TE Bvwg Beschluss 2020/10/22 W235 2128259-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.10.2020
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Entscheidungsdatum

22.10.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §32

Spruch

W235 2128259-2/15E

W235 2128259-3/4E

Beschluss

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Maga. Sabine MEHLGARTEN-LINTNER als Einzelrichterin über die Anträge vom 28.10.2019 und vom 20.02.2020 des XXXX , geb. XXXX , StA. Guinea, auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis vom 04.04.2019, Zl. W235 2128259-1/16E, rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens auf internationalen Schutz, beschlossen:

A)

I.       Die Beschwerdeverfahren werden gemäß § 39 Abs. 2 AVG zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

II.      Die Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens werden gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Vorverfahren:

1.1.1. Der Wiederaufnahmewerber, ein Staatsangehöriger Guineas, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 30.03.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen seiner Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 01.04.2014 gab der Wiederaufnahmewerber zunächst an, dass er minderjährig sei. Zu seinen Fluchtgründen brachte er vor, er habe den Herkunftsstaat verlassen, da am XXXX 03.2014 ein Freund seines Vaters zu ihm in die Werkstatt gekommen sei und gesagt habe, dass Polizisten zu ihm gekommen seien. Es sei jemand getötet worden und der Wiederaufnahmewerber sei mit seiner Gruppe beschuldigt worden. Der Freund seines Vaters habe ihm geraten, das Land zu verlassen, und sei mit ihm nach XXXX gefahren. Anschließend sei der Freund zurückgefahren, woraufhin sich die Mutter des Wiederaufnahmewerbers bei dem Freund versteckt habe. Da die Familie des Ermordeten und die Polizei die Familie des Wiederaufnahmewerbers bedroht hätten, habe der Freund seines Vaters den Schlepper kontaktiert.

1.1.2. Da das Bundesamt an den Angaben des Wiederaufnahmewerbers zu seinem Alter bzw. zu seiner Minderjährigkeit Zweifel hatte, wurde eine Untersuchung zur Bestimmung des Knochenalters der linken Hand durch „Röntgen am Ring“ veranlasst. Aufgrund des Untersuchungsergebnisses vom XXXX 04.2014, wonach beim Wiederaufnahmewerber „GP 31, Schmeling 4“ vorliegt, beauftragte das Bundesamt ein medizinisches Sachverständigengutachten zum Thema „Sachverständige Tatsachenfeststellung bzgl. der Unterscheidung Minder- vs. Volljährigkeit“.

Das diesbezügliche Gutachten vom 28.05.2014 kommt aufgrund der durchgeführten multifaktoriellen Befunderhebung (Anamnese, körperliche Untersuchung und radiologische Bildgebung mit fachärztlicher Befundung) zu dem Schluss, dass der Wiederaufnahmewerber zum Untersuchungszeitpunkt am XXXX 05.2014 ein Mindestalter von 21,6 Jahren aufgewiesen hat und sohin sein spätestmögliches Geburtsdatum der „ XXXX “ ist.

Am 12.06.2014 wurde der Wiederaufnahmewerber daraufhin vor dem Bundesamt in Anwesenheit seiner (vormaligen) gesetzlichen Vertretung niederschriftlich einvernommen. Im Zuge dieser Einvernahme legte er eine Kopie seiner Geburtsurkunde (in französischer Sprache) vor, der zufolge der Wiederaufnahmewerber am XXXX geboren sei, und brachte vor, sein älterer Bruder, der seit XXXX 05.2014 ebenfalls Asylwerber in Österreich sei, habe die Kopie aus Guinea mitgebracht. In der Folge wurden ihm die Ergebnisse des medizinischen Sachverständigengutachtens zur Frage seiner Minder- bzw. Volljährigkeit vorgehalten und dem (vormaligen) gesetzlichen Vertreter die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt, wovon kein Gebrauch gemacht wurde.

1.1.3. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens legte der Beschwerdeführer einen Internetzeitungsartikel („Guineenews.org“) vom XXXX 03.2014 in französischer Sprache vor. Der vom Bundesamt eingeholten Übersetzung mit dem Titel „Unsicherheit in XXXX : ein Stabsgefreiter von bewaffneten Banditen niedergestreckt worden“ ist zu entnehmen, dass bei einem Vorfall am XXXX 03.2014 ein Stabsgefreiter des Camps XXXX in XXXX umgebracht worden sei. Der Stabsgefreite sei einer der Wachen des Marktes „ XXXX “, der im Zentrum von XXXX liege, gewesen. Am XXXX 03.2014 habe er gegen zwei Uhr früh Besuch von sechs schwerbewaffneten Banditen bekommen, die ihm eine Kugel in den Fuß geschossen und ihn danach mit einem Messer aufgeschlitzt hätten. Nach der Ermordung des Stabsgefreiten hätten die Banditen eine große Summe Geld und wertvolle Gegenstände mitgenommen. Dieser kriminelle Akt sei in XXXX nicht ungewöhnlich. Vor drei Monaten sei ein Patrouillenfahrzeug desselben Camps von sechs Kugeln getroffen worden, die von Banditen abgefeuert worden seien. Auch diese Banditen hätten eine große Menge Gold, Geld und Goldsuchgeräte entwendet. Zur Erinnerung: Während der Zusammenstöße zwischen Demonstranten und Gendarmen der Einheit Nr. XXXX am XXXX 12.2013 sei die Waffenkammer der Einheit ausgeraubt und eine große Menge Waffen von Unbekannten geraubt worden (vgl. Akt W235 2128259-1, AS 125 im Verwaltungsakt des Bundesamtes).

Im Verwaltungsakt befindet sich zudem eine E-Mail vom 23.03.2016, die offensichtlich ebenfalls eine deutsche Übersetzung eines (französischsprachigen) Zeitungsartikels beinhaltet, wobei der bezughabende Artikel im Akt des Bruders des Beschwerdeführers aufliegt. Die deutsche Übersetzung berichtet über eine Jugenddemonstration in XXXX mit mindestens drei Toten – darunter zwei Gendarmen – und mehr als zehn Verletzten. Diesem Bericht ist zu entnehmen, dass an diesem Tag die Zusammenstöße zwischen Gendarmen der Einheit Nr. XXXX und den jungen Demonstranten wieder aufgeflammt seien. Die Demonstranten hätten die Freilassung ihrer in der vorigen Nacht im Anschluss an die Unruhen verhafteten Freunde gefordert. Trotz Intervention der Behörden und mehrerer hochgestellter Persönlichkeiten hätten die Jugendlichen an dieser Forderung festgehalten. Sie hätten in der gesamten Stadt Barrikaden errichtet und Reifen angezündet, bevor sie die Basis der Einheit angegriffen hätten. Nach ca. zweistündigen erfolglosen Einsatz von Tränengas hätten die Gendarmen begonnen scharf zu schießen. Während der Veröffentlichung dieser Informationen würden die Demonstrationen unvermindert weitergehen und es würden mindestens drei Tote – darunter zwei Gendarmen – und mehr als zehn Schwerverletzte gezählt. Diese Demonstration sei die Folge des Todes eines früheren Fußballers, der von Agenten der Einheit Nr. XXXX in der Nacht von Samstag auf Sonntag, den XXXX 12.2013, totgeprügelt worden sei. Laut zuverlässigen Quellen seien die acht Gendarmen, die das Verbrechen verübt hätten, bereits verhaftet worden (vgl. Akt W235 2128259-1, AS 127 im Verwaltungsakt des Bundesamtes).

1.1.4. Am 20.07.2015 erfolgte eine (weitere) niederschriftliche Einvernahme des Wiederaufnahmewerbers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, in welcher er zu seiner Person, zu seinen Angehörigen sowie zu seinem Familien- und Privatleben in Österreich befragt wurde.

