TE Vwgh Beschluss 2020/11/20 Ra 2020/20/0120

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Veröffentlicht am 20.11.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §19 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art133 Abs4
MRK Art2
MRK Art3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Mag. Eder und Mag. Cede als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Rechtssache der Revision des B H in F, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. März 2020, W256 2186504-1/8E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Somalias, stellte am 25. April 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005.

2        Mit Bescheid vom 9. Jänner 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte die Zulässigkeit seiner Abschiebung nach Somalia fest und setzte eine zweiwöchige Frist für die freiwillige Ausreise.

3        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) - ohne Durchführung einer Verhandlung - die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung mit Beschluss vom 18. Juni 2020, E 1235/2020-7, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

5        In der Folge wurde die vorliegende Revision erhoben.

6        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

8        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9        Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das BVwG sei durch Abstandnahme von einer mündlichen Verhandlung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, und erstattet dazu unter Hinweis auf einzelne Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes ein näheres Vorbringen, mit dem die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung behauptet wird.

10       In den Revisionsgründen wird zur behaupteten Verletzung der Verhandlungspflicht ausschließlich auf diese Ausführungen verwiesen und das Vorliegen einer „inhaltlichen Rechtswidrigkeit gem. § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG“ sowie einer „Verletzung von Verfahrensvorschriften gem. § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG“ behauptet.

11       Eine Revision, die Ausführungen zu ihrer Begründetheit auch als Ausführungen zu ihrer Zulässigkeit wortident enthält, wird dem Erfordernis des § 28 Abs. 3 VwGG der gesonderten Darlegung der Gründe, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird, nicht gerecht (vgl. etwa VwGH 30.8.2017, Ra 2017/17/0681 bis 0684, mwN).

12       Dasselbe gilt auch, wenn für sich inhaltsleer gestaltete „Revisionsgründe“ lediglich Verweise auf die zuvor erstatteten Zulässigkeitsausführungen nach § 28 Abs. 3 VwGG enthalten (vgl. VwGH 23.2.2017, Ra 2017/07/0005; 30.3.2017, Ra 2017/07/0006; 2.5.2018, Ra 2017/02/0236; 6.3.2019, Ra 2018/08/0243; 27.3.2019, Ra 2019/08/0047).

13       Hinsichtlich der Frage der Missachtung der Verhandlungspflicht mangelt es der Revision daher an einer gesonderten Darlegung der in § 28 Abs. 3 VwGG geforderten Gründe.

14       Soweit die Zulässigkeitsbegründung die Beweiswürdigung des BVwG anspricht, ist darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dieser - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Der - zur Rechtskontrolle berufene - Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 29.4.2019, Ra 2019/20/0154, mwN).

15       Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar wiederholt Bedenken gegen die unreflektierte Verwertung von Beweisergebnissen der Erstbefragung erhoben, weil sich diese Einvernahme nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat. Gleichwohl ist es aber nicht generell unzulässig, sich auf eine Steigerung des Fluchtvorbringens zwischen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der weiteren Einvernahme eines Asylwerbers zu stützen (vgl. VwGH 21.11.2019, Ra 2019/14/0429, mwN).

16       Gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 ist es weder der Behörde noch dem BVwG verwehrt, im Rahmen beweiswürdigender Überlegungen Widersprüche und sonstige Ungereimtheiten zwischen der Erstbefragung und späteren Angaben einzubeziehen; es bedarf aber sorgsamer Abklärung und auch der in der Begründung vorzunehmenden Offenlegung, worauf diese fallbezogen zurückzuführen sind (vgl. VwGH 12.8.2019, Ra 2019/20/0366, mwN).

17       Soweit der Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung daher auf sein bereits in der Beschwerde erstattetes Vorbringen zu jener Rechtsprechung hinweist, wonach sich die Erstbefragung nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen habe und schon daraus (undifferenziert und ohne nähere Auseinandersetzung mit der - im Übrigen nicht ausschließlich auf Steigerungen gegenüber den Aussagen bei der Erstbefragunggestützten - Beweiswürdigung des BVwG) ableitet, die Beweiswürdigung des BFA sei „nicht mängelfrei“ erfolgt und hätte vom BVwG nicht übernommen werden dürfen, zeigt er keine Abweichung von der erwähnten Rechtsprechung zu § 19 AsylG 2005 auf.

18       Soweit die Revision ihre Zulässigkeit im Zusammenhang mit der Frage des subsidiären Schutzes behauptet, verabsäumt sie darzulegen, von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das BVwG abgewichen sei. Mit dem Vorbringen, das BVwG hätte in diesem Zusammenhang „die Auswirkungen der Corona-Pandemie in keiner Weise erhoben und festgestellt“, macht der Revisionswerber Verfahrensfehler geltend, deren Relevanz für den Verfahrensausgang schon in der gesonderten Zulässigkeitsbegründung dargetan hätte werden müssen (vgl. VwGH 1.7.2020, Ra 2020/20/0221, mwN). Eine entsprechende Relevanzdarlegung ist der Zulässigkeitsbegründung jedoch nicht zu entnehmen, zumal die Revision nicht aufzeigt, mit welchen konkreten Auswirkungen sich der gesunde und arbeitsfähige Revisionswerber bei einer Rückkehr in sein Heimatland konfrontiert sehen würde. Exzeptionelle und konkret auf den Revisionswerber Bezug nehmende Umstände, die die Annahme einer realen Gefahr einer drohenden Verletzung seiner durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte bei einer Rückkehr in seinen Heimatstaat rechtfertigen würden, werden nicht dargetan (vgl. dazu VwGH 7.10.2020, Ra 2020/20/0337, mwN).

19       In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 20. November 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020200120.L00

Im RIS seit

04.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.01.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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