TE Bvwg Beschluss 2020/6/29 W211 2231661-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.06.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

29.06.2020

Norm

AVG §38
AVG §73 Abs1
B-VG Art133 Abs4
DSG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §8a

Spruch

W211 2231661-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag.a SIMMA als vorsitzende Richterin über den Antrag von XXXX auf Bewilligung der Verfahrenshilfe vom XXXX für die Einbringung einer Säumnisbeschwerde (Verletzung der Entscheidungspflicht der Datenschutzbehörde):

A)

Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Am XXXX stellte der Antragsteller verfahrensgegenständlichen Antrag auf Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer Säumnisbeschwerde, in dem er ausführte, dass er am 07.05.2019 bei der Datenschutzbehörde eigenhändig eine Datenschutzbeschwerde wegen Verletzung seines Rechts auf Auskunft eingebracht habe. Die Datenschutzbehörde habe seitdem keine weiteren Verfahrensschritte mehr gesetzt, weshalb Säumnis vorliege. Der Beschwerdeführer beantragte die Beigebung eines Rechtsanwaltes, die Befreiung von den Gerichtsgebühren und anderen bundesgesetzlich geregelten staatlichen Gebühren, den Kosten von Amtshandlungen außerhalb des Gerichts, den Gebühren der Zeugen, Sachverständigen, Dolmetscher, Übersetzer und Beisitzer sowie den notwendigen Barauslagen und den Reisekosten (Anreise zur mündlichen Verhandlung). Dem Antrag auf Verfahrenshilfe wurde unter anderem ein Vermögensbekenntnis, die bei der Datenschutzbehörde eingebrachte Datenschutzbeschwerde und eine Mitteilung des AMS über den Bezug von Notstandshilfe beigefügt.

Am 05.06.2020 legte die Datenschutzbehörde dem Bundesverwaltungsgericht den Verfahrenshilfeantrag samt Akten vor und führte in einer Stellungnahme aus, dass Beschwerdegegenstand des dem Verfahrenshilfeantrag zugrundeliegenden Verfahrens (Zl. XXXX die Nichterteilung einer Auskunft durch XXXX an den Antragsteller (Auskunftsverlangen vom 18.01.2019) sei. Im Verfahren XXXX sei mit Schreiben der XXXX vom 04.11.2019 an die Datenschutzbehörde mitgeteilt worden, dass die Auskunft an den Antragsteller erteilt worden sei, und zwar mit Schreiben vom 31.10.2019. Im Parteiengehör gemäß § 24 Abs. 6 DSG habe der Antragsteller mit Schreiben vom 27.11.2019 dann verschiedene Auskunftsmängel releviert, jedoch die Erteilung der Auskunft nicht bestritten. Der ursprüngliche Beschwerdegegenstand (Nichterteilung einer Auskunft) sei somit durch Erteilung der Auskunft beseitigt worden. Das Verfahren zu XXXX sei mit dem neuen Beschwerdegegenstand (mangelhafte Auskunft) fortgeführt und mit Bescheid vom 27.02.2020 gemäß § 38 AVG bis zur Entscheidung des Bezirksgerichtes XXXX (Überprüfung der Notwendigkeit der Bestellung eines Erwachsenenvertreters/einer Erwachsenenvertreterin) ausgesetzt worden. Vorliegend scheine bereits kein Grundrechtseingriff mehr vorzuliegen, da die ursprüngliche Beschwer des Antragstellers (Nichterteilung einer Auskunft) im Verfahren zu XXXX durch Auskunftserteilung der XXXX beseitigt worden sei, sodass für eine Säumnis der Datenschutzbehörde jedenfalls seit November 2019 kein Platz mehr sei. Insofern würden die Erfolgsaussichten für eine Säumnisbeschwerde zum ursprünglichen Beschwerdegegenstand nicht begründet erscheinen. Dass das Verfahren zu XXXX mit dem neuen Beschwerdegegenstand „mangelhafte Auskunft“ weiterhin anhängig bzw. ausgesetzt sei, habe der Antragsteller jedoch nicht releviert. Darüber hinaus sei festzuhalten, dass für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht kein Anwaltszwang bestehe, und es sich bei der zu behandelnden Materie keineswegs um komplexe rechtliche oder sachliche Fragestellungen handle.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Antragsteller brachte am 07.05.2019 bei der Datenschutzbehörde eine Datenschutzbeschwerde wegen Nichterteilung einer Auskunft durch die XXXX ein.

