TE Bvwg Beschluss 2020/9/25 W283 2225777-2

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Veröffentlicht am 25.09.2020
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Entscheidungsdatum

25.09.2020

Norm

AsylG 2005 §10
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §33 Abs1

Spruch

W283 2225773-1/4E
W283 2225775-1/4E
W283 2225777-1/4E
W283 2225773-2/3E
W283 2225775-2/3E
W283 2225777-2/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag.a Stefanie OMENITSCH als Einzelrichterin

I. über die Anträge von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , und 3.) XXXX , geb. XXXX , 2.) und 3.) gesetzlich vertreten durch XXXX , alle StA. Serbien, alle vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Stefan ERRATH, vom 19.12.2019 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung von Beschwerden gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 1.) 12.09.2019, Zl. 7243305 - 181148680, 2.) 24.09.2019, Zl. 1237338905 - 190693750 und 3.) 24.09.2019, Zl. 1237339706 – 190693989 sowie

II. über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , und 3.) XXXX , geb. XXXX , 2.) und 3.) gesetzlich vertreten durch XXXX , alle StA. Serbien, alle vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Stefan ERRATH, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 1.) 12.09.2019, Zl. 7243305 - 181148680, 2.) 24.09.2019, Zl. 1237338905 - 190693750 und 3.) 24.09.2019, Zl. 1237339706 – 190693989:

A)

I. Die Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 19.12.2019 werden als unbegründet abgewiesen.

II. Die Beschwerden gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.09.2019 bzw. 24.09.2019 werden als verspätet zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Die Erstantragstellerin ist die Mutter der minderjährigen Zweitantragstellerin sowie des minderjährigen Drittantragstellers.

2. Mit den Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) vom 12.09.2019 (Erstantragstellerin) bzw. 24.09.2019 (Zweit- und Drittantragsteller) wurde den Antragstellern kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Serbien zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt. Gegen die Erstantragstellerin wurde zusätzlich ein auf drei Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen. Diese Bescheide wurden den Antragstellern am 01.10.2019 zugestellt.

3. Die Antragsteller erhoben dagegen mit Schreiben vom 28.10.2019 (zur Post gegeben am 30.10.2019) durch ihren Rechtsvertreter Beschwerde. Zur Rechtzeitigkeit brachten sie vor, die Bescheide seien ihnen am 02.10.2019 zugestellt worden.

4. Die Beschwerden und die Bezug habenden Verwaltungsakte langten am 26.11.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

5. Mit im elektronischen Rechtsverkehr am 05.12.2019 hinterlegtem Schreiben vom 04.12.2019 wurde den Antragstellern mitgeteilt, dass sich die Beschwerden nach der Aktenlage als verspätet darstellten. Die Rechtsmittelfrist habe am 29.10.2019 geendet und die Beschwerden seien erst am 30.10.2019 bei der Post aufgegeben worden. Den Antragstellern wurde für die Stellungnahme zum Verspätungsvorhalt eine Frist von zwei Wochen eingeräumt.

6. Mit Schriftsatz vom 19.12.2019 stellten die Antragsteller die vorliegenden Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und führten begründend im Wesentlichen aus, laut Auskunft der die Bescheide erlassenden Referentin des Bundesamtes seien sämtliche Bescheide an die Familie der beschwerdeführenden Partei am selben Tag versandt worden. Dem Rechtsvertreter sei nur das Kuvert, mit welchem der Bescheid an den Ehemann der Erstantragstellerin, übermittelt worden sei, vorgelegt worden. Der Bescheid an den Ehemann bzw. Vater der Antragsteller, der mit den Antragstellern im gemeinsamen Haushalt lebe, sei am 30.09.2019 (Aufgabestempel am Kuvert) übermittelt worden, die Hinterlegung sei am 02.10.2019 erfolgt. In diesem Fall wäre die Einbringung der Beschwerde am 30.10.2019 fristgerecht. Weiters erfolgten die Anträge auf Wiedereinsetzung fristgerecht, zumal die Antragsteller mit Vorhalt der Verspätung am 19.12.2019 (wohl gemeint: 05.12.2019) erstmalig von der vermeintlichen Versäumung der Beschwerdefrist Kenntnis erlangt hätten. Im Hinblick darauf, dass sämtliche Bescheide am selben Tag versandt worden seien und der Ehemann bzw. Vater der Antragsteller seinen Bescheid am 02.10.2019 zugestellt bekommen habe, habe der Rechtsvertreter auf die Zustellung der Bescheide der Antragsteller am 02.10.2019 vertrauen dürfen. Die Versäumung der Beschwerdefrist sei auf kein grobes Verschulden zurückzuführen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die Erstantragstellerin ist Mutter und gesetzliche Vertreterin der minderjährigen Zweitantragstellerin und des minderjährigen Drittantragstellers. Die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.09.2019 bzw. 24.09.2019 wurden den Antragstellern durch persönliche Übernahme der Erstantragstellerin am Dienstag, den 01.10.2019 zugestellt (zu den Rückscheinen siehe AS 108 [Verwaltungsakt der Erstantragstellerin], AS 65 [Verwaltungsakt der Zweitantragstellerin] und AS 59 [Verwaltungsakt des Drittantragstellers]).

