Index
60/03 Kollektives Arbeitsrecht;Norm
ArbVG §121 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Berufungskommission beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales vom 28. Juni 1994, Zl. 42.024/121-6a/93, betreffend Zustimmung zur Kündigung nach dem Behinderteneinstellungsgesetz (mitbeteiligte Partei: V-Aktiengesellschaft in W, vertreten durch H, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der am 29. Mai 1942 geborene Beschwerdeführer ist seit 16. Oktober 1958 Angestellter der mitbeteiligten Versicherung. Er ist seit 1973 im Außendienst beschäftigt. Seit 1. Mai 1984 gehört er dem Kreis der begünstigten Behinderten an. Der Grad der Behinderung beträgt nach dem Bescheid des Landesinvalidenamtes für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 19. Februar 1992 ab 20. März 1992 70 v.H. Dabei steht eine Verminderung der Sehleistung wegen "Keratokonus" beider Augen im Vordergrund.
Am 15. März 1993 beantragte die mitbeteiligte Versicherung die Zustimmung zur Kündigung des Beschwerdeführers. Er sei oft und lange krank, seine Leistungen im Außendienst hätten sich drastisch reduziert; mit Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten vom 24. Februar 1989 sei ihm bis 31. März 1990 eine befristete Berufsunfähigkeitspension gewährt worden. Der Beschwerdeführer lasse keinen konstruktiven Willen zur Zusammenarbeit erkennen und weise eine nicht zufriedenstellende Dienstbeschreibung auf. Inzwischen sei ihm auch eine unbefristete Berufsunfähigkeitspension zuerkannt worden.
Mit Bescheid vom 15. November 1993 erteilte der Behindertenausschuß für das Bundesland Wien beim Landesinvalidenamt für Wien, Niederösterreich und Burgenland gemäß § 8 Abs. 2 des Behinderteneinstellungsgesetzes (in der Folge: BEinstG) die Zustimmung zur Kündigung des Beschwerdeführers. In der Begründung ging der Behindertenausschuß im wesentlichen davon aus, daß es im Jahre 1978 zu Problemen gekommen sei, weil der Beschwerdeführer entgegen dem ihm erteilten Auftrag bei Kunden aus dem Bereich der Musikhochschule Einzelverträge abgeschlossen habe, statt für einen Gruppenvertrag zu werben. Dem Beschwerdeführer sei daraufhin der Auftrag entzogen worden, was er als grobes Unrecht empfunden habe. In den Jahren 1985 bis 1988 sei er insgesamt 668 Tage krank gewesen; seine Arbeitsleistung habe sich verschlechtert. Während seiner langen Abwesenheit vom Dienst seien seine Kunden teilweise an andere Mitarbeiter zur Weiterbetreuung übergeben worden. Nach Wiederantritt seines Arbeitsverhältnisses hätte der Beschwerdeführer im Bereich der Lebensversicherung im Jahre 1989 eine Verkaufsleistung von S 122.000,-, im Jahre 1990 von S 93.000,--, im Jahre 1991 von S 50.000,-- und im Jahre 1992 von S 4.000,-- erbracht. Die durchschnittliche Verkaufsleistung eines Mitarbeiters der Abteilung Großlebensversicherung belaufe sich hingegen auf ca. S 900.000,-- pro Jahr. Auch die Gesamtprovisionenentwicklung des Beschwerdeführers sei rückläufig gewesen. Am 28. April 1993 sei seine Dienstbeschreibung als "nicht zufriedenstellend" erfolgt. Vom 1. November 1988 bis 31. März 1990 habe der Beschwerdeführer von der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten eine befristete Berufsunfähigkeitspension erhalten, welche mit 31. Oktober 1990 unbefristet zuerkannt worden sei. Nach dem ärztlichen Sachverständigengutachten sei eine Dauerbelastung der Augen nicht mehr zumutbar. Aus allgemein medizinischer Sicht sei