Entscheidungsdatum
23.10.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W109 2194934-1/27E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. BÜCHELE über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, vom 04.04.2018, Zl. XXXX - XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20.09.2020 und am 16.07.2020 zu Recht:
A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1., 57, 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, §§ 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, 46, 55 Abs. 1, 2 und 3 FPG als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Am 13.10.2015 stellte der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken, nach Einreise unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich erstmals im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.
Am 14.10.2015 gab der Beschwerdeführer im Rahmen der Erstbefragung im Wesentlichen an, er sei afghanischer Staatsangehöriger, in XXXX geboren, verheiratet und Vater einer Tochter. Seine Frau sei schwanger. Er habe neun Jahre die Schule besucht und acht Jahre als Polizist gearbeitet. Zum Fluchtgrund befragt führte er aus, er habe Afghanistan aus Angst vor den Taliban verlassen. Er sei aufgrund seiner Tätigkeit als Polizist schriftlich und telefonisch bedroht worden. Sie hätten von ihm verlangt, für sie zu arbeiten. Einmal hätten sie eine Botschaft über den Dorfvorsteher geschickt. Seine Probleme mit den Taliban hätten fünf bis sechs Monate vor der Ausreise begonnen. Aus Angst um sein Leben habe er Afghanistan verlassen.
Am 24.05.2017 führte der Beschwerdeführer in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu seinen Fluchtgründen auf das Wesentliche zusammengefasst aus, sein Cousin XXXX habe seinen Cousin XXXX für die Taliban rekrutieren wollen, das habe der Beschwerdeführer von XXXX erfahren. Er habe zehn bis 15 Tage später XXXX getroffen, er sei mit seinem Freund XXXX unterwegs gewesen. Er habe XXXX gefragt, warum er junge Leute für die Taliban mitnehme, dieser habe das jedoch abgestritten. Dann hätten XXXX und XXXX gestritten und XXXX sei an Kopf und Nase verletzt worden und habe ihnen vorgeworfen, dass sie für die Regierung arbeiten würden. Dann hätten sie ihre Kollegen gerufen, die 30 bis 40 Minuten später gekommen seien. XXXX sei mitgenommen worden und drei Jahre im Gefängnis gewesen. Die Dorfältesten hätten sie angerufen, dass XXXX freigelassen werde und der Beschwerdeführer auf sich aufpassen solle, weil er damals als Zeuge gegen ihn ausgesagt habe. XXXX habe ihn angerufen und ihm die Schuld gegeben, dass er ins Gefängnis habe müssen. Er solle mit ihm zusammenarbeiten, dann würde er ihm verzeihen. Ansonsten würde er ihn umbringen. Er habe daraufhin das Telefon ausgeschaltet und die Telefonnummer nicht mehr benützt. 20 Tage später habe er einen Drohbrief erhalten, sein Bruder habe Bescheid gesagt, er solle aufpassen. Er habe Angst gehabt, er sei zwei Mal bedroht worden und habe nicht bewusst, was er tun solle. Er habe dem Polizeidienst nicht einfach so fernbleiben können. XXXX habe ihm Geld und Autos geboten, damit er mit ihm zusammenarbeite. Er sei dann noch 45 Tage in Kabul geblieben. In der letzten Nacht sei seine Familie gekommen, so hätten sie sich verabschieden können.
2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 04.04.2018, zugestellt am 10.04.2018, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.), erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.). Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei als Person unglaubwürdig. Abgesehen davon sei auch das Vorbringen unglaubwürdig, die Ausführungen seien in höchstem Maße vage, widersprüchlich und in keiner Weise plausibel. Es sei amtsbekannt, dass die Taliban keine Drohbriefe verwenden würden. Dass die Taliban anstatt des Mondkalenders den Shamsi Kalender verwendet hätten, bestätige diese Einschätzung. Der Vordruck sei der Behörde bekannt und bereits sehr oft in Asylverfahren vorgelegt worden. Der Beschwerdeführer habe in der Einvernahme mit keinem Wort erwähnt, was in dem Brief stehe. Dessen Inhalt sei völlig vage und ungenügend, um Sinn zu ergeben. Die Schilderung des Beschwerdeführers sei völlig unklar, vage und widersprüchlich. Der Beschwerdeführer könne nach Kabul zurückkehren.