1.2. Die Rechtsmittelbelehrung dieser Bescheide informiert darüber, dass dagegen binnen vier Wochen Beschwerde erhoben werden kann, die beim Bundesamt einzubringen wäre (AS 105 [Verwaltungsakt der Erstantragstellerin]; AS 62 [Verwaltungsakt der Zweitantragstellerin]; AS 56 [Verwaltungsakt des Drittantragstellers]).

Die Frist zur Einbringung der Beschwerden gegen die Bescheide endete demnach am Dienstag, den 29.10.2019 (vgl. auch die rechtliche Beurteilung unter Pkt. II.3.3.2.).

1.3. Die Antragsteller erhoben gegen die unter II.1.1. angeführten Bescheide des Bundesamtes mit Schreiben vom 28.10.2019 durch ihren Rechtsvertreter Beschwerde. Die Beschwerden wurden am Mittwoch, den 30.10.2019 zur Post gegeben (OZ 1). Die Beschwerden und die Bezug habenden Verwaltungsakte langten am 26.11.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein (OZ 1).

1.4. Nachdem die Antragsteller am 05.12.2019 von der Versäumung der Rechtsmittelfrist im Wege ihres Rechtsvertreters Kenntnis erlangt haben (Sendungsprotokoll zur OZ 2), stellten sie am 19.12.2019 (somit innerhalb der zweiwöchigen Frist) die gegenständlichen Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (vgl. auch die rechtliche Beurteilung unter Pkt. II.3.3.3.).

1.5. Dem Ehemann bzw. Vater der Antragsteller, wurde vom Bundesamt ebenfalls ein Bescheid vom 12.09.2019 zugestellt. Der Zustellversuch des eigenhändigen Rückscheinbriefes erfolgte am Mittwoch, den 02.10.2019 und die Hinterlegung am Donnerstag, den 03.10.2019 (AS 444 [W283 2225342-1]; zum RSa-Brief siehe auch die Beilage zu den Wiedereinsetzungsanträgen, OZ 1).

1.6. Dem Rechtsvertreter wurde nur das Kuvert, mit welchem der Bescheid an den Ehemann bzw. Vater der Antragsteller übermittelt wurde, vorgelegt, sodass dieser davon ausging, dass sämtliche Bescheide der Familie der Antragsteller am selben Tag zugestellt wurden (vgl. die dahingehenden Ausführungen in den Anträgen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, OZ 1).

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen gründen sich auf die Einsichtnahme in die unbedenklichen Verwaltungsakte der Antragsteller, GZ: W283 2225775-1, W283 2225777-1 und W283 2225773-1 (Beschwerdeverfahren), und in den Verwaltungsakt des Ehemanns bzw. Vater der Antragsteller, GZ: W283 2225342-1, sowie in die Akten des Wiedereinsetzungsverfahrens der Antragsteller, GZ: W283 2225775-2, W283 2225777-2 und W283 2225773-2.

Die Parteien sind dem Akteninhalt nicht entgegengetreten, sodass der Akteninhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt werden konnte. Aus der Sendungsverfolgung der Österreichischen Post AG ergibt sich, dass die Beschwerden am Mittwoch, den 30.10.2019 bei der Post aufgegeben wurden. Betreffend das Fristende zur Einbringung der Beschwerden bzw. der Wiedereinsetzungsanträge ist auf die rechtliche Beurteilung unter Pkt. II.3.3.2. bzw. Pkt. II.3.3.2. zu verweisen.

