Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 9. November 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter in der Disziplinarsache gegen *****, AZ D 9/19 des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich, über den Antrag des Disziplinarbeschuldigten auf Ablehnung des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs iR ***** sowie der Anwaltsrichterin ***** wegen Ausschließung gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo 2019 den
Beschluss
gefasst:
Spruch
1. In Ansehung der Ausschließung des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs iR ***** wird der Antrag zurückgewiesen.
2. Anwaltsrichterin ***** ist von der Entscheidung über die Beschwerde des Disziplinarbeschuldigten gegen den Beschluss des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 28. Februar 2020, GZ D 9/19-16, nicht ausgeschlossen.
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof hat zu AZ 28 Ds 4/20g über die im Spruch genannte Beschwerde des Disziplinarbeschuldigten zu entscheiden.
Anwaltsrichterin *****, nicht jedoch Senatspräsident des Obersten Gerichtshofs iR *****, ist Mitglied des hiezu berufenen 28. Senats.
In Ansehung des Letztgenannten war der Antrag daher als unzulässig zurückzuweisen (vgl RIS-Justiz RS0097075).
Den Antrag auf Ablehnung der Anwaltsrichterin ***** begründete der Disziplinarbeschuldigte damit, diese habe als (damalige) Präsidentin des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich in einem gegen ihn geführten Disziplinarverfahren wegen seiner „Kritik am Disziplinarrat“ einen Delegierungsantrag unterschrieben, dem die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter mit Beschluss vom 25. April 2005, AZ 7 Bkd 1/05, stattgegeben habe.
Weiters habe sie in dem ebenfalls gegen den nunmehrigen Antragsteller geführten Disziplinarverfahren ***** – angeblich auf Grund eines Vorhalts des damaligen Vorsitzenden ersichtlich – „den Senat nicht vollständig über den Akteninhalt informiert“.
Gemäß § 64 DSt iVm § 43 Abs 1 Z 3 StPO ist ein Richter vom gesamten Verfahren ausgeschlossen, wenn andere Gründe vorliegen, die geeignet sind, seine volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit in Zweifel zu ziehen. Die Bestimmungen über die Ausschließung stellen auf den äußeren Anschein ab. Entscheidend ist daher nicht die subjektive Ansicht des betroffenen Richters oder des Ablehnenden, sondern die Frage, ob die äußeren Umstände geeignet sind, beim verständig würdigenden objektiven Beurteiler naheliegende Zweifel an der unvoreingenommenen und unparteilichen Dienstverrichtung zu wecken (vgl RIS-Justiz RS0097086 [T5]; Lässig, WK-StPO § 43 Rz 10 f mwN).
Dies ist hier – schon nach dem Antragsvorbringen – nicht der Fall:
Weder die Behauptung, ***** habe vor mehr als 15 Jahren als damalige Präsidentin des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich einen Delegierungsantrag wegen Kritik am Disziplinarrat unterfertigt, noch die – rein spekulativ erhobene – Kritik „unvollständiger Information anderer Senatsmitglieder über den Akteninhalt“ durch die Genannte als Anwaltsrichterin in einem anderen Disziplinarverfahren zeigen Gründe auf, die geeignet wären, die volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit der Genannten in Zweifel zu ziehen (vgl Lässig, WK-StPO § 43 Rz 15).
Textnummer
E129970European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0120NS00043.20Z.1109.000Im RIS seit
18.12.2020Zuletzt aktualisiert am
18.12.2020