TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/3 W234 2173107-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.11.2020
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Entscheidungsdatum

03.11.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch

W234 2173107-1/40E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Thomas HORVATH über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Äthiopien, vertreten durch RA Dr. Gregor KLAMMER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.09.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.10.2018 und am 04.12.2019 zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Äthiopien zuerkannt.

III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigtem für die Dauer von einem Jahr erteilt.

IV. Die Spruchpunkte III. bis IV. werden ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Nach seiner Einreise in das Bundesgebiet stellte der Beschwerdeführer am 11.03.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dort gab er im Wesentlichen an, dass er am XXXX geboren worden sei. Er sei äthiopischer Staatsangehöriger, seine Muttersprache sei Amharisch und er spreche auch Somalisch. Er gehöre dem Clan der Ogaaden an und habe fünf Jahre lang die Grundschule in XXXX in der Somali-Region Äthiopiens besucht. Er habe bislang keine Ehe geschlossen und sei nicht berufstätig gewesen. Bei der Erstbefragung begründete der Beschwerdeführer seinen Antrag auf internationalen Schutz damit, dass seine Familie diskriminiert worden sei. Er habe persönliche Probleme gehabt. Leute, die sich „New Police“ nennen würden, seien auf der Suche nach ihm. Diese hätten ihn umbringen wollen. Sie hätten auch das Haus seiner Familie angezündet und seinen Vater mehrmals zusammengeschlagen und eingesperrt. Der Beschwerdeführer habe dies nicht mehr ausgehalten. Er sei ausgereist, weil die „New Police“ ihm mitgeteilt hätte, dass er ins Gefängnis müsse. Weitere Fluchtgründe habe er nicht (AS 11).

2.       Das Bundesamt veranlasste eine Altersfeststellung des Beschwerdeführers. Auf Grund eines Gutachtens eines allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständen für medizinische Begutachtung im Asylverfahren vom 12.10.2016 wurde der XXXX als fiktives Geburtsdatum des Beschwerdeführers ermittelt (AS 61).

3.       Am 25.07.2017 fand eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) statt. Der Beschwerdeführer brachte im Wesentlichen vor, dass Amharisch seine Muttersprache sei. Er spreche außerdem Somali und Englisch. Seine Mutter sei Äthiopierin und spreche Amharisch. Somali habe er in der Schule gelernt. Er leide an Hepatitis B und nehme Diclofenac 1A Pharma retard 75 mg, Pantaloc 20 mg und Novalgin-Tropfen ein. Dazu wurden medizinische Befunde vorgelegt. In Addis Abeba habe er bereits im Herkunftsstaat Medikamente erhalten. Er gehöre dem Clan der Ogaaden, dessen Sub-Clan XXXX und dessen Sub-Sub-Clan XXXX an. Zu seinen Fluchtgründen befragt, führte der Beschwerdeführer aus, dass die „New Police“ seine Familie diskriminiert hätte und ihnen im Jahr 2015 alles weggenommen worden sei. Sein Vater sei verdächtigt worden, dass er mit der ONLF zusammenarbeite. Sein Vater sei deshalb mitgenommen und eingesperrt worden. Danach sei der Beschwerdeführer geflüchtet. Die „Liyu Police“ sei nie bei ihnen zu Hause gewesen. Bei einer Rückkehr nach Äthiopien befürchte er, dass er getötet werden würde. In Addis Abeba könne er eingesperrt werden. Die „Liyu Police“ hätte ihn mehrmals geschlagen. Persönliche Probleme mit staatlichen Behörden, Gerichten oder der Polizei habe er in Äthiopien nicht gehabt. Er wisse nicht, wo sich seine Familie aufhalte. Er habe Onkel und Tanten, die 25 km von XXXX entfernt leben würden (AS 171-187).

Vor dem Bundesamt fand eine weitere Einvernahme des Beschwerdeführers statt; das Datum dieser Einvernahme ist der betreffenden Niederschrift (AS 189 ff) nicht zu entnehmen. Der Beschwerdeführer führte anlässlich dieser Einvernahme aus, dass er ausschließlich Somali sprechen würde. Er habe als Kind einen äthiopischen Reisepass besessen. Er habe in Äthiopien an Gelbsucht gelitten, weshalb ihm in Addis Abeba Tabletten verschrieben worden seien. Befragt, wann und wie er seinen Heimatstaat verlassen habe, führte er aus, dass er aus Äthiopien ausgereist und äthiopischer Staatsangehöriger sei. Nachgefragt, welche Sprachen er spreche, gab der Beschwerdeführer an, dass er neben Somalisch auch Habashi sprechen würde (alles AS 189 bis 197). Die Niederschrift dieser Einvernahme liegt ohne Anführung eines Einvernahmedatums und ohne Unterschriften ihrer Teilnehmer im Verfahrensakt auf.

4.       Das Bundesamt veranlasste eine weitere Altersfeststellung des Beschwerdeführers. Mit Gutachten eines allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für medizinische Begutachtung im Asylverfahren vom 23.11.2016 wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt des Asylantrages mindestens 18 Jahre alt gewesen sei (AS 288).

5.       Mit dem angefochtenen Bescheid vom 21.09.2017 wies das Bundesamt den Antrag auf internationalen Schutz vom 11.03.2016 für den Status des Asyl- wie des subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkte I. und II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt. Unter einem wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Äthiopien zulässig sei (Spruchpunkt III.). Für die freiwillige Ausreise wurde dem Beschwerdeführer eine Frist von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gesetzt (Spruchpunkt IV.).

6.       Gegen diesen Bescheid wurde vom Beschwerdeführer – durch einen bevollmächtigten Rechtsvertreter – die vorliegende Beschwerde erhoben. Der Bescheid wird in vollem Umfang wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten.

7.       Mit Schriftsatz des Bundesamtes vom 10.10.2017 wurde die Beschwerde samt den zugehörigen Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

8.       Am 25.06.2018 versuchte das Bundesverwaltungsgericht unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Somali eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen, an welcher der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers teilnahm. Der Beschwerdeführer erschien unentschuldigt nicht. Das Bundesamt nahm entschuldigt nicht teil.

9.       Am 26.09.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Somali eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer teilnahm. Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers erschien nicht. Das Bundesamt nahm entschuldigt nicht teil. Der Beschwerdeführer erklärte, die Verhandlung nicht in Abwesenheit seines Vertreters durchführen zu wollen.

10.      Am 12.10.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Somali eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer wie dessen Rechtsvertreter teilnahmen. Das Bundesamt nahm entschuldigt nicht teil. Der Beschwerdeführer führte zusammengefasst aus, dass er an Hepatitis B leide, aber deshalb nicht in Behandlung stehe und in Österreich keine Medikamente verschrieben bekommen habe. Zuletzt habe er in Äthiopien Medikamente eingenommen. Weiters gab der Beschwerdeführer an, somalischer Staatsangehöriger zu sein. Er sei in Äthiopien geboren worden. Seine Mutter sei äthiopische Staatsangehörige. Sein Vater sei Somalier. Seine Eltern seien verheiratet. Er spreche Somali und ein bisschen Amharisch. Er sei im Besitz einer ID-Card, die nur an äthiopische Staatsbürger ausgestellt werden würde, die ursprünglich aus Somalia stammen würden. Er sei in XXXX , Äthiopien, mit seinen Eltern und elf Geschwister aufgewachsen und habe bis zu seiner Ausreise dort gelebt. Er habe zwölf Jahre lang die Pflichtschule besucht. Eine Berufsausbildung weise er nicht auf. Sein Vater habe die Familie versorgt.

Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers stellte einen Beweisantrag auf Einholung eines psychiatrischen oder sonstigen fachärztlichen Gutachtens bezüglich der Erinnerungs- und Einvernahmefähigkeit des Beschwerdeführers.