Der Zeitpunkt der Kenntniserlangung von der Verspätung ergibt sich aus dem Sendungsprotokoll des Bundesverwaltungsgerichts, wonach die Schriftstücke (Verspätungsvorhalt) am 05.12.2019 um 13:02 Uhr im elektronischen Rechtsverkehr erfolgreich hinterlegt wurden. Insoweit in den Wiedereinsetzungsanträgen ausgeführt wird, mit Vorhalt der Verspätung hätten die Antragsteller am 19.12.2019 erstmalig von der vermeintlichen Versäumung der Beschwerdefrist Kenntnis erlangt, dürfte es sich daher wohl um ein Versehen gehandelt haben.

Die einzelnen Feststellungen beruhen im Übrigen auf den jeweils in der Klammer angeführten Beweismitteln.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

3.1. Zu Spruchpunkt I. – Abweisung der Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

3.1.1. Maßgeblich für die Zuständigkeit zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist, ob dieser vor Vorlage der Beschwerde gestellt wurde oder erst danach. Über Wiedereinsetzungsanträge, die bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde eingebracht werden, ist daher von dieser, über Wiedereinsetzungsanträge, die ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht eingebracht werden, ist von jenem zu entscheiden (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 § 31 VwGVG Rz 2). Die Antragsteller haben ihre Anträge auf Wiedereinsetzung erst nach Vorlage der Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht gestellt, sodass die sachliche Zuständigkeit des erkennenden Gerichts gegeben ist.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Gemäß § 33 Abs. 4 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit Beschluss zu entscheiden (siehe auch Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 § 31 VwGVG Rz 5).

3.1.2. Gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn diese Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt hat und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Gemäß § 33 Abs. 3 VwGVG ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den Fällen des Abs. 1 binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist bei einer Entscheidung über einen Wiedereinsetzungsantrag wegen Versäumung der Beschwerdefrist § 33 VwGVG anzuwenden; die §§ 71 und 72 AVG kommen nicht zur Anwendung. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung aber auch festgehalten, dass grundsätzlich die in der Rechtsprechung zu § 71 AVG entwickelten Grundsätze auf § 33 VwGVG übertragbar sind (vgl. VwGH 13.09.2017, Ra 2017/12/0086, mwN).

3.1.3. Zu den Voraussetzungen der Wiedereinsetzung

3.1.3.1. Voraussetzung für die Bewilligung der Wiedereinsetzung ist das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes. Ein solcher ist gegeben, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und sie daran kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

3.1.3.2. Für die positive Erledigung eines Antrags auf Wiedereinsetzung verlangt das Gesetz sohin zunächst, dass der Antragsteller eine Frist versäumt hat (hier: die Frist zur Erhebung von Beschwerden gegen die Bescheide des Bundesamtes vom 12.09.2019 bzw. 24.09.2019).

Gemäß § 7 Abs. 4 Z 1 VwGVG iVm Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG beginnt die Beschwerdefrist, da den Antragstellern die Bescheide des Bundesamtes zugestellt (und nicht mündlich verkündet) wurden, mit dem Tag der Zustellung.

Die Bescheide wurden den Antragstellern nachweislich am Dienstag, den 01.10.2019 zugestellt. Da in der Rechtsmittelbelehrung der Bescheide zutreffend eine vierwöchige Beschwerdefrist angegeben war (vgl. § 61 Abs. 1 AVG, § 7 Abs. 4 VwGVG), endete die Beschwerdefrist am Dienstag, den 29.10.2019 (zur Berechnung von Wochenfristen siehe § 32 Abs. 2 AVG). Folglich waren die am Mittwoch, den 30.10.2019 zur Post gegebenen Beschwerden verspätet (vgl. § 33 Abs. 3 AVG, wonach „die Tage von der Übergabe an einen Zustelldienst im Sinne des § 2 Z 7 des Zustellgesetzes zur Übermittlung an die Behörde bis zum Einlangen bei dieser (Postlauf) […] in die Frist nicht eingerechnet“ werden.).

