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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des H A, vertreten durch Mag.a Nadja Lorenz, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Burggasse 116, gegen das am 27. Februar 2020 mündlich verkündete und am 19. März 2020 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, L512 2175291-1/18E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Pakistans, stellte am 9. Dezember 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er vor, er werde aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit von der pakistanischen Regierung verfolgt.
2 Mit Bescheid vom 28. September 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Pakistan zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Das BVwG führte in seiner Begründung im Wesentlichen aus, das Vorbringen des Revisionswerbers hinsichtlich einer individuellen Bedrohung bzw. Verfolgung aufgrund der behaupteten politischen Aktivitäten in Pakistan sowie zu den behaupteten Verfolgungshandlungen in Österreich sei nicht glaubwürdig. Aus den Länderberichten würden sich auch keine Anhaltspunkte ergeben, dass gegenwärtig Angehörige der Volksgruppe der Belutschen in Pakistan bzw. in Belutschistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit allein aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt bzw. staatlichen Repressionen unterworfen seien. Es könne somit nicht festgestellt werden, dass der Revisionswerber im Falle einer Rückkehr in eine lebens- bzw. existenzbedrohende Notlage geriete, einer Verfolgung aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit bzw. politischen und exilpolitischen Tätigkeit ausgesetzt sei und er seine Heimat aufgrund solcher Verfolgung bzw. Bedrohung verlassen habe. Darüber hinaus sei die allgemeine Sicherheitslage in Belutschistan nicht dergestalt, dass jede Person, die sich dort befinde, von einer solch extremen Gefährdungslage betroffen sei, dass eine aktuelle bzw. unmittelbare Gefahr gegeben sei, Opfer von Übergriffen zu werden.
5 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG mit Beschluss vom 26. Juni 2020, E 1464/2020-9, ablehnte und über nachträglichen Antrag mit Beschluss vom 20. Juli 2020, E 1464/2020-11, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Die Revision wendet sich in ihrer Zulässigkeitsbegründung im Wesentlichen gegen die Beweiswürdigung des BVwG und bringt dazu vor, das BVwG habe sich über das substantiierte und mit Länderberichten untermauerte Vorbringen des Revisionswerbers ohne Begründung hinweggesetzt und sich mit den vorgelegten, näher bezeichneten Länderberichten nicht auseinandergesetzt. Auch habe sich das BVwG über wesentliches Parteienvorbringen hinweggesetzt, indem es auf die zwei vom Revisionswerber geschilderten, Vorfälle in Österreich nicht eingegangen sei. Auch sei die Beweiswürdigung des BVwG hinsichtlich der vorgebrachten Entführung des Vaters sowie der Entführung und späteren Ermordung des Bruders des Revisionswerbers sowie zum politischen Engagement in Pakistan unvertretbar. Das BVwG habe sich zudem, ohne weitere Ermittlungen und ohne nachvollziehbare Begründung, nicht mit weiteren, vom Revisionswerber vorgelegten Urkunden und Fotos auseinandergesetzt, weshalb die Ausführungen des BVwG nicht mit der Aktenlage übereinstimmen würden.
10 Als Rechtsinstanz ist der Verwaltungsgerichtshof zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung in Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht im Einzelfall die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 14.7.2020, Ra 2020/19/0097, mwN).
11 Im vorliegenden Fall stützte das BVwG seine Beweiswürdigung, in die es auch den vom Revisionswerber in der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck mit einbezog, zusammengefasst darauf, dass die Angaben des Revisionswerbers zu etwaigen Verfolgungshandlungen sowie politischen Aktivitäten in Pakistan und Österreich - aus näher dargestellten Gründen - vage, oberflächlich und widersprüchlich und daher als nicht nachvollziehbar und nicht glaubwürdig anzusehen seien. Auch mit den vorgebrachten Ereignissen rund um den Vater und Bruder des Revisionswerbers setzte sich das BVwG in seiner Beweiswürdigung umfassend auseinander und wertete diese Schilderungen ebenso als vage und oberflächlich. Zudem zog das BVwG die beiden vom Revisionswerber vorgelegten Schreiben in seine Beweiswürdigung mit ein und führte aus, weshalb diese nicht geeignet seien, die Angaben des Revisionswerbers zu einer möglichen Bedrohungslage in Pakistan zu stützen. Das BVwG setzte sich in einer Gesamtschau ausführlich mit dem gesamten Vorbringen des Revisionswerbers und den vorgelegten Unterlagen auseinander, schloss sich den beweiswürdigenden Erwägungen des BFA an und begründete nachvollziehbar seine Erwägungen. Dass das BVwG seine Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte, vermag die Revision nicht aufzuzeigen (vgl. VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0350, mwN).