eine ersprießliche Arbeitsleistung nicht mehr zu erwarten. Nach Auffassung des Behindertenausschusses sei daher aufgrund des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers eine ersprießliche Dienstleistung nicht mehr zu erwarten; unter Mitberücksichtigung des Umstandes, daß der Beschwerdeführer eine unbefristete Berufsunfähigkeitspension beziehe und durch die Berufstätigkeit seiner Ehefrau als sozial abgesichert anzusehen sei, erscheine eine weitere Bestreitung der laufenden Kosten auch bei bestehenden Sorgepflichten trotz Wegfalls des Erwerbseinkommens möglich. Vor dem Hintergrund der kollektivvertraglichen und betrieblichen Abfertigungs- und Zusatzpensionsregelungen sei deshalb dem Kündigungsbegehren der mitbeteiligten Versicherung vor dem Bestandschutz des Beschwerdeführers der Vorzug zu geben.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung nach Durchführung eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens, in dessen Rahmen auch eine mündliche Verhandlung erfolgte, keine Folge gegeben und der Bescheid der Behörde erster Instanz bestätigt. Begründend vertrat die belangte Behörde im wesentlichen die Auffassung, daß die Kündigungsbeschränkungen, die sich aus § 33 Abs. 4 des Kollektivvertrages für Angestellte im Innendienst der Versicherungsunternehmen ergeben, nicht zu berücksichtigen seien. Die Beurteilung derartiger Fragen falle ausschließlich in die Zuständigkeit der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit. Die von der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten festgestellte dauernde Berufsunfähigkeit des Beschwerdeführers im Sinne des ASVG impliziere auch die gemäß § 121 Z. 2 des Arbeitsverfassungsgesetzes (ArbVG) für den Betriebsinhaber geforderte Unzumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung (Arb 9668). Eine dauernde Berufsunfähigkeit schließe eine Weiterbeschäftigung bzw. die Erbringung einer anderen Arbeitsleistung im Betrieb zwangsläufig aus. Um sicherzugehen, daß die dem Beschwerdeführer gewährte Berufsunfähigkeitspension aller Voraussicht nach nicht wegen wesentlicher Besserung gemäß § 99 ASVG entzogen werde, habe die belangte Behörde die Begutachtung seines Gesundheitszustandes durch je einen Sachverständigen für Chirurgie, Neurologie und Psychiatrie, Psychologie und Augenheilkunde, veranlaßt. Aufgrund dieser Sachverständigengutachten stehe folgendes fest:
"Beim (Beschwerdeführer) bestehen Aufbrauchserscheinungen der Wirbelsäule, Senk-Spreizfüße, Keratokonus (= kegelförmige Vorwölbung der Hornhaut) beider Augen mit einer Herabsetzung der Sehleistung des rechten Auges auf etwa 1/10 und des linken Auges auf etwa 1/4 des normalen Sehvermögens, ein konversionshysterisches Persönlichkeitsbild ohne Zeichen einer akuten oder abgelaufenen Psychose. Psychoorganische Persönlichkeitsveränderungen im Sinn eines organischen Psychosyndroms sind nicht nachweisbar. Die intellektuelle Gesamtleistung des (Beschwerdeführers) entspricht einem sehr guten Begabungsniveau; die Konzentrationsfähigkeit, Daueraufmerksamkeit und die psychoreaktive Dauerbelastung sind intakt.
Die psychomotorische Arbeitsleistung sowie die Koordination im Finger-Handbereich sind nicht beeinträchtigt. Der (Beschwerdeführer) kann nur mehr leichte und mittelschwere Arbeiten verrichten. Schwere Arbeiten wie Dauerbücken sind ihm nicht möglich. Die Anlernbarkeit und Unterweisbarkeit sind gegeben, es sind ihm sogar Arbeiten unter Zeitdruck möglich.
