TE OGH 2020/9/28 5Ob67/20v

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Veröffentlicht am 28.09.2020
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin Ö*****aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Walter Lichal, Rechtsanwalt in Wien, gegen sämtliche Mieter und Nutzungsberechtigte der Baulichkeit *****, darunter die Antragsgegner 1. Mag. B***** M*****, 2. M***** F*****, beide vertreten durch Mag. Elisabeth Nitsche, diese vertreten durch Mag. Elke Hanel-Torsch, beide Mietervereinigung Österreichs, Landesorganisation Wien, *****, wegen § 22 Abs 1 Z 6b WGG iVm § 16 Abs 4 WGG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Erstantragsgegnerin und des Zweitantragsgegners gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 12. Februar 2020, GZ 38 R 307/19g-14, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 22 Abs 4 WGG iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG und § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Das Rekursgericht gab dem – wegen angeblicher Nichtigkeit des Verfahrens erhobenen – Rekurs der Erstantragsgegnerin und des Zweitantragsgegners nicht Folge. Die Rekurswerber monierten zwar zu Recht das Unterbleiben der Zustellung des verfahrenseinleitenden Antrags und die mangelnde Möglichkeit, sich im Verfahren zu äußern. Diese Verletzung des rechtlichen Gehörs in erster Instanz wirke im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren aber nicht absolut. Sie sei nur dann wahrzunehmen, wenn sie Einfluss auf die Richtigkeit der Entscheidung habe. Dafür müsse die Relevanz des Verstoßes entsprechend konkret aufgezeigt werden. Die Rekurswerber rügten aber nur den Umstand, dass sie keine Möglichkeit hatten, gegen das vorgelegte Nutzwertgutachten Einwände zu erheben, ohne auszuführen, welche Einwände dies konkret gewesen wären.

2. Den Umstand, dass der Erstantragsgegnerin und dem Zweitantragsgegner die Möglichkeit entzogen wurde, sich am Verfahren zu beteiligen, qualifizierte das Rekursgericht zu Recht als Verletzung des rechtlichen Gehörs (vgl 5 Ob 172/19h). Nach ständiger Rechtsprechung ist das rechtliche Gehör im Verfahren außer Streitsachen zwar auch dann gewahrt, wenn die Partei ihr Vorbringen im Rekurs darlegen konnte (RIS-Justiz RS0006048 [T4, T10]). Diese Möglichkeit stand der Erstantragsgegnerin und dem Zweitantragsgegner hier zufolge des im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren ausnahmslos geltenden Neuerungsverbots (RS0070485) jedoch nicht offen.

3.1. Der unter § 66 Abs 1 Z 1 AußStrG fallende Mangel der Verletzung des rechtlichen Gehörs kann auch dann in einem Revisionsrekurs geltend gemacht werden, wenn er – wie hier – vom Rekursgericht verneint worden ist (RS0121265). Die Anfechtbarkeit setzt allerdings voraus, dass die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG abhängt. Eine solche zeigt der Revisionsrekurs hier aber nicht auf.

3.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zwingt die Nichtgewährung des rechtlichen Gehörs nicht jedenfalls zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Gemäß § 58 Abs 1 und 3 AußStrG ist vielmehr vor der Entscheidung auf Aufhebung und Zurückverweisung der Außerstreitsache an eine Vorinstanz zu prüfen, ob nicht eine Bestätigung selbst aufgrund der Angaben im Rechtsmittelverfahren oder eine Abänderung ohne weitere Erhebungen möglich ist. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist im außerstreitigen Verfahren also nur dann wahrzunehmen, wenn die Gehörverletzung Einfluss auf die Richtigkeit der Entscheidung haben konnte (RS0120213 [T20]). Um diese Prüfung vornehmen zu können, muss daher von einem Rechtsmittelwerber, der die Verletzung seines rechtlichen Gehörs geltend macht, gefordert werden, dass er seine Rüge durch Darlegung der Entscheidungserheblichkeit des Verfahrensverstoßes entsprechend konkretisiert (RS0123872 [T1, T2]; RS0120213 [T15]). Wie das Rekursgericht zutreffend erkannt hat, wirkt der Anfechtungsgrund der Verletzung des rechtlichen Gehörs also nicht absolut; vielmehr muss der Rechtsmittelwerber dessen Relevanz für die bekämpfte Entscheidung einigermaßen konkret aufzeigen (RS0120213 [T17, T22]). Bloß abstrakte Erwägungen reichen nicht aus (RS0120213 [T23]).

3.3. Die Frage, ob der Rechtsmittelwerber die Entscheidungserheblichkeit der Verletzung des rechtlichen Gehörs ausreichend konkretisiert hat, ist eine Frage des Einzelfalls (RS0042828) und hat daher grundsätzlich keine über den einzelnen Rechtsstreit hinausgehende Bedeutung. Die Erstantragsgegnerin und der Zweitantragsgegner treten der Beurteilung des Rekursgerichts, sie hätten dieser Konkretisierungspflicht nicht entsprochen, auch – zu Recht gar nicht entgegen. Sie haben weder im Rekurs noch im Revisonsrekurs dargelegt, was sie vorgebracht und beantragt hätten.

4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Textnummer

E129965

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0050OB00067.20V.0928.000

Im RIS seit

18.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

18.12.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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