TE Vwgh Erkenntnis 1997/8/19 95/16/0328

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Veröffentlicht am 19.08.1997
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Index

yy41 Rechtsvorschriften die dem §2 R-ÜG StGBl 6/1945 zuzurechnen
sind;
21/02 Aktienrecht;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/06 Verkehrsteuern;

Norm

AktG 1965 §174;
BAO §200 Abs1;
BAO §200 Abs2;
BAO §279 Abs1;
BAO §280;
KVG 1934 §6 Abs1 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der P AG in W, vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 17. November 1995, Zl. GA 9-1004/95, betreffend Gesellschaftsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Vorauszuschicken ist, daß gemäß der Übergangsbestimmung im § 38 Abs. 1 KVG, BGBl. Nr. 629/1994, der erste Teil des Kapitalverkehrsteuergesetzes in der Fassung jenes Bundesgesetzes auf Rechtsvorgänge anzuwenden ist, für welche die Steuerschuld nach dem 1. Dezember 1994 entsteht. Hier wurde der steuerpflichtige Tatbestand (§ 4 Abs. 1 BAO) vor diesem Zeitpunkt verwirklicht, sodaß die Rechtslage vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 629/1994 zu Anwendung gelangt.

Im Anhang zum Jahresabschluß der Beschwerdeführerin per 30. Juni 1993 lautet der Punkt A.1.:

"1. Nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag

Zum 30. Juni 1993 ist die Gesellschaft bei einem Bilanzverlust in Höhe von S 16.000.667, bei unversteuerten Rücklagen in Höhe von S 6.282.088 und einem zur Gänze einbezahlten Grundkapitals in Höhe von S 1.000.000 mit einem Betrag von S 8.718.579 buchmäßig überschuldet. Eine Überschuldung im Sinne des Insolvenzrechts liegt insbesondere aus folgenden Gründen nicht vor:

-

Im Wirtschaftsjahr 1993/1994 wurde zur Beseitigung der Gefährdung der Eigenkapitalausstattung und zur Verbesserung der finanziellen Lage von Seiten der P. W. G. ein Betrag von S 16.000.000 als Besserungskapital eingezahlt. Die Besserungsvereinbarung sieht eine Rückzahlung des Besserungskapitals dann vor, wenn die Gesellschaft wirtschaftlich dazu in der Lage ist.

Dies ist dann der Fall, wenn die Gesellschaft ein im Brachenvergleich angemessenes Reinvermögen ausweist. In diesem Fall wird ein Betrag von höchstens 75 % des Nettogewinnes des Vorjahres solange in ein zinsenloses Darlehen umgewandelt, bis das gesamte Besserungskapital gedeckt ist.

-

Aufgrund der positiven Geschäftsentwicklung im neuen Wirtschaftsjahr und durch die Stärkung der Eigenkapitalstruktur kann von einer positiven Fortbestandsprognose ausgegangen werden."

Mittels vorläufigem Gesellschaftsteuerbescheid gemäß § 200 Abs. 1 BAO vom 12. April 1995 forderte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern für die genannte Besserungskapitaleinzahlung gemäß § 9 Abs. 2 KVG von der Beschwerdeführerin Gesellschaftsteuer in Höhe von 1 % der Bemessungsgrundlage, somit S 160.000,--. In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung machte die Beschwerdeführerin geltend, daß die das Besserungskapital gewährt habende P.W.G. nicht Gesellschafterin der Beschwerdeführerin sei, sowie, daß die Besserungsvereinbarung eine Rückzahlung des Besserungskapitals nur unter gewissen Bedingungen vorsehe. Weiters bestehe kein Recht auf Beteiligung am Gewinn oder Liquidationserlös der Beschwerdeführerin. Die Besserungsvereinbarung regle lediglich die Fälligkeit einer eventuellen Rückzahlung, ein Anspruch werde aber nicht begründet.

Nach Ergehen einer abweisenden Berufungsvorentscheidung wurde mit der hier gegenständlichen Berufungsentscheidung die Berufung der Beschwerdeführerin mit der Begründung abgewiesen, daß es sich bei der gegenständlichen Vereinbarung um die Einräumung eines Genußrechtes handle; auf das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1993, 92/16/0025, wurde verwiesen.

Gegen diesen Bescheid macht die Beschwerdeführerin sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend; sie erachtet sich in ihrem Recht auf Nichtfestsetzung von Gesellschaftsteuer bzw. in ihrem Recht beschwert, daß die Festsetzung nicht vorläufig gemäß § 200 BAO erfolgt.

Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die Gegenschrift der belangten Behörde vor; die Beschwerdeführerin replizierte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 2 Z. 1 KVG unterliegt der Erwerb von Gesellschaftsrechten an einer inländischen Kapitalgesellschaft durch den ersten Erwerber der Gesellschaftsteuer.

Gemäß § 6 Abs. 1 KVG gelten als Gesellschaftsrechte an Kapitalgesellschaften u.a. Genußrechte (Z. 2) und Forderungen, die eine Beteiligung am Gewinn der Gesellschaft gewähren (Z. 3). Nach Abs. 2 dieser Bestimmung gelten als Gesellschafter die Personen, denen die im Abs. 1 bezeichneten Gesellschaftsrechte zustehen.

Gemäß § 9 Abs. 2 Z. 1 KVG ermäßigt sich die Steuer u.a. bei Leistungen, soweit sie u.a. zur Deckung der Überschuldung einer inländischen Kapitalgesellschaft erforderlich sind, auf ein Prozent.

Dem von beiden Parteien herangezogenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Dezember 1993, Zl. 92/16/0025 lag eine Vereinbarung zugrunde, wonach ein Dritter an eine Kapitalgesellschaft einen bestimmten Betrag bezahlt und eine Beteiligung an Gewinn erworben hat. Vereinbart war, daß kein Darlehen gewährt wird, sodaß der Dritte keinen Vermögensanspruch, sondern lediglich einen Anspruch auf künftige Gewinne erworben hat. Dieser Anspruch auf Beteiligung am Gewinn der Gesellschaft war dahingehend begrenzt, daß der Dritte Gewinnauszahlungen erhielt, die in Summe den Einzahlungsbetrag zuzüglich einer kontokorrentmäßigen Verzinsung von 5 Prozent p.a. erreicht haben. Rechtlich beurteilte der Verwaltungsgerichtshof diesen Vertragsinhalt als Einräumung eines sogenannten Genußrechtes. Die Einräumung dieses Genußrechtes durch die damalige Beschwerdeführerin an den Dritten unterlag gemäß § 2 Z. 1 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Z. 2 KVG der Gesellschaftssteuer.

Während somit in jenem Falle (ausdrücklich) keine Rückzahlung, sondern (nur) eine Gewinnbeteiligung (limitiert durch den Einzahlungsbetrag samt kontokorrentmäßiger Verzinsung) vorgesehen war, wurde im gegenständlichen Fall vereinbart, daß das Kapital ohne Verzinsung zurückzuzahlen ist, wenn gewisse Bedingungen erfüllt sind, und daß die Rückzahlung aus den Nettogewinnen zu erfolgen hat. Letztlich soll somit in beiden Fällen unter der (ungewissen) Voraussetzung, daß Gewinne lukriert werden, das eingezahlte Kapital rückgeführt werden; der vorliegende Fall unterscheidet sich nur insofern vom Fall des Vorerkenntnisses, daß nur das Kapital ohne jede Verzinsung zurückzuzahlen ist.

Letzteres schadet aber der Qualifikation als Genußrecht nicht. In der Literatur ist diesbezüglich klargestellt, daß Genußrechte dem Zweck dienen, Aktionären und Nichtaktionären gegenüber Leistungen unterschiedlichster Art abzugelten, so z. B. Sanierungshilfen durch freiwillige Zuzahlungen (vgl. dazu insbesondere Schiemer in Schiemer/Jarbornegg/Strasser, AktG-Kommentar3 Rz 8 zu § 174 AktG). Die Konstruktion eines Genußrechtes kann auch so gestaltet sein, daß der betreffende Berechtigte Leistungen aus dem Jahresgewinn zum Zweck der Amortisation des Genußrechtes bekommt (vgl. Wünsch, Genußscheine als Verbriefung privatrechtlicher Ansprüche, Strasser Fs 877). Auch Gewinnanteile, die einem Gläubiger gewährt werden und die bei der Tilgung der Forderung in Abzug gebracht werden (was einer Teiltilgung gleichkommt), werden als Genußrechte angesehen (Wünsch aaO).

Dadurch widerlegt und auch den von der Beschwerdeführerin zitierten Belegstellen nicht zu entnehmen, ist das Argument der Beschwerdeführerin, die Begrenzung eines Gewinnbeteiligungsanspruches auf eine bestimmte fixe Verzinsung sei sozusagen die untere Grenze für die Qualifikation als Genußrecht. Allein durch die Formulierung "... wird ein Betrag von höchstens 75 Prozent des Nettogewinnes des Vorjahres solange in ein zinsenloses Darlehen umgewandelt, bis das gesamte Besserungskapital gedeckt ist", wurde eine Gewinnbeteiligung vereinbart, die der Tilgung der von der P.W.G. freiwillig gewährten Sanierungshilfe dient, sodaß am Genußrechtcharakter der der P.W.G. eingeräumten Berechtigung kein Zweifel sein kann.

Daran kann auch die weiters hier geforderte Voraussetzung nichts ändern, daß nicht jeder Gewinn die Rückzahlungspflicht auslöst, sondern erst dann, wenn die Gesellschaft wirtschaftlich dazu in der Lage ist; "wirtschaftlich in der Lage" wird vereinbarungsgemäß so definiert, daß die Gesellschaft ein im Brachenvergleich angemessenes - also objektiv feststellbares - Reinvermögen aufweist. Es steht ja den Vertragsparteien offen, die Berechnungsgrundlage "Gewinn" in den Vertragsbedingungen zu definieren (Schummer, Genußrechtsemission durch Personenhandelsgesellschaften?, GesRZ 1991, 200). Ein Genußrecht kann sogar darin bestehen, daß (nur) ein Anteil am Liquidationserlös nach Rückerstattung des eingezahlten Aktienkapitals bleibt (Wünsch aaO 878).

Es kann wohl keine Rolle spielen, ob eine Gewinnbeteiligung vereinbart wird, die - sozusagen zufällig - mit der Höhe des ursprünglich eingezahlten Kapitals begrenzt wird, oder ob eine Rückzahlungspflicht des Kapitals besteht, die aus Anteilen am Gewinn bedient wird. Entscheidend ist allein, daß den Berechtigten in Abhängigkeit vom zukünftigen wirtschaftlichen Erfolg der Beschwerdeführerin ein Anspruch auf einen prozentuellen Anteil des Gewinnes, also die gewinnabhängige Umwandlung des Besserungskapitales in ein bei Eintreten der vereinbarten Voraussetzungen durchsetzbares Forderungsrecht, eingeräumt wurde. Aus diesem Grund liegt hier auch nicht der von Arnold (Die Unternehmenssanierung aus der Sicht der Gebühren und Verkehrsteuern, in Rippe, Rechtsprobleme der Unternehmenssanierung 370) erwähnte Fall vor, in dem nur die Fälligkeit eine Verbindlichkeit an den jährlichen Reingewinn geknüpft ist. Die belangte Behörde ist daher völlig zu Recht im vorliegenden Fall vom Steuertatbestand des § 6 Abs. 1 Z. 2 KVG ausgegangen.

Als inhaltliche Rechtswidrigkeit macht die Beschwerdeführerin weiters geltend, daß die Berufungsbehörde einen gemäß § 200 Abs. 1 erlassenen vorläufigen Bescheid bestätigt hat, obwohl der vorläufige Bescheid durch einen endgültigen Bescheid zu ersetzen gewesen wäre, wenn die Behörde der Annahme war, es seien keine Ermittlungsschritte mehr erforderlich; die vorläufige Abgabenfestsetzung sei aber auch inhaltlich rechtswidrig, wenn eine vorläufige Festsetzung vorgenommen wurde, obwohl noch Ermittlungsschritte erforderlich waren.

Gemäß § 200 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde die Abgabe vorläufig festsetzen, wenn nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens die Abgabepflicht zwar noch ungewiß, aber wahrscheinlich oder wenn der Umfang der Abgabepflicht noch ungewiß ist. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung ist, wenn die Ungewißheit beseitigt ist, die vorläufige Abgabenfestsetzung durch eine endgültige Festsetzung zu ersetzen.

Wenn auch die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung den Ausspruch gemäß § 200 Abs. 2 BAO nicht besonders beanstandet hat, so ist es richtig, daß die belangte Behörde in der Berufungsentscheidung darauf nicht eingegangen ist, sondern erst in der Gegenschrift ausgeführt hat, daß das Finanzamt den erstinstanzlichen Bescheid deswegen als vorläufig erlassen hat, "da die Frage, ob die Gesellschafterleistung dem begünstigten Steuersatz gemäß § 9 Abs. 2 KVG zu unterziehen ist, rechtens nicht beantwortet werden konnte". Dem Finanzamt lag kein Jahresabschluß zum 30. Juni 1994 vor, sodaß eine Prüfung der Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 KVG (Überschuldung) nicht erfolgen konnte. Auch bei Erlassung des angefochtenen Bescheides sei es der belangten Behörde mangels Vorliegen dieses Jahresabschlusses nicht möglich gewesen, sich mit dieser Frage zu befassen.

Dem widersprach die Beschwerdeführerin in ihrer Äußerung zur Gegenschrift mit der Behauptung, daß der erwähnte Jahresabschluß schon vor der Erlassung des Berufungsbescheides fertiggestellt und daher verfügbar gewesen sei.

Wohl hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 26. Jänner 1994, Zl. 92/13/0097 die Berechtigung bzw. Verpflichtung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Endgültigerklärung aus den Bestimmungen des § 279 Abs. 1 und § 280 BAO abgeleitet. Nach der letztgenannten Bestimmung muß die Berufungsbehörde auf neue Tatsachen, die ihr im Laufe des Berufungsverfahrens zur Kenntnis gelangen, Bedacht nehmen. Die Beschwerdeführerin behauptet nicht, daß der Abgabenbehörde erster Instanz oder der Abgabenbehörde zweiter Instanz der Jahresabschluß zum 30. Juni 1994 bekanntgegeben worden wäre; allein durch den nunmehr behaupteten Umstand, daß der Jahresabschluß schon vor der Erlassung des Berufungsbescheides "fertiggestellt und daher verfügbar" war, wird der Tatbestand des § 280 BAO keinesfalls erfüllt. Nach der Aktenlage ergab sich jedenfalls im Zeitpunkt der Entscheidung durch die belangte Behörde keine Änderung im Hinblick auf die Ungewißheit des Umfanges der Abgabenpflicht. Die Unterlassung einer Auseinandersetzung der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid mit der Frage einer allfälligen Endgültigerklärung der Abgabenfestsetzung belastet den angefochtenen Bescheid daher nicht mit Rechtswidrigkeit.

Da sohin das Beschwerdevorbringen weder eine inhaltliche Rechtswidrigkeit noch eine solche - nicht näher ausgeführte - infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzeigen konnte, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995160328.X00

Im RIS seit

30.01.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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