11.      Mit Parteiengehör vom 09.11.2018 wurden die Parteien über die beabsichtigte Bestellung eines namentlich genannten Sachverständigen für den Fachbereich Neurologie und Psychiatrie verständigt.

12.      Der Bestellung des in Aussicht genommenen nichtamtlichen medizinischen Sachverständigen wurde durch die Verfahrensparteien nicht widersprochen, sodass der Sachverständige, wie im Parteiengehör angekündigt, bestellt wurde. Im betreffenden psychiatrischen Sachverständigengutachten vom 25.03.2019 wurde festgehalten, dass beim Beschwerdeführer eine subsyndromale affektive Störung im Rahmen eines nicht abgeschlossenen Anpassungsprozesses in Form von Besorgtheit um seine Gesundheit und um seine Eltern und Angehörigen in seiner Heimat vorliege. Eine medikamentöse Therapie sei nicht notwendig. Der Beschwerdeführer sei in der Lage, an einer Beschwerdeverhandlung teilzunehmen und sei einvernahmefähig. Der Beschwerdeführer sei in der Lage, sich an Ereignisse in seiner Vergangenheit erlebnisfundiert zu erinnern und Erlebtes wiederzugeben. Eine allfällige Aufenthaltsbeendigung des Beschwerdeführers und eine Abschiebung nach Äthiopien oder Somalia sei keineswegs mit einer zwangsläufigen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes verbunden. Der Beschwerdeführer sei aus psychiatrisch-neurologischer Sicht arbeitsfähig (S. 8 und 9 des Gutachtes vom 25.03.2019).

13.      Am 04.12.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Somali eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer, dessen Rechtsvertreter und ein Dolmetscher für die Sprache Somali teilnahmen. Das Bundesamt nahm entschuldigt nicht teil. Der Beschwerdeführer brachte vor, dass er keine Beschwerden wegen seiner Hepatitiserkrankung habe und keine Medikamente einnehme. Er sei arbeitsfähig. Seine Staatsbürgerschaft sei jene von Somalia. Seine Muttersprache sei Somalisch. Er spreche auch Amharisch. Amharisch habe er in der Schule gelernt. Seine Eltern hätten ihm Somalisch beigebracht. Sie seien beide Somalis, seine Mutter verfüge aber auch über die äthiopische Staatsbürgerschaft. Er selbst habe über einen äthiopischen Reisepass verfügt. Er gehöre dem Clan der Ogaaden, dessen Sub-Clan XXXX , dessen Sub-Sub-Clan XXXX und dessen Sub-Sub-Sub-Clan XXXX an. Er habe zwölf Jahre lang die Schule besucht und sei nie erwerbstätig gewesen. Seit er in Österreich aufhältig sei, habe er keinen Kontakt mehr zu seinen Angehörigen in Äthiopien. Zu seinen Fluchtgründen führte der Beschwerdeführer zusammengefasst aus, dass sein Vater von Regierungstruppen verdächtigt worden sei, Mitglied der ONLF zu sein. Eines Abends seien sie zu ihnen nach Hause gekommen und hätten seinen Vater geschlagen und mitgenommen. Am nächsten Tag seien die äthiopischen Truppen zu ihnen nach Hause gekommen. Seine Mutter sei von den Soldaten geschlagen worden. Der Beschwerdeführer und seine Geschwister seien nach draußen gerannt. Die Truppen hätten ihr Haus durchsucht und es anschließend in Brand gesetzt. Sie hätten ihn an diesem Abend auch mitgenommen. Ihm sei der Mund mit Stoff zugebunden worden und sie hätten ihn an einem Baum festgebunden. Gegen Mittag seien die Truppen essen gegangen und der Beschwerdeführer sei alleine zurückgeblieben. Zufällig seien Mitglieder der ONLF gekommen und hätten ihn befreit und freigelassen. Er sei dann mit diesen Truppen nach XXXX mitgegangen, wo der Onkel väterlicherseits des Beschwerdeführers gelebt habe. Der Beschwerdeführer habe diesen aufgesucht und sei am nächsten Tag von XXXX nach XXXX gefahren. Von dort aus sei er nach Addis Abeba gefahren, wo er seinen Schlepper getroffen hätte.

14.      Die äthiopische ID-Card des Beschwerdeführers wurde im Auftrag des Bundesverwaltungsgerichtes übersetzt und die Übersetzung den Parteien am 16.01.2020 zur allfälligen Stellungnahme übermittelt.

15.      Mit Stellungnahme vom 31.01.2020 brachte der Beschwerdeführer vor, dass der vorgelegte Personalausweis die äthiopische Staatsbürgerschaft belegen würde. Auch der ACCORD-Anfragebeantwortung vom 23.09.2015 „Informationen zur Staatsbürgerschaft bei Geburt in Äthiopien“ sei zu entnehmen, dass in Äthiopien geborene Kinder mit einer die äthiopische Staatsangehörigkeit innehabenden Mutter die äthiopische Staatsangehörigkeit besitzen würden. Verwiesen werde jedoch auf den auch in der Anfragebeantwortung herangezogenen Bericht der Open Society Foundation, wonach Personen mit einem nicht-äthiopischen Vater „effectively stateless“ seien (S. 54 des Berichtes der OSF). Zudem sei die Sicherheitslage in der Ogaaden-Region volatil. Schließlich führe auch die derzeit grassierende gewaltige Heuschreckenplage zu einer Hungersnot. In Bezug auf Äthiopien bestehe keine innerstaatliche Fluchtalternative. Auch in der Hauptstadt Addis Abeba würde die Möglichkeit bestehen, in die Hände der äthiopischen Armee zu fallen. Zudem bedürfe es eines sozialen Netzes, über welches der Beschwerdeführer nicht verfüge.

16.      Mit Parteiengehör vom 15.06.2020 wurden Länderberichte zur aktuellen Versorgungslage in Äthiopien im Hinblick auf die derzeit vorherrschende Heuschreckenplage ins Verfahren eingebracht und zur Stellungnahme übermittelt. Das Bundesamt gab dazu keine Stellungnahme ab. Der Beschwerdeführer verwies in seiner Stellungnahme vom 01.07.2020 auf die wegen der Heuschreckenplage und COVID-19-Situation unzureichende Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und eine drohende Hungersnot, derentwegen ihm eine Rückkehr nach Äthiopien nicht möglich sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grund des Antrags auf internationalen Schutz vom 11.03.2016, der Erstbefragung des Beschwerdeführers durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, seiner Einvernahmen durch das Bundesamt, der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid, der Ergebnisse der mündlichen Verhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht, der Stellungnahmen der Partei im Verfahren, der Einsichtnahme in den Verwaltungsakt sowie der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister und das Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1.    Zur Person des Beschwerdeführers

1.1.1. Der Beschwerdeführer ist äthiopischer Staatsbürger.

1.1.2. Er wurde in der Stadt XXXX , in der Somali-Region Äthiopiens, geboren und war bei Stellung seines Antrags auf internationalen Schutz in Österreich bereits volljährig. Der Beschwerdeführer gehört dem Clan der Ogaaden, dessen Sub-Clan XXXX , dessen Sub-Sub-Clan XXXX und dessen Sub-Sub-Sub-Clan XXXX an. Der Beschwerdeführer ist sunnitischer Moslem. Er beherrscht die somalische und die amharische Sprache.

1.1.3. Der Beschwerdeführer besuchte zwölf Jahre lang die Pflichtschule in Äthiopien. Er verfügt über keine Berufsausbildung und war nie erwerbstätig.

1.1.4. Der Beschwerdeführer lebte bis zu seiner Ausreise in der Somali-Region Äthiopiens. Die letzte Woche vor seiner Ausreise hielt sich der Beschwerdeführer in Addis Abeba auf.