3. Am 02.05.2018 langte die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den oben dargestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl bei der belangten Behörde ein, in der im Wesentlichen ausgeführt wird, das Ermittlungsverfahren sei mangelhaft. Die Länderfeststellungen seien mangelhaft, unvollständig und veraltet. Die Beweiswürdigung sei mangelhaft. Der Beschwerdeführer sei als Polizist tätig gewesen und bereits ins Visier der Taliban geraten, er werde aufgrund seiner (ihm unterstellten) politischen Gesinnung verfolgt. Außerdem werde ihm unterstellt, mit den Amerikanern zusammenzuarbeiten. Es werde ihm Ungläubigkeit vorgeworfen, weil er sich geweigert habe, mit den Taliban zusammenzuarbeiten. Außerdem werde ihm bei seiner Rückkehr aus einem westlich orientierten Land und weil er einen modernen und freizügigen Lebensstil verinnerlicht habe, Ungläubigkeit unterstellt. Zudem gehöre er zur Risikogruppe der wehrfähigen Männer und sei ihm aufgrund der Zugehörigkeit zu dieser sozialen Gruppe der Status des Asylberechtigten zuzusprechen. Staatlicher Schutz bestehe nicht. Die Sicherheitslage sei instabil, eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht zumutbar.
Am 20.09.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, sein bevollmächtigter Rechtsvertreter, ein länderkundlicher Sachverständiger und ein Dolmetscher für die Sprache Dari teilnahmen. Die belangte Behörde nahm nicht an der Verhandlung teil. Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurde XXXX zum Sachverständigen zur Erstellung eines Gutachtens zur Plausibilitätsprüfung des Fluchtvorbringens bestellt.
In der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt und er hielt sein Vorbringen, er werde im Herkunftsstaat von den Taliban verfolgt, weil er als Polizist gearbeitet und die Zusammenarbeit abgelehnt habe, im Wesentlichen aufrecht.
Am 05.01.2020 langte das Gutachten von XXXX am Bundesverwaltungsgericht ein.
Am 16.07.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht erneut eine mündliche Verhandlung durch, in der dem Beschwerdeführer das am 05.01.2020 eingelangte Gutachten zur Kenntnis gebracht und ihm die Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde.
Mit Schreiben vom 17.09.2020 brachte das Bundesverwaltungsgericht aktuelle Länderberichte ein und gab dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde die Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Stellungnahme des Beschwerdeführers langte am 02.10.2020 am Bundesverwaltungsgericht ein und führt aus, das genaue Ausmaß der COVID-19-Pandemie in Afghanistan sei unbekannt, aufgrund der begrenzten Ressourcen des öffentlichen Gesundheitswesens und der Testkapazitäten sowie des Fehlens eines nationalen Sterberegisters sei jedoch davon auszugehen, dass die tatsächlichen weitaus höher seien, als die offiziellen Zahlen. Es sei davon auszugehen, dass die Kapazitäten nicht ausreichen, sich der Beschwerdeführer mit COVID-19 anstecken und im Falle eines schweren Verlaufes nicht adäquat behandelt werden könne. Wirksame Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie seien nicht möglich, was zur unkontrollierten Verbreitung der Pandemie beitrage. Die Preise für Grundnahrungsmittel seien signifikant angestiegen, die Nachfrage nach unangelernten Tagelöhnern sei eingebrochen. Es sei daher davon auszugehen, dass Rückkehrer ohne starkes soziales Netzwerk keine Lebensgrundlage vorfinden würden. Die Wohnsituation für Rückkehrer sei prekär. Eine innerstaatliche Fluchtalternative sei, nachdem der Beschwerdeführer in Kabul verfolgt werde und dorthin nicht zurückkehren könne, nicht zumutbar. Beantragt wurde zudem die Einholung eines Gutachtens der länderkundigen Sachverständigen für Afghanistan XXXX zum Beweis dafür, dass der Beschwerdeführer in den Städten Kabul, Mazar-e Sharif und Herat aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Situation und Versorgungslage, insbesondere unter Berücksichtigung der durch die COVID-19-Pandemie verursachten Maßnahmen und Lageveränderungen keine Möglichkeit habe, am wirtschaftlichen Leben teilzunehmen, eine Unterkunft mit Zugang zu ausreichenden hygienischen Sanitäranlagen und eine Beschäftigungsmöglichkeit zu finden.
Mit Urteil des Landesgericht Feldkirch vom 21.09.2020, XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 207a Abs. 1 Z 2 fünfter Fall und Abs. 3 zweiter Satz, zweiter Fall StGB zu einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen verurteilt. Ein Teil der Geldstrafe im Ausmaß von 120 Tagessätzen wurde unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.