3.1.3.3. Gemäß § 33 Abs. 3 VwGVG ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den Fällen des Abs. 1 binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. Von einer Kenntnis der Verspätung eines Rechtsmittels und damit dem Beginn der Frist zur Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bereits zu dem Zeitpunkt auszugehen, zu dem die Partei bzw. deren Vertreter die Verspätung bei gehöriger Aufmerksamkeit erkennen konnte und musste (vgl. VwGH 21.02.2019, Ra 2019/08/0030, mwN).

Die Antragsteller bzw. deren Vertreter wurden durch Vorhalt des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.12.2019 (zugestellt am Donnerstag, den 05.12.2019) darauf aufmerksam, dass die Zustellung der Bescheide vom 12.09.2019 bzw. 24.09.2019 bereits am Dienstag, den 01.10.2019 erfolgt war und ihre Beschwerden demnach verspätet waren. Die Frist zur Einbringung eines Wiedereinsetzungsantrags begann daher (ein früherer Wegfall des Hindernisses ist nicht ersichtlich) zu diesem Zeitpunkt und endete zwei Wochen danach, am Donnerstag, den 19.12.2019. Die vorliegenden Wiedereinsetzungsanträge vom 19.12.2019 wurden somit rechtzeitig innerhalb der zweiwöchigen Frist eingebracht. Da die Versäumung der Beschwerdefrist einen Rechtsnachteil für die Antragsteller nach sich zöge und weil auch sonst kein (Prozess)Hindernis für den Antrag auf Wiedereinsetzung vorliegt, ist dieser zulässig.

3.1.3.4. Zu klären ist weiters, ob der von den Antragstellern geltend gemachte Wiedereinsetzungsgrund vorliegt. Dies wäre der Fall, wenn die Antragsteller glaubhaft machen, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert waren, die Frist einzuhalten und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft (vgl. 33 Abs. 1 VwGVG). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten, nicht jedoch ein Verschulden anderer Personen (vgl. VwGH 21.06.2018, Ra 2018/07/0355, mwN).

Die vorliegenden Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand werden darauf gestützt, dass dem Rechtsvertreter lediglich das Kuvert des Ehemannes bzw. Vaters der Antragsteller vorgelegt worden sei und im Hinblick auf den gemeinsamen Haushalt davon auszugehen sei, dass sämtliche Bescheide der Familie der Antragsteller am selben Tag zugestellt worden seien.

3.1.3.4.1. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Ereignis dann „unvorhergesehen“, wenn die Partei es nicht einberechnet hat und seinen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die ihr zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwarten konnte. Es ist „unabwendbar“, wenn es die Partei mit den einem Durchschnittsmenschen zur Verfügung stehenden Mitteln nicht verhindern konnte, auch wenn sie dessen Eintritt voraussah. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit iSd § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben (vgl. VwGH 01.06.2017, Ra 2017/06/0040; 27.04.2016, Ra 2016/05/0015; 26.02.2014, 2012/13/0051).

Das Verschulden des Parteienvertreters trifft nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die von diesem vertretene Partei, wobei an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen. Ein dem Vertreter widerfahrenes Ereignis stellt einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hierbei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt (vgl. VwGH 30.01.2020, Ra 2019/14/0595; 13.11.2017, Ra 2017/01/0041, jeweils mwN).

Zu den Pflichten des Rechtsanwalts gehört es, die maßgeblichen Daten für die Einhaltung der Rechtsmittelfrist, somit grundsätzlich den exakten und richtigen Zeitpunkt der Zustellung der anzufechtenden Entscheidung durch Befragung der Partei oder durch Ermittlungen bei der Post und/oder bei der Behörde festzustellen (vgl. VwGH 13.12.2011, 2011/22/0301).

Der Vertreter ist – um sein Verschulden auszuschließen – verhalten, sich selbst unverzüglich von der vertretenen Partei alle erforderlichen Informationen zu verschaffen, um die Prozesshandlungen zeitgerecht setzen und damit die Fristen wahren zu können (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 72 Rz 45, mwN). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes obliegt es dem Vertreter einer Partei, die ihm von einem Klienten mitgeteilten Umstände über den für den Beginn der Rechtsmittelfrist maßgebenden Zustelltag der angefochtenen Entscheidung nicht ungeprüft seiner Fristvormerkung zugrunde zu legen (vgl. VwGH 27.04.2016, Ra 2016/05/0015, mwN). Auch der Machtgeber ist verpflichtet, seinem Vertreter die notwendigen Daten – im Falle der Erhebung eines Rechtsmittels insbesondere das genaue Zustelldatum des Bescheides – bekanntzugeben (vgl. VwGH 25.02.2004, 2001/09/0019). Mängel in der Kommunikation zwischen der Partei und ihrem Vertreter, welche die Entscheidung, die notwendige Prozesshandlung zu setzen, beeinflussen konnten, stellen nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis iSd § 71 Abs. 1 Z 1 AVG dar (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 72 Rz 45, mit Verweis auf VwGH 16.03.2012, 2009/05/0078; 23.05.2013, 2013/11/0040; 27.04.2016, Ra 2016/05/0015).

3.1.3.4.2. Die Antragsteller haben den ausgewiesenen Parteienvertreter mit der Einbringung der Beschwerden beauftragt und bevollmächtigt, sodass ihnen dessen Verschulden zuzurechnen ist. Zu prüfen ist, ob die irrtümliche Annahme eines unrichtigen Zustelldatums ein unabwendbares oder unvorhergesehenes Ereignis darstellt, durch das der Rechtsvertreter gehindert war rechtzeitig die Beschwerden einzubringen, und ob dem Rechtsvertreter höchstens ein minderer Grad des Versehens trifft. Dies ist fallbezogen zu verneinen:

Der Rechtsvertreter der Antragsteller hat nach seinem Vorbringen darauf vertraut, dass sämtliche Bescheide der Familie der Antragsteller am selben Tag zugestellt wurden. Es ist dem Rechtsvertreter jedoch anzulasten, bei der Überprüfung des Zustelldatums nicht jene Sorgfalt im Umgang mit gerichtlichen Fristen an den Tag gelegt zu haben, die von einem berufsmäßigen Parteienvertreter zu erwarten ist. Dazu hätte gehört, den tatsächlichen Zeitpunkt der Zustellungen verlässlich zu kontrollieren, indem der Rechtsvertreter seinen Mandanten (den Ehemann bzw. Vater der Antragsteller) nach dem Zeitpunkt der Zustellung sämtlicher Bescheide und deren Zustellscheinen bzw. Zustellkuverts gefragt hätte bzw. er es nicht unterlassen hätte, sich rechtzeitig bei der Behörde über die tatsächlichen Zustelldaten (allenfalls schriftlich) zu informieren. Dies vor allem unter Berücksichtigung folgender Aspekte:

Erstens weisen die Bescheide unterschiedliche Bescheiddaten auf (12.09.2019 bzw. 24.09.2019), was dem Rechtsvertreter auch durchaus bewusst gewesen ist (siehe die dahingehenden Ausführungen auf S. 2 der Beschwerden). Zweitens handelt es sich beim Zustellkuvert, das dem Rechtsvertreter vorgelegt wurde, um einen eigenhändigen Rückscheinbrief (zu eigenen Handen). Drittens wurden die Beschwerden der Familie der Antragsteller – aufgeteilt nach der gesetzlichen Vertretung – in zwei getrennten Schriftsätzen eingebracht (vgl. die Deckblätter der jeweiligen Beschwerden; bspw. AS 118 [Verwaltungsakt der Erstantragstellerin] und AS 457 [W283 2225342-1]) und wurde vom Rechtsvertreter im Schriftsatz der Antragsteller explizit die Ausführung getroffen: „Die Bescheide wurden am 02.10.2019 zugestellt.“, wobei er es unterlassen hatte, eine dahingehend gesonderte Überprüfung vorzunehmen.

Es wäre daher am Rechtsvertreter gelegen, mangels Vorlage sämtlicher Zustellnachweise seines Mandanten genauere Nachforschungen zu betreiben. Im Schriftsatz vom 19.12.2019 bezieht sich der Rechtsvertreter zwar auf die Auskunft der die Bescheide erlassenden Referentin, wonach sämtliche Bescheide an die Familie am selben Tag versandt worden seien, in welcher Weise der Rechtsvertreter allerdings vor Erhebung der Beschwerden spezifische Nachforschungen angestellt hat, kam nicht hervor. Hätte er bereits vor Einbringung der Beschwerden das Bundesamt kontaktiert, hätte er sich wohl nicht (nur) über den Zeitpunkt des Versandes erkundigt, zumal die Rechtswirkungen behördlicher, schriftlich ausgefertigter Erledigungen an deren rechtmäßige Zustellung (und nicht an den Versand) anknüpfen (vgl. dazu etwa Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 (2014) Rz 197). Seiner Aufgabe, den Vorgang der Zustellung bzw. Übernahme der Bescheide mit hinreichender Genauigkeit zu hinterfragen (vgl. VwGH 16.10.1996, 95/01/0580; zur Einhaltung der im Zusammenhang mit der Wahrung von Rechtsmittelfristen gebotenen besonderen Prüfpflicht in Bezug auf das Zustelldatum siehe auch VwGH 27.04.2016, Ra 2016/05/0015, mwN), ist der Rechtsvertreter vorliegend nicht nachgekommen. Auch bei Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes hätte der Rechtsvertreter nicht per se davon ausgehen dürfen, dass sämtliche Bescheide am selben Tag zugestellt werden. Durch genaueres Nachfragen bei den Antragstellern hätte der Rechtsvertreter nämlich eruieren können, dass nur ein Bescheid durch Hinterlegung und die anderen Bescheide durch persönliche Übernahme zugestellt wurden. Diese Tatsache hätte den Rechtsvertreter daran zweifeln lassen müssen, dass alle Bescheide am selben Tag zugestellt wurden. Wie bereits unter Pkt. II.3.1.3.4.1. ausgeführt, stellen Mängel in der Kommunikation zwischen der Partei und ihrem Vertreter, welche die Entscheidung, die notwendige Prozesshandlung zu setzen, beeinflussen konnten, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis dar.

3.4. Die Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 VwGVG sind somit nicht erfüllt und die gegenständlichen Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind daher spruchgemäß abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. – Zurückweisung der Beschwerden wegen Verspätung

Gemäß § 7 Abs. 4 erster Satz VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG vier Wochen. Nur in den Fällen des § 16 Abs. 2 BFA-VG und § 7 Abs. 2 AsylG 2005, sofern der Status des Asylberechtigten aberkannt und die Aberkennung mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden wurde, beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen einen Bescheid des Bundesamtes gemäß § 16 Abs. 1 BFA-VG zwei Wochen.

Es liegt kein Fall des § 16 Abs. 2 BFA-VG und § 7 Abs. 2 AsylG 2005 vor, sodass die Frist zur Beschwerdeerhebung vier Wochen beträgt. Wie bereits unter II.3.3.2. näher ausgeführt, wurden die Bescheide den Antragstellern nachweislich am Dienstag, den 01.10.2019 zugestellt. Die Beschwerdefrist endete daher am Dienstag, den 29.10.2019. Folglich waren die am Mittwoch, den 30.10.2019 zur Post gegebenen Beschwerden verspätet und diese daher als verspätet zurückzuweisen.

3.3. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn die Beschwerde zurückzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.

Betreffend die Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand konnte die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Anträge geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen. Betreffend die Beschwerden gegen die Bescheide vom 12.09.2019 bzw. 24.09.2019 konnte eine Verhandlung darüber hinaus unterbleiben, da gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG eine Verhandlung entfallen kann, wenn die Beschwerde zurückzuweisen ist. Eine Rechtsfrage, die für sich genommen einer Erörterung im Rahmen der mündlichen Verhandlung bedurft hätte, wurde insgesamt nicht aufgezeigt (vgl. VwGH 20.03.2014, 2013/07/0146).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Weder in den Beschwerden noch in den Anträgen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand findet sich ein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit den gegenständlichen Verfahren; solche sind auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Fristversäumung Rechtsmittelfrist Sorgfaltspflicht unabwendbares Ereignis Verschulden des Vertreters Voraussetzungen Wiedereinsetzung Wiedereinsetzungsantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W283.2225777.2.01

Im RIS seit

18.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

18.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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