1.1.5. Die Kernfamilie des Beschwerdeführers besteht aus seinen Eltern, acht Brüdern und drei Schwestern. Zudem leben drei Tanten und fünf Onkel des Beschwerdeführers in Äthiopien, in XXXX . Bis zu seiner Ausreise lebte der Beschwerdeführer gemeinsam mit seiner Familie in einem Haus auf eigenem Grund. Der Vater des Beschwerdeführers war als Hilfsarbeiter tätig und versorgte die gesamte Familie. Der Beschwerdeführer hat keinen Kontakt mehr zu seinen Familienangehörigen in Äthiopien.

Abgesehen vom ältesten Bruder hielten sich die Familienangehörigen des Beschwerdeführers beim letzten Kontakt in Äthiopien auf.

1.1.6. Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder.

1.1.7. Der Beschwerdeführer ist an einer Hepatitis B-Virusinfektion erkrankt. Er hat deswegen jedoch keine Beschwerden, befindet sich nicht in medizinischer Behandlung und nimmt keine Medikamente ein. Abgesehen von der Hepatitis B-Virusinfektion ist er körperlich gesund und arbeitsfähig.

Beim Beschwerdeführer wurde eine subsyndromale affektive Störung im Rahmen eines nicht abgeschlossenen Anpassungsprozesses in Form von Besorgtheit um seine Gesundheit und um seine Eltern und Angehörigen in seiner Heimat festgestellt. Eine medikamentöse Therapie ist nicht notwendig. Der Beschwerdeführer ist in der Lage, an einer Beschwerdeverhandlung teilzunehmen und ist einvernahmefähig. Der Beschwerdeführer ist in der Lage, sich an Ereignisse in seiner Vergangenheit erlebnisfundiert zu erinnern und Erlebtes wiederzugeben. Eine Aufenthaltsbeendigung des Beschwerdeführers und eine Abschiebung nach Äthiopien oder Somalia ist keineswegs mit einer zwangsläufigen Verschlechterung seines psychischen Gesundheitszustandes verbunden. Der Beschwerdeführer ist aus psychiatrisch-neurologischer Sicht arbeitsfähig.

1.1.8. Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.

1.1.9. Der Beschwerdeführer nahm von XXXX bis XXXX sowie vom XXXX bis XXXX an Deutschkursen A1/1 sowie A1/2 der XXXX teil. Absolviert hat er ferner den Deutschkurs A1/3 der XXXX im Zeitraum XXXX bis XXXX

Er unterhält Freundschaften zu dauerhaft in Österreich aufenthaltsberechtigten Personen. Zudem hat der Beschwerdeführer eine Partnerin, die Asylberechtigte in Österreich ist. Der Beschwerdeführer und seine Freundin leben nicht im gemeinsamen Haushalt.

1.2.    Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr nach Äthiopien zielgerichtet gegen ihn gerichtete Übergriffe staatlicher Organe oder Privater mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten hätte. Es kann nicht festgestellt werden, dass er Äthiopien aus Furcht vor zielgerichteten Eingriffen in seine körperliche Integrität oder wegen Lebensgefahr verlassen hat und ihm derartige Gefahren aktuell in Äthiopien drohen.

Es kann daher nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer von äthiopischen Regierungstruppen, der „Liyu“-Police (oder der „New Police“) entführt und körperlich misshandelt wurde und nach seiner Rückkehr erneut misshandelt oder inhaftiert würde.

Auch kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Äthiopien konkret und individuell gegen ihn gerichteten Probleme aufgrund seiner Zugehörigkeit zum Clan Ogaaden mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat.

1.3.    Zu einer Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat

Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Äthiopien in eine existenzbedrohende Notlage wegen der derzeit herrschenden mangelhaften Versorgung infolge von Heuschreckenplagen und Nachwirkungen von Dürreperioden geraten würde.

1.4.    Zur maßgeblichen Situation in Äthiopien

1.4.1. Das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation „Äthiopien“ idF der Gesamtaktualisierung vom 12.09.2019, in der Fassung der Kurzinformationen vom 08.11.2019, trifft folgende Ausführungen, welche das Bundesverwaltungsgericht als örtliche Gegebenheiten im Herkunftsstaat feststellt:

„1. Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen KI vom 8.11.2019: Unruhen, Gewalt und Proteste (betrifft: Abschnitt 3. Sicherheitslage samt Unterabschnitten).

Ende Juni 2019 kam es zu mehreren Angriffen auf führende Politiker landesweit. Der Regionalpräsident von Bahir Dar wurde, gemeinsam mit zwei weiteren Regionalregierungsmitgliedern und Dutzender weiterer Personen bei einem „Putschversuch“ durch den Sicherheitsregionalleiter am 22.06.2019 getötet. Am 20.06.2019 wurde der Bürgermeister von Dembir Bolo angeschossen und schwer verletzt. In Guba wurden bei einem Angriff einer AmharaMiliz am 23.06.2019 mehr als 50 Personen getötet. In Addis Abeba wurde der Militärstabschef durch seinen eigenen Personenschützer erschossen (ACLED 16.7.2019; vgl. TNH 16.10.2019, Standard 23.6.2019).

Die Ereignisse von Juni 2019 stehen in scharfem Kontrast zum Rückgang der Gewalt seit der Amtseinsetzung von Premierminister Abiy im April 2018 (ACLED 16.7.2019). Abiy schlug danach eine härtere Linie ein (TNH 16.10.2019; vgl. ACLED 16.7.2019). Das Internet wurde für vier Tage landesweit blockiert und hunderte Personen wurden in Zusammenhang mit der Gewalt verhaftet (ACLED 16.7.2019; vgl. TNH 16.10.2019); der Druck der Regierung hat seitdem nicht nachgelassen (TNH 16.10.2019). Amnesty International verurteilt die Regierung dafür, dass es seit Juni 2019 im Namen von Anti-Terror-Maßnahmen zu willkürlichen Festnahmen, darunter auch von Journalisten, kam (AI 4.10.2019; vgl. TNH 16.10.2019).

Ende Oktober 2019 kam es nach Gerüchten über die Misshandlung des Abiy-Kritikers und Internetaktivisten Jawar Mohammed durch Sicherheitskräfte zu Protesten und Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstrierenden (Standard 24.10.2019; vgl. Standard 25.10.2019). Aus den Protesten entwickelten sich in der Folge ethnisch und religiös motivierte Unruhen (taz 26.10.2019; vgl. EN 26.10.2019, Guardian 1.11.2019). In den darauffolgenden Tagen kam es in vielen Städten zu gewaltsamen Sicherheitsmaßnahmen, gewalttätigen Konfrontationen und Kämpfen (AS 28.10.2019). Im Zuge dieser gewaltsamen Zusammenstöße zwischen verschiedenen Volksgruppen wurden nach Angaben des Premierministers 86 Menschen getötet, darunter zehn Tote durch Sicherheitskräfte (BBC 4.11.2019; vgl. RIA 3.11.2019). Stand 25.10.2019 wurden von offizieller Seite mindestens 67 Todesopfer gemeldet (Standard 25.10.2019; vgl. Zeit 26.10.2019, EN 26.10.2019) und im Zusammenhang mit den Unruhen wurden 409 Personen verhaftet (Guardian 1.11.2019; vgl. RIA 3.11.2019). Premierminister Abiy kündigte an, dass die Behörden gegen all jene vorgehen würden, die "den Frieden und die Stabilität Äthiopiens bedrohen" (RIA 3.11.2019).