12 Mit dem Vorbringen zu einer Aktenwidrigkeit wird eine solche nicht dargelegt, sondern lediglich versucht, einen weiteren vom BVwG aufgegriffenen Aspekt zur Begründung der Unglaubwürdigkeit der behaupteten exilpolitischen Aktivitäten des Revisionswerbers zu entkräften (vgl. wiederum VwGH Ra 2020/19/0097).
13 Die Revision bringt in ihrer Zulässigkeit weiters vor, das BVwG ziehe als Alternativbegründung eine angeblich für den Revisionswerber bestehende innerstaatliche Fluchtalternative heran, die zur Folge habe, dass selbst bei Wahrunterstellung das Vorbringen des Revisionswerbers nicht asylrelevant sei.
14 Diesem Vorbringen ist zu entgegnen, dass das BVwG primär schon eine asylrelevante Verfolgung des Revisionswerbers mangels Glaubwürdigkeit des Vorbringens, die sich aus den umfassenden beweiswürdigenden Erwägungen des BVwG ergibt, verneint hat. Auf die lediglich in einer Alternativbegründung angestellten Überlegungen, dass der Revisionswerber durch eine Verlegung seines Aufenthaltsortes einer möglichen Verfolgung entgehen könne, weil nicht anzunehmen sei, dass die möglichen Verfolger ein so großes Interesse an ihm hätten, dass sie ihn überall in Pakistan suchen bzw. finden könnten, kommt es damit nicht an (vgl. VwGH 11.8.2020, Ra 2020/14/0278).
15 Schließlich moniert die Revision, das BVwG habe sich mit den vorgelegten Länderberichten - der Stellungnahme von Amnesty International vom 20. Februar 2019 und dem Zeitungsartikel von Balchowarna News vom 16. Jänner 2016 - nicht auseinandergesetzt. Hätte das BVwG dies getan, wäre es zur Feststellung gelangt, dass die pakistanischen Sicherheitskräfte und das Militär mit allen Mitteln versuchen würden, Informationen zu Aktivitäten auch von jenen Belutschen, die im Ausland leben würden, zu bekommen, und sich pakistanische Behörden immer wieder nach politischen Aktivitäten von Belutschen im Ausland erkundigen und versuchen würden, Einfluss auf deren Aktivitäten oder ihren Aufenthaltsort zu nehmen.
16 Nach der ständigen hg. Rechtsprechung haben die Asylbehörden bei den Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat als Grundlage für die Beurteilung des Vorbringens von Asylwerbern die zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten und insbesondere Berichte der mit Flüchtlingsfragen befassten Organisationen in die Entscheidung einzubeziehen. Das gilt auch für von einem Verwaltungsgericht geführte Asylverfahren. Auch das BVwG hatte daher seinem Erkenntnis die zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Länderberichte zugrunde zu legen (vgl. VwGH 20.5.2015, Ra 2015/20/0030, mwN).
17 Eine Verletzung dieser Vorgabe stellt einen Verfahrensmangel dar. Es reicht nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der genannten Verfahrensmängel darzulegen. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 23.2.2016, Ra 2016/01/0012, mwN).
18 Eine solche Relevanz wird fallbezogen nicht aufgezeigt, weil das BVwG auch die vom Revisionswerber vorgelegten Länderberichte gewürdigt und begründet hat, weshalb diese für den vorliegenden Fall nicht aussagekräftig seien.
19 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 17. November 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020190343.L00Im RIS seit
04.01.2021Zuletzt aktualisiert am
04.01.2021