TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/2 W221 2203954-1

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Veröffentlicht am 02.11.2020
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Entscheidungsdatum

02.11.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W221 2203954-1/19E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Daniela URBAN, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX (alias XXXX ), geb. XXXX (alias XXXX ), StA. Iran, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Robert Bitsche, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.07.2018, ZI. 1127802305-161197139, zu Recht:

A)

Den Beschwerden wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status einer Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin stellte am 30.08.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung der Beschwerdeführerin statt. Dabei gab an sie an, sie sei gemeinsam mit ihrem Ehemann und ihrer minderjährigen Tochter nach Österreich eingereist.

Am 13.12.2016 wurde die Beschwerdeführerin im Zuge eines eingeleiteten Dublin-Verfahrens vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl m Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Farsi niederschriftlich einvernommen. Dabei gab sie an, ihr Sohn sei zwei Monate vor ihrer Ankunft in Österreich angekommen, habe hierzulande einen Asylantrag gestellt und verfüge mittlerweile über die „weiße Karte“. Befragt dazu, warum sie diesen im Zuge der Erstbefragung nicht genannt habe, gab die Beschwerdeführerin an, dieser habe seit seinem fünften Lebensjahr von ihr getrennt gelebt. Sie sei auch in die Geburtsurkunde ihres Sohnes eingetragen. Die Beschwerdeführerin wurde aufgefordert besagte Geburtsurkunde dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorzulegen.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies mit Bescheid vom 23.12.2016 den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz, ohne in die Sache einzutreten, gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück und sprach aus, dass für die Prüfung der gegenständlichen Anträge gemäß Art. 18 Abs. 1b iVm Art. 25 Abs. 2 Dublin-III-VO Kroatien zuständig sei. Gleichzeitig wurde gegen die Beschwerdeführerin die Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG angeordnet und ausgesprochen, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin gemäß § 61 Abs. 2 FPG nach Ungarn zulässig sei.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 05.05.2017 (W184 2144670-1) wurde der dagegen rechtzeitig erhobenen Beschwerde gemäß § 21 Abs. 3 erster Satz BFA-VG stattgegeben, der bekämpfte Bescheid behoben und das Verfahren bezüglich des Antrages auf internationalen Schutz zugelassen.

Am 02.10.2017 wurde das Asylverfahren der Beschwerdeführerin gemäß § 24 Abs. 2 AsylG 2005 eingestellt, da die Beschwerdeführerin ohne Angabe von Gründen die Betreuungseinrichtung verlassen und keine aufrechte Meldeadresse in Österreich hatte.

Nach der Überstellung der Beschwerdeführerin und ihrer minderjährigen Tochter nach Österreich am 25.10.2017 wurde das Verfahren nach Anmeldung eines Wohnsitzes wieder fortgesetzt.

Am 09.05.2018 wurde die Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Farsi niederschriftlich einvernommen. Dabei erklärte sie, dass sie mit fünfzehn Jahren zum ersten Mal geheiratet habe, sich jedoch aufgrund von häuslicher Gewalt nach fünf Jahren habe scheiden lassen und dabei unter anderem auf ihr Kind verzichtet habe müssen. Als sie sich dann zur Flucht aus dem Iran entschlossen habe, habe sie ihren Ex-Mann darüber informiert, da sie gewusst habe, dass ihr Sohn Probleme mit der Mutter ihres Ex-Mannes habe. Ihr Ex-Mann habe ihr daraufhin den gemeinsamen Sohn in der Türkei übergeben. Ihr Sohn sei damals 16 Jahre alt gewesen. Sie wären dann in der Türkei und in Mazedonien zusammengeblieben, aber dort getrennt worden. Ihr Sohn sei früher in ein Taxi gestiegen und deshalb früher als die Beschwerdeführerin in Österreich angekommen.

Am 16.05.2018 legte die Beschwerdeführerin dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl schlecht lesbare Kopien mehrerer Dokumente, darunter die Geburtsurkunden ihrer Kinder vor.

Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.07.2018, zugestellt am 19.07.2018, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) sowie auch gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran abgewiesen (Spruchpunkt II.). Der Beschwerdeführerin wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin gemäß § 46 FPG nach Iran zulässig ist (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt VI.).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf umfassende herkunftsstaatsbezogene Feststellungen zur allgemeinen Lage in Iran, stellte die Identität der Beschwerdeführerin nicht fest und begründete im angefochtenen Bescheid die abweisende Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die Beschwerdeführerin im Zuge ihrer Einvernahme am 09.05.2018 keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht und sich ausschließlich auf die ihres Ehemannes bezogen habe. Die Fluchtgründe ihres Ehemanns seien jedoch in Zusammenschau mit den Ausführungen der Beschwerdeführerin widersprüchlich und nicht glaubhaft gewesen. Weiter habe nicht festgestellt werden können, dass es sich bei der von der Beschwerdeführerin namentlich genannten Person tatsächlich um ihren Sohn handle.

Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 18.07.2018 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht vollumfängliche Beschwerde erhoben, welche am 14.08.2018 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einlangte. In dieser wurde vorgebracht, dass der Ehmann der Beschwerdeführerin in Iran bereits einmal im Gefängnis gewesen sei und er seine Fluchtgründe glaubhaft und detailliert vorgebracht habe. Weiter sei dem bei seiner Asylantragstellung minderjährigen Sohn der Beschwerdeführerin der Status eines Asylberechtigten zugesprochen worden. Es handle sich im vorliegenden Fall somit um ein Familienverfahren. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wäre verpflichtet gewesen einen DNA-Test anzufordern. Auch habe die Beschwerdeführerin im Laufe des Verfahrens eine Kopie der Geburtsurkunde ihres Sohnes vorgelegt.

Die gegenständliche (gemeinsame) Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt und sind am 22.08.2018 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.07.2020 wurde in der gegenständlichen Beschwerdesache gemäß § 52 Abs. 2 AVG iVm § 17 VwGVG eine Sachverständige aus dem Fachgebiet „forensische Molekularbiologie“ bestellt und beauftragt ein Abstammungsgutachten zwecks Abklärung der Abstammung der von der Beschwerdeführerin als Sohn genannten Person von der Beschwerdeführerin zu erstellen.

Mit Abstammungsgutachten vom 23.09.2020 wurde festgestellt, dass die Mutterschaft der von der Beschwerdeführerin als Sohn genannten Person als „praktisch erwiesen“ gelte.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige des Irans. Ihre Identität steht nicht fest.

Die Beschwerdeführerin Mutter des XXXX , dem mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.07.2017, Zl. 1120225109-160883225, aufgrund drohender Verfolgung als Christ gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wurde.

Die Beschwerdeführerin hat mit 15 Jahren zum ersten Mal geheiratet und mit ihrem Ex-Mann einen Sohn bekommen. Da sie in ihrer Ehe geschlagen wurde, ließ sie sich nach 5 Jahren scheiden. Ihr Sohn blieb bei ihrem Ex-Ehemann.

Die Beschwerdeführerin reiste gemeinsam mit ihrem zweiten Ehemann und ihrer minderjährigen Tochter illegal Ende 2015 aus Iran aus und in die Türkei ein. Mit ihrem Ex-Ehemann vereinbarte sie, dass er ihr den gemeinsamen Sohn übergibt und er bei ihr bleibt, weil ihr Sohn Probleme mit der Mutter ihres Ex-Mannes hatte. In der Türkei wurde der Beschwerdeführerin ihr minderjähriger Sohn von ihrem Ex-Mann übergeben und sie machten sich gemeinsam auf den Weg nach Österreich. In Mazedonien wurde der Sohn von der Beschwerdeführerin getrennt, weil er zuerst in ein Taxi stieg und somit zuerst in Österreich ankam und am 23.06.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Der Sohn der Beschwerdeführerin war zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährig.

Die Beschwerdeführerin reiste sodann illegal nach Österreich ein und stellte am 30.08.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Die Beschwerdeführerin ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin gründen sich auf ihre die diesbezüglich glaubhaften Angaben. Ihre Identität konnte mangels Vorlage von entsprechenden Dokumenten nicht festgestellt werden.

Die Zeitpunkte der Antragstellungen und die Ausführungen zum Verfahrensverlauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellung, dass es sich bei XXXX um den Sohn der Beschwerdeführerin handelt, gründet sich auf das Ergebnis des vom Bundesverwaltungsgericht in Auftrag gegebenen Abstammungsgutachten Sachverständige aus dem Fachgebiet „forensische Molekularbiologie“ vom 23.09.2020, wonach die Mutterschaft als „praktisch erwiesen“ gilt.

Dass dem Sohn der Beschwerdeführerin gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wurde, ergibt sich aus im Akt befindlichen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.07.2017, Zl. 1120225109-160883225.

Die Feststellungen zum Leben der Beschwerdeführerin in Iran, ihrem Verhältnis zu ihrem Sohn und dem gemeinsamen Fluchtweg ergeben sich aus ihren glaubhaften Angaben bei der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl.

Die Feststellung, dass der Sohn der Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Stellung seines Antrags auf internationalen Schutz noch minderjährig war, ergibt sich einerseits aus dem im Akt befindlichen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.07.2019 und andererseits aus der im dazugehörigen Verfahren erfolgten Altersfeststellung (Geburtsdatum: XXXX ).