Die Sehschärfe, die dem (Beschwerdeführer) zur Verfügung steht, entspricht nicht den Mindestanforderungen an das Sehvermögen zur Lenkung eines Kraftfahrzeuges. Wegen der herabgesetzten Sehleistung des (Beschwerdeführers) ist für ihn das Aktenstudium wesentlich erschwert. Wegen der Augenerkrankung kann der (Beschwerdeführer) nur einen Arbeitstag von 5 bis 6 Stunden durchhalten.
Versicherungsangestellte sind sowohl im Innen- als auch im Außendienst der Versicherungsgesellschaften mit Versicherungsabschlüssen, Erstellung von Verträgen, deren Prüfung und Erfüllung sowie mit den damit zusammenhängenden Verwaltungsaufgaben befaßt. Außendienstmitarbeiter betreuen in einem ihnen zugewiesenen Gebiet einen bereits bestehenden Kundenstock und sind vordringlich mit der Werbung neuer Kunden, aber auch der Kündigungsabwehr und dem Inkasso beschäftigt. Je nach Gebiet sind sie meist für eine bestimmte Sparte zuständig, rechnen ihren Kunden Beispiele für die Prämienhöhe nach Laufzeit und Versicherungssumme vor, beraten sie in steuerrechtlichen Begünstigungen, bei Schadensfällen und informieren über neue Versicherungsmodelle und Änderungen der Versicherungsbedingungen. Sie treffen zu diesen Zwecken Terminvereinbarungen, pflegen reichlich Kontakte und nehmen mit Interesse an wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen ihres Einsatzgebietes teil. Dies erfordert phantasievolle, wache psychische Einsatzbereitschaft, die nicht unbedingt an gewisse Dienstzeiten gebunden sondern oftmals frei wählbar ist, aber einem beträchtlichen Erfolgsdruck unterliegt. Zu ihren Verwaltungsaufgaben gehören eine präzise Termineinhaltung, Formularwesen, Informationsbereitschaft, Fachliteratur, Korrespondenz mit Kunden und Anstalten usw.
Außendienste im Versicherungsdienst erfordern Organisationstalent für Termin und Routenplanung bei Kundenbesuchen, Kontaktfähigkeit, mündliche und schriftliche Sprachfähigkeit, mathematisch rechnerische Fähigkeiten, Merkfähigkeiten, logisch analytisches Denken bei der Überprüfung der Schadensfälle, Selbständigkeit und Lernfähigkeit. Die arbeitsklimatischen Bedingungen für die anfallenden körperlich leichten Arbeiten, überwiegend im Sitzen, bei Verwaltungsaufgaben, wie Terminplanung, Abrechnung, bei Kundengesprächen oder in Verkehrsmitteln sind günstig, berufsbedingter besonderer Zeitdruck liegt bei der selbständig möglichen Terminverwaltung normalerweise nicht vor, ebensowenig die Notwendigkeit zu Überstunden, Schicht- und Nachtschichtarbeiten. Der permanente Erfolgsdruck erfordert jedoch psychische Stabilität, fortgesetztes Training und Motivation.
Der Beruf eines Versicherungsangestellten, erfordert also geringe muskuläre Dauerarbeit, Stiegensteigen, Sitzen in ruhiger und guter Sitzhaltung, Stehen von Gehen unterbrochen, Bewegungs- und Greiffähigkeit zumindestens einer Hand und Schreibfähigkeit (auf Bedienung einer Tastatur), geringe, mittlere und volle Sehschärfe, Naharbeit, Wechsel zwischen Sehen in der Nähe und Ferne, geringe bis mittlere Farbtüchtigkeit, Sehen bei schlechten Beleuchtungsverhältnissen, ausreichendes Sehen zum Lenken eines Kraftfahrzeuges, geringes bis mittleres Gehör und Richtungshören, Arbeiten bei geringer bis mittlerer Lärmeinwirkung, sehr gute sprachliche Verständigung und fließendes Sprechen, Arbeiten in geschlossenen, temperierten Räumen, jedoch gelegentlich im Freien bei jahreszeitlich wechselnden Witterungseinflüssen, seelisch charakterliche Norm für den Umgang mit Menschen, Verantwortung und selbständiges Handeln, Verläßlichkeit, kein Auftreten von Fahrigkeit, erhöhte Geduld und Ausdauer, geringes mittleres bis gutes Konzentrationsvermögen, Reaktionsfähigkeit, Arbeiten bei Unfallgefährdung im Straßenverkehr und volle Arbeitszeit."
Da das Berufsbild volle Sehschärfe, Naharbeit, Wechsel zwischen Sehen in der Nähe und Ferne sowie Sehen bei schlechten Beleuchtungsverhältnissen erfordere, der Beschwerdeführer aber nur eine herabgesetzte Sehleistung und eine verminderte Leseleistung aufweise, seien Arbeiten im Innendienst, insbesondere Arbeiten mit Ausdrucken als auch Arbeiten an Bildschirmen, sehr stark erschwert. Im Außendienst sei die berufsnotwendige Mobilität durch die Beschränkung auf öffentliche Verkehrsmittel und eine gesteigerte Unfallgefährdung wesentlich beeinträchtigt. Dies bewirke ein gravierendes Absinken der Arbeitskapazität, woraus auch aus diesem Grund eine sehr starke Berufserschwernis resultiere. Die Berufsausübung der Berufsgruppe Versicherungsangestellte verlange volle Arbeitszeit, die nach dem für den Beschwerdeführer erstellten medizinischen Kalkül ohne gesundheitliche Gefährdung nicht zumutbar sei. Die Bewältigung dieser maßgebenden Anforderungen sei durch den medizinisch festgestellten Leidenszustand ausgeschlossen. Daher sei auch ein erfolgreiches Erwerbsbemühen des Beschwerdeführers in dem derzeit ausgeübten Beruf nicht mehr möglich.
Nach der weiteren Begründung habe der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren bemängelt, daß das Gutachten des Augenarztes lediglich ein Aktengutachten sei. Der Beschwerdeführer habe dabei die Vermutung geäußert, daß der Sachverständige die Herabsetzung der Sehleistung bereits unter Berücksichtigung der durch Kontaktlinsen gegebenen Verbesserung ermittelt habe. Möglicherweise hätten sich dadurch "Mißverständnisse" ergeben. Dieser Umstand sei "jedenfalls aufklärungsbedürftig". Er beantrage daher, dem Sachverständigen eine Ergänzung des Gutachtens aufzutragen. Nach Auffassung der belangten Behörde könne damit jedoch nicht das klare Ergebnis der Begutachtung durch den Sachverständigen, welche sich sowohl mit den augenärztlichen Begutachtungen des Landesinvalidenamtes als auch mit dem Ergebnis der Begutachtung durch die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten decke, in Zweifel gezogen werden. Eine konkrete Frage an den Sachverständigen enthalte das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht. Dieser habe in der mündlichen Berufungsverhandlung vom 28. Juni 1994 angegeben, daß mit der Verwendung einer Brille keine Verbesserung seiner Sehleistung erreicht werden könne. Kontaktlinsen trage er jeweils so lange, wie es für ihn möglich sei. Der Zustand seiner Augen sei nicht gleichbleibend. Auch aus diesem Vorbringen würden sich nach Auffassung der belangten Behörde keine konkreten Fragen an den Sachverständigen für Augenheilkunde ergeben. Nach Auffassung der belangten Behörde habe der Beschwerdeführer keine ausreichende Sehleistung, um einen normalen Arbeitstag von etwa acht Stunden mit seinen Augen arbeitsmäßig durchzuhalten. Eine wesentliche Besserung seines Zustandes sei nicht zu erwarten. Insbesondere habe es der Beschwerdeführer bei seiner Befragung abgelehnt, sich in absehbarer Zeit einer Augenoperation zu unterziehen. Im Beschwerdefall lägen somit die Kündigungsvoraussetzungen des § 121 Z. 2 des ArbVG vor, die zur Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes berechtigten. Auf die Vorkommnisse im Berufsleben des Beschwerdeführers in den Jahren von 1978 bis 1988 sei aus rechtlichen Gründen nicht weiter einzugehen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Beschwerdeführer hat dazu eine Replik erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. In der Beschwerde wird im wesentlichen - wie bereits im Verwaltungsverfahren - gerügt, daß das von der belangten Behörde eingeholte augenärztliche Sachverständigengutachten lediglich ein Aktengutachten sei. Ein Gutachten, das nicht auf einem eigenen Befund des Sachverständigen beruhe, übernehme nach Auffassung des Beschwerdeführers notwendigerweise Fehler, die sich aus den Unterlagen für die Befunderstellung ergeben könnten. Im Beschwerdefall sei es zu solchen Fehlern gekommen:
Im Befund werde die Sehschärfe unter Berücksichtigung des Tragens von Kontaktlinsen angegeben. Die unter "Visus" angeführten Werte stammten jedoch aus einer Befundaufnahme ohne Kontaktlinsen. Die Herabsetzung der Sehleistung betreffe daher die Augen selbst und nicht eine durch Kontaktlinsen teilweise korrigierte Sehleistung. Bei Zugrundelegung eines richtigen Befundes hätte sich ergeben, daß unter Verwendung von Kontaktlinsen dem Beschwerdeführer das Lenken eines Kraftfahrzeuges und normales Aktenstudium möglich sei. Es sei zwar richtig, daß der Beschwerdeführer nicht immer während der gesamten Arbeitszeit Kontaktlinsen tragen könne. Es sei auch richtig, daß durch die Verwendung von Brillen gegenüber Kontaktlinsen eine wesentliche Verschlechterung der Sehleistung eintrete. Bei Ergänzung des Gutachtens hätte sich allerdings ergeben, daß der Beschwerdeführer für den Zeitraum, in dem er Kontaktlinsen tragen könne, eine ausreichende Sehleistung besitze und er während dieses Zeitraumes eine volle Arbeitsleistung erbringen könne.
Diese Ausführungen sind nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen.
Im Beschwerdefall hat der von der belangten Behörde beauftragte augenärztliche Sachverständige folgenden
Augenbefund erstattet:
"AUGENBEFUND: Aktenmäßig
Vorderer Augenabschnitt: im Hornhaut-Mittelbereich Kegelbildung
mit Narben
Fundus: o.B.
Visus: rechts (mit Kontaktlinse) 6/60-6/36? add +2,0s Jg VI
links (mit Kontaktlinse) 6/24-6/18 add +2,0s Jg IV-V
Diagnose: Herabsetzung der Sehleistung rechts auf etwa 1/10
und links auf etwa 1/4 mit verminderter Leseleistung bei Keratokonus beider Augen."
Der Sachverständige hat dabei den vom Landesinvalidenamt für Wien, Niederösterreich und Burgenland eingeholten augenärztlichen Sachverständigenbefund vom 16. November 1992 übernommen. In diesem Befund ist ausdrücklich davon die Rede, daß der Beschwerdeführer "Haftschalen" trägt und diese zeitweise wegen Unverträglichkeit (Hornhauterosionen) absetzen muß. Die Kontaktlinsen würden ca. 4 bis 6 Stunden täglich getragen. Bei der Ermittlung der Sehschärfe wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß diese unter Verwendung der Kontaktlinsen ("m.KL") erfolgte. Für die völlig begründungslos und ohne jegliches konkretes Beweisanbot erhobene Behauptung des Beschwerdeführers, daß es bei der Befunderhebung zu einem "Mißverständnis" gekommen sei, fehlte somit im Beschwerdefall jede Grundlage. Die belangte Behörde ging daher zu Recht davon aus, daß die Sehschärfe des Beschwerdeführers unter Berücksichtigung der Verwendung von Kontaktlinsen ermittelt worden ist.
2. Dem Beschwerdeführer kann daher auch nicht gefolgt werden, wenn er der belangten Behörde vorwirft, sie habe keine Feststellungen darüber getroffen, ob seine Sehschärfe - auch unter Verwendung von Kontaktlinsen - nicht ausreiche, um ein Kraftfahrzeug zu lenken oder Akten zu studieren, oder ob sich dies nur auf den Zustand ohne Verwendung von Kontaktlinsen beziehe.
3. Völlig begründungslos behauptet der Beschwerdeführer auch, die Feststellung, daß er wegen der Augenerkrankung nur einen Arbeitstag von fünf bis sechs Stunden durchhalten könne, lasse sich mit den Feststellungen, daß er überhaupt nicht mehr zum Lenken von Kraftfahrzeugen geeignet wäre, nicht in Einklang bringen.
Ein solcher, in der Beschwerde behaupteter Widerspruch bestünde nur dann, wenn die Anforderungen an den Sehapparat bei Büroarbeiten und beim Lenken eines Kraftfahrzeuges dieselben wären. Dies ist aber offensichtlich nicht der Fall. Es erscheint daher nicht unschlüssig, daß jemand, dem aufgrund einer Sehbehinderung die Tauglichkeit zum Lenken eines Kraftfahrzeuges fehlt, fünf bis sechs Stunden Akten studieren kann.
4. Schließlich rügt der Beschwerdeführer, daß dann, wenn ihm trotz seiner Augenerkrankung eine Arbeitsleistung von fünf bis sechs Stunden pro Tag zugemutet werden könne, ihm die belangte Behörde (gemeint wohl: die mitbeteiligte Versicherungsanstalt) ermöglichen müsse, während der restlichen Dauer der Normalarbeitszeit solche Arbeiten zu leisten, die keine volle Sehschärfe erforderten.
Bei diesem Vorbringen übersieht der Beschwerdeführer allerdings, daß ihm nach dem augenärztlichen Sachverständigengutachten ein Weiterarbeiten im Ausmaß einer normalen Arbeitszeit von augenärztlicher Seite nicht zuzumuten ist.
5. Ferner ist darauf zu verweisen, daß die Entscheidung darüber, ob die Zustimmung zur Kündigung eines begünstigten Behinderten erteilt werden soll, im freien Ermessen der Behörde liegt. Nach dem Zweck des Behinderteneinstellungsgesetzes, das der Eingliederung der begünstigten Person in den Arbeitsprozeß unter Sicherung ihrer wirtschaftlichen Existenz dienen soll, ist es bei dieser Ermessensentscheidung Aufgabe der Behörde, das berechtigte Interesse des Dienstgebers an der Beendigung eines Dienstverhältnisses und die besondere soziale Schutzbedürftigkeit des zu kündigenden Dienstnehmers im Einzelfall gegeneinander abzuwägen, und unter sorgfältiger Würdigung aller Umstände zu prüfen, ob dem Dienstgeber die Fortsetzung des Dienstverhältnisses oder dem Dienstnehmer der Verlust seines Arbeitsplatzes eher zugemutet werden kann (vgl. z. B. die Erkenntnisse vom 13. September 1994, Zlen. 93/09/0346, 93/09/0358, und vom 4. Juli 1995, Zl. 94/08/0220). Unter Bedachtnahme auf § 8 Abs. 3 BEinstG soll der in diesem Gesetz normierte Kündigungsschutz nach dem Willen des Gesetzgebers jedenfalls nicht weiter gehen als etwa im Fall eines Betriebsratsmitgliedes (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 23. April 1996, Zl. 96/08/0002). Die von der Pensionsversicherungsanstalt festgestellte dauernde Berufsunfähigkeit im Sinne des ASVG impliziert dabei auch die gemäß § 121 Z. 2 des Arbeitsverfassungsgesetzes geforderte Unzumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung eines Betriebsratsmitgliedes (vgl. etwa Arb 9668 = ZAS 1978, S. 121).
Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage kann daher eine Rechtswidrigkeit der Entscheidung der belangten Behörde nicht erkannt werden.
6. Aufgrund dieser Erwägungen erweist sich die Beschwerde somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
7. Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1994080213.X00Im RIS seit
20.11.2000