtet und somit an der Verfolgung ihres Rechtsanspruches gehindert sei; es wird in diesem Zusammenhang auf eine Reihe von Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes hingewiesen.

Die Beschwerdeführerin ist mit diesem Vorbringen im Recht. Wie auch die belangte Behörde in der Gegenschrift erkannt hat, kann der Entfall einer Begründung im vorliegenden Fall nicht auf § 58 Abs. 2 AVG gestützt werden. Die oben wiedergegebene knappe Begründung des Spruchpunktes I des Bescheides läßt tatsächlich nicht erkennen, aus welchen gesamtwirtschaftlichen Aspekten und im Hinblick auf welche betriebswirtschaftliche Daten die Entscheidung der belangten Behörde erfolgte. Es wird auch nicht dargestellt, in welcher Weise sich die Preiskommission äußerte. Die Verfahrensrüge der Beschwerdeführerin ist daher insoweit berechtigt (vgl. zur Begründungspflicht nach dem AVG und zur Wesentlichkeit eines Begründungsmangels z.B. das bei Ringhofer, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I, MGA 5/I, 514, unter E 23 zitierte Erkenntnis oder aus jüngerer Zeit das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 1996, Zl. 95/06/0245 mit weiteren Nachweisen).

2. Berechtigt ist die Verfahrensrüge weiters im Hinblick auf § 45 Abs. 3 AVG bezüglich der Unterlassung der Mitteilung der Äußerung der Preiskommission, zumal die belangte Behörde sich im angefochtenen Bescheid auf diese Stellungnahme stützte (vgl. aus der zahlreichen Rechtsprechung beispielsweise das bei Ringhofer, a.a.O., 422, unter E 125 wiedergegebene hg. Erkenntnis). Auch insofern ist nicht auszuschließen, daß die Behörde bei Vermeidung des Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der dargestellte Verfahrensmangel wird auch durch das von der belangten Behörde geschilderte Verwaltungsgeschehen im Zuge der Vorberatung zur Sitzung der Preiskommission und die angebliche Vereinbarung, daß die Beschwerdeführerin allfällige Einwände über den Vertreter der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft in der Preiskommission bis zu deren Sitzung vorbringen werde, nicht aufgehoben. Selbst wenn die Besprechungen mit den Vertretern der Beschwerdeführerin in der in der Gegenschrift dargestellten Weise verlaufen sein sollten, kann in der "Vereinbarung" einer solchen Vorgangsweise kein Verzicht einer Partei auf die Einräumung des Parteiengehörs gesehen werden. Genauso wenig wie eine Verwaltungsbehörde eine antizipierende Beweiswürdigung vornehmen darf, kann der Verzicht einer Partei auf das Vorbringen (weiterer) Argumente zu einer zu erwartenden Stellungnahme eines Beirats oder einer Kommission keinesfalls als der Verzicht auf eine Stellungnahme zu der (sodann tatsächlich abgegebenen) Äußerung dieses Beirats oder dieser Kommission gewertet werden.

3. Schon aus diesem Grund ist der angefochtene Bescheid hinsichtlich seines Spruchpunktes I wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

4. Wie auch die belangte Behörde in der Gegenschrift zugestanden hat, war weiters die Heranziehung des § 12 Abs. 1 Preisgesetz 1992 betreffend die Vorschreibung eines Kostenbeitrages bei der Preisbestimmung auf Antrag rechtswidrig, da im Beschwerdefall kein Antrag der Beschwerdeführerin vorlag.

Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

Schlagworte

Begründung von Ermessensentscheidungen Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Gutachten Parteiengehör Parteieneinwendungen Gutachten Parteiengehör Teilnahme an Beweisaufnahme Fragerecht Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1 Sachverständiger juristische Person Kammer Beirat

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1993170003.X00

Im RIS seit

11.09.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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