In zahlreichen Städten in der Provinz Oromia kam es zu Angriffen von Mitgliedern der Volksgruppe der Oromo. Die Opfer entstammen der ethnischen Gruppen der Oromo, Amhara und Sidama (EN 26.10.2019). Etwa 55 Menschen sind bei Kämpfen zwischen Angehörigen verschiedener Ethnien in der Region Oromia ums Leben gekommen (Standard 25.10.2019; vgl. Zeit 26.10.2019, EN 26.10.2019); der Großteil der Todesopfer geht auf Gewalt zwischen Zivilisten zurück (EN 26.10.2019), die übrigen Personen wurden von der Polizei getötet (Zeit 26.10.2019). Die Armee wurde in die Region Oromia entsandt (AS 28.10.2019; vgl. ZDF 26.10.2019, OKA 28.10.2019), bei deren Einsatz kamen sieben Personen ums Leben (AS 28.10.2019). Es gibt Berichte über Angriffe gegen Mitglieder und Glaubensstätten religiöser Minderheiten (EN 26.10.2019; vgl. Guardian 1.11.2019, Sputnik 29.10.2019).

Die Spannungen zwischen den Regionen Somali und Oromia sind besonders hoch, während Tigray und Amhara weiterhin über ihre gemeinsame Grenze streiten (TNH 16.10.2019). Die politische Öffnung und Zulassung vieler Parteien hat auch dazu geführt, dass viele Regionen und Völker nach Unabhängigkeit streben und ihren eigenen Staat gründen wollen. Viele Rebellen haben ihre Waffen niedergelegt, andere tun sich schwer damit, Konflikte plötzlich friedlich auszutragen (BAZ 12.10.2019). Die Proteste der Oromo haben viele Menschen dazu veranlasst, ein unabhängiges Oromia zu fordern und sich von Äthiopien zu lösen, während seit langem von der Unabhängigkeit der Tigray gesprochen wird (TNH 16.10.2019).

Am 14.10.2019 griff eine nicht identifizierte bewaffnete Gruppe in der Region Afar, an der Grenze zu Dschibuti und Eritrea, ein Dorf an, tötete 17 Zivilisten und verletzte mindestens 34 weitere. Die Beweggründe der Gruppe, die Berichten zufolge von Dschibuti aus nach Äthiopien gekommen sein soll, sind unklar. Die Regierung von Dschibuti erklärte, dass das dschibutische Militär an dem Angriff nicht beteiligt war. Als Reaktion auf die Angriffe versammelten sich Demonstranten in mehreren Städten der Region Afar, um gegen die Angriffe zu protestieren (ACLED 23.10.2019).

Die Auseinandersetzungen zwischen der Bodi-Gemeinschaft und äthiopischen Soldaten in Jinka gehen weiter, da Umsiedlungsprogramme die Einheimischen vertreiben, um Platz für den neuen Gibe III-Staudamm und die Zuckerplantagen zu schaffen. Schätzungsweise vierzig Menschen sind seit dem 15.09.2019 in diesem Streit gestorben (ACLED 23.10.2019).

Quellen:

?        ACLED - Armed Conflict Location and Event Data Project (16.7.2019): Armed Conflict Location and Event Data Project, Bad Blood: Violence in Ethiopia Reveals the Strain of Ethno-Federalism under Prime Minister Abiy, https://www.acleddata.com/2019/07/15/badblood-violence-in-ethiopia-reveals-the-strain-of-ethno-federalism-under-prime-ministerabiy/, Zugriff 29.10.2019

?        ACLED - Armed Conflict Location and Event Data Project (23.10.2019): Regional Overview: Africa - 13 – 19 October 2019, https://www.acleddata.com/2019/10/23/regionaloverview-africa-13-19-october-2019/, Zugriff 29.10.2019

?        AI – Amnesty International (4.10.2019): Ethiopia: Release journalists arrested on unsubstantiated terrorism charges, https://www.amnesty.org/en/latest/news/2019/10/ethiopia-release-journalists-arrested-onunsubstantiated-terrorism-charges/, Zugriff 29.10.2019

?        AS – Addis Standard (28.10.2019): Analysis: Tragedy struck Ethiopia, again. “We are dealing with a different scenario”, https://addisstandard.com/analysis-tragedy-struckethiopia-again-we-are-dealing-with-a-different-scenario/, Zugriff 29.10.2019

?        BAZ – Basler Zeitung (12.10.2019): Er stellte sein Land auf den Kopf, https://www.bazonline.ch/er-stellte-sein-land-auf-den-kopf-sie-wurden-ausgezeichnet-unddann/story/11390725, Zugriff 29.10.2019

?        BBC – British Broadcasting Corporation (4.11.2019): Abiy says 86 Ethiopians died in wave of violence, https://www.bbc.com/news/topics/cwlw3xz047jt/ethiopia, Zugriff 4.11.2019

?        EN – Euronews (26.10.2019): Violence during Ethiopian protests was ethnically tinged, say eyewitnesses, https://www.euronews.com/2019/10/26/violence-during-ethiopian-protestswas-ethnically-tinged-say-eyewitnesses, Zugriff 29.10.2019

?        Guardian, the (1.11.2019): Deadly unrest in Ethiopia hampers PM's political reform attempts, https://www.theguardian.com/world/2019/nov/01/ethiopia-unrest-abiy-ahmedjawar-mohammed-nobel-peace-prize, Zugriff 4.11.2019

?        OKA – Okayafrica (28.10.2019): The Army Has Been Deployed in Ethiopia Amid Deadly Protests, https://www.okayafrica.com/ethiopia-protest-oromia/, Zugriff 29.10.2019

?        RIA Nowosti (3.11.2019): ? ??????? ????? ???????? ? ?????????? ????????? ???????? ?? 86 ???????, https://ria.ru/20191103/1560548773.html, Zugriff 4.11.2019

?        Sputnik Belarus (29.10.2019): ?????????? ? ???????: ?????? ? ?????? ???????, ??????? ??????? ?????, https://sputnik.by/incidents/20191029/1043124593/Besporyadkiv-Efiopii-tserkvi-i-mechet-sozhzheny-desyatki-chelovek-ubity.html, Zugriff 4.11.2019

?        Standard, der (23.6.2019): Putschversuch in Äthiopien: Armeechef und Regionalpräsident getötet, https://www.derstandard.at/story/2000105290605/aethiopiens-armeechef-undregionalpraesident-bei-angriffen-getoetet, Zugriff 29.10.2019

?        Standard, der (24.10.2019): Machtkampf in Äthiopien fordert 16 Todesopfer, https://www.derstandard.at/story/2000110302304/machtkampf-in-aethiopien-fordert-16todesopfer, Zugriff 29.10.2019

?        Standard, der (25.10.2019): Mehr als 60 Tote bei Protesten und Gewalt in Äthiopien, https://www.derstandard.at/story/2000110333475/mehr-als-60-tote-bei-protesten-undgewalt-in-aethiopien, Zugriff 29.10.2019

?        taz – Die Tageszeitung (26.10.2019): Mehr als 60 Tote bei Protesten, https://taz.de/Gewaltin-Aethiopien/!5636230/, Zugriff 29.10.2019

?        TNH – The New Humanitarian (ehemals IRIN News) (16.10.2019): Briefing: Five challenges facing Ethiopia’s Abiy, http://www.thenewhumanitarian.org/analysis/2019/10/16/ Abiy-Ethiopia-Eritrea-Nobel-peace-Tigray, Zugriff 29.10.2019

?        ZDF – Zweites Deutsches Fernsehen (26.10.2019): Äthiopien: 67 Tote bei Protesten, https://www.zdf.de/nachrichten/heute/regierungskritische-demos-aethiopien--67-tote-beiprotesten-100.html, Zugriff 29.10.2019

?        Zeit Online, die (26.10.2019): Mehr als 60 Tote bei Protesten und Gewalt, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-10/proteste-aethiopien-abiy-ahmed-tote, Zugriff 29.10.2019

