Entscheidungsdatum
13.10.2020Norm
AlVG §10Spruch
W228 2235853-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald WÖGERBAUER als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter POPPENBERGER sowie Philipp KUHLMANN als Beisitzer in der Beschwerdesache von Herrn XXXX , SVNR: XXXX , beschlossen:
A)
Die Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung wird gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG in Verbindung mit § 9 VwGVG mangels hinreichender Begründung abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Mit nicht rechtskräftigem Bescheid des Arbeitsmarktservice Neunkirchen vom 22.09.2020 wurde ausgesprochen, dass XXXX den Anspruch auf Notstandshilfe für den Zeitraum 12.10.2020 – 22.11.2020 verloren habe. Nachsicht wurde nicht erteilt. Begründend wurde ausgeführt: „Sie haben das Zustandekommen einer Ihnen vom AMS zugewiesenen Beschäftigung als Reinigungskraft bei Fa. XXXX mit möglichem Arbeitsantritt am 12.10.2020 vereitelt. Berücksichtigungswürdige Gründe für die Erteilung einer Nachsicht liegen nicht vor und wurden auch nicht geltend gemacht.“
Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 27.09.2020 fristgerecht Beschwerde erhoben. Der Beschwerdeführer verweist darauf, dass vereinbart gewesen sei, dass er in der Gartenabteilung der Fa. XXXX arbeiten könne, da das AMS selbst den Kurs Motorsägenführung finanziert habe und er in die Kurse Höhenarbeiter / Industriekletterer mehr als 2.590 € investiert habe und er im kommenden Monat die Ausbildung zum Baumsteiger Modul 1 absolviere. Nun gehe der Abteilungsleiter der Gartenabteilung auf Kur und er werde kurzerhand hinausgeworfen. Der Beschwerdeführer habe kein Problem mit einer vorübergehenden Arbeit in der Abteilung Räumung & Entsorgung, und gewiss als gelernter Tourismuskaufmann auch nicht in der Reinigung für die Gastronomie, allerdings bin ich keine Hausfrau und werde daher nicht als Reinigungskraft „nach Art der Hausfrau“ zu Verfügung stehen. Auch wurde mir nach der Kur des Herrn Abteilungsleiter (die zumeist 3 Wochen dauert) keine Rückkehr in die Abteilung Garten versichert. Des Weiteren habe der Beschwerdeführer seine 68-jährige Mutter, die mit einer Autoimmunerkrankung belastet ist, extra vom Attersee auf den Semmering übersiedelt, damit sie in seiner Abwesenheit auf die Kinder aufpassen kann; auch seine Freundin – die manchmal bei der Kinderbetreuung aushelfen müsse, da seine Mutter keinen Führerschein habe, und die Infrastruktur am Semmering spärlich sei – leide an einer Autoimmunerkrankung, und er habe nicht vor in Zeiten von COVID-19 aus einem Privathaushalt eine Krankheit einzuschleppen, die meine Familie und andere Bekanntschaften ausrotte.
Mit nicht rechtskräftigem, verfahrensgegenständlichem Bescheid des Arbeitsmarktservice Neunkirchen vom 02.10.2020 wurde ausgesprochen, dass die aufschiebende Wirkung der Beschwerde ausgeschlossen werde. Begründend wurde mit Langzeitarbeitslosigkeit, aktueller Exekutionsführung und generalpräventiven Gründen argumentiert.
Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 07.10.2020 fristgerecht Beschwerde erhoben. Es entspreche einerseits nicht den Tatsachen, dass der Beschwerdeführer seit 07.12.2015 in Leistungsbezug der Arbeitslosenversicherung stehe – er war laut den Bezugszeiten des AMS vom 01.05.2016 bis zum 20.03.2019 NICHT AMS-Klient, da er in diesem Zeitraum in der Tschechei beschäftigt war. Andererseits werde nicht „aktuell“ gegen ihn Exekution geführt – er sei seit 28.09.2020 im Privatkonkurs-Verfahren, um seine Angelegenheiten zu ordnen; sämtliche noch offenen Exekutionen rühren aus den Jahren 2011 bis 2014, als er in Wien oftmals umgezogen sei und keine Kenntnis davon hatte. Er sei seit 20.02.2019 wieder in Österreich, da ihm die alleinige Obsorge seiner beiden minderjährigen Söhne vom Gericht übertragen worden sei, welche der Kindesmutter mit sofortiger Wirkung entzogen wurde, und er somit die Arbeit in der Tschechei aufgeben musste! Die zugewiesene Beschäftigung als Reinigungskraft sei nicht vereinbart gewesen und sehe er als unzumutbar an, da vereinbart gewesen sei, dass er in der Gartenabteilung der Fa. XXXX arbeiten werde und nicht als Reinigungskraft in Privathaushalten!
Der Akt langte am 08.10.2020 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Das AMS hat dem Beschwerdeführer eine Beschäftigung als Reinigungskraft bei Fa. XXXX mit möglichem Arbeitsantritt am 12.10.2020 zugewiesen. Es kam nicht zum Arbeitsantritt.
Der Beschwerdeführer hat in der Beschwerde angegeben: „[…] allerdings bin ich keine Hausfrau und werde daher nicht als Reinigungskraft „nach Art der Hausfrau“ zu Verfügung stehen.“.
Wirtschaftliche, finanzielle oder rechtliche Nachteile konnten nicht festgestellt werden.
2. Beweiswürdigung:
Die Zuweisung der Beschäftigung ergibt sich aus den Bescheiden vom 22.09.2020 und 02.10.2020 und ist unbestritten.
Die Angabe, dass der Beschwerdeführer als Reinigungskraft nicht zur Verfügung stehe, ergibt sich aus seiner, nicht verfahrensgegenständlichen, Beschwerde vom 27.09.2020.
Mangels Behauptung des Beschwerdeführers bezüglich wirtschaftlicher, finanzieller oder rechtlicher Nachteile konnten diese auch nicht festgestellt werden.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat – vorliegend sohin das AMS Neunkirchen.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 56 Abs. 2 AlVG entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide einer regionalen Geschäftsstelle des AMS das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören. Der Tatbestand, aus dem sich die Senatszuständigkeit ableitet, stellt nur auf die bescheiderlassende Behörde und nicht etwa darauf ab, worüber sie entschieden hat. Die Regelung trägt dem Legalitätsprinzip iSd Art. 18 Abs. 1 iVm Art. 83 Abs. 2 B-VG Rechnung, wonach der Gesetzgeber insbesondere in Bezug auf die Behörden- und Gerichtszuständigkeit zu einer präzisen, strengen Prüfungsmaßstäben standhaltenden Regelung verpflichtet ist und eine Zuständigkeitsfestlegung klar und unmissverständlich sein muss (vgl. das VwGH Erkenntnis vom 24. Oktober 2016, Ra 2016/02/0159). Gegenständlich ist Sache des Verfahrens die Beschwerde gegen den, die aufschiebende Wirkung ausschließenden, Bescheid vom 02.10.2020.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG kann die Behörde die aufschiebende Wirkung mit Bescheid ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Ein solcher Ausspruch ist tunlichst schon in den über die Hauptsache ergehenden Bescheid aufzunehmen.
Gemäß §13 Abs. 5 VwGVG hat die Beschwerde gegen einen Bescheid gemäß Abs. 2 oder 3 keine aufschiebende Wirkung. Sofern die Beschwerde nicht als verspätet oder unzulässig zurückzuweisen ist, hat die Behörde dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Das Verwaltungsgericht hat über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden und der Behörde, wenn diese nicht von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absieht, die Akten des Verfahrens zurückzustellen.
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu Rechtsmitteln gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nach § 64 Abs. 2 AVG hat die Rechtsmittelinstanz zu überprüfen, ob im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides der belangten Behörde die Voraussetzungen für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung gegeben waren (VwGH 29.09.2005, 2005/11/0123; 28.06.2001, 99/11/0243).
Die zuständige Behörde hat eine Interessenabwägung durchzuführen und darzulegen, worin die Gefahr im Verzug besteht, die einen vorzeitigen Vollzug des Bescheides dringend gebietet (Hengstschläger/Leeb, AVG, zu § 64 Rz 31). In der Interessenabwägung sind die Interessen des Beschwerdeführers gegen die berührten öffentlichen Interessen und allfälliger weitere Parteien abzuwägen, wobei in einem ersten Schritt festzustellen ist, welche Interessen überwiegen.
Im gegenständlichen Fall begründete das Arbeitsmarktservice den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung damit, dass die aufschiebende Wirkung aus generalpräventiven Gründen den im öffentlichen Interesse gelegenen Normzweck unterlaufen würde. Insgesamt diene dieses Vorgehen dem gerechtfertigten Ziel der Verhinderung der missbräuchlichen Inanspruchnahme von Leistungen der Arbeitslosenversicherung. Außerdem sei der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung spezialpräventiv, um die Langzeitarbeitslosigkeit des Beschwerdeführers zu beenden. Außerdem werde auf eine Exekution verwiesen und erscheine dadurch die Einbringlichkeit der Forderung bei vorläufiger Anweisung der Leistung aus der Arbeitslosenversicherung gefährdet.
Der Beschwerdeführer ist in seiner Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung diesem Vorhalt nicht substantiiert entgegengetreten. Er brachte nur inhaltliche Argumente. Den Beschwerdeführer trifft hinsichtlich des unverhältnismäßigen Nachteils allerdings eine Konkretisierungspflicht (VwGH 14.2.2014, Ro 2014/02/0053). Dieser Verpflichtung ist der Beschwerdeführer in seinen Beschwerdeausführungen nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes jedoch nicht nachgekommen.
Die Beurteilung, ob die geltend gemachten Nachteile die Schwelle der Unverhältnismäßigkeit erreichen, hängt somit entscheidend von den im Aufschiebungsantrag vorgebrachten konkreten Angaben ab. Der Aufschiebungsantrag enthält diesbezüglich keinerlei Angaben. In der Beschwerde und dem Nachtrag wird nicht einmal ansatzweise dargelegt, worin seine – bei Nichtzuerkennung der aufschiebenden Wirkung – konkreten Nachteile in qualitativer wie quantitativer Hinsicht liegen, die ihm in einem solchen Ausmaß drohen, dass sie die Schwelle der Unverhältnismäßigkeit iSd § 30 Abs. 2 VwGG übersteigen (VwGH 03.06.2011, AW 2011/10/0016).
Gemäß ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat ein Antragsteller in seinem Antrag zu konkretisieren, worin für ihn der unverhältnismäßige Nachteil gelegen wäre. Nur durch die glaubhafte Dartuung konkreter – tunlichst ziffernmäßiger – Angaben über die finanziellen Verhältnisse des Antragstellers wird das erkennende Verwaltungsgericht überhaupt erst in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob der Vollzug des angefochtenen Bescheides für den Antragsteller einen unverhältnismäßigen Nachteil mit sich brächte (vgl. zB. VwGH 11.03.1996, AW 96/17/0071; 27.06.1996, AW 96/17/0028, 10.08.2011, AW/2011/17/0028).
Vorliegend führt der Beschwerdeführer nicht näher aus, welche konkreten wirtschaftlichen, finanziellen oder rechtlichen Nachteile für ihn mit der Durchsetzbarkeit des Bescheides verbunden wären, damit die erforderliche Abwägung gegenüber den – laut VwGH Erkenntnis vom 11.04.2018, Zl. Ro 2017/08/0033, unstrittig bestehenden – Interessen der Öffentlichkeit am Sanktionszweck des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung in der Arbeitslosenversicherung, vorgenommen hätte werden können. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedoch nur über konkrete wirtschaftliche, finanzielle oder rechtliche Nachteile, nicht aber über andere Begründungen des Beschwerdeführers zu erkennen.
Fister/Fuchs/Sachs in Rz 8 gehen aufgrund des klaren Wortlautes des § 13 Abs. 5 letzter Satz VwGVG „ohne weiteres Verfahren“ davon aus, dass keine Möglichkeit für Sachverhaltsfeststellungen seitens des Bundesverwaltungsgerichtes besteht. Daher erübrigen sich Erhebungen über die durch das AMS vorgelegten Dokumente hinaus.
An diesem Ergebnis ändert auch die Grobprüfung der Erfolgschancen der Beschwerde durch den erkennenden Senat nichts, da aufgrund der getroffenen Feststellungen diese als "von vornherein aussichtslos" zu beurteilen ist. Der Beschwerdeführer bestreitet die Vereitelungshandlung nicht und bestätigt den Vereitelungsvorsatz mit seinen eigenen Worten in der, nicht verfahrensgegenständlichen Beschwerde vom 27.09.2020.
Da das Bundesverwaltungsgericht somit keine Anhaltspunkte für einen unverhältnismäßigen Nachteil oder eine erfolgreiche Führung des Beschwerdeverfahrens für den Beschwerdeführer zum nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt erkennen kann, war die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid abzuweisen.
Angemerkt wird, dass mit der gegenständlichen Entscheidung eine Entscheidung in der Hauptsache nicht vorweggenommen wird und der erkennende Senat durch die gegenständliche Entscheidung und die vorgenommene Grobprüfung sich im Hauptverfahren in keine Richtung gebunden sieht.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Der Senat konnte sich neben den zuvor genannten VwGH Entscheidungen auch auf die Entscheidung vom 07.09.2017, Zl. Ra 2017/08/0065, stützen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
aufschiebende Wirkung Interessenabwägung KonkretisierungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W228.2235853.1.00Im RIS seit
17.12.2020Zuletzt aktualisiert am
17.12.2020