Der Beschwerdeführer legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:
? Tazkira des Beschwerdeführers samt Übersetzung
? Tazkira der Ehefrau des Beschwerdeführers samt Übersetzung
? Tazkira der Tochter des Beschwerdeführers samt Übersetzung
? Heiratsurkunde samt Übersetzung
? Polizeiausweis im Original
? Diverse Zertifikate im Original
? Wahlausweis
? Vereinsmitgliedskarte
? „Drohbrief“ der Taliban samt Übersetzung
? Diverse Fotos
? Mehrere Empfehlungsschreiben
? Bestätigung über gemeinnützige Arbeit
? Deutschkursbestätigungen
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zu Person und Lebensumständen Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, wurde im Jahr XXXX geboren und ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan und Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken. Er bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari. Er spricht auch Paschtu.
Der Beschwerdeführer ist gesund.
Mit Urteil des Landesgericht Feldkirch vom 21.09.2020, XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 207a Abs. 1 Z 2 fünfter Fall und Abs. 3 zweiter Satz, zweiter Fall StGB zu einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen verurteilt. Ein Teil der Geldstrafe im Ausmaß von 120 Tagessätzen wurde unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.
Der Beschwerdeführer stammt aus Kabul, Distrikt XXXX . Er hat im Herkunftsstaat neun Jahr die Schule besucht. Nach zweimonatiger Ausbildung arbeitete der Beschwerdeführer acht Jahre als Polizist in Kabul. Der Beschwerdeführer ist verheiratet.
Die Familie des Beschwerdeführers, bestehend aus seiner Ehefrau und zwei Töchtern, lebt nach wie vor im Herkunftsdistrikt im eigenen Haus der Familie. Dort leben auch die Mutter des Beschwerdeführers, seine drei Brüder und seine Schwester. Der Beschwerdeführer steht in Kontakt zu seiner Familie.
Der Vater des Beschwerdeführers ist vor etwa 25 Jahren an Krebs verstorben. Er war von Beruf Bäcker. Die Familie des Beschwerdeführers besitzt und betreibt noch dessen Bäckerei in Kabul im Herkunftsdistrikt.
Der Beschwerdeführer hält sich seit seiner Einreise im Oktober 2015 durchgehend im Bundesgebiet auf. Er hat einige Deutschkurse besucht und gemeinnützige Arbeit geleistet. Der Beschwerdeführer bezieht Grundversorgung.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer war im Herkunftsstaat acht Jahre als Polizist in Kabul (Stadt) tätig und arbeitete hauptsächlich als Bodyguard für einen Kommandanten. Diesen begleitete er im Dienst und bei Einsätzen. Hierbei war er auch an der Polizeiarbeit beteiligt und führte etwa Festnahmen durch.
Es wird nicht festgestellt, dass der Beschwerdeführer von seinem Cousin mütterlicherseits bedroht und aufgefordert wurde, sich den Taliban anzuschließen, weil er in dessen Verhaftung durch die afghanische Polizei involviert war.
Dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in den Herkunftsdistrikt Rachehandlungen von Seiten eines Cousins mütterlicherseits ausgesetzt wäre, wird nicht festgestellt.
Dem Beschwerdeführer droht im Fall der Rückkehr in den Herkunftsdistrikt nicht die Gefahr, dass er wegen seiner Tätigkeit für die afghanische Polizei in der Vergangenheit zum Opfer eines Übergriffes der Taliban wird.
Dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat von Zwangsrekrutierung durch die Taliban betroffen wäre, ist nicht zu erwarten.
Es ist auch nicht zu erwarten, dass ihm wegen seiner Rückkehr aus einem „westlichen“ Land Ungläubigkeit unterstellt würde und ihm deshalb Übergriffe drohen.
1. 3. Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat
Afghanistan ist von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt zwischen der afghanischen Regierung und Aufständischen betroffen. Die Betroffenheit von Kampfhandlungen sowie deren Auswirkungen für die Zivilbevölkerung sind regional unterschiedlich.
Afghanistan ist von der COVID-19-Pandemie betroffen, dies gilt insbesondere für Kabul. Es gibt landesweit Beschränkungen von Mobilität, sozialen und geschäftlichen Aktivitäten sowie Regierungsdiensten. In größeren Städten wird auf die Einhaltung der Maßnahmen stärker geachtet. Der Flugverkehr wurde, wenn auch eingeschränkt, wiederaufgenommen. Der Verkehr in den Städten hat sich wieder normalisiert, Restaurants und Parks sind wieder geöffnet. Die Nahrungsmittelpreise steigen, aufgrund der Maßnahmen gibt es weniger Gelegenheitsarbeit. Der Ausbruch der COVID-19-Pandemie hat negative Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung, was zu einer Verschärfung von Armut und einem Rückgang der Staatseinnahmen führt.