2. Politische Lage

Entsprechend der Verfassung ist Äthiopien ein föderaler und demokratischer Staat. Die Grenzen der Bundesstaaten orientieren sich an sprachlichen und ethnischen Grenzen sowie an Siedlungsgrenzen. Seit Mai 1991 regiert in Äthiopien die Ethiopian People's Revolutionary Democratic Front (EPRDF), die sich aus vier regionalen Parteien zusammensetzt: Tigray People's Liberation Front (TPLF), Amhara National Democratic Movement (ANDM), Oromo People’s Democratic Organisation (OPDO) und Southern Ethiopian Peoples’ Democratic Movement (SEPDM). Traditionellen Führungsanspruch in der EPRDF hat die TPLF, die zentrale Stellen des Machtapparates und der Wirtschaft unter ihre Kontrolle gebracht hat (AA 17.10.2018). Auf allen administrativen Ebenen werden regelmäßig Wahlen durchgeführt, zu denen Oppositionsparteien zugelassen sind. Bei den Parlamentswahlen im Mai 2015 gewannen die regierende EPRDF und ihr nahestehende Parteien nach Mehrheitswahlrecht alle 547 Parlamentssitze. Auf allen administrativen Ebenen dominiert die EPRDF. Auch in den Regionalstaaten liegt das Übergewicht der Politikgestaltung weiter bei der Exekutive. Staat und Regierung bzw. Regierungspartei sind in der Praxis nicht eindeutig getrennt (AA 17.10.2018). Äthiopien ist politisch sehr fragil (GIZ 9.2018). Zudem befindet sich das Land derzeit unter Premierminister Abiy Ahmed in einem politischen Wandel (GIZ 9.2018a). Abiy Ahmed kam im April 2018 nach dem Rücktritt von Hailemariam Desalegn an die Macht. Seitdem hat er den Ausnahmezustand des Landes beendet, politische Gefangene freigelassen, umstrittene Kabinettsmitglieder und Beamte entlassen, Verbote für Websites und sozialen Medien aufgehoben und ein Friedensabkommen mit dem benachbarten Eritrea geschlossen (RI 14.11.2018; vgl. EI 12.12.2018, JA 23.12.2018). Bereits seit Anfang des Jahres waren noch unter der Vorgängerregierung erste Schritte einer politischen Öffnung unternommen worden. In der ersten Jahreshälfte 2018 wurden ca. 25.000 teilweise aus politischen Gründen inhaftierte bzw. verdächtige Personen vorzeitig entlassen. Oppositionsparteien wurden eingeladen, aus dem Exil zurückzukehren, und wurden entkriminalisiert. Abiy Ahmed hat eine Kehrtwende weg von der repressiven Politik seiner Vorgänger vorgenommen. Er bemüht sich seit seinem Amtsantritt mit Erfolg für stärkeren zivilgesellschaftlichen Freiraum und hat die Praxis der Kriminalisierung von Oppositionellen und kritischen Medien de facto beendet. Im Mai 2018 gab es mehrere Dialogformate in Addis Abeba und der benachbarten Region Oromia, unter Beteiligung von Vertretern der Regierung, Opposition und Zivilgesellschaft. Abiy hat zudem angekündigt, dass die für 2020 angesetzten Wahlen frei und fair und ohne weitere Verzögerungen stattfinden sollen (AA 17.10.2018). Unter der neuen Führung begann Äthiopien mit dem benachbarten Eritrea einen Friedensprozess hinsichtlich des seit 1998 andauernden Konfliktes (JA 23.12.2018). Im Juni 2018 kündigte die äthiopische Regierung an, den Friedensvertrag mit Eritrea von 2002 vollständig zu akzeptieren (GIZ 9.2018a). Mithilfe der USA, Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate begann Abiy Ahmed Gespräche und begrüßte den eritreischen Präsidenten Isaias Afeworki im Juli 2018 in Addis Abeba (JA 23.12.2018). Nach gegenseitigen Staatsbesuchen sowie der Grenzöffnung erfolgte Mitte September 2018 die offizielle Unterzeichnung eines Freundschaftsvertrages zwischen den beiden Ländern (GIZ 9.2018a). Die Handels- und Flugverbindungen wurden wieder aufgenommen, und die UN-Sanktionen gegen Eritrea wurden aufgehoben (JA 23.12.2018). Am 07.08.2018 unterzeichneten Vertreter der äthiopischen Regierung und der Oromo Liberation Front (OLF) in Asmara ein Versöhnungsabkommen und verkündeten am 12.08.2018 einen einseitigen Waffenstillstand (BAMF 13.8.2018). Am 15.09.2018 kehrten frühere Oromo-Rebellen aus dem Exil in die Hauptstadt Addis Abeba zurück. Die Führung der OLF kündigte an, nach der Aussöhnung mit der Regierung fortan einen friedlichen Kampf für Reformen führen zu wollen. Neben OLF-Chef Dawud Ibsa und anderen Funktionären kamen auch etwa 1.500 Kämpfer aus dem benachbarten Eritrea zurück. Obwohl die Feier von einer massiven Sicherheitspräsenz begleitet wurde, kam es zu Ausschreitungen (BAMF 17.09.2018). Nach offiziellen Angaben wurden nach den Ausschreitungen rund 1.200 Personen inhaftiert (BAMF 01.10.2018). Abiy Ahmeds Entscheidung Frauen in Führungspositionen zu befördern, wurde weitgehend begrüßt. Die Hälfte der 20 Ministerposten der Regierung wurden an Frauen vergeben, darunter Schlüsselressorts wie das Ministerium für Handel und Industrie und das Verteidigungsministerium. Abiy hat u. a. die renommierte Menschenrechtsanwältin Meaza Ashenafi zur ranghöchsten Richterin des Landes ernannt, die ehemalige UNO-Beamtin Sahle-Work Zewde wurde einstimmig vom Parlament zur Präsidentin gewählt (BAMF 29.10.2018; vgl. BBC 18.11.2018, EZ 25.10.2018, GIZ 9.2018a). Die Präsidentin hat vor allem eine repräsentative Funktion, da die politische Macht beim Ministerpräsidenten liegt (BAMF 29.10.2018; vgl. BBC 18.11.2018). Aisha Mohammed ist nun Verteidigungsministerin, Muferiat Kamil Friedensministerin. Letzterer sind Polizei und Geheimdienste unterstellt. Die Ernennung der beiden Frauen ist auch deshalb historisch, weil es sich um Muslime aus ethnischen Minderheiten (Oromo) handelt, die noch nie zuvor so mächtige Ämter bekleideten. Ihre Anwesenheit im Kabinett hilft Abiy Ahmed nicht nur, Geschlechterparität zu erreichen, sondern auch, seine Unterstützungsbasis unter ethnischen Minderheiten und Muslimen zu erweitern, die sich manchmal über politische Ausgrenzung beklagen (BBC 18.11.2018). Darüber hinaus ging die Regierung gegen Offizielle vor, die der Korruption und Rechtsverletzungen verdächtigt wurden. 60 Personen wurden verhaftet, darunter der ehemalige Leiter eines militärisch geführten Geschäftskonzerns und ehemalige stellvertretende Leiter des Geheimdienstes, Getachew Assefa. Dieser wurde wegen Korruption und Menschenrechtsverletzungen verhaftet (BBC 18.11.2018; vgl. EI 12.12.2018). Assefa war ein führendes Mitglied des Tigray-Flügels der regierenden EPRDF. Vertreter der EPRDF - darunter die Führung der TPLF - haben erklärt, dass es einen allgemeinen Konsens darüber gibt, dass Kriminelle vor Gericht gestellt werden sollten. Ältere Vertreter der TPLF fordern, dass derartige Verhaftungen nicht politisch motiviert und nur auf Tigray abzielen dürfen. Aktivisten von Tigray erachten die Verhaftungen allerdings als politisch motiviert – mit dem Ziel, die Tigray zu schwächen. Auf einen Protest in neun Großstädten in Tigray folgte am 8.12. und 9.12.2018 eine große Kundgebung in Mekele, bei der Zehntausende teilnahmen. Die Spannungen zwischen der Bundesregierung und der Region Tigray haben sich verschärft (EI 12.12.2018). Es bleibt abzuwarten, ob diese Säuberungen den Staat nicht zu destabilisieren drohen. Zudem sind die Gewaltkonflikte in den Regionen nach wie vor nicht unter Kontrolle, und Abiy weigert sich, Gewalt anzuwenden. Sein Ruf nach Ruhe und Einheit bleibt jedoch ungehört. Die Zahl der IDPs ist gestiegen, und die Gefahr einer Teilung des Landes bleibt nicht ausgeschlossen (JA 23.12.2018). Seit seinem Amtsantritt im April 2018 als äthiopischer Premierminister, hat Abiy Ahmed tiefgreifende Reformen angeschoben. Trotzdem bleiben die Herausforderungen zahlreich. Die Restriktionen gegen Bürgerrechtsorganisationen sind noch nicht aufgehoben und das Antiterrorismusgesetz muss noch reformiert werden. Für seinen Umgang mit diesen fundamentalen Problemen steht der neue Premierminister in Kritik. Das Versprechen von freien Wahlen stößt auf die Realität eines Landes, das von einer Koalition von Rebellen kontrolliert wird – der EPRDF. Diese ist seit 1991 an der Macht und behält sämtliche Institutionen im Griff (SFH 5.12.2018).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt (17.10.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Äthiopien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1452858/4598_1543583225_auswaertiges-amtbericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aethiopien-stand-september-201817-10-2018.pdf, Zugriff 11.12.2018

?        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (13.8.2018): Briefing Notes vom 13. August 2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/1442567/1226_1536220409_deutschland-bundesamt-fuermigration-und-fluechtlinge-briefing-notes-13-08-2018-deutsch.pdf, Zugriff 28.12.2018 - BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (17.9.2018): Briefing Notes vom 17. September 2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/1445520/1226_1539001493_deutschland-bundesamt-fuermigration-und-fluechtlinge-briefing-notes-17-09-2018-deutsch.pdf, Zugriff 28.12.2018

?        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (1.10.2018): Briefing Notes vom 1. Oktober 2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/1445533/1226_1539002314_deutschland-bundesamt-fuermigration-und-fluechtlinge-briefing-notes-01-10-2018-deutsch.pdf, Zugriff 28.12.2018

?        BBC News (18.11.2018): The women smashing Ethiopia's glass ceiling, https://www.bbc.com/news/world-africa-46110608, Zugriff 17.12.2018

?        EI - Ethiopia Inside (12.12.2018): Rebranded show trials are exactly what remodeled Ethiopia does not need, https://www.ethiopia-insight.com/2018/12/12/rebranded-show-trials-are-exactlywhat-remodeled-ethiopia-does-not-need/, Zugriff 17.10.2018

?        EZ - Ezega (25.10.2018): Ethiopia Names First Woman President, https://www.ezega.com/News/NewsDetails/6729/Ethiopia-Names-First-Woman-President, Zugriff 6.12.2018 - GIZ - Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (9.2018): Äthiopien, Überblick, https://www.liportal.de/aethiopien/ueberblick/, Zugriff 11.12.2018

?        GIZ - Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit Deutschland (9.2018a): Äthiopien, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/aethiopien/geschichte-staat/, Zugriff 10.12.2018 - JA - Jeune Afrique (23.12.2018): Éthiopie: Abiy Ahmed, le négus du changement, https://www.jeuneafrique.com/mag/692770/politique/ethiopie-abiy-ahmed-le-negus-duchangement/?utm_source=newsletter-ja-actuabonnes&utm_medium=email&utm_campaign=newsletter-ja-actu-abonnes-24-12-18, Zugriff 27.12.2018

?        RI - Refugees International in Reliefweb.int (14.11.2018): The Crisis Below the Headlines: Conflict Displacement in Ethiopia, https://reliefweb.int/report/ethiopia/crisis-below-headlinesconflict-displacement-ethiopia, Zugriff 11.12.2018

?        SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (5.12.2018): Sind Rückführungen von äthiopischen Asylsuchenden wirklich dringend?, https://www.fluechtlingshilfe.ch/news/archiv/2018/sindrueckfuehrungen-von-aethiopischen-asylsuchenden-wirklich-dringend.html, Zugriff 13.12.2018

3. Sicherheitslage

Nach der Wahl eines neuen Premierministers hat sich die Sicherheitslage derzeit wieder beruhigt. Der im Februar 2018 ausgerufene Notstand wurde am 05.06.2018 vorzeitig beendet (AA 4.1.2019). Derzeit gibt es in keiner äthiopischen Region bürgerkriegsähnliche Zustände; die Konflikte zwischen Ethnien (z.B. Gambella, SNNPR, Oromo/Somali) haben keine derartige Intensität erreicht (AA 17.10.2018). Laut österreichischem Außenministerium gilt in Addis Abeba und den übrigen Landesteilen ein erhöhtes Sicherheitsrisiko (BMEIA 12.12.2018). Ein Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land (EDA 10.12.2018; vgl. BAMF 1.10.2018, BAMF 24.9.2018). Im ganzen Land kann es bei Demonstrationen zu Ausschreitungen kommen und Gewaltanwendung nicht ausgeschlossen werden (BMEIA 12.12.2018). Die politischen und sozialen Spannungen können jederzeit zu gewalttätigen Demonstrationen, Plünderungen, Straßenblockaden und Streiks führen. Auch in Addis Abeba können gewalttätige Demonstrationen jederzeit vorkommen. Zum Beispiel haben Mitte September 2018 gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten verschiedener Lager sowie zwischen Demonstranten und Sicherheitskräfte zahlreiche Todesopfer und Verletzte gefordert (EDA 10.12.2018; vgl. BAMF 1.10.2018, BAMF 24.9.2018). Ende September 2018, sollen bei Protesten in Addis Abeba, 58 Menschen getötet worden sein, staatliche Stellen berichteten von 23 Toten. Die meisten Todesopfer habe es gegeben, als jugendliche Banden der Volksgruppe der Oromo am 16.09.2018 andere Ethnien angriffen. Zu weiteren Todesopfern kam es, als tausende Menschen gegen diese Gewaltwelle protestierten (BAMF 1.10.2018; vgl. BAMF 24.9.2018).

Zusammenstöße zwischen den Gemeinschaften in den Regionen Oromia, SNNPR, Somali, Benishangul Gumuz, Amhara und Tigray haben sich fortgesetzt. Dort werden immer mehr Menschen durch Gewalt vertrieben. Aufgrund der Ende September 2018 in der Region Benishangul Gumuz einsetzenden Gewalt wurden schätzungsweise 240.000 Menschen vertrieben (FEWS 29.11.2018).

