TE Bvwg Beschluss 2020/9/7 W208 2233541-1

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Veröffentlicht am 07.09.2020
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Entscheidungsdatum

07.09.2020

Norm

AVG §9
B-VG Art133 Abs4
GEG §6
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W208 2233541-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ewald SCHWARZINGER über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt XXXX als Erwachsenenvertreter, Landstraßer Hauptstraße 34, 1030 WIEN, gegen den Bescheid der Präsidentin des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen WIEN vom 11.05.2020, Zl. 100 Jv 7537/19b-33a, wegen Gerichtsgebühren beschlossen:

A)

Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. In einem Verfahren beim Landesgericht für Zivilrechtssachen WIEN (LG) zu XXXX sind der Beschwerdeführerin (BF), für welche mit Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX WIEN (BG) vom 20.06.2017, XXXX , unter gleichzeitiger Amtsenthebung des bisherigen Sachwalters, Rechtsanwalt XXXX zum einstweiligen Sachwalter und Verfahrenssachwalter (nunmehr: gerichtlicher Erwachsenenvertreter) zur Vertretung vor Gerichten, Behörden und Sozialversicherungsträgern bestellt wurde, Gerichtsgebühren iHv € 264,00 entstanden, welche ihr mit Zahlungsauftrag (Mandatsbescheid) vom 05.07.2016, XXXX – VNR 1 vorgeschrieben wurden. Dieser Zahlungsauftrag erwuchs schließlich in Rechtskraft und wurde vollstreckbar.

2. Mit Schriftsätzen vom 06.12.2019 beantragte die BF hinsichtlich dieses Verfahrens die Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung, sowie die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und die Einstellung der Exekution.

3. Mit dem beschwerdegegenständlichen Bescheid vom 11.05.2020 entschied die Präsidentin des LG (im Folgenden belangte Behörde genannt) über diesen Antrag folgendermaßen:

„I. Die erteilte Bestätigung der Vollstreckbarkeit auf dem Zahlungsauftrag (Mandatsbescheid) XXXX – VNR 1 vom 30.10.2019 im Ausmaß von € 264,00 bleibt aufrecht.

II. Dem Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung wird nicht stattgegeben.

III. Dem Antrag auf Zuerkennung aufschiebender Wirkung wird nicht stattgegeben.

IV. Dem Antrag auf Einstellung der Exekution wird nicht stattgegeben.“

4. Gegen diesen Bescheid (zugestellt am 19.05.2020) richtete sich das am 15.06.2020 von der BF elektronisch eingebrachte und als Beschwerde bezeichnete Schriftstück.

5. Mit Note vom 17.06.2020 ersuchte die belangte Behörde den gerichtlichen Erwachsenenvertreter der BF um Bekanntgabe, ob die Eingabe der BF vom 15.06.2020 als Beschwerde genehmigt werde.

Mit Schriftsatz vom 02.07.2020 gab der Erwachsenenvertreter der belangten Behörde bekannt, dass die Eingabe der BF nicht genehmigt werde.

Daraufhin ersuchte die belangte Behörde um Klarstellung, ob sich die Bekanntgabe der Nichtgenehmigung vom 02.07.2020 wirklich auf die Eingabe der BF und der damit korrespondierenden Note vom 17.06.2020 beziehe. Dies bestätigte der gerichtliche Erwachsenenvertreter mit Schriftsatz vom 22.07.2020.

6. Mit Schreiben vom 27.07.2020 legte die belangte Behörde die Beschwerde und den gegenständlichen Verwaltungsakt dem BVwG zur Entscheidung vor und merkte darin an, dass die als Beschwerde vorgelegte Eingabe der BF vom gerichtlichen Erwachsenenvertreter nicht genehmigt worden sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der im Punkt I. angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt wird festgestellt.

Insbesondere wird festgestellt, dass der BF für ihre Vertretung vor Gericht jedenfalls seit 20.06.2017 bis dato ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter beigegeben ist.

Der gerichtliche Erwachsenenvertreter hat die Zustimmung zur gegenständlichen Beschwerde nicht erteilt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Verfahrensgang und zum rechtserheblichen Sachverhalt konnten unmittelbar aufgrund der Aktenlage erfolgen und sind unbestritten.

Dass der BF jedenfalls seit 20.06.2017 bis dato ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter für ihre Vertretung vor Gericht beigegeben ist, gründet auf dem Beschluss des BG vom 20.06.2017.

Die mangelnde Zustimmung des gerichtlichen Erwachsenenvertreters zur Beschwerdeerhebung ergibt sich aus seinen Stellungnahmen vom 02.07.2020 und vom 22.07.2020.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur Zuständigkeit und dem Verfahren

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels materienspezifischer Sonderregelung liegt somit gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 17 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles sowie andere näher genannte (im vorliegenden Fall nicht relevante) Gesetze und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist

Gemäß § 31 Abs 1 VwGVG erfolgen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss.

Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG entfallen, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass die Beschwerde zurückzuweisen ist.

Zu A)

3.2. Zurückweisung der Beschwerde

3.2.1. Die Beschwerde ist unzulässig, da es der BF aus folgenden Gründen an der Prozessfähigkeit gemäß § 9 AVG fehlt:

Gemäß § 9 AVG ist die persönliche Rechts- und Handlungsfähigkeit von Beteiligten, insoweit sie in Frage steht, von der Behörde, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen.

Damit wird die prozessuale Rechts- und Handlungsfähigkeit an die materiellrechtliche Rechts- und Handlungsfähigkeit geknüpft. Es gilt der Grundsatz, dass die Rechtsfähigkeit, die Parteifähigkeit und die Handlungsfähigkeit die Prozessfähigkeit begründen (VwGH 25.05.1993, 90/04/0223). Die Handlungsfähigkeit ist die Fähigkeit durch Willenserklärung gegenüber der Behörde Rechtsfolgen auszulösen (VwGH 30.03.1993, 92/08/0183).

Für die prozessuale Handlungsfähigkeit (Prozessfähigkeit) ist entscheidend, ob die Partei im Zeitpunkt der betreffenden Verfahrensabschnitte in der Lage war, Bedeutung und Tragweite des Verfahrens und der sich in ihm ereignenden prozessualen Vorgänge zu erkennen, zu verstehen und sich den Anforderungen eines derartigen Verfahrens entsprechend zu verhalten (VwGH 06.07.2015, Ra 2014/02/0095; 28.04.2016, Ra 2014/20/0139; 20.02.2002, 2001/08/0192).

Die Sachwalterbestellung wirkt insofern konstitutiv, als ab ihrer Wirksamkeit die Prozessfähigkeit und Handlungsfähigkeit der besachwalterten Person im dort umschriebenen Ausmaß keinesfalls mehr gegeben ist (VwGH 16.11.2012, 2012/02/0198).

Die zur Entscheidung der Sache zuständige Behörde hat die Rechts- und Handlungsfähigkeit der Partei von Amts wegen als Vorfrage zu beurteilen und hat einen diesbezüglichen Mangel in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen (vgl Hengstschläger/Leeb, AVG2 § 9, insbesondere Rz 5 und 15 [Stand 1.1.2014, rdb.at] und die dort angeführte Literatur und Judikatur des VwGH).

3.2.2. Vor dem Hintergrund der oben angeführten Judikatur mangelt es im vorliegenden Fall an der Prozessfähigkeit der BF, zumal die Bestellung des gerichtlichen Erwachsenenvertreters mit Beschluss des BG vom 20.06.2017 bewirkte, dass ihr die Prozess- und Handlungsfähigkeit in dem im Bestellungsbeschluss umschriebenen Umfang (insbesondere die hier einschlägige Vertretung vor Gerichten) nicht mehr zukommt. Als insofern Prozessunfähige konnte (kann) die BF rechtswirksam nur durch ihren gerichtlichen Erwachsenenvertreter handeln.

Das bedeutet auch, dass die BF ein Rechtsmittel wie eine Beschwerde gemäß Art. 130 Abs 1 Z 1 B-VG am 15.06.2020 nicht wirksam unvertreten erheben kann (konnte), vielmehr wäre die Beschwerde vom gerichtlichen Erwachsenenvertreter einzubringen gewesen oder sie hätte von ihm genehmigt werden müssen.

Im Gegensatz zur fehlenden Rechts- und damit Parteifähigkeit kann nach Ansicht des VwGH die mangelnde Genehmigung des von einem Prozessunfähigen eingebrachten Antrags durch die Sachwalterin im Wege eines Mängelbehebungsverfahrens im Sinne des § 13 Abs 3 AVG beseitigt werden (Hengstschläger/Leeb, AVG², Rz 6 zu § 9 mwN).

Der gerichtliche Erwachsenenvertreter hat sich in seinen Stellungnahmen vom 02.07.2020 und vom 22.07.2020 ausdrücklich gegen die Beschwerdeerhebung ausgesprochen, sodass die Erhebung dieser Beschwerde mangels Prozessfähigkeit der BF nicht zulässig ist.

Die Beschwerde ist daher spruchgemäß zurückzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Auf die oben dargestellten Entscheidungen des VwGH wird verwiesen.

Schlagworte

Erwachsenenvertreter Gerichtsgebühren Handlungsfähigkeit mangelnde Genehmigung Prozessfähigkeit Sachwalter

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W208.2233541.1.00

Im RIS seit

18.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

18.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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