Die XXXX teilte der Datenschutzbehörde mit Schreiben vom 04.11.2019 mit, dass die Auskunft an den Antragsteller mit Schreiben vom 31.10.2019 erteilt wurde.

Die Datenschutzbehörde teilte dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 11.11.2019 mit, dass sie durch die Reaktion der XXXX die Datenschutzbeschwerde iSd § 24 Abs. 6 DSG als erledigt ansehe und beabsichtige, bei ausbleibender Begründung, warum die ursprünglich behauptete Rechtsverletzung (Auskunft) zumindest teilweise nach wie vor als nicht beseitigt erachtet werde, das Verfahren formlos einzustellen.

Der Antragsteller bestritt mit Schreiben vom 27.11.2019 die Erteilung einer Auskunft nicht, behauptete jedoch die Mangelhaftigkeit der Auskunftserteilung.

Mit Bescheid vom 27.02.2020 wurde das Verfahren zu XXXX gemäß § 38 AVG bis zur Entscheidung des Bezirksgerichtes XXXX zur Überprüfung der Notwendigkeit der Bestellung eines Erwachsenenvertreters ausgesetzt.

Am XXXX stellte der Antragsteller einen Antrag auf Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer Säumnisbeschwerde samt Vermögensbekenntnis.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akt in Verbindung mit dem Vorbringen des Antragstellers.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

§ 8a VwGVG lautet auszugsweise:

§ 8a. (1) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ist einer Partei Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. (...).

(4) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe kann ab Erlassung des Bescheides bzw. ab dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene Kenntnis von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erlangt hat, gestellt werden. Wird die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer Säumnisbeschwerde beantragt, kann dieser Antrag erst nach Ablauf der Entscheidungsfrist gestellt werden. Sobald eine Partei Säumnisbeschwerde erhoben hat, kann der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe auch von den anderen Parteien gestellt werden.

(5) In dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist die Rechtssache bestimmt zu bezeichnen, für die die Bewilligung der Verfahrenshilfe begehrt wird.

Gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG ist Verfahrenshilfe einer Partei zu gewähren, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 EMRK oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist. Durch den Verweis auf Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC ist sichergestellt, dass die Verfahrenshilfe im verwaltungsgerichtlichen Verfahren den Anforderungen des Europäischen Menschenrechtsschutzes entspricht (siehe auch VwGH v. 03.09.2015, Zl. Ro 2015/21/0032).

Nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ist nicht erforderlich, dass Verfahrenshilfe in allen erdenklichen Verfahren zu gewähren ist; es bedarf einer Prüfung im Einzelfall nach bestimmten Kriterien, insbesondere die Erfolgsaussichten und die Komplexität des Falles.

Gemäß § 73 Abs. 1 erster Satz AVG sind die Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen.

Gemäß § 24 Abs. 6 DSG kann ein Beschwerdegegner bis zum Abschluss des Verfahrens vor der Datenschutzbehörde die behauptete Rechtsverletzung nachträglich beseitigen, indem er den Anträgen des Beschwerdeführers entspricht. Erscheint der Datenschutzbehörde die Beschwerde insofern als gegenstandslos, so hat sie den Beschwerdeführer dazu zu hören. Gleichzeitig ist er darauf aufmerksam zu machen, dass die Datenschutzbehörde das Verfahren formlos einstellen wird, wenn er nicht innerhalb einer angemessenen Frist begründet, warum er die ursprünglich behauptete Rechtsverletzung zumindest teilweise nach wie vor als nicht beseitigt erachtet. Wird durch eine derartige Äußerung des Beschwerdeführers die Sache ihrem Wesen nach geändert (§ 13 Abs. 8 AVG), so ist von der Zurückziehung der ursprünglichen Beschwerde und der gleichzeitigen Einbringung einer neuen Beschwerde auszugehen. Auch diesfalls ist das ursprüngliche Beschwerdeverfahren formlos einzustellen und der Beschwerdeführer davon zu verständigen. Verspätete Äußerungen sind nicht zu berücksichtigen.

Gemäß § 38 AVG ist die Behörde, sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.