Spannungen zwischen verschiedenen Volksgruppen und der Kampf um Wasser und Weideland können in den Migrationsgebieten der nomadisierenden Viehbesitzer im Tiefland zu gewaltsamen Auseinandersetzungen führen, die oft erst durch den Einsatz der Sicherheitskräfte beendet werden (EDA 10.12.2018).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt (4.1.2019): Äthiopien: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aethiopien-node/ aethiopiensicherheit/209504, Zugriff 4.1.2019

?        AA - Auswärtiges Amt (17.10.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Äthiopien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1452858/4598_1543583225_auswaertiges-amtbericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aethiopien-stand-september-201817-10-2018.pdf, Zugriff 11.12.2018

?        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (1.10.2018): Briefing Notes vom 1. Oktober 2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/1445533/1226_1539002314_deutschland-bundesamt-fuermigration-und-fluechtlinge-briefing-notes-01-10-2018-deutsch.pdf, Zugriff 28.12.2018

?        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (24.9.2018): Briefing Notes vom 24. September 2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/1445536/1226_1539002669_deutschland-bundesamt-fuermigration-und-fluechtlinge-briefing-notes-24-09-2018-deutsch.pdf, Zugriff 28.12.2018

?        BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (12.12.2018): Äthiopien, Reise & Aufenthalt – Sicherheit und Kriminalität, http://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/aethiopien/, Zugriff 12.12.2018

?        EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (10.12.2018): Reisehinweise für Äthiopien, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/ aethiopien/reisehinweise-aethiopien.html, Zugriff 10.12.2018

?        FEWS - Famine Early Warning System Network / World Food Programme, in Reliefweb.int (29.11.2018): Ethiopia Key Message Update, November 2018, https://reliefweb.int/report/ethiopia/ethiopia-key-message-update-november-2018, Zugriff 11.12.2018

3.1. Somali Regional State (SRS / Ogaden) und Oromia

Für den SRS gilt laut österreichischem Außenministerium eine partielle Reisewarnung (BMEIA 6.12.2018). Das deutsche Außenministerium warnt vor Reisen südlich und östlich von Harar und Jijiga (AA 4.1.2019). Die Sicherheitslage ist in diesem Landesteil volatil. Lokale Gefechte zwischen der äthiopischen Armee und verschiedenen Rebellengruppen kommen vor. Zum Beispiel forderten bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen der Armee und einer lokalen Miliz im August 2018 in Jijiga zahlreiche Todesopfer und Verletzte (AA 4.1.2019; vgl. EDA 6.12.2018, DW 8.8.2018). Es kam damals zu interkommunaler Gewalt zwischen ethnischen Somalis und in der Stadt lebenden Hochländern (UNOCHA 25.11.2018) und zur Plünderung von Besitztümern ethnischer Minderheiten (DW 8.8.2018). Angriffe richteten sich gezielt gegen ethnische Nicht-Somalis und gegen orthodoxe Kirchen, darunter auch Priester (AA 17.10.2018). Gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten sowie zwischen verfeindeten Ethnien können auch weiterhin vorkommen. Auch besteht das Risiko von Anschlägen.

Zudem besteht Minengefahr und das Risiko von Entführungen (EDA 6.12.2018; vgl. BMEIA 6.12.2018). Rund um den Grenzübergang Moyale kam es mehrfach, zuletzt Mitte Dezember 2018, zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Volksgruppen der Somali- und Oromia Region sowie den Sicherheitskräften, bei denen zahlreiche Todesopfer zu beklagen waren (AA 4.1.2019). Auch am 12.11.2018 führte Gewalt zwischen den Gemeinschaften Gebra und Garre dazu, dass etwa 15.000 Menschen in der Stadt Moyale, einer Stadt, die sowohl zu Oromia als auch zu Somalia gehört, vertrieben wurden (UNOCHA 25.11.2018). Im Süden Äthiopiens hatte es in jüngster Vergangenheit mehrfach blutige Zusammenstöße zwischen Angehörigen der Ethnien der Oromo und der Somali gegeben. Hintergrund ist der Streit um Weideland und andere Ressourcen (WZ 16.12.2018). Im Grenzgebiet der Oromo- und Somali-Regionen kommt es schon seit Anfang 2017 verstärkt zu gewaltsamen und teilweise tödlichen Zusammenstößen beider Volksgruppen. Betroffen sind vor allem die Gebiete Moyale, Guji, Bale, Borena, Hararghe und West Guji (AA 4.1.2019). Der Grenzkonflikt zwischen den Regionen Oromia und dem SRS hat sich verschärft (AA 17.10.2018). Für die Region Oromia wurde ein hohes Sicherheitsrisiko ausgerufen. In den Regionen Oromia und Amhara kann es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen der Bevölkerung und der Polizei kommen. Zudem kommt es häufiger zu Entführungen an der somalisch-kenianischen Grenze, sowie grenzüberschreitender Stammesauseinandersetzungen (BMEIA 6.12.2018). In den Oromo-und Amhara-Regionen kommt es des Öfteren zu teils gewalttätigen Demonstrationen und Protestaktionen (AA 4.1.2019). Über 200.000 Menschen sind seit Juli 2018 vor ethnischen Konflikten im SRS geflohen. Damit steigt die Gesamtzahl auf über 700.000, die in den letzten Jahren vor interkommunaler Gewalt geflohen sind, so die neueste Displacement Tracking Matrix für Äthiopien. Die meisten kamen aus der Region Oromia. Insgesamt wurden im SRS fast 1,1 Millionen Menschen vertrieben, wenn auch andere Ursachen wie Dürre und Überschwemmungen berücksichtigt werden (NRC 20.11.2018).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt (4.1.2019): Äthiopien: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aethiopien-node/ aethiopiensicherheit/209504, Zugriff 4.1.2019

?        AA - Auswärtiges Amt (17.10.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Äthiopien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1452858/4598_1543583225_auswaertiges-amtbericht-ueber-die-asyl-un d-abschiebungsrelevante-lage-in-aethiopien-stand-september-2018 17-10-2018.pdf, Zugriff 11.12.2018

?        BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (6.12.2018): Äthiopien, Reise & Aufenthalt – Sicherheit und Kriminalität, http://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/aethiopien/, Zugriff 6.12.2018

?        DW - Deutsche Welle (8.8.2018): Äthiopien: Ethnische Konflikte schwelen weiter, https://www.dw.com/de/%C3%A4thiopien-ethnische-konflikte-schwelen-weiter/a-45011266, Zugriff 10.12.2018

?        EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (6.12.2018): Reisehinweise für Äthiopien, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/ aethiopien/reisehinweise-aethiopien.html, Zugriff 6.12.2018

?        NRC - Norwegian Refugee Council in Reliefweb (20.11.2018): 700,000 people flee conflict to seek safety in Somali region of Ethiopia, https://www.nrc.no/news/2018/november/700000people-flee-conflict-to-seek-safety-in-somali-region-of-ethiopia/, Zugriff 10.12.2018

?        UN OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (25.11.2018): Ethiopia Humanitarian Bulletin Issue 68 | 11 - 25 November 2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/1452480/1788_1543330695_2511.pdf, Zugriff 11.12.2018

?        WZ - Wiener Zeitung (16.12.2018): Äthiopien – Mehr als 20 Tote bei ethnischen Zusammenstößen, https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/welt/weltchronik/1008111_Mehrals-20-Tote-bei-ethnischen-Zusammenstoessen.html, Zugriff 17.12.2018

3.2. Gambella / Benishangul-Gumuz

In diesen Gebieten sind bewaffnete Oppositionsgruppen und Banden aktiv und es bestehen Konflikte zwischen verfeindeten Ethnien (EDA 10.12.2018), welche regelmäßig zu gewalttätigen Auseinandersetzungen führen (BMEIA 6.12.2018; vgl. AA 4.1.2019). Im April 2016 sind Konflikte im Nordwesten von Gambella aufgeflammt und haben über 200 Todesopfer gefordert (EDA 10.12.2018). In der Gambella-Region kommt es regelmäßig zu Stammeskonflikten (BMEIA 6.12.2018). Mittlerweile hat sich durch die hohe Präsenz von Regierungstruppen und Sicherheitskräften die Lage beruhigt. Von nicht notwendigen Reisen in die Region Gambella wie auch in die Region Benishangul-Gumuz rät das deutsche Außenministerium weiter ab (AA 4.1.2019). In jüngerer Vergangenheit wurden schätzungsweise 240.000 Menschen aufgrund interkommunalen Gewalt in der Zone Kamashi und aus der Region Benishangul-Gumuz vertrieben (FEWS 29.11.2018; vgl. UNOCHA 25.11.2018). Trotz des Einsatzes von Sicherheitskräften des Bundes zur Unterdrückung der Gewalt gibt es weiterhin Berichte über Konflikte (UNOCHA 25.11.2018).

