TE Vwgh Erkenntnis 1997/8/19 95/16/0099

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Veröffentlicht am 19.08.1997
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
22/02 Zivilprozessordnung;
27/03 Gerichtsgebühren Justizverwaltungsgebühren;

Norm

ABGB §531;
ABGB §797;
ABGB §802;
GGG 1984 §10 Z1;
GGG 1984 §20;
ZPO §396;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 95/16/0100

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerden 1) des BV in E und

2) des JV in K, beide vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide des Präsidenten des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien je vom 17. Februar 1995, zu 1) Jv 1483-33a/95 und zu 2) Jv 5183-33a/94, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat jedem der beiden Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die beiden Beschwerdeführer sind Brüder. Sie sind Erben nach ihrer am 30. März 1989 verstorbenen Mutter Anna V. Nach Abgabe von bedingten Erbserklärungen vom 27. Juni 1989 wurde den beiden Beschwerdeführern der Nachlaß nach ihrer Mutter mit rechtskräftiger Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 19. März 1992, 17 A 97/89, eingeantwortet.

Gleichzeitig wurde das Inventar mit

Aktiven von

S

2,218.166,--

Passiven von

S

16,320.604,43,

  

______________

sohin einer Nachlaßüberschuldung von

S

14,102.438,43

zu Gericht angenommen. Im Gerichtsbeschluß vom 19. März 1992 wurden die angemeldeten Forderungen aufgezählt.Am 28. März 1991 erhob der Bundes-Wohn- und Siedlungsfonds gegen die Verlassenschaft nach Anna V., vertreten durch die beiden erbserklärten Beschwerdeführer, Klage wegen S 19,608.977,-- s.A. Bei diesem Betrag hatte es sich um die Forderung aus einem der Erblasserin in den Jahren 1984 bis 1988 in mehreren Teilbeträgen zugezählten Darlehen in Höhe von S 15,200.000,-- gehandelt, das nach dem Tod der Erblasserin mangels Erfüllung der Rückzahlungsverpflichtung durch die Verlassenschaft vom Fonds "gekündigt" worden war. Das über Antrag der Klägerin ergangene stattgebende Versäumungsurteil war seit 25. Juni 1991 rechtskräftig und vollstreckbar. Mit Zahlungsaufträgen je vom 22. Juli 1994 wurde den beiden Beschwerdeführern je die "halbe" Pauschalgebühr nach Tarifpost 1 des Tarifes zum Gerichtsgebührengesetz in Höhe von S 100.645,-- sowie eine Einhebungsgebühr von je S 50,-vorgeschrieben. In ihren Berichtigungsanträgen gegen diese Zahlungsaufträge machten die Beschwerdeführer geltend, daß sie eine bedingte Erbserklärung abgegeben hätten. Der Nachlaß sei stark überschuldet gewesen. Es sei daher eine Haftung für die Pauschalgebühr nicht gegeben. Da die Verlassenschaft weit überschuldet gewesen sei, hätten die Beschwerdeführer mit allen Gläubigern Regelungen getroffen und in der Höhe der Aktiva "Teilzahlungen" geleistet. Da die Gerichtsgebührenforderung nicht bekannt gewesen sei, hätte diese nicht berücksichtigt werden können.

Mit den beiden angefochtenen Bescheiden wurde den Berichtigungsanträgen keine Folge gegeben. In der Begründung der im wesentlichen gleichlautenden Bescheide verwies die belangte Behörde darauf, daß die klagende Partei, der Bundes-Wohn- und Siedlungsfonds, von den Gerichtsgebühren befreit sei. Da der klagenden Partei die Verfahrenskosten zugesprochen worden seien, seien die Beschwerdeführer zur Zahlung der Gerichtsgebühren verpflichtet. Im Hinblick auf die Abgabe einer bedingten Erbserklärung seien die Beschwerdeführer im Verhältnis ihrer Erbteile zahlungspflichtig.

In den im wesentlichen gleichlautenden Beschwerden gegen diese Bescheide werden deren inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Die Beschwerdeführer erachten sich in ihrem Recht, daß ihnen Pauschalgebühr nicht vorgeschrieben wird, verletzt. Die belangte Behörde erstattete Gegenschriften und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die beiden Beschwerden wegen ihres sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbunden und darüber erwogen:

Hindert eine Begründungslücke des angefochtenen Bescheides dessen Nachprüfbarkeit auf seine inhaltliche Gesetzmäßigkeit, dann hat die belangte Behörde Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Dabei kann auch die Nachholung einer unterlassenen Begründung in der Gegenschrift die der angefochtenen Entscheidung anhaftende Mangelhaftigkeit nicht beheben (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit 3, 601 f, und die dort angeführte Rechtsprechung). Kern der Ausführungen in den Berichtigungsanträgen war der Hinweis auf den Umstand, daß die Aktiven der Verlassenschaft im Zeitpunkt der Vorschreibung der gegenständlichen Gerichtsgebühren bereits kridamäßig verteilt gewesen seien. Mit diesem Vorbringen hat sich die belangte Behörde aber in keiner Weise auseinandergesetzt. Selbst in ihren Gegenschriften hält die belangte Behörde dem diesbezüglichen Vorwurf des Begründungmangels lediglich eine Stelle aus einem - für den Verwaltungsgerichtshof keine Rechtsquelle darstellenden - Erlaß des Bundesministers für Justiz vom 16. April 1953, Zl. 10.901-253, JABl 1953, 35 ff, entgegen, die sich im wesentlichen mit der Adressierung von Zahlungsaufträgen nach der Einantwortung einer Verlassenschaft beschäftigt. Da dem Verwaltungsgerichtshof somit eine Nachprüfung der angefochtenen Bescheide nicht möglich war, waren sie gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Aus verfahrensökonomischen Gründen wird im übrigen bemerkt: Ein Erbe, der die Erbschaft (durch Abgabe einer bedingten Erbserklärung) mit dem Vorbehalt der rechtlichen Wohltat des Inventars angetreten hat, wird den Gläubigern nach § 802 Satz 2 ABGB nur so weit verbunden, als die Verlassenschaft für ihre und seine eigenen, außer dem Erbrechte ihm zustehenden Forderungen hinreicht. Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung erstreckt sich die genannte Haftungsbeschränkung sowohl auf Erblasserschulden als auch auf Erbgangsschulden (vgl. Welser in Rummel ABGB 1 2 , Rz 3 zu § 802 ABGB sowie das die beiden Beschwerdeführer betreffende Erkenntnis vom 31. Mai 1995, Zlen. 94/16/0293, 0294). Im Beschwerdefall ist die Verpflichtung zur Entrichtung der in Rede stehenden Pauschalgebühren gemäß § 20 i.V.m. § 10 Z. 1 GGG mit Rechtskraft des Versäumungsurteiles, also vor der Einantwortung der Verlassenschaft entstanden. Die aus der Inventarisierung des Nachlasses folgende Haftungsbeschränkung war damit aber auch hinsichtlich der streitgegenständlichen Gerichtsgebühren aus der gegen die Verlassenschaft erhobenen Klage zu beachten. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Da zur zweckmäßigen Rechtsverfolgung die Vorlage des angefochtenen Bescheides in einfacher Ausfertigung ausreicht, war der Zuspruch an Ersatz der Beilagengebühr auf

S 30,-- zu beschränken.

W i e n , am 19. August 1997

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995160099.X00

Im RIS seit

30.09.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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