Im vorliegenden Fall brachte der Antragsteller am 07.05.2019 bei der Datenschutzbehörde eine Datenschutzbeschwerde wegen Nichterteilung einer Auskunft ein. Gegenstand des Verfahrens konnte daher allein die Frage sein, ob die XXXX den Antragsteller dadurch in seinem Recht auf Auskunft verletzt hat, dass sie auf sein Auskunftsverlangen vom 18.01.2019 nicht reagiert hat. Der Antragsteller hat mit Schreiben vom 27.11.2019 die Erteilung einer Auskunft nicht bestritten, sondern behauptete die Mangelhaftigkeit der Auskunftserteilung. Damit änderte der Antragsteller sein ursprüngliches Anbringen dahin ab, dass nicht mehr das Unterbleiben einer Reaktion auf das Auskunftsverlangen vom 18.01.2019, sondern nunmehr die inhaltliche Mangelhaftigkeit der erteilten Auskunft Verfahrensgegenstand ist.

Ausgehend von der Einsicht, dass der Behörde im Falle einer Änderung des Parteiantrages – wie im vorliegenden Fall – während des Verfahrens einer Entscheidung über das ursprünglich gestellte Ansuchen der Boden entzogen ist, sowie weiters davon, dass eine Partei einen Anspruch auf Erlassung eines Bescheides hat, wenn ein Antrag offen ist, ist eine Antragsänderung als ein neuer Antrag (unter diesbezüglicher Zurückziehung des ursprünglich gestellten Antrages) zu qualifizieren (siehe VwGH 08.11.1994, 93/04/0079).

Insofern gilt die ursprüngliche Datenschutzbeschwerde vom 07.05.2019 gemäß § 24 Abs. 6 DSG als konkludent zurückgezogen, und wurde das darüber anhängige Verfahren von der Datenschutzbehörde eingestellt. Das neue Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Eingabe vom 27.11.2019 ist als neue Datenschutzbeschwerde gemäß § 24 Abs. 1 DSG anzusehen (vgl. u.a. Bescheid der ehemaligen Datenschutzkommission vom 20.03.2009, K121.429/0006-DSK/2009 zur weitgehend wortgleichen Vorgängerbestimmung des § 31 Abs. 8 DSG).

Dies bewirkt, dass die sechsmonatige Entscheidungsfrist des § 73 Abs. 1 AVG mit Einlangen der „Änderung“ des Antrags (der Datenschutzbeschwerde) somit mit 27.11.2019 neu zu laufen begann (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 13 Rz 48 (Stand 1.1.2014, rdb.at)).

Die Frage der Handlungsfähigkeit und somit auch jene der Prozessfähigkeit ist nach der Rechtsprechung des VwGH von der Behörde als Vorfrage (iSd § 38 AVG) zu beurteilen. Einen Mangel der Prozessfähigkeit hat sie in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen (VwGH 12.09.2017, Ra 2017/16/0078).

Mit Bescheid der Datenschutzbehörde vom 27.02.2020 wurde das Verfahren gemäß § 38 AVG bis zur Entscheidung des Bezirksgerichtes XXXX zur Überprüfung der Notwendigkeit der Bestellung eines Erwachsenenvertreters ausgesetzt.

Nach der Rechtsprechung des VwGH kann eine Behörde, die von ihrem durch § 38 AVG eingeräumten „Recht“ auf Aussetzung des Verfahrens Gebrauch macht, nicht gegen die Bestimmungen über die Entscheidungspflicht verstoßen, solange die Aussetzung berechtigt andauert, bzw. kann die Entscheidungspflicht so lange nicht im Wege einer Säumnisbeschwerde geltend gemacht werden (Hengstschläger/Leeb, AVG § 38 Rz 49 (Stand 1.7.2005, rdb.at).

Da somit die vom Beschwerdeführer behauptete Säumnis der Datenschutzbehörde nicht erkannt werden kann, ist der Antrag auf Verfahrenshilfe für die Einbringung einer Säumnisbeschwerde als unzulässig zurückzuweisen.

Damit erübrigt sich eine Prüfung der weiteren Voraussetzungen für die Gewährung der Verfahrenshilfe, insbesondere im Hinblick auf eine Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts.

Da im vorliegenden Fall der Antrag zurückzuweisen ist, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Antragsänderung Auskunfterteilung Aussetzung Datenschutzbehörde Datenschutzbeschwerde Entscheidungsfrist Entscheidungspflicht Handlungsfähigkeit Säumnis Säumnisbeschwerde unzulässiger Antrag Verfahrenshilfe Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W211.2231661.1.00

Im RIS seit

18.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

18.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten