TE Vwgh Beschluss 1997/8/19 97/16/0304

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Veröffentlicht am 19.08.1997
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E1E;
E3R E02202000;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
22/02 Zivilprozessordnung;
22/03 Außerstreitverfahren;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
35/02 Zollgesetz;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

11992E177 EGV Art177;
11992E179 EGV Art179;
31992R2913 ZK 1992 Art12 Abs4;
31992R2913 ZK 1992 Art243 Abs1;
31992R2913 ZK 1992 Art243 Abs2;
AußStrG §9;
AVG §57;
AVG §64a;
BAO §115 Abs1;
BAO §183 Abs4;
BAO §243;
BAO §276;
BAO §300;
BAO §93;
B-VG Art140;
EURallg;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
ZollRDG 1994 §40;
ZPO §522;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der I Handelsges.m.b.H. in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 28. Oktober 1996, Zl. ZT-4200/132-III/7/96, betreffend Zurücknahme verbindlicher Zolltarifauskünfte, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Die Beschwerde richtet sich gegen den oben zitierten Bescheid, mit dem fünf verbindliche Zolltarifauskünfte gemäß Art. 12 Abs. 4 ZK mit folgender Begründung zurückgenommen wurden:

"Die Überprüfungen der in Rede stehenden Waren hat ergeben, daß es sich nicht - wie in den Anträgen auf Erteilung der Verbindlichen Zolltarifauskünfte angeführt - bei "ACIZYM ST3" und "NEUKULT STT100" um "Kulturen von Mikroorganismen" sondern um Waren der Position 0405 (Butter) bzw. bei "ACILAT M95", "ACIPAN B95" und "IRMIL VM95" nicht um ein "zubereitetes Medium zum Züchten von Mikroorganismen" sondern um Waren der Position 0402 (Milchpulver) handelt.

Da die Verbindlichen Zolltarifauskünfte somit auf unrichtigen Angaben des Antragstellers beruhen, war spruchgemäß zu entscheiden."

Die Behandlung der gegen den angefochtenen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 16. Juni 1997, B 4912/96-7, abgelehnt. Nach Auffassung dieses Gerichtshofes seien zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen sowie insbesondere der Frage, ob von der belangten Behörde innerstaatliche, einfachgesetzliche Normen oder gemeinschaftsrechtliche Normen anzuwenden waren, spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht anzustellen gewesen.

In dem ebenfalls zur Zurücknahme verbindlicher Zolltarifauskünfte ergangenen Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Oktober 1996, Zl. 96/16/0199, - der der Beschwerdeführerin nach dem Inhalt der Beschwerde bekannt ist, auf dessen Begründung überdies im Sinne des § 43 Abs. 2 VwGG hingewiesen wird - wurde vom Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß der im Art. 243 Abs. 1 ZK vorgesehene Rechtsbehelf gegen die Entscheidung einer Zollbehörde nach der klaren Anordnung des Zollkodex zunächst "auf einer ersten Stufe" wiederum bei einer Zollbehörde einzulegen ist. Die gebotene zollkodexkonforme Auslegung des § 40 ZollR-DG führt dazu, daß sich die von einer erstinstanzlichen Entscheidung betroffene Partei mit ihrem Rechtsbehelf wiederum an den Bundesminister für Finanzen zu wenden hat, der dann selbst über die im Rechtsbehelf vorgetragenen Argumente bescheidmäßig abzusprechen hat. Erst gegen die Entscheidung über den Rechtsbehelf steht der betroffenen Partei dann der von Art. 243 Abs. 2 lit. b ZK "auf zweiter Stufe" eröffnete Rechtszug an eine "unabhängige Instanz" zu.

Wendet sich somit die Partei, ohne gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen betreffend die Zurücknahme der verbindlichen Zolltarifauskünfte den im Art. 243 Abs. 2 lit. a ZK vorgesehenen Rechtsbehelf eingelegt zu haben, mit einer Beschwerde direkt an den Verwaltungsgerichtshof, so hat sie den vorgeschriebenen administrativen Instanzenzug nicht ausgeschöpft.

Die Einwendungen der Beschwerdeführerin gegen die dargestellte Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes können diesen nicht zu einem Abgehen hievon veranlassen. Die Beschwerdeführerin hält dem entgegen, daß gegen einen Bescheid des Bundesminister(iums) für Finanzen "gemäß § 300 BAO" kein Rechtszug bestehe. Abgesehen davon, daß § 300 BAO die Änderung oder Aufhebung eines bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts angefochtenen Bescheides, nicht aber eine (negative) Regelung des Instanzenzuges zum Inhalt hat, übersieht die Beschwerdeführerin mit ihrem Vorbringen, daß der Zollkodex, also eine Verordnung des Rates der Europäischen Gemeinschaften, gemäß Art. 179 EG-Vertrag in allen seinen Teilen verbindlich ist und in jedem Mitgliedstaat unmittelbar gilt. Soweit den Bestimmungen des Zollkodexs Regelungen des innerstaatlichen Rechts widerstreiten (hier aus der Sicht des Beschwerdefalls:

§ 243 BAO, wonach allein gegen Bescheide der Abgabenbehörde erster Instanz als Rechtsmittel die Berufung gegeben ist), werden diese innerstaatlichen Bestimmungen durch die Verordnung verdrängt. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist auch § 40 ZollR-DG nicht infolge eines Verstoßes gegen Art. 243 ZK mit einem Verstoß gegen "höherrangiges Recht" und damit einer Verfassungswidrigkeit belastet; vielmehr ist von einem Anwendungsvorrang des Art. 243 ZK auszugehen. Im Hinblick auf diesen Anwendungsvorrang des Art. 243 ZK gehen auch die Ausführungen der Beschwerdeführerin darüber, ob der österreichischen Rechtsordnung nicht aufsteigende Rechtsmittel gegen die Entscheidung einer obersten Behörde fremd sind oder nicht, ins Leere.

Die Beschwerde war damit gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich - auch im Hinblick darauf, daß eine Rechtsmittelfrist durch den Ausschluß eines administrativen Instanzenzuges in seiner Rechtsmittelbelehrung durch die Zustellung des angefochtenen Bescheides gemäß § 93 Abs. 4 BAO nicht in Lauf gesetzt wurde - zu folgender Feststellung veranlaßt:

Nach ständiger Rechtsprechung muß die Begründung eines Bescheides erkennen lassen, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die belangte Behörde zur Einsicht gelangt ist, daß gerade dieser Sachverhalt vorliegt und aus welchen Gründen die Behörde die Subsumtion des Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet. Die Begründung eines Bescheides muß in einer Weise erfolgen, daß der Denkprozeß, der in der behördlichen Erledigung seinen Niederschlag findet, sowohl für die Partei als auch für die zur Nachprüfung des Bescheides berufene Stelle nachvollziehbar ist (vgl. zuletzt etwa das Erkenntnis vom 28. Mai 1997, Zl. 94/13/0200 m.w.H.). Diesem Erfordernis entspricht die aus zwei Sätzen bestehende Begründung des angefochtenen Bescheides in keiner Weise. Im Hinblick auf die Behauptungen der Beschwerdeführerin, in den von ihr eingesehenen Akten befänden sich keine Hinweise auf durchgeführte Untersuchungen, wird auch darauf verwiesen, daß es mit den Grundsätzen eines rechtsstaatlichen Verfahrens nicht vereinbar ist, einen Bescheid auf Beweismittel zu stützen, die der Partei nicht zugänglich sind (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 29. September 1993, Zl. 89/13/0159).

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Anwendungsvorrang, partielle Nichtanwendung von innerstaatlichem Recht EURallg1 Gemeinschaftsrecht Auslegung Allgemein EURallg3 Gemeinschaftsrecht Verordnung EURallg5 Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Nichterschöpfung des Instanzenzuges Besondere Rechtsgebiete Finanzverwaltung Organisationsrecht Instanzenzug VwRallg5/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997160304.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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