Das afghanische Gesundheitssystem ist mangelhaft, der überwiegende Anteil der Bevölkerung hat jedoch Zugang zu grundlegender Gesundheitsversorgung. Die medizinische Versorgung ist in großen Städten und auf Provinzebene sichergestellt. Die Verfügbarkeit und Qualität der Grundbehandlung ist durch Mangel an gut ausgebildetem Personal, mangelnde Verfügbarkeit von Medikamenten, schlechtes Management sowie schlechte Infrastruktur begrenzt. In Distrikten mit guter Sicherheitslage werden in der Regel mehr und bessere Leistungen angeboten. Die Behandlungskosten sind hoch.
Die Hauptstadt Kabul steht unter der Kontrolle der afghanischen Regierung. Es kommt allerdings in der Hauptstadtregion weiterhin zu Anschlägen Aufständischer auf hochrangige Ziele. Hauptursache für Opfer sind Selbstmordanschläge und komplexe Angriffe, improvisierte Sprengkörper und gezielte Tötungen.
Kabul verfügt über einen internationalen Flughafen, über den die Stadt sicher erreicht werden kann.
Der Distrikt Bagrami grenzt unmittelbar an Kabul (Stadt), steht unter Kontrolle der Regierung und war zuletzt nicht von Sicherheitsvorfällen betroffen.
Es ist nicht wahrscheinlich, dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsdistrikt im Zuge von Kampfhandlungen zwischen regierungsfeindlichen Gruppierungen und Streitkräften der Regierung oder durch Übergriffe von regierungsfeindlichen Gruppierungen gegen die Zivilbevölkerung zu Tode kommt oder misshandelt oder verletzt wird. Der Beschwerdeführer kann den Herkunftsdistrikt von Kabul (Stadt) aus sicher erreichen.
Im Fall einer Rückkehr in den Herkunftsdistrikt ist zu erwarten, dass der Beschwerdeführer sich eine Lebensgrundlage wird aufbauen können. Seine medizinische Versorgung ist gewährleistet.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers
Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers, seiner Staatsangehörigkeit, seiner Volksgruppenzugehörigkeit, seiner Muttersprache, seinen sonstigen Sprachkenntnissen, seiner Herkunft und seinen Lebensumständen ergeben sich aus seinen gleichbleibenden und plausiblen Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie vor dem Bundesverwaltungsgericht. Der Beschwerdeführer hat zudem seine Tazkira im Original und diverse andere Dokumente vorgelegt. Weiter ergaben sich auch im Zuge der vom Bundesverwaltungsgericht beauftragten Erhebung im Herkunftsstaat keine Zweifel an den diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers. Die Ausführungen der belangten Behörde zur Tazkira des Beschwerdeführers erweisen sich dagegen als nicht nachvollziehbar. So spekuliert die Behörde ohne Grundlage darüber, dass der Stempel niemals von einer Behörde stammen könne und hält dem Beschwerdeführer konstruierte Widersprüche im Hinblick auf sein Geburtsjahr, das Alter seiner Tochter, sowie seinen Lebenswandel vor. Gleichzeitig und im Übrigen widersprüchlich zur Behauptung, die Tazkira sei gefälscht, führt die belangte Behörde aus, das Ausstellungsdatum der Tazkira lasse erkennen, dass der Beschwerdeführer seine Ausreise vorbereitet habe und nicht geflohen sei. Damit ist offenkundig, dass die Ausführungen der Behörde lediglich darauf abzielen, eine „persönliche Unglaubwürdigkeit“ des Beschwerdeführers zu konstruieren. Dieser Eindruck wird im Übrigen vom unsachlichen Stil der Beweiswürdigung zum Fluchtvorbringen verstärkt. Im Ergebnis sind die Zweifel der belangten Behörde an der Identität des Beschwerdeführers und seinen Angaben zu seinen Lebens- und Familienverhältnissen nicht nachvollziehbar.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer gesund ist, ergibt sich daraus, dass im Lauf des Verfahrens kein anderslautendes Vorbringen erstattet und auch keine medizinischen Unterlagen vorgelegt wurden, die eine gesundheitliche Beeinträchtigung oder Erkrankung des Beschwerdeführers nachweisen würden.
Die Feststellungen zur strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers beruhen auf der im Akt einliegenden gekürzten Urteilsausfertigung des Landesgerichts Feldkirch (OZ 25).
Im Hinblick auf die festgestellte Tätigkeit des Beschwerdeführers als Polizist wird auf die Beweiswürdigung zum Fluchtvorbringen verwiesen.
Die Feststellungen zum Verbleib der Angehörigen des Beschwerdeführers beruhen auf seinen Angaben im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 20.09.2019 (OZ 7, S. 6), die im Zuge der Erhebung im Herkunftsstaat ebenso bestätigt wurden. Dass Kontakt besteht, hat der Beschwerdeführer selbst angegeben (OZ 7, S. 6). Ebenso gleichbleibend hat der Beschwerdeführer angegeben, sein Vater sei seit (im Entscheidungszeitpunkt) etwa 25 Jahren verstorben. Dies wurde auch von der Erhebung im Herkunftsstaat bestätigt. Warum die belangte Behörde Berechnungen im Hinblick auf die Vereinbarkeit der Zeitschätzungen zum Todeszeitpunkt des Vaters und dem Alter der Schwester anstellt (AS 203), legt diese dagegen nicht nachvollziehbar dar und lässt auch nicht durchblicken, dass ihr die einer Schätzung – die im Übrigen durch das Wort „ca.“ (AS 203) angezeigt wird – immanente Ungenauigkeit bewusst ist. Der von der belangten Behörde aufgezeigte „Widerspruch“ ist damit nicht haltbar. Auch, dass der Vater Bäcker war und die Bäckerei weiterhin von der Familie betrieben wird, hat der Beschwerdeführer im Zuge der mündlichen Verhandlung am 20.09.2019 plausibel angegeben (OZ 7, S. 6) und konnte auch diese, sowie der Fortbetrieb der Bäckerei durch die Brüder des Beschwerdeführers im Zuge der Erhebung im Herkunftsstaat bestätigt werden.
Dass der Beschwerdeführer seit seiner Einreise im Oktober 2015 nochmals ausgereist wäre, ist im Lauf des Verfahrens nicht hervorgekommen. Zu seinen Deutschkursen hat der Beschwerdeführer im Zuge der mündlichen Verhandlung am 16.07.2020 Bestätigungen vorgelegt, ebenso zu seiner gemeinnützigen Tätigkeit (Beilagen zu OZ 20). Dass der Beschwerdeführer Grundversorgung bezieht, geht aus dem im Akt einliegenden aktuellen Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem hervor.
2.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers
Dass der Beschwerdeführer als Polizist tätig war, hat dieser im Lauf des Verfahrens gleichbleibend angegeben und auch seinen Polizeiausweis und einige Ausbildungszertifikate in Vorlage gebracht. Zudem erzählte der Beschwerdeführer im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 20.09.2019 über Befragung des Sachverständigen lebhaft und überzeugend von seiner Tätigkeit (OZ 7, S. 8 – 10) und konnten diese Angaben im Zuge der vom Bundesverwaltungsgericht beauftragten Erhebung im Herkunftsstaat bestätigt werden. Der Beschwerdeführer gab zu deren Ergebnis an, „Die Informationen aus Kabul stimmen“ (OZ 20, S. 5), merkt allerdings an, dass der „ XXXX “ mit dem er ein Problem habe, nicht der im Gutachten erwähnte sei, sondern eine andere gleichnamige Person. Im Hinblick auf seine Tätigkeit selbst erhob er jedoch – wie im Übrigen auch der Rechtsvertreter – keine Einwände.
Hinweise auf die vom Beschwerdeführer als fluchtauslösenden Vorfall geschilderte Geschichte – nämlich zunächst die auch auf Betreiben des Beschwerdeführers erfolgte Festnahme eines Cousins mütterlicherseits namens „ XXXX “, weil dieser für die Taliban rekrutiert haben soll, sowie die von diesem ausgehende Drohung nach dessen Entlassung aus dem Gefängnis – wurden durch die Erhebung im Herkunftsstaat allerdings nicht bestätigt.
Zum Themenkomplex der darin angelegten Zwangsrekrutierung durch die Taliban ergibt sich zunächst aus den vom Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 17.09.2020 (OZ 24) in das Verfahren eingebrachten UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 (in der Folge: UNHCR-Richtlinien), dass regierungsfeindliche Kräfte in Gebieten, in denen sie die tatsächliche Kontrolle über das Territorium und die Bevölkerung ausüben, auch Zwang einsetzen, um Kämpfer zu rekrutieren. Personen, die sich der Rekrutierung widersetzen, seien – ebenso wie ihre Familienmitglieder – gefährdet, getötet oder bestraft zu werden (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel 3. Männer im wehrfähigen Alter und Kinder im Kontext der Minderjährigen- und Zwangsrekrutierung, a) Zwangsrekrutierung durch regierungsfeindliche Kräfte (AGEs), S. 59-60). Hierzu ist zunächst auszuführen, dass der Beschwerdeführer in Kabul (Stadt) gearbeitet und in Bagrami gelebt hat, wie sich aus dem vom Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 17.09.2020 (OZ 24) in das Verfahren eingebrachten EASO COI Report: Afghanistan. Security situation von Juni 2019 ergibt (Kapitel 2.15. Kabul Provinze, S. 162 ff.). Demnach bestätigen die UNHCR-Richtlinien die Behauptung eines Zwangsrekrutierungsversuches der Taliban in Bagrami grundsätzlich nicht. Aus der ebenso vom Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 17.09.2020 (OZ 24) in das Verfahren eingebrachte EASO Country Guidance: Afghanistan von Juni 2019 (in der Folge: EASO Country Guidance) geht im Hinblick auf die Zwangsrekrutierung hervor, die Taliban hätten keine Engpässe an Freiwilligen und würden nur in Ausnahmefällen auf Zwangsrekrutierung zurückgreifen, so würden sie etwa versuchen, Personen mit militärischem Hintergrund zu rekrutieren. Von ihnen ausgehender Druck sei jedoch nicht immer gewaltsam, sondern werde oft über die Familie, den Clan oder religiöse Netzwerke ausgeübt und hänge von den lokalen Umständen ab (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel II. Refugee status, Unterkapitel 6. Individuals at risk of forced recruitment by armed groups, Buchstabe a. Forced recruitment by the Taliban, S. 53-54). Demnach ist der EASO Country Guidance zufolge eine Rekrutierung des Beschwerdeführers aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Polizei grundsätzlich denkbar.
Im Hinblick auf den vom Beschwerdeführer als eigentlich fluchtauslösende beschrieben Vorfall fällt allerdings auf, dass der Beschwerdeführer das an ihn gerichtete Begehren inhaltlich nicht konsistent wiedergibt. So gibt der Beschwerdeführer in der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 14.10.2015 an, die Taliban hätten von ihm verlangt, mit ihnen zu arbeiten (AS 13). In der niederschriftlichen Einvernahme durch die belangte Behörde am 24.05.2017 gibt der Beschwerdeführer schließlich an, „ XXXX “ habe ihn telefonisch bedroht und ihm die Schuld an seinem Gefängnisaufenthalt gegeben, er solle mit ihm zusammenarbeiten, bis er ihm verziehen habe, ansonsten werde er ihn umbringen (AS 34). Er bringt damit einen Aspekt von Rache und Schuld in das Bedrohungsszenario ein, der mit dem gleichzeitig behaupteten Angebot von „Geld und Autos“ (AS 34) augenscheinlich nicht im Einklang steht. Überdies gab der Beschwerdeführer in der niederschriftlichen Einvernahme durch die belangte Behörde am 24.05.2017 explizit an, „ XXXX “ habe gewollt, dass er aufhöre, für die Polizei zu arbeiten (AS 35). Dies geht im Übrigen auch aus dem vom Beschwerdeführer vorgelegten „Drohbrief“ hervor, dem zufolge der Beschwerdeführer „seine Tätigkeit bei der Regierung beenden“ und sich den Taliban anschließen solle (Übersetzung, AS 125). In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 20.09.2019 gibt der Beschwerdeführer dazu, was er für seinen Cousin hätte machen sollen, zwar an, er wisse es nicht genau. Jedoch stellt er einen konkreten Bezug zu seiner Position als Polizist her, die dabei von Nutzen gewesen wäre (OZ 7, S. 13). Mit seinen eben zitierten Angaben vor der belangten Behörde konfrontiert gibt der Beschwerdeführer an, die Dolmetscherin sei Iranerin gewesen, habe Farsi gesprochen und diesen Satz nicht richtig verstanden (OZ 7, S. 13). Hierzu ist allerdings anzumerken, dass dem Beschwerdeführer – wie aus dem Protokoll der Einvernahme vom 24.05.2017 hervorgeht – die gesamte Niederschrift rückübersetzt wurde und er mit seiner Unterschrift auf jeder Seite derselben die Richtigkeit bestätigte (AS 39). Weiter steht die vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung behauptete Forderung nicht im Einklang mit dem vorgelegten Drohbrief, der den Beschwerdeführer klar auffordert, seine Tätigkeit zu beenden. Im Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers nie Erwähnung findet zudem die im Drohbrief angesprochene „Knechtschaft der Engländer“, mit der der Beschwerdeführer beschäftigt sein soll (Übersetzung des Drohbriefs, AS 125). So gibt der Beschwerdeführer selbst stets an, ihm sei seine Tätigkeit für die Regierung vorgeworfen worden und schildert auch keinerlei Zusammenarbeit oder Zusammenhänge mit Ausländern. Im Ergebnis stellt der Beschwerdeführer sein Fluchtvorbringen nicht im Kern gleichbleibend dar, wenn er sich im Hinblick auf die Frage, ob er nun als Polizist für die Taliban arbeite oder seine Tätigkeit als Polizist aufgebe und für die Taliban arbeiten hätten sollen, widerspricht und ist damit die Grundlage der behaupteten Bedrohung nicht konsistent.