Dezidiert zu seinen Fluchtgründen führte der Wiederaufnahmewerber zusammengefasst aus, am XXXX 03.2014 sei ein Freund seines Vaters in die Werkstatt gekommen und habe zum Wiederaufnahmewerber gesagt, dass er von dort wegsolle, weil die Familie eines Ermordeten und das Militär zu ihm nach Hause gekommen seien und nach ihm gesucht hätten. Der Wiederaufnahmewerber habe zunächst gemeint, dass er nicht weggehe, weil er schuldlos sei; der Freund des Vaters habe allerdings gesagt, er müsse weggehen, weil ihn „die Leute“ sonst umbrächten. Der Freund des Vaters habe den Wiederaufnahmewerber nach XXXX gebracht und sei danach wieder nach XXXX zurückgefahren, um die Situation zu ermitteln. Als er zurückgekommen sei, habe er dem Wiederaufnahmewerber gesagt, dass seine Eltern und sein Bruder auch bedroht worden und geflüchtet seien. Der Freund seines Vaters habe ihm gesagt, dass eine Wache vom Markt getötet worden sei. Der Wiederaufnahmewerber kenne jedoch keine „Gruppe“. Er sei verdächtigt worden, weil er bereits 2013 ein Problem gehabt habe und verhaftet worden sei. Damals sei ein Fußballspieler vom Militär ermordet worden. Der Wiederaufnahmewerber und andere Jugendliche hätten „für die Wahrheit“ demonstriert und seien während der Demonstration verhaftet worden. Sie hätten sagen sollen, wo die Waffen seien, die während der Demonstration aus einem Polizeirevier verschwunden wären. Sie seien beschuldigt worden, ein Polizeirevier zerstört und die Waffen im Taxi des Bruders des Wiederaufnahmewerbers weggebracht zu haben. Der Wiederaufnahmewerber sei zwei Wochen im Gefängnis gewesen und gefoltert worden. Sein Vater und ein Freund hätten Lösegeld zahlen und unterschreiben müssen, dass wenn „irgendwas“ mit den Waffen passiere, der Wiederaufnahmewerber und sein Bruder als erstes beschuldigt werden würden. Auf die Frage, was das mit dem Mord zu tun habe, gab der Wiederaufnahmewerber an, man habe angenommen, dass es nur Leute von der Demonstration sein könnten, die den Mann umgebracht hätten.

1.2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.05.2016 wurde der Antrag des Wiederaufnahmewerbers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) in Bezug auf den Herkunftsstaat Guinea abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm nicht erteilt und wurde gegen ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Ferner wurde festgestellt, dass eine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Guinea zulässig ist. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 2 Wochen / 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt III.).

1.3.1. Gegen diesen Bescheid erhob der Wiederaufnahmewerber am 06.06.2016 fristgerecht Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften. Der Beschwerde wurde unter anderem ein USB-Stick, auf dem gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen unbekannten Personen zu sehen sind, beigelegt.

1.3.2. Am 04.12.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Zuhilfenahme eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Fulla statt, die gemeinsam mit jener des Bruders des Wiederaufnahmewerbers geführt wurde und an welcher der Wiederaufnahmewerber, sein Bruder und der (damalige) gemeinsame Vertreter teilnahmen. Ferner wurde Frau Mag. XXXX als Zeugin einvernommen.

Zu den Fluchtgründen befragt brachte der Wiederaufnahmewerber im Wesentlichen und zusammengefasst vor, er habe verschiedene Probleme gehabt. Im Jahr 2013 sei ein Fußballspieler ermordet worden, woraufhin der Wiederaufnahmewerber mit anderen „für Menschenrechte“ und „gegen die Ermordung“ demonstriert habe, wobei es zu Ausschreitungen gekommen sei. Eine Gendarmeriewache sei angegriffen und Waffen seien geplündert worden. Der Wiederaufnahmewerber sei verhaftet worden und es habe geheißen, er und seine Gruppe seien dafür verantwortlich. Zwei Wochen sei er in Haft gewesen, dann habe sein Vater für ihn gebürgt, er habe Geld bezahlt und der Wiederaufnahmewerber sei entlassen worden. Damals seien über 100 Personen festgenommen worden. Nach seiner Freilassung habe er wieder gearbeitet. Am XXXX 03.2014 sei der Wiederaufnahmewerber in der Arbeit gewesen, als ihn XXXX , der beste Freund seines Vaters, erreicht und informiert habe, dass eine Gruppe von Militärs in seinem Elternhaus nach ihm gesucht habe. Militär und Angehörige des Opfers hätten nach ihm gesucht. Das Opfer sei Militärangehöriger gewesen. XXXX habe ihm gesagt, dass sein Leben in Gefahr sei und der Wiederaufnahmewerber weggehen müsse.

Hinsichtlich des im Verfahren vorgelegten USB-Stick führte der Wiederaufnahmewerber aus, das darauf gespeicherte Video stamme aus dem Jahr 2016 und sei von der Frau seines Bruders übermittelt worden. Woher sie das Video habe, wisse er nicht. Sie habe es in Kopie bekommen und dem Bruder des Wiederaufnahmewerbers weitergeleitet. Das Video beweise, dass es keine Justiz in Guinea gebe.

1.4. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.04.2019, W235 2128259-1/16E, wurde die Beschwerde gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3 und 57 AsylG, § 9 BFA-VG, §§ 46, 52 und 55 FPG mit der Maßgabe abgewiesen, dass der erste Spruchteil des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides wie folgt zu lauten hat: „Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG wird nicht erteilt“.

Begründend wurde hinsichtlich der Abweisung der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids ausgeführt, dass es dem Wiederaufnahmewerber nicht gelungen sei, mit seinem Vorbringen eine Verfolgung bzw. eine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft zu machen. Es hätten sich im Übrigen auch keinerlei konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Wiederaufnahmewerber als Angehöriger der Volksgruppe der Fulla und Zugehöriger der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam aktuell alleine wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit und/oder wegen seines Glaubensbekenntnisses in Guinea einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wäre.

Das Erkenntnis wurde dem Wiederaufnahmewerber am 05.04.2019 zugestellt. Die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde wurde mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 23.09.2019, E 1789/2019, abgelehnt. In der Folge erhob der Wiederaufnahmewerber gegen dieses Erkenntnis im Wege seines rechtsfreundlichen Vertreters außerordentliche Revision, jedoch nur insoweit, als damit die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des Bescheides vom 06.05.2016 abgewiesen wurde. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 12.12.2019, Ra 2019/14/0242, wurde die außerordentliche Revision zurückgewiesen.

2. Gegenständliches Verfahren über den Antrag auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis vom 04.04.2019 rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens vom 28.10.2019:

2.1. Mit Schriftsatz vom 28.10.2019 stellte der Wiederaufnahmewerber im Wege seines rechtsfreundlichen Vertreters gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG einen Antrag auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis vom 04.04.2019 rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens.

Zur
Begründung des Antrags wurden folgende Urkunden jeweils in französischer Sprache sowie in deutscher (nicht beglaubigter) Übersetzung in Kopie in Vorlage gebracht:

?        Fahndungsaufruf vom XXXX 03.2014 („Avis de recherche“), ausgestellt vom Untersuchungsrichter XXXX , Berufungsgericht XXXX , welchem zu entnehmen ist, dass der Wiederaufnahmewerber des illegalen Besitzes von Kriegswaffen und Munition [in der Übersetzung wird auf einen Tippfehler im Original hingewiesen], des Diebstahls sowie der Zerstörung von Privatgebäuden beschuldigt wird und die Strafverfolgung beauftragt wird, ihn zu suchen und zur Staatsanwaltschaft zu bringen und

?        Darstellung der Tatbestände vom XXXX 03.2014 („Les faits“), ausgestellt von XXXX , Untersuchungsrichter, welchem zu entnehmen ist, dass Jugendliche nach dem Tod des Fußballspielers XXXX in der Nacht auf den XXXX 12.2013 in der Stadt protestiert und Räumlichkeiten der Gendarmerie XXXX aufgebrochen haben; ein gemeinsames Team der Polizei hat am XXXX 12.2013 Festnahmen durchgeführt, bei welchen auch der Wiederaufnahmewerber festgenommen und zwei Wochen angehalten wurde; nachdem sein Vater sowie dessen Freund XXXX einen Geldbetrag in Höhe von 5.000.000 GNF bezahlt haben, wurde er am XXXX 12.2013 freigelassen; am XXXX 03.2014 wurde ein Soldat im Camp XXXX , der als Wachmann auf dem XXXX -Markt in XXXX eingesetzt war, von Banditen ermordet; laut den Untersuchungen haben diese PMAK-Kriegswaffen eingesetzt, welche der oben genannten Einheit entwendet wurden; der Wiederaufnahmewerber hatte viel mit den Jugendlichen der Stadt zu tun und geriet ins Zentrum der Ermittlungen; weiters ging ein Team zu seiner Wohnung, er war jedoch am XXXX 03.2014 an einen unbekannten Ort geflohen

Begründend wurde im Antrag nach Darstellung des Verfahrens über seinen Antrag auf internationalen Schutz vorgebracht, der Wiederaufnahmewerber habe am XXXX 08.2019 die Ehe geschlossen, woraufhin am 11.09.2019 ein Beratungsgespräch mit seinem nunmehr ausgewiesenen rechtsfreundlichen Vertreter stattgefunden habe. Im Zuge dieses Gesprächs sei der Wiederaufnahmewerber über die Möglichkeit der Rückkehr in den Herkunftsstaat sowie der Stellung eines Antrags auf Familienzusammenführung gemäß § 47 NAG informiert worden. Der Wiederaufnahmewerber habe diese Option jedoch ausgeschlossen, da er aufgrund der aktuellen Bedrohungslage nicht in den Herkunftsstaat zurückkehren könne. Sein rechtsfreundlicher Vertreter habe ihn in der Folge darauf hingewiesen, dass die Erlangung von Beweisen aus Guinea, welche die Richtigkeit seines Fluchtvorbringens bestätigen würden, die einzige Möglichkeit sei, eine Abschiebung zu verhindern und seinen Aufenthalt in Österreich zu sichern. Der Wiederaufnahmewerber habe sich in der Folge dazu entschlossen, sich um die Beschaffung von Beweisen aus Guinea zu bemühen. Er habe den Freund seiner Familie, XXXX , am 24.09.2019 kontaktiert. Dieser habe ihn an einen gemeinsamen Freund namens XXXX verwiesen und ihm dessen Telefonnummer gegeben. Im Zuge eines Telefongesprächs habe der Wiederaufnahmewerber XXXX gebeten, einen Anwalt zu finden, der für ihn herausfinde, ob er von den Behörden in Guinea nach wie vor gesucht werde. Daraufhin habe XXXX den Rechtsanwalt XXXX mit der Angelegenheit des Wiederaufnahmewerbers betraut. Am 10.10.2019 habe es einen ersten telefonischen Kontakt zwischen dem Wiederaufnahmewerber und dem Rechtsanwalt gegeben. Der Wiederaufnahmewerber wisse, dass XXXX eine Vollmacht für ihn erstellt habe, da der Richter eine solche verlangt habe. Dem Rechtsanwalt sei es in der Folge gelungen, vom erstinstanzlichen Untersuchungsgericht in XXXX im Verfahren zur Zl. XXXX , das verfahrensgegenständliche zweiteilige Dokument beizuschaffen bzw. dessen Aushändigung durch das Gericht zu erwirken. Dem Wiederaufnahmewerber sei nicht bekannt, wie der Anwalt dies zustande gebracht habe. Er gehe allerdings davon aus, dass der Anwalt die von XXXX erstellte Vollmacht, an deren Erstellung er selbst nicht mitgewirkt habe, verwendet habe.

Hinsichtlich der Rechtzeitigkeit des verfahrensgegenständlichen Antrags wurde ausgeführt, der Rechtsanwalt habe dem Wiederaufnahmewerber via „Imo“, einem Nachrichtendienst, am 17.10.2019 Bilder der zweiteiligen Urkunde übermittelt. Das Originaldokument sei dem Wiederaufnahmewerber am 21.10.2019 per DHL-Expresspost zugesendet und am 24.10.2019 zugestellt worden.

Nach Zusammenfassung des Inhalts der Urkunden wurde zu deren Entscheidungsrelevanz ausgeführt, dass das Fluchtvorbringen des Wiederaufnahmewerbers als glaubhaft qualifiziert werden hätte müssen, wäre das Beweismittel bereits vor Erlassung des Erkenntnisses vom 04.04.2019 vorgelegen. Konkret hätte bei Vorliegen des zweiteiligen Dokumentes festgestellt werden müssen, dass der Wiederaufnahmewerber im Herkunftsstaat von den Behörden sowie vom Gericht aktuell mit Fahndungsaufruf gesucht werde, die im Fahndungsaufruf angeführten Anschuldigungen jedoch unbegründet seien und ihm im Fall der Rückkehr eine Inhaftierung unter lebensbedrohlichen und unmenschlichen Bedingungen drohe. Er hätte in diesem Fall keine Möglichkeit, sich gegen die zu Unrecht erhobenen Anschuldigungen angemessen und auf faire Weise zur Wehr zu setzen. Ferner bestehe für den Wiederaufnahmewerber die Gefahr, von der Familie des getöteten Militärangehörigen ausgeforscht und für die Tat verantwortlich gemacht zu werden, obgleich er unschuldig sei. Weiters hätte das Verwaltungsgericht bei Vorliegen der wiederaufnahmegegenständlichen Urkunden nicht zu der Beurteilung gelangen können, der Wiederaufnahmewerber sei nicht wie in seiner Geburtsurkunde und nunmehr im Fahndungsaufruf angeführt am XXXX , sondern bereits am XXXX geboren. Zusammengefasst bestehe sohin aufgrund des Dokuments eine deutlich veränderte Beweis- und Faktenlage.

Hinsichtlich eines allfälligen Verschuldens an dem Umstand, dass die Beweismittel nicht bereits während Anhängigkeit des Verfahrens über seinen Antrag auf internationalen Schutz vorgelegt wurden, führte der Wiederaufnahmewerber im Wege seines rechtsfreundlichen Vertreters aus, die Beschaffung des vorgelegten Dokuments sei mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden gewesen. Der Wiederaufnahmewerber habe nicht gewusst, dass es in seinem Verfahren notwendig und zweckmäßig sei, ein derartiges Beweismittel schon während des Verwaltungsverfahrens vor der endgültigen Entscheidung beizubringen. Erst nach der Erlassung der auf einer unrichtigen Beweiswürdigung beruhenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes und weiteren Gesprächen zwischen dem nunmehrigen Rechtsvertreter und dem Wiederaufnahmewerber sei ihm bewusst geworden, dass er nunmehr keine andere Option und Handlungsalternative habe, als alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um aus den in Guinea aufliegenden Fahndungs- und Ermittlungsakten einen unmittelbaren Beweis für seine Verfolgung durch die staatlichen Behörden beizuschaffen. Es treffe ihn sohin kein Verschulden daran, dass die wiederaufnahmegegenständlichen Tatsachen und Beweismittel nicht bereits im Verfahren über seinen Antrag auf internationalen Schutz geltend gemacht worden seien.

Mit Schriftsatz vom 31.10.2019 wurden dem Bundesverwaltungsgericht der Fahndungsaufruf vom XXXX 03.2014 sowie die ebenfalls mit XXXX 03.2014 datierte Darstellung der Tatbestände samt dem DHL-Plastikkuvert und des Way-Bills im Original übermittelt.

2.2. Mit Verfahrensanordnung vom 05.11.2019 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht dem Bundeskriminalamt die vom Wiederaufnahmewerber vorgelegten Dokumente – den Fahndungsaufruf („Avis de recherche“) sowie die Darstellung der Tatbestände („Les faits“) - zur Dokumentenprüfung.

Dem kriminaltechnischen Untersuchungsbericht vom 27.11.2019 ist zusammengefasst zu entnehmen, dass eine optische Prüfung mit Tages-, Auf-, Durch- und Schräglicht (mit freiem Auge, Lupe oder Stereomikroskop bei 10 – 80facher Vergrößerung) sowie eine Untersuchung mittels Video Spectral Comperator (unter Anwendung verschiedener Lichtquellen – UV bis IR – und Sperrfilter) durchgeführt worden sei. In der Kurzerläuterung wird ausgeführt, die Untersuchungen hätten ergeben, dass der gesamte Textaufdruck mit einem Laserdrucker, Laserkopierer oder dergleichen aufgebracht worden sei. Die handschriftlichen Schriftzeichen seien mit einem Kugelschreiber mit blau färbendem Schreibmittel geschrieben worden. Zu den aufgebrachten Nassstempelabdrucken auf beiden Schriftstücken fehle entsprechendes authentisches Vergleichsmaterial. Die Nassstempelabdrucke würden jedoch ein unregelmäßiges Erscheinungsbild in der Anordnung der ellipsenförmigen Linien und aufgebrachten Buchstaben aufweisen. Der Abstand der ellipsenförmigen Linien zueinander sei unregelmäßig und die Anordnung der Buchstaben sei nicht, wie von einem professionellen Stempelhersteller zu erwarten wäre, zur Ellipsenachse bzw. zum Ellipsenmittelpunkt ausgerichtet. Unvollständige Buchstabenabdrucke in einer Wortgruppe würden auf nicht gleiche Buchstabenhöhen hinweisen. Das gesamte Erscheinungsbild der Abdrucke auf den zwei Schriftstücken weise auf eine nachgeahmte Stempelplatte, wie sie bei einem sogenannten „Setzkastensystem“ entstehe, hin. Eine Anfrage über die Authentizität der Abdrucke und der Unterschrift des ausstellenden Beamten bei der ausstellenden Stelle werde empfohlen. In der abschließenden Beurteilung wurde festgehalten, dass unter Berücksichtigung des derzeitigen Kenntnisstandes über die Authentizität des fraglichen Formulardrucks nicht entschieden werden könne. Die Untersuchung habe ergeben, dass unter Berücksichtigung des derzeitigen Kenntnisstandes vom Vorliegen einer falschen Urkunde auszugehen sei, da das Dokument von nicht zur Ausstellung autorisierter Stelle ausgegeben worden sei.

2.3. Mit Verfahrensanordnung vom 29.11.2019 wurde dem Wiederaufnahmewerber der urkundentechnische Untersuchungsbericht des Bundeskriminalamtes vom 27.11.2019 unter Einräumung einer Frist von zwei Wochen zur Stellungnahme übermittelt.

Mit Stellungnahme vom 13.12.2019 brachte der Wiederaufnahmewerber im Wege seines rechtsfreundlichen Vertreters vor, es dürfe nicht zu Lasten des Wiederaufnahmewerbers gewertet werden, wenn das Bundeskriminalamt im Hinblick auf die vorgelegten Urkunden über kein Informations- und Vergleichsmaterial verfüge. Eine Vermutung, dass grundsätzlich alle aus Guinea beigebrachten behördlichen Dokumente Fälschungen wären, sei jedenfalls nicht zulässig. Die im Untersuchungsbericht angeführten Auffälligkeiten würden nicht die Schlussfolgerung zulassen, dass es sich um Fälschungen handle. Der Verfasser des Berichts verfüge über keinerlei Kenntnisse und Erfahrungswerte zur Frage, wie „Nassstempel“ in Guinea üblicherweise aussehen. Es handle sich sohin lediglich um eine Vermutung. Ferner hätten beide Stempel grundsätzlich ein regelmäßiges, übliches Erscheinungsbild, sodass nicht nachvollziehbar sei, was mit den Ausführungen zu den „unvollständigen Buchstabenabdrucken und ungleichen Buchstabenhöhen“ gemeint sei. Aus welchem Grund das Erscheinungsbild die Schlussfolgerung zulasse, dass es sich um eine „nachgeahmte Stempelplatte“, hergestellt nach dem sogenannten „Setzkastensystem“ handle, werde im Bericht nicht näher erörtert. Die beanstandeten Unregelmäßigkeiten würden sich auch damit erklären lassen, dass ein Stempel bzw. eine Stempelplatte verwendet worden sei, welche aufgrund von Abnützung oder aufgrund von anderen Umständen nicht ganz gleichmäßig gewesen sei. Ferner halte der Verfasser des Berichtes selbst fest, dass die Vornahme von Überprüfungen bei der urkundenausstellenden Behörde notwendig sei. Die Ausführungen auf Seite 5 des Berichtes, wonach eine falsche Urkunde vorliege, würden in völligem Widerspruch zum restlichen Inhalt des Berichtes stehen und bleibe ferner unklar, was der Verfasser mit der Formulierung „nicht zur Ausstellung autorisierte Stelle“ meine. Insoweit damit vermeint werde, der in der Urkunde angeführte Untersuchungsrichter sei nicht legitimiert, einen derartigen Fahndungsaufruf samt Darstellung der Tatbestände auszustellen, zu beurkunden und zu unterfertigen, stelle sich die Frage, woher dieses Wissen bezogen werde. Ferner sei der Bericht widersprüchlich, wenn einerseits ausgeführt werde, eine „Anfrage über die Authentizität der Abdrucke und der Unterschrift des ausstellenden Beamten bei der ausstellenden Stelle“ werde empfohlen, andererseits jedoch in der abschließenden Beurteilung festgehalten werde, dass das Dokument von nicht zur Ausstellung autorisierter Stelle ausgegeben worden sei. Insgesamt erweise sich daher der Untersuchungsbericht als in sich widersprüchlich, unschlüssig und in seinen zentralen Punkten als nicht nachvollziehbar. In der Folge stellte der Wiederaufnahmewerber im Wege seines rechtsfreundlichen Vertreters einen Antrag auf Vornahme geeigneter Auslandserhebungen zum Beweis für die Echtheit der wiederaufnahmegegenständlichen Urkunde. Abschließend wurde ein ergänzendes Vorbringen zu den rechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen des Wiederaufnahmeantrags erstattet. Unter anderem wurde festgehalten, dass die neu hervorgekommenen Urkunden beweisen würden, dass der Wiederaufnahmewerber sowohl wegen eines Einbruchs in Räumlichkeiten der Gendarmerieregion XXXX vom XXXX 12.2013 als auch wegen Beteiligung an der Tötung eines Soldaten im Camp XXXX am XXXX 03.2014 von den Behörden des Herkunftsstaates der Täterschaft und der Beteiligung an schweren Strafdelikten beschuldigt werde, weshalb er am XXXX 03.2014 verhaftet werden hätte sollen. Den Wiederaufnahmewerber treffe kein Verschulden im Sinne des § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG, da es für ihn weder vorhersehbar gewesen sei, dass eine derartige Beweismittelbeschaffung überhaupt möglich sei, noch sei ihm bekannt gewesen, auf welche Art und Weise er dies bewerkstelligen könne.

2.4. In einer ergänzenden Stellungnahme vom XXXX 12.2019 wies der Wiederaufnahmewerber im Wege seines rechtsfreundlichen Vertreters daraufhin, dass er zwischenzeitlich einen Asylfolgeantrag gestellt habe. In der Folge wurden Zweifel an der Unvoreingenommenheit der erkennenden Einzelrichterin geäußert und wurde ein Vorbringen zur allgemeinen Situation im Herkunftsstaat des Wiederaufnahmewerbers erstattet.

Zum Beweis, dass die verfahrensgegenständlichen Urkunden echt sind und sich ihr äußeres Erscheinungsbild hinsichtlich des Stempelaufdrucks von den weiteren, vom Wiederaufnahmewerber aus Guinea für seine Eheschließung beigebrachten Urkunden, welche vom Außenministerium in Guinea und von der Österreichischen Botschaft Dakar beglaubigt wurden, nicht unterscheidet, wurden der Stellungnahme folgende Urkunden (in Kopie) beigelegt:

?        Auszug aus dem Standesamtsregister (Geburtsurkunde), ausgestellt von einem Standesbeamten in XXXX am XXXX 05.2019, versehen mit dem Amtssiegel des Außenministeriums der Republik Guinea und der Unterschrift von XXXX ;

?        Nachbeurkundungsbeschluss als Ersatz für die Geburtsurkunde des erstinstanzlichen Gerichts XXXX , versehen mit dem Amtssiegel des Außenministeriums der Republik Guinea und der Unterschrift von XXXX und

?        Staatsbürgerschaftsnachweis, ausgestellt vom erstinstanzlichen Gericht XXXX am XXXX 04.2019, versehen mit dem Amtssiegel des Außenministeriums der Republik Guinea und der Unterschrift von XXXX

2.5. Am 19.12.2019 erstattete der Wiederaufnahmewerber im Wege seines rechtsfreundlichen Vertreters eine weitere Stellungnahme, in welcher er auf ein Telefongespräch mit dem Rechtsanwalt XXXX hinwies, in welchem dieser bestätigt habe, dass die verfahrensgegenständlichen Dokumente echt seien. Ferner habe ihn Rechtsanwalt XXXX darüber informiert, dass der Richter aktuell nicht mehr als Untersuchungsrichter beim Gericht in XXXX , sondern als Richter am Gericht erster Instanz in XXXX tätig sei. In der Folge wiederholte der Wiederaufnahmewerber sein Fluchtvorbringen und berichtete über den Verlauf und den aktuellen Stand des Verfahrens über seinen Asylfolgeantrag.

2.6. Mit Verfahrensanordnung vom 30.12.2019 ersuchte das Bundesverwaltungsgericht das Bundeskriminalamt um Klarstellung betreffend die Frage, worauf der Schluss beruht, dass die vorgelegten Dokumente von einer nicht zur Ausstellung autorisierten Stelle ausgegeben wurden und es sich sohin um eine falsche Urkunde handelt, zumal sich aus den Bewertungsskalen am Ende der beiden Untersuchungsberichte keine Rückschlüsse ziehen lassen (Frage 1). Ferner wurde angefragt, aus welchen Gründen eine Anfrage über die Authentizität der Abdrucke und der Unterschrift der jeweils ausstellenden Beamten bei den ausstellenden Stellen empfohlen wird, obwohl im Untersuchungsbericht festgehalten wurde, dass die beiden Dokumente von einer nicht autorisierten Stelle ausgestellt worden waren (Frage 2).

Mit Stellungnahme vom 04.02.2020 wurde vom zuständigen Referenten des Bundeskriminalamtes hinsichtlich der Frage 1 ausgeführt, eine erfolgreiche urkundentechnische Untersuchung von Dokumenten setze grundsätzlich voraus, dass einerseits die zu untersuchenden Dokumente entsprechende Sicherheitsmerkmale aufweisen und andererseits zu den untersuchenden Dokumenten entsprechendes Vergleichsmaterial zur Verfügung stehe. Im gegenständlichen Fall stehe kein entsprechendes authentisches Vergleichsmaterial zur Verfügung.

Die beiden fraglichen Schreiben bestünden jeweils aus einem Blatt herkömmlichen Büropapiers ohne jegliche Sicherheitsmerkmale des Bedruckstoffes und des Formulardruckes. Die zu lesenden Informationen auf den beiden Blättern seien mittels eines marktüblichen Laserdruckers, Laserkopierers oder dergleichen mit schwarzem Toner aufgebracht worden. Am Ende des Textes seien diese Informationen mit einer Unterschrift und einem Feuchtstempelabdruck versehen worden. In Fällen, in denen als offensichtliche Sicherheitsmerkmale von zwei Dokumenten eines Berufungsgerichtes in Guinea lediglich eine Unterschrift und ein Feuchtstempelabdruck vorhanden seien, in der Kriminaltechnik des Bundeskriminalamtes keine Erkenntnisse zu den Ausstellungsmodalitäten dieser Art von Dokumenten vorhanden seien und auch seitens des Bundesverwaltungsgerichtes keine Informationen dazu geliefert worden seien, könnten allenfalls kriminaltechnische Untersuchungen dieser Stempelabdrucke relevante Befunde zur Authentizität erbringen. Wie im Untersuchungsbericht auf den Seiten 4 und 11 in der Rubrik „Kurzerläuterung zum Untersuchungsergebnis“ ausführlich beschrieben, hätten sich bei den kriminaltechnischen Untersuchungen der beiden Stempelabdrucke zahlreiche Ungereimtheiten ergeben. Aufgrund jahrzehntelanger Erfahrungen durch kriminaltechnische Untersuchungen von tausenden Urkunden und Stempelabdrucken könne davon ausgegangen werden, dass Behörden aller Länder großen Wert darauf lägen, dass ihre Stempelplatten professionell mit größtmöglicher Genauigkeit und Präzision hergestellt würden. Dem Sachbearbeiter sei kein Land bekannt, das unter normalen Umständen Behörden-Stempelplatten, die aus Setzkasten-Produkten entstanden seien, verwendet hätte. Aufgrund der erwähnten Tatsachen sei es nachvollziehbar, dass diese Stempelabdrucke von keiner autorisierten Stelle (Berufungsgericht in Guinea) aufgebracht worden seien, sondern von „nicht autorisierten“ Personen. Eine Anfrage bei der ausstellenden Behörde sei unter anderem deswegen empfohlen worden, um eventuelle Zweifel an den Erkenntnissen des Sachbearbeiters zu verifizieren oder zu widerlegen. Hinsichtlich Frage 2 wurde festgehalten, dass – wie bereits ausgeführt – weder zum Formular (Bedruckstoff) noch zum Formularvordruck oder zu den Ausstellungsmodalitäten Vergleichsmaterial oder Informationen vorliegen würden. Da weitere Umstände des Falls, wie etwa Angaben des Wiederaufnahmewerbers, dem Sachbearbeiter nicht bekannt seien und diese Hinweise enthalten könnten, die entgegen der technischen Beurteilung Anhaltspunkte für eine autorisierte Ausstellung der Urkunden liefern könnten, sei als einzig mögliche Option zur Klärung des Sachverhalts eine Behördenanfrage empfohlen worden.

Im Zuge einer Recherche beim Dolmetsch- und Übersetzungsdienst des Bundeskriminalamtes, ob die beiden fraglichen Schriftstücke Auffälligkeiten beinhalten, sei zudem berichtet worden, dass der Text des „Avis de Recherche“ (= Fahndungsausschreibung) in der Formulierung von analogen Schriftstücken (= Haftbefehl), die der Dolmetsch- und Übersetzungsdienst des Bundeskriminalamtes in der Vergangenheit von Gerichten in XXXX erhalten habe, zum Teil abweiche. Manche Standardfloskeln würden im vorliegenden Fall nicht genau, sondern sinngemäß formuliert werden. Der Text weise zahlreiche Tipp – oder Rechtschreibfehler auf. So finde sich darin die Passage „Au nom du peuple Guinene“, richtig wäre aber „Guineen“. Bindestriche befänden sich an falscher Stelle und Buchstaben würden fehlen oder vertauscht sein. Ferner enthalte das Dokument Grammatikfehler. Beispielsweise müsse die Phrase „réquerons tous dépositaire“ richtig „tous dépositaires“ lauten. Einige der verwendeten Ausdrücke seien unüblich, möglicherweise sogar falsch. Die Formulierung der Sachverhaltsdarstellung entspreche eher dem mündlichen Sprachverkehr, nicht einem behördlichen Dokument. So seien zur Satztrennung fast ausschließlich Beistriche anstatt von Punkten gesetzt worden. Im ersten Satz der Sachverhaltsdarstellung gebe es einen Nebensatz, der keinen Bezug zum restlichen Satz aufweise und in der vorhandenen deutschen Übersetzung weggelassen worden sei.

Diese Stellungnahme wurde dem Wiederaufnahmewerber mit Verfahrensanordnung vom 06.02.2020 zur weiteren Stellungnahme binnen zwei Wochen übermittelt.

2.7. Mit Stellungnahme vom 20.02.2020 brachte der Wiederaufnahmewerber im Wege seines rechtsfreundlichen Vertreters vor, zum Beweis dafür, dass das verfahrensgegenständliche Dokument (Fahndungsaufruf vom XXXX 03.2014 und Darstellung der Tatbestände vom XXXX 03.2014) echt und richtig sei, werde das beigelegte Schreiben des Rechtsanwalts XXXX vom 31.01.2020 samt Übersetzung aus dem Französischen in Vorlage gebracht. Hinsichtlich der Stellungnahme des Referats für Urkunden und Handschriften des Bundeskriminalamtes werde zunächst auf die Ausführungen im Schriftsatz vom 13.12.2019 verwiesen und weiter festgehalten, dass die darin geltend gemachten Bedenken an der Richtigkeit und Schlüssigkeit der urkundentechnischen Beurteilung des Bundeskriminalamtes durch die Stellungnahme vom 04.02.2020 nicht entkräftet werden könnten, da das Bundeskriminalamt über kein Vergleichsmaterial oder sonstige Informationen verfüge. Der Verweis des Sachbearbeiters auf jahrzehntelange Erfahrungen durch kriminaltechnische Untersuchungen von tausenden Urkunden und Stempelabdrucken sei pauschal gehalten und könne eine konkrete und nachvollziehbare gutachterliche Begründung nicht ersetzen. Es ergehe daher die Anfrage an den Sachbearbeiter des Bundeskriminalamtes, ob er sich auf konkrete Erfahrungen betreffend aus Guinea stammende Urkunden und Stempelabdrucke berufen könne. Zudem sei zu klären, wann derartige Untersuchungen von Urkunden aus Guinea zuletzt durchgeführt worden seien, wie häufig diese erfolgen würden und welche konkreten Erfahrungen der Sachbearbeiter in Zusammenhang mit aus Guinea stammenden Urkunden und Stempelabdrucken habe. Der Wiederaufnahmewerber berufe sich in diesem Zusammenhang erneut auf die mit der Stellungnahme vom XXXX 12.2019 vorgelegten Urkunden aus Guinea. Diese Urkunden würden sich in ihrem äußeren Erscheinungsbild nicht von den wiederaufnahmegegenständlichen Urkunden unterscheiden und würden entsprechende Apostillen bzw. Überbeglaubigungen durch das Außenministerium der Republik Guinea, das Ministerium für äußere Angelegenheiten der Republik Guinea und der Österreichischen Botschaft Dakar aufweisen. Es könne nicht angenommen werden, dass diese Beglaubigungen sowie amtliche Echtheitsbestätigungen ausgestellt worden wären, wenn es sich um gefälschte oder verfälschte Urkunden handeln würde, die nicht von den auf den einzelnen Urkunden ausgewiesenen Urkundenaussteller stammen würden. Die Originale könnten nach Aufforderung des Bundesverwaltungsgerichtes in Vorlage gebracht werden. Zumindest im Zweifel müsse von der Echtheit und Richtigkeit der wiederaufnahmegegenständlichen Urkunden ausgegangen werden, sodass die Wiederaufnahme zu bewilligen sei. Weitere Ermittlungen, insbesondere die gebotenen Auslandserhebungen, seien im wieder aufgenommenen Verfahren durchzuführen, was bereits aus Rechtsschutzgründen unumgänglich erscheine.

3. Gegenständliches Verfahren über den (zweiten) Antrag auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis vom 04.04.2019 rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens vom 20.02.2020:

3.1. Mit Schriftsatz vom 20.02.2020 wurde gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG ein weiterer Antrag auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis vom 04.04.2019 rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens gestellt.

Zur Begründung des Antrags wurde ein Schreiben des in Guinea niedergelassenen Rechtsanwalts XXXX vom 31.01.2020, welches sich an den im gegenständlichen Verfahren ausgewiesenen rechtsfreundlichen Vertreter des Wiederaufnahmewerbers richtet, in französischer Sprache sowie in deutscher Übersetzung (in Kopie) vorgelegt. Dem Schreiben ist zusammengefasst zu entnehmen, dass der Wiederaufnahmewerber seit 10.10.2019 Mandant des Verfassers sei. Gegen den Wiederaufnahmewerber sei eine Rechtsverfolgung wegen Mordes und illegalen Besitzes von Kriegswaffen eingeleitet worden. Nachdem er vorgeladen worden sei, habe er die Flucht ergriffen. Das zentrale Kommissariat von XXXX habe das Verfahren an das Gericht weitergeleitet, woraufhin der Untersuchungsrichter XXXX eine Fahndung gegen den Wiederaufnahmewerber veranlasst habe. Im Fall der Rückkehr nach Guinea würde der Wiederaufnahmewerber umgehend in das Maison Central gebracht werden, bis im Gerichtsverfahren ein Urteil erlassen werde, wobei mit einer Verfahrensdauer von rund vier Jahren zu rechnen sei. Ihm drohe eine äußerst lange Haftstrafe, die bis zu lebenslanger Haft reichen könne. Rechtsanwalt XXXX , der Verfasser des Schreibens, habe den Akt des Wiederaufnahmewerbers einsehen wollen und habe sich zu diesem Zweck mehrfach mit dem zuständigen Untersuchungsrichter getroffen; dies jedoch vergeblich. Die Familie des Wiederaufnahmewerbers würde überdies unablässig unangekündigten Besuch von den Ordnungskräften erhalten, weil diese gehört hätten, dass er zurückgekehrt sei. Seine Familie sei traumatisiert und werde verfolgt. Insbesondere seine Schwester und seine Tante würden den Rechtsanwalt immer wieder anrufen. Ergänzend wurde auf die allgemein schlechte menschenrechtliche Lage sowie die angespannte politische Situation in Guinea hingewiesen.

Zur Begründung des Antrags wurde im Schriftsatz zunächst auf das Vorbringen im Wiederaufnahmeantrag vom 28.10.2019 verwiesen und ergänzend ausgeführt, der rechtsfreundliche Vertreter des Wiederaufnahmewerbers habe mit Schreiben vom 19.12.2019 den Rechtsanwalt XXXX um Rechtshilfe ersucht, da im Verfahren über den ersten Antrag die Echtheit und Richtigkeit der dort vorgelegten, wiederaufnahmegegenständlichen Urkunden angezweifelt werde. Der Rechtsanwalt XXXX habe nunmehr mit Schreiben vom 31.01.2020, welches bisher nicht in Papierform übermittelt werden habe können, geantwortet. Da der Brief in französischer Sprache verfasst sei, sei eine Übersetzung eingeholt worden, welche am 12.02.2020 der Ehefrau des Wiederaufnahmewerbers übermittelt worden sei. Da in Österreich die Amtssprache Deutsch sei, sei eine Übersetzung erforderlich gewesen. Die Frist zur Einbringung des verfahrensgegenständlichen Antrags sei daher gewahrt worden und habe frühestens am 12.02.2020 zu laufen begonnen. Der Antrag sei auch begründet, da sich aus dem Schreiben weitere Anhaltspunkte dafür ergeben würden, dass der Wiederaufnahmewerber tatsächlich in Guinea wegen des Verdachts des Mordes und des illegalen Besitzes von Kriegswaffen strafrechtlich verfolgt werde, gegen ihn ein Strafverfahren eingeleitet worden sei und er in diesem Verfahren vorgeladen werden hätte sollen, woraufhin er die Flucht ergriffen habe. In der Folge wurde der Inhalt des Schreibens zusammengefasst wiedergegeben.

Ergänzend wurde darauf hingewiesen, dass die den Wiederaufnahmeanträgen zugrundeliegenden Urkunden vor dem Hintergrund des im Asylverfahren vorgelegten Zeitungsberichtes (vgl. AS 123 sowie Übersetzung AS 125 im Verwaltungsakt des Erstverfahrens) gesehen werden müssten. Demnach habe in der Nacht von Freitag auf Samstag, den XXXX 03.2014, im Camp XXXX ein Vorfall stattgefunden, bei welchem der Stabsgefreite XXXX , der damals Nachtwache am Markt XXXX gehalten habe, erschossen worden sei. Im Zeitungsbericht finde sich auch ein Hinweis darauf, dass am XXXX 12.2013 während der Zusammenstöße zwischen jungen Demonstranten die Waffenkammer der Einheit ausgeraubt worden und eine große Menge von Waffen von Unbekannten mitgenommen worden sei (vgl. AS 127). Ferner stehe nach wie vor der Verdacht im Raum, der Wiederaufnahmewerber habe falsche Angaben zu seinem Geburtsdatum gemacht und sei die im Original vorliegende Geburtsurkunde gleichfalls inhaltlich verfälscht. Der Wiederaufnahmewerber bestreite die Richtigkeit der medizinischen Altersfeststellung und beantrage die Überprüfung derselben. Ferner werde beantragt, das gegenständliche Verfahren mit dem Verfahren über den ersten Wiederaufnahmeantrag vom 28.10.2019 zu verbinden.

Ergänzend wurden dem Antrag folgende Unterlagen (in Kopie) in Vorlage beigelegt:

?        E-Mail vom 12.02.2020 von Mag. XXXX (= nunmehrige Ehegattin des Wiederaufnahmewerbers), mit welchem die Übersetzung des wiederaufnahmegegenständlichen Schreibens dem rechtsfreundlichen Vertreter des Wiederaufnahmewerbers übermittelt wurde und

?        Schriftsatz vom 19.12.2019, mit welchem der rechtsfreundliche Vertreter des Wiederaufnahmewerbers Rechtsanwalt XXXX um Rechtshilfe ersucht und in dem zusammengefasst ausgeführt wird, dass sowohl vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als auch vom Bundesverwaltungsgericht die Echtheit und Richtigkeit der von XXXX beigebrachten Urkunden bezweifeln wird; daher wird Rechtshilfe benötigt, um beweisen zu können, dass die Vermutung des Bundesamtes sowie des Bundesverwaltungsgerichtes falsch ist und der Wiederaufnahmewerber tatsächlich in Guinea verfolgt wird

3.2. Mit Schriftsatz vom 24.02.2020 wurde darauf hingewiesen, dass sich das Original des Schreibens des Rechtsanwaltes XXXX vom 31.01.2020 nunmehr im Handakt des rechtsfreundlichen Vertreters befinde und auf Wunsch vorgelegt werden könne. Mit dem Schriftsatz wurde eine Kopie des Way-Bills der DHL-Sendung, mit welchem das Schreiben dem Wiederaufnahmewerber zugestellt wurde, in Vorlage gebracht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Wiederaufnahmewerber, ein Staatsangehöriger von Guinea, stellte am 30.03.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.05.2016 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wurde. Ferner wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und die Abschiebung nach Guinea für zulässig erklärt. Die Frist zur freiwilligen Ausreise wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt.

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.04.2019 als unbegründet abgewiesen. Das Erkenntnis wurde dem Beschwerdeführer am 05.04.2019 im Wege seiner (damaligen) Vertretung im elektronischen Rechtsverkehr zugestellt. Die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde wurde mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 23.09.2019 abgelehnt. Die gegen den die Rückkehrentscheidung betreffenden Teil des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes erhobene außerordentliche Revision wurde ferner mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 12.12.2019 zurückgewiesen.

Am 28.10.2019 stellte der Wiederaufnahmewerber einen Antrag auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis vom 04.04.2019 rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens über seinen Antrag auf internationalen Schutz wegen neu hervorgekommener Beweismittel und brachte einen Fahndungsaufruf („Avis de recherche“) sowie eine Darstellung der Tatbestände („Les faits“), jeweils datiert mit XXXX 03.2014, in Vorlage. Diese Urkunden sind nicht als echt zu qualifizieren.

Am 20.02.2020 stellte der Beschwerdeführer den zweiten Antrag auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis vom 04.04.2019 rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens über seinen Antrag auf internationalen Schutz wegen neu hervorgekommener Beweismittel und legte ein Schreiben seines in Guinea niedergelassenen Rechtsanwaltes XXXX vom 31.01.2020 vor. Der Rechtsanwalt XXXX vertritt den Wiederaufnahmewerber seit 10.10.2019 rechtsfreundlich. Er hat keine persönlichen Wahrnehmungen zu den behaupteten Ereignissen im Jahr 2014, welche zur endgültigen Ausreise des Wiederaufnahmewerbers aus dem Herkunftsstaat geführt haben sollen.

Weder das Schreiben des Rechtsanwaltes XXXX vom 31.01.2020 noch der Fahndungsaufruf samt Darstellung der Tatbestände vom XXXX 03.2014 ist geeignet, voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeizuführen.

Zudem wäre es dem Wiederaufnahmewerber bereits während des Verfahrens über seinen Antrag auf internationalen Schutz möglich gewesen, zu seinen Angehörigen oder zu Bekannten im Herkunftsstaat Kontakt aufzunehmen und mithilfe von Bekannten und/oder Angehörigen einen in seinem Herkunftsstaat niedergelassenen Rechtsanwalt mit der Beibringung von gerichtlichen Unterlagen sowie mit dem Verfassen einer Stellungnahme zu beauftragen sowie die entsprechenden Unterlagen im Verfahren über seinen Antrag auf internationalen Schutz vorzulegen.

2. Beweiswürdigung

2.1. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, zur Stellung des Antrags auf internationalen Schutz, zum rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren über diesen Antrag ergeben sich aus dem diesbezüglichen Gerichtsakt, W235 2128259-1, aus dem Verwaltungsakt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (VZ 14498688, IFA 1009285300) sowie aus dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.04.2019, Zl. W235 2128259-1/16E. Die Feststellung zur rechtswirksamen Zustellung stützt sich ebenso auf den Akteninhalt (vgl. Akteninhalt des Erstverfahrens, Protokoll: 2128259-1/16E). Die weiteren Feststellungen, insbesondere zu den bestätigenden Entscheidungen der Höchstgerichte, gründen auf dem Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 23.09.2019, E 1789/2019-9, und auf dem jenem des Verwaltungsgerichtshofes vom 12.12.2019, Ra 2019/14/0242-11.

Ferner beruhen die Feststellungen zu den verfahrensgegenständlichen Anträgen sowie zur Vorlage der wiederaufnahmegegenständlichen Urkunden auf dem unbestrittenen Inhalt der Gerichtsakten zu den Zln. W235 2128259-2 und W235 2128259-3.

2.2. Im gegenständlichen Fall können die wiederaufnahmegegenständlichen Urkunden des Berufungsgerichts XXXX , konkret der Fahndungsaufruf („Avis de recherche“) sowie die Darstellung der Tatbestände („Les faits“), welche jeweils am XXXX 03.2014 vom Untersuchungsrichter XXXX des Berufungsgerichtes XXXX ausgestellt worden sein sollen, nicht als echt qualifiziert werden. Dies aus nachstehenden Gründen:

Dem im gegenständlichen Verfahren amtswegig eingeholten urkundentechnischen Untersuchungsbericht ist zusammengefasst zu entnehmen, dass zu den aufgebrachten Nassstempelabdrucken auf beiden Schriftstücken entsprechendes authentisches Schriftmaterial fehlt. Allerdings hat die kriminaltechnische Untersuchung ergeben, dass die Urkunden technische Ungereimtheiten aufweisen, da die auf den Urkunden angebrachten Nassstempelabdrucke ein unregelmäßiges Erscheinungsbild in der Anordnung der ellipsenförmigen Linien und aufgebrachten Buchstaben aufweisen und der Abstand der ellipsenförmigen Linien zueinander unregelmäßig ist. Die Anordnung der Buchstaben ist demnach nicht, wie von einem professionellen Stempelhersteller zu erwarten wäre, zur Ellipsenachse bzw. zum Ellipsenmittelpunkt ausgerichtet. Unvollständige Buchstabenabdrucke in einer Wortgruppe weisen auf nicht gleiche Buchstabenhöhen hin. Das gesamte Erscheinungsbild der Abdrucke weist nach den Ausführungen des Bundeskriminalamtes auf eine nachgeahmte Stempelplatte, wie es bei einem sogenannten „Setzkastensystem“ entsteht, hin. Eine Anfrage über die Authentizität der Abdrucke und der Unterschrift bei der ausstellenden Stelle wurde daher empfohlen. Abschließend folgerte das Bundeskriminalamt, dass über die Authentizität des fraglichen Formularvordrucks nicht entschieden werden kann. Unter Berücksichtigung des derzeitigen Kenntnisstandes haben die urkundentechnischen Untersuchungen das Vorliegen einer falschen Urkunde ergeben, da das Dokument von nicht zur Ausstellung autorisierter Stelle ausgegeben wurde.

Wenn vom Wiederaufnahmewerber in der Stellungnahme vom 13.12.2019 ausgeführt wird, die Stempel hätten entgegen den Ausführungen des Bundeskriminalamtes ein regelmäßiges, übliches Erscheinungsbild und könnten Unregelmäßigkeiten auch mit Abnützungserscheinungen erklärt werden, ist festzuhalten, dass er den Untersuchungsergebnissen nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten ist.

Seinen Ausführungen ist jedoch insoweit zuzustimmen, als aus dem kriminaltechnischen Untersuchungsbericht nicht hervorgeht, aus welchem Grund einerseits eine Anfrage über die Authentizität der Abdrucke und der Unterschriften der jeweils ausstellenden Beamten empfohlen wird, andererseits jedoch gefolgert wird, dass die beiden Dokumente von einer nicht autorisierten Stelle ausgestellt wurden. Folglich wurde zu dieser Frage eine ergänzende Stellungnahme des Bundeskriminalamtes eingeholt und wurde um Klarstellung ersucht, wie das Bundeskriminalamt zu dem Schluss gekommen ist, dass die Dokumente von einer nicht zur Ausstellung autorisierten Stelle stammen.

In der ergänzenden Stellungnahme vom 04.02.2020 führte das Bundeskriminalamt diesbezüglich aus, dass weder zum Formular (Bedruckstoff) noch zum Formularvordruck oder zu den Ausstellungsmodalitäten Vergleichsmaterial oder Informationen vorlägen. Aufgrund der jahrelangen Erfahrung sei jedoch festzuhalten, dass Staaten großen Wert auf die genaue und präzise Herstellung von Stempelplatten legen würden. Dem Sachbearbeiter sei kein Land bekannt, welches unter normalen Umständen Behörden-Stempelplatten, die aus Setzkasten-Produkten entstanden seien, verwendet hätte. Die kriminaltechnischen Untersuchungen der Stempelabdrucke habe ergeben, dass sehr wahrscheinlich eine „nicht autorisierte Ausstellung“ vorliege. Eine Anfrage bei der ausstellenden Behörde sei empfohlen worden, um eventuelle Zweifel an den Erkenntnissen des Sachbearbeiters zu verifizieren oder zu widerlegen. Ferner wurde darauf hingewiesen, dass weitere Umstände des Falls, wie beispielsweise Angaben des Wiederaufnahmewerbers, welche der Behörde nicht bekannt seien, jedoch Hinweise enthalten könnten, die entgegen der technischen Beurteilung Anhaltspunkte für eine autorisierte Ausstellung der Urkunden liefern könnten, nicht bekannt seien.

Ergänzend wurde in der Stellungnahme vom 04.02.2020 auf das Ergebnis einer Recherche beim Dolmetsch- und Übersetzungsdienst des Bundeskriminalamtes hingewiesen. Aus den diesbezüglichen Ausführungen geht hervor, dass der Fahndungsaufruf und die Darstellung der Tatbestände gravierende sprachliche Mängel aufweisen. Auffällig sind die Tipp- bzw. Rechtschreibfehler sowie die Grammatikfehler im Fahndungsaufruf. So findet sich darin die Phrase „AU NOM DU PEUPLE GUINENE“, während tatsächlich „AU NOM DU PEUPLE GUINEEN“ korrekt wäre. Ferner müsste der Text grammatikalisch richtig „tous dépositaires“, nicht - wie im Fahndungsaufruf angeführt - „tous dépositaire“, lauten. Auch in der vom Wiederaufnahmewerber vorgelegten deutschen Übersetzung des Fahndungsaufrufes findet sich in Bezug auf den Vorwurf des illegalen Besitzes von Kriegswaffen und Munition ein Hinweis auf einen Tipp- bzw. Rechtschreibfehler im Original („détention illégale d’arme de guerre et de minutions“). Hinsichtlich der Darstellung der Tatbestände ist – wie vom Bundeskriminalamt in seiner Stellungnahme weiter aufgezeigt - festzuhalten, dass die Interpunktion keinem behördlichen Dokument entspricht, zumal die Sätze - nicht wie im Schriftverkehr üblich - durch Punkte, sondern beinahe ausschließlich durch Komma getrennt wurden.

Die Darstellung der Tatbestände weist zudem einen gravierenden inhaltlichen Mangel auf. So lautet der erste Satz des Dokumentes im französischen Original:

„Suites au décès du footballeur de l’équipe préfectorale XXXX , dans la nuit du au XXXX Décembre 2013, communément apllelé la gare routière de XXXX , les jeunes de la ville protestaient et cassaient les locaux de la Région de Gendarmerie Ville de XXXX […]“

In der nicht beglaubigten deutschen Übersetzung, die vom Beschwerdeführer vorgelegt wurde, lautet der Satz wie folgt:

„Nach dem Tod des Fußballspielers der Präfektur-Mannschaft, XXXX , in der Nacht auf den XXXX Dezember 2013 protestierten die Jugendlichen der Stadt und brachen die Räumlichkeiten der Gendarmerieregion XXXX “ auf.“

Der im Originalwortlaut hervorgehobene Nebensatz findet in der deutschen Übersetzung keine Erwähnung und wäre sinngemäß mit „allgemein bekannt als Busbahnhof [bzw. Bushaltestelle] von XXXX “ zu übersetzen. Der Nebensatz steht sohin mit den übrigen Satzteilen nicht in Zusammenhang und weist auch keinen Bezug zum sonstigen Inhalt der Urkunde auf.

Abgesehen von den im kriminaltechnischen Untersuchungsbericht aufgezeigten technischen Mängeln sowie den in der ergänzenden Stellungnahme des Bundeskriminalamtes aufgezeigten sprachlichen Unzulänglichkeiten, die vom Bundesverwaltungsgericht nachvollzogen werden können, ist im gegenständlichen Fall entscheidend, dass der Wiederaufnahmewerber keine nachvollziehbaren Angaben zu den Ausstellungsmodalitäten der Urkunden machen konnte. Im Antrag vom 28.10.2019 wies er explizit darauf hin, dass er nicht wisse, wie es der Rechtsanwalt XXXX zustande gebracht habe, die Aushändigung der wiederaufnahmegegenständlichen Urkunden vom Gericht bzw. vom zuständigen Richter zu erwirken. Nach Einholung des urkundentechnischen Untersuchungsberichtes ersuchte der Wiederaufnahmewerber im Wege seines ausgewiesenen rechtsfreundlichen Vertreters den in Guinea niedergelassenen Rechtsanwalt XXXX mit Schreiben vom 19.12.2019 um Rechtshilfe, da nach Ansicht des Wiederaufnahmewerbers das erkennende Gericht davon ausgehe, dass es sich um echte Urkunden falschen Inhalts handle (vgl. Akt W235 2128259-3, Beilage zum Antrag vom 20.02.2020). Nicht nachvollziehbar ist in diesem Zusammenhang insbesondere, dass dem Antwortschreiben, auf welches sich der zweite Antrag auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis vom 04.04.2019 rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens stützt, trotz dieses Ersuchens, keine näheren Ausführungen zu den Ausstellungsmodalitäten des Fahndungsaufrufs und der Darstellung der Tatbestände zu entnehmen sind. Vielmehr wirft das Schreiben des Rechtsanwalts XXXX vom 31.01.2020 weitere Fragen auf, wenn darin angeführt wird, Rechtsanwalt XXXX habe die Akten des Wiederaufnahmewerbers einsehen wollen und sich zu diesem Zweck mehrfach mit dem zuständigen Untersuchungsrichter getroffen; dies jedoch vergeblich. So ist nicht nachvollziehbar, wie es dem in Guinea niedergelassenen Rechtsanwalt einerseits möglich gewesen ist, die aus dem Jahr 2014 stammenden Dokumente im Original ausgefolgt zu bekommen und dem Wiederaufnahmewerber per Expresssendung zukommen zu lassen, während er andererseits selbst ausführt, ihm sei die Akteneinsicht mehrmals verweigert worden. Eine diesbezügliche Erklärung ist weder dem Schreiben von XXXX vom 31.01.2020 noch dem Vorbringen des Wiederaufnahmewerbers zu entnehmen.

Hinzuweisen ist ferner auf einen inhaltlichen Widerspruch zwischen dem Fahndungsaufruf einerseits und dem Schreiben des Rechtsanwaltes XXXX andererseits. Im Fahndungsaufruf ist lediglich vermerkt, der Wiederaufnahmewerber werde wegen des illegalen Besitzes von Kriegswaffen und Munition, des Diebstahls sowie der Zerstörung von Privatgebäuden gesucht. Demgegenüber führt der Rechtsanwalt XXXX in seinem Schreiben vom 31.01.2020 aus, der Wiederaufnahmewerber werde nicht nur des illegalen Besitzes von Kriegswaffen, sondern auch des Mordes beschuldigt.

Auffällig ist ferner, dass sich auch die Ausführungen in der Darstellung der Tatbestände in diesem Punkt als äußerst vage erweisen. Zunächst wird darin auf den Vorfall im Camp XXXX am XXXX 03.2014, bei welchem ein Soldat von Banditen getötet worden sein soll, hingewiesen. In weiterer Folge wird jedoch lediglich ausgeführt, der Wiederaufnahmewerber habe sehr viel mit den Jugendlichen der Stadt zu tun und sei in das Zentrum der Ermittlungen geraten. Der Darstellung der Tatbestände lässt sich sohin nicht zweifelsfrei entnehmen, ob der Beschwerdeführer in das Zentrum der Mordermittlungen gerückt ist oder ihm lediglich zur Last gelegt wird, die Waffen, welche im Dezember 2013 gestohlen wurden, an Banditen weitergegeben zu haben. Ausgehend davon, dass die Darstellung der Tatbe

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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