Das schweizerische Außenministerium rät, die Grenzgebiete zum Sudan, zum Südsudan und zu Kenia großräumig zu meiden (EDA 10.12.2018). Das österreichische Außenministerium spricht für diese Gebiete von einem hohen Sicherheitsrisiko (BMEIA 6.12.2018).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (4.1.2019): Äthiopien: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aethiopien-node/ aethiopiensicherheit/209504, Zugriff 4.1.2019

?        BMEIA – Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (6.12.2018): Äthiopien, Reise & Aufenthalt – Sicherheit und Kriminalität, http://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/aethiopien/, Zugriff 6.12.2018

?        EDA – Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (10.12.2018): Reisehinweise für Äthiopien, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/ aethiopien/reisehinweise-aethiopien.html, Zugriff 12.12.2018

?        FEWS – Famine Early Warning System Network / World Food Programme, in Reliefweb.int (29.11.2018): Ethiopia Key Message Update, November 2018, https://reliefweb.int/report/ethiopia/ethiopia-key-message-update-november-2018, Zugriff 11.12.2018

?        UN OCHA – UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (25.11.2018): Ethiopia Humanitarian Bulletin Issue 68 | 11 – 25 November 2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/1452480/1788_1543330695_2511.pdf, Zugriff 11.12.2018

3.3. Andere Regionen

An der Grenze zwischen der Region Oromia und der Southern Nations Nationalities and Peoples Region (SNNPR) gibt es bewaffnete Auseinandersetzungen. Insgesamt erhöhte sich die Zahl an IDPs in Äthiopien deswegen zwischen Jänner und Juli 2018 um etwa 1,4 Millionen Menschen (GIZ 9.2018a). Seit Juni 2018 sind bei Zusammenstößen zwischen Angehörigen unterschiedlicher Ethnien zahlreiche Personen getötet worden (EDA 10.12.2018). Es kam bereits in der Vergangenheit zu Zusammenstößen und zu Kämpfen zwischen zwei ethnischen Gruppen: den Gedeo, einer ethnischen Minderheit mit Sitz hauptsächlich in der SNNPR, und den Guji, einer Untergruppe der Oromo, der größten ethnischen Gruppe Äthiopiens. Die Gedeo sind in erster Linie Landwirte, und die Guji sind traditionell Pastoralisten. Die Spannungen zwischen den beiden Gruppen konzentrieren sich auf Land, Grenzziehung und Rechte ethnischer Minderheiten (RI 11.2018). Die interkommunale Gewalt, die am 13.4.2018 begann und bis Juni 2018 an den Grenzen der Zonen Gedeo (SNNPR) und West Guji (Region Oromia) anhielt, hat fast eine Million Menschen vertrieben. Etwa 142.000 Menschen wurden unmittelbar nach dem 4.8.2018 in der somalischen Region vertrieben (UNOCHA 25.11.2018). Nach zwei Jahrzehnten relativer Ruhe brachen im April 2018 Kämpfe über die benachbarten Verwaltungszonen Gedeo und West Guji aus. Bewaffnete Banden und Jugendgruppen griffen Dörfer an und zwangen rund 300.000 Menschen, ihre Häuser zu verlassen. Während der genaue Auslöser noch unklar ist, haben die Regierungsbehörden nach einer kurzen Untersuchung einige Verhaftungen vorgenommen und die Situation für gelöst erklärt, so dass die Menschen mit der Rückkehr nach Hause beginnen konnten. Wenige Monate später, im Juni 2018, brach die Gewalt erneut aus, in noch stärkerem Ausmaß. Über 800.000 Menschen wurden zur Flucht gezwungen. Viele Menschen erlebten Gewalt, einschließlich Vergewaltigung und Mord. Ganze Dörfer wurden niedergebrannt (RI 11.2018).

Der Konflikt, der am stärksten von interkommunaler Gewalt betroffen ist, hat sich in den letzten Monaten verschärft (BAMF 17.12.2018; vgl. RI 11.2018). Das österreichische Außenministerium nennt für die Region Amhara sowie für das Gebiet Konso in der SNNPR ein hohes Sicherheitsrisiko (BMEIA 12.12.2018). Zuletzt kam es am 13. und 14.12.2018 zu gewalttätigen Zusammenstößen. Bei Auseinandersetzungen zwischen Angehörigen verschiedener Volksgruppen sind im Süden Äthiopiens nach Angaben staatlicher Stellen mindestens 21 Menschen getötet und mehr als 60 verletzt worden. Viele Menschen sind über die Grenze nach Kenia geflohen (WZ 16.12.2018; vgl. BAMF 17.12.2018).

Quellen:

?        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (17.12.2018): Briefing Notes vom 17. Dezember 2018 - BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (12.12.2018): Äthiopien, Reise & Aufenthalt – Sicherheit und Kriminalität, http://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/aethiopien/, Zugriff 12.12.2018

?        EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (10.12.2018): Reisehinweise für Äthiopien, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/ aethiopien/reisehinweise-aethiopien.html, Zugriff 12.12.2018

?        GIZ - Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit Deutschland (9.2018a): Äthiopien, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/aethiopien/geschichte-staat/, Zugriff 10.12.2018

?        RI - Refugees International in Reliefweb.int (11.2018): The Crisis Below the Headlines: Conflict Displacement in Ethiopia https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/FINAL %2BEthiopia%2BReport%2B-%2BNovember%2B2018%2B-%2BFinal.pdf, Zugriff 17.12.2018 UN OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (25.11.2018): Ethiopia Humanitarian Bulletin Issue 68 | 11 - 25 November 2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/1452480/1788_1543330695_2511.pdf, Zugriff 11.12.2018

?        WZ - Wiener Zeitung (16.12.2018): Äthiopien – Mehr als 20 Tote bei ethnischen Zusammenstößen, https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/welt/weltchronik/1008111_Mehrals-20-Tote-bei-ethnischen-Zusammenstoessen.html, Zugriff 17.12.2018

4. Rechtsschutz / Justizwesen

Das äthiopische Rechtssystem enthält Elemente mehrerer westlicher Rechtssysteme und ist schwer zu systematisieren (GIZ 9.2018a). Das Gesetz bzw. die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor (GIZ 9.2018a; vgl. USDOS 20.4.2018, AA 17.10.2018). In der Praxis ist davon auszugehen, dass die Gerichte nicht immer unabhängig arbeiten, was jedoch kaum nachzuweisen ist (AA 17.10.2018). Obwohl die Zivilgerichte weitgehend unabhängig arbeiten, bleiben die Strafgerichte schwach und überlastet und unterliegen politischem Einfluss (USDOS 20.4.2018). Das Justizwesen wird als korrupt und undurchsichtig wahrgenommen. Richter gelten als schlecht ausgebildet und nicht immer über die geltenden Gesetze ausreichend informiert. Dies schlägt sich entsprechend in den Verfahren nieder (GIZ 9.2018a). Strukturen und Gesetzgebung der Justiz im Hinblick auf Umgang mit straffälligen Jugendlichen entsprechen nicht internationalen Standards (AA 17.10.2018).

Sowohl religiöse als auch traditionelle Gerichte sind verfassungsmäßig anerkannt. Viele Bürger in ländlichen Gebieten haben kaum Zugang zum formalen Justizsystem und sind auf traditionelle Konfliktlösungsmechanismen angewiesen. Scharia-Gerichte können religiöse und Familienrechtsfälle übernehmen, die Muslime betreffen. Sie erhalten finanzielle Unterstützung durch den Staat und urteilen in der Mehrheit der Fälle in den vorwiegend muslimischen Somaliund Afar-Gebieten. Daneben gibt es noch weitere traditionelle Rechtssysteme, wie etwa Ältestenräte (USDOS 20

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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