Entscheidungsdatum
15.10.2020Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art. 130 Abs1 Z2Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
gekürzte Ausfertigung
gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch den Richter Dr. Helm über die Beschwerde des Herrn A. B., vertreten durch Rechtsanwalt, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 15.10.2020, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde betreffend Nichteinhaltung der Covid19-Maßnahmen wird mangels Beschwer abgewiesen.
II. Der Beschwerde betreffend Visitierung wird insoferne Folge gegeben, als die Besichtigung des Genitalbereiches wegen der relativ dünnen Verdachtslage und im Hinblick darauf, dass der Verdacht im Wesentlichen auf vorangegangenen Konsum gerichtet war, nicht erforderlich und jedenfalls als unverhältnismäßig zu qualifizieren ist.
III. Der Rechtsträger der belangten Behörde (Bund) hat dem Beschwerdeführer zu Handen seiner Vertretung EUR 737,60 für Schriftsatzaufwand und EUR 922,00 für Verhandlungsaufwand, insgesamt sohin EUR 1.659,60 an Aufwandersatz, der Beschwerdeführer dem Rechtsträger EUR 368,80 an Schriftsatzaufwand, jeweils binnen 14 Tagen nach Zustellung der schriftlichen Ausfertigung bei sonstigem Zwang zu leisten.
IV. Die Revision ist unzulässig.
Entscheidungsgründe
Mit am 04.06.2020 beim Verwaltungsgericht Wien eingelangten Schriftsatz erhob der Beschwerdeführer eine Maßnahmenbeschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch rechtswidrige Durchsuchung einer Person und deren Gegenstände durch Organe der Landespolizeidirektion Wien am 28.04.2020, im Wienflussbecken.
In dieser Angelegenheit fand am 15.10.2020 eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in der der Beschwerdeführer im Beisein seines ausgewiesenen Rechtsvertreters einvernommen wurde. Die belangte Behörde wurde durch Frau Mag. C. vertreten. Die Zeugen D. E., F. G., RevI. H. und Asp. J. sind ladungsgemäß erschienen und wurden einvernommen.
Das Beweisverfahren hat ergeben, dass der Marihuanageruch nur von einem der Beamten wahrgenommen wurde, obwohl er dem Zweiten auch bekannt ist. Die Beamten haben sich für den Beschwerdeführer und seine Freunde überraschenderweise schnell auf diese zubewegt, sodass diesen lediglich Zeit blieb, ihre Rauchwaren unbekannten Inhalts in den Fluss zu werfen. Der Verdacht des illegalen Konsums von Hanfprodukten war sohin nicht sehr dringend; wenn überhaupt, musste aufgrund der leeren „Baggies“ davon ausgegangen werden, dass diese Produkte entweder aufgeraucht oder in den Fluss geworfen worden waren. Da kein weiterreichender Verdacht bestand, war die Besichtigung der Genitalien des Beschwerdeführers, welche zweifelsfrei feststeht, nicht erforderlich, unverhältnismäßig und verstieß daher gegen Art. 3 EMRK.
Die Beschwerde wegen Nichteinhaltung der Covid19-Maßnahmen durch die Beamten war abzuweisen, weil diese Maßnahmen dem Schutz des Gesundheitssystems vor Überlastung und allenfalls von Risikopersonen dienen sollen, aber niemandem – schon gar nicht jugendlichen Personen, die von anderen ansteckenden Krankheiten in weit höherem Maße gefährdet würden, daraus ein subjektives Recht entsteht. Da in der Gegenschrift darauf repliziert wurde, war der Behörde ein Schriftsatzaufwand zuzusprechen.
Da binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Verhandlungsschrift (§ 29 Abs. 2a VwGVG) eine Ausfertigung der Entscheidung nicht beantragt wurde, erfolgte die Ausfertigung gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG in gekürzter Form.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 35 VwGVG iVm der VWG-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 517/2013.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof oder eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist damit gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG nicht mehr zulässig.
Schlagworte
Maßnahmenbeschwerde; Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt; Durchsuchung; Leibesvisitation; VerhältnismäßigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.102.013.6314.2020Zuletzt aktualisiert am
17.12.2020