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Materiengesetzen (BFA-VG, AsylG 2005) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann - soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist - das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

Im vorliegenden Beschwerdefall ergibt sich, dass aus dem Akteninhalt des Verwaltungsaktes die Grundlage des bekämpften Bescheides in Verbindung mit der Beschwerde unzweifelhaft nachvollziehbar ist. Der maßgebliche Sachverhalt war aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen.

Zu A)

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist Familienangehöriger wer Elternteil eines minderjährigen Kindes eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde.

In seinem Erkenntnis vom 24.10.2018, Ra 2018/14/0040, hat der Verwaltungsgerichtshof festgehalten, dass der in § 34 AsylG 2005 verwendete Begriff des Familienangehörigen im Sinn der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 zu verstehen ist. § 34 AsylG 2005 dient der Beschleunigung der Asylverfahren von Asylwerbern im Familienverband. Ziel der Bestimmungen ist es, Familienangehörigen (im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005) den gleichen Schutz zu gewähren, ohne sie um ihr Verfahren im Einzelfall zu bringen. Das bedeutet für das Verhältnis von Eltern und Kindern, in der sämtliche Fremde den Antrag zur selben Zeit gestellt haben und zu dieser Zeit das Kind noch minderjährig war, dass die Vorschriften für das Familienverfahren nach § 34 AsylG 2005 umfänglich zur Anwendung gebracht hat.

Gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 hat die Behörde aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn dieser nicht straffällig geworden ist und gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist.

Gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang.

Ist einem Familienangehörigen - aus welchen Gründen auch immer - ohnedies der Status der Asylberechtigten zu gewähren, so kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, er habe darüber hinaus vorgesehen, dass auch in diesem Fall eigene Fluchtgründe zu prüfen wären. Dies würde der vom Gesetzgeber ausdrücklich angeführten Beschleunigung der Asylverfahren von Asylwerbern im Familienverband entgegenstehen (vgl. VwGH 30.04.2018, Ra 2017/01/0418).

Im vorliegenden Fall war der Sohn der Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt seiner Antragstellung und der Antragstellung der Beschwerdeführerin noch minderjährig (16 Jahre alt).

Im vorliegenden Fall haben zwar die Beschwerdeführerin und ihr damals noch minderjähriger Sohn ihre Anträge auf internationalen Schutz in Österreich nicht am selben Tag gestellt, sondern die Beschwerdeführerin zwei Monate nach ihrem Sohn. Doch konnte die Beschwerdeführerin glaubhaft darlegen, dass sie am Weg nach Österreich in Mazedonien von ihrem Sohn getrennt wurde, weil dieser zuerst in ein Taxi eingestiegen ist.

Vor dem Hintergrund, dass die Beschwerdeführerin und ihr Sohn ihre Flucht nach Österreich gemeinsam antraten, sich jedoch aufgrund besonderer Umstände in Mazedonien getrennt wurden, weshalb der Sohn der Beschwerdeführerin früher nach Österreich einreiste und seinen Antrag bereits am 23.06.2016 stellte, während die Beschwerdeführerin erst am 30.08.2016 in der Lage war dies zu tun, liegt eine „zeitnahe“ Antragstellung der Familienangehörigen vor, weshalb vom Vorliegen eines Familienverfahrens im Sinne des § 34 AsylG 2005 im Sinne der oben angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auszugehen ist, um das Ziel der Bestimmung, Familienangehörigen den gleichen Schutz zu gewähren, zu gewährleisten.

Da dem zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährigen Sohn der Beschwerdeführerin der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, ist gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 auch der Beschwerdeführerin der Status einer Asylberechtigten zuzuerkennen, zumal keine Sachverhaltselemente, die unter einen der Tatbestände des § 34 Abs. 2 Z 1 und 3 AsylG 2005 zu subsumieren wären, erkennbar sind.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 ist die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder aufgrund eines Antrages auf internationalem Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Der Beschwerde ist daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 stattzugeben und festzustellen, dass der Beschwerdeführerin kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz nach dem 15.11.2015 gestellt wurde, wodurch insbesondere die §§ 2 Abs. 1 Z 15 und 3 Abs. 4 AsylG 2005 idF des Bundesgesetzes BGBl. I 24/2016 („Asyl auf Zeit“) gemäß § 75 Abs. 24 leg. cit. im konkreten Fall bereits Anwendung finden.

Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG 2005 kommt einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltsberechtigung zu. Diese Aufenthaltsberechtigung verlängert sich kraft Gesetzes nach Ablauf dieser Zeit auf eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Aberkennungsverfahrens nicht vorliegen oder ein Aberkennungsverfahren eingestellt wird. Dementsprechend verfügt die Beschwerdeführerin nun über eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltsberechtigung.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A) wiedergegeben und ist auf den vorliegenden Fall übertragbar.

Schlagworte

Asylgewährung von Familienangehörigen befristete Aufenthaltsberechtigung Familienverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W221.2203954.1.00

Im RIS seit

18.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

18.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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