Weiter äußert der Beschwerdeführer im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht befragt dazu, warum er heute nicht mehr nach Afghanistan zurückkehren könne, lediglich oberflächliche Floskeln (OZ 7, S. 15) und stellt keinerlei Bezug zum eben noch behaupteten Bedrohungsszenario her. So gibt er lediglich an „Mein Leben ist in Gefahr. Ich werde vielleicht dort getötet. Wenn mein Leben nicht in Gefahr gewesen wäre, könnte ich früher als ich noch ledig war, hierher kommen. Mein Leben war in Gefahr und deshalb bin ich geflüchtet. Wenn ich keine Probleme hätte, hätte ich meine im 6. Monat schwangere Frau und mein 2 jähriges Kind nicht zurückgelassen.“ (OZ 7, S. 15). Hierin ist keine konkrete Rückkehrbefürchtung erkennbar, wobei anzumerken ist, dass der Beschwerdeführer im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 20.09.2019 etwa im Zusammenhang mit seiner inhaltlichen Tätigkeit als Polizist und der diesbezüglichen Ausbildung zeigte, dass er durchaus dazu in der Lage ist, Lebenssachverhalte konkret und lebendig zu schildern.
Im Hinblick auf das vom Beschwerdeführer ebenso in das Fluchtvorbringen eingebrachte Rachemoment für die Verhaftung bzw. Haft des Cousins mütterlicherseits ist anzumerken, dass der Beschwerdeführer diesen Aspekt lediglich vage und oberflächlich hält. Zudem ist sämtlichen Länderberichten im Hinblick auf die Vergeltung zu entnehmen, dass Rache im Rahmen einer Blutfehde durch die Ermordung des Täters bzw. von dessen männlichen Verwandten aus der männlichen Linie genommen wird (etwa UNHCR-Richtlinien, Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel 14. In Blutfehden verwickelte Personen, S. 110-111; ebenso EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel II. Refugee status, Unterkapitel 18. Individuals involved in blood feuds and land disputes; Buchstabe a. Blood feuds, S. 71 – 72). Demnach entspricht bereits die Aufforderung zur Zusammenarbeit nicht dem in den Länderberichten beschriebenen Vorgehen, das eher eine Gewalttat als Vergeltungsakt erwarten lässt. Zudem weiß der Beschwerdeführer – trotzdem er im Kontakt mit seiner Familie steht – nicht von Racheakten gegen seine Brüder zu berichten, die unverändert im Haus der Familie leben und ihren Erwerbstätigkeiten nachgehen, obgleich sich der Beschwerdeführer der ihm angedienten „Sühne-Maßnahme“ durch Flucht entzogen hat. Demnach erweist sich auch dieser Zusammenhang vor dem Hintergrund der Länderberichte als nicht plausibel.
Den behaupteten ausreiseauslösenden Vorfall konnte der Beschwerdeführer damit insgesamt nicht glaubhaft machen und konnte außerdem nicht festgestellt werden, dass ihm im Fall der Rückkehr in den Herkunftsdistrikt Racheakte von Seiten seine Cousins mütterlicherseits drohen.
Im Hinblick auf zivile Polizeikräfte im Allgemeinen geht aus den UNHCR-Richtlinien hervor, dass es zu gezielten Angriffen auf die afghanische nationale Polizei (ANP) kommt, Beamte würden im Dienst und auch außer Dienst angegriffen, auch Angehöriger anderer Polizeikräfte würden von regierungsfeindlichen Kräften ins Visier genommen (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel 1. Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung und der internationalen Gemeinschaft einschließlich der internationalen Streitkräfte verbunden sind oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen, Buchstabe b) Zivile Polizeikräfte (einschließlich Angehörige der ANP und ALP) sowie ehemalige Angehörige der ANSDF, S. 47-48). Auch die EASO Country Guidance berichtet, dass Angehörige der ANP zum Ziel von Angriffen Aufständischer werden können, es würden einerseits Angriffe auf Orte durchgeführt, wo sich ANSF-Personal aufhalte, etwa auf Polizeistationen. Andererseits komme es auch zu gezielten Tötungen und Entführungen, sowohl im ländlichen, als auch im städtischen Gebiet. Relevant für die Gefährdung seien insbesondere Arbeitsort, Sichtbarkeit, Herkunftsort, Präsenz aufständischer Gruppierungen sowie die Zeit, die vergangen sei, seit der Betroffene die Streitkräfte verlassen habe (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel II. Refugee status, Unterkapitel 1. Members of the security forces and pro-government militias, S. 49).
Demnach kann der Beschwerdeführer als (ehemaliger) Angehöriger der Polizei in Kabul grundsätzlich zum Ziel der Taliban werden. Wie bereits ausgeführt konnte er ein konkretes Interesse der Taliban an seiner Person jedoch nicht glaubhaft machen. Für den Fall der Rückkehr in den Herkunftsdistrikt scheint das Risiko eines Übergriffs auf den Beschwerdeführer durch die Taliban allerdings gering. So hat er vor mittlerweile fünf Jahre die Polizei verlassen, war seinen Angaben zufolge lediglich als normaler Polizist tätig, stammt aus einem Gebiet, das – wie bereits ausgeführt – unter Regierungskontrolle steht und hat auch in einem solchen gearbeitet. Im Übrigen ist auch aus einem allfälligen Naheverhältnis des Kommandanten des Beschwerdeführers zum stellvertretenden Staatssicherheitschef, das in der mündlichen Verhandlung am 16.07.2020 erörtert wurde (OZ 20) eine konkrete und individuelle Gefährdung des Beschwerdeführers nicht ersichtlich. Insbesondere nimmt der Beschwerdeführer in seinem Fluchtvorbringen hierauf nicht Bezug, sondern beschränkt sich auf die behauptete von „ XXXX “ ausgehende Bedrohung, mit der eine umfassende Auseinandersetzung schon erfolgt ist. Damit erscheint das Risiko eines gezielten Übergriffes der Taliban auf den Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr in das Herkunftsdorf als sehr gering. Es wurde folglich festgestellt, dass dem Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in den Herkunftsdistrikt nicht die Gefahr droht, dass er wegen seiner Tätigkeit für die afghanische Polizei in der Vergangenheit zum Opfer eines Übergriffes der Taliban wird.
Im Hinblick auf die Ausführungen, dem Beschwerdeführer werde wegen seiner Rückkehr aus einem „westlich orientierten“ Land und weil er einen modernen und freizügigen Lebensstil verinnerlicht habe, Ungläubigkeit unterstellt, ist zunächst anzumerken, dass sich diese behauptete Rückkehrbefürchtung im Wesentlichen auf die Schriftsätze seiner Rechtsvertreterin beschränkt. So macht der Beschwerdeführer etwa im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 20.09.2019 befragt, warum er heute nicht mehr nach Afghanistan zurückkehren könnte, keinerlei Angaben im Hinblick auf seinen „Lebensstil“ oder seine Rückkehr aus dem „westlichen“ Ausland, sondern beschränkt sich auf die oberflächliche Behauptung, sein Leben sei in Gefahr (OZ 7, S. 15). Im Hinblick auf Rückkehrer aus dem „westlichen“ Ausland erwähnen etwa die UNHCR-Richtlinien Vorfälle, dass Rückkehrer aus westlichen Ländern von regierungsfeindlichen Gruppierungen bedroht, gefoltert oder getötet wurden, weil sie sich vermeintlich die diesen Ländern zugeschriebenen Werte zu eigen gemacht hätten und „Ausländer“ geworden seien (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel 1. Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung und der internationalen Gemeinschaft einschließlich der internationalen Streitkräfte verbunden sind oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen, Buchstabe i) Als „verwestlicht“ wahrgenommene Personen, S. 52-53). UNHCR stellt dies jedoch nicht als „Massenphänomen“ dar. Die EASO Country Guidance berichten ebenso davon, dass Personen, die aus westlichen Staaten zurückkehren Ziel von Aufständischen werden können, weil sie als unislamisch wahrgenommen werden könnten. Für Männer wird allerdings berichtet, dieses Risiko sei minimal und von den spezifischen Umständen abhängig (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel II. Refugee status, Unterkapitel 13. Individuals perceived as ‘Westernised’, S. 65-66). Derartige Umstände wurden jedoch nicht konkret dargetan.
2.3. Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat
Die Feststellung zum innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in Afghanistan beruht auf dem vom Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 17.09.2020 (OZ 33) in das Verfahren eingebrachten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung am 13.11.2019, letzte Information eingefügt am 21.07.2020 (in der Folge: Länderinformationsblatt), der EASO Country Guidance, und den UNHCR-Richtlinien.
Die Feststellungen zur COVID-19-Pandemie im Herkunftsstaat beruhen auf dem Länderinformationsblatt, insbesondere auf den am 21.07.2020 und am 29.06.2020 eingefügten Informationen. Deren Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung im Herkunftsstaat werden im vom Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 17.09.2020 (OZ 33) in das Verfahren eingebrachten EASO COI Report: Afghanistan. Key socio-economic indicators. Focus on Kabul City, Mazar-e Sharif and Herat City von August 2020 ebenso beschrieben (insbesondere Kapitel 2.1. Economic climate, Kapitel 2.2. Employment und 2.3. Poverty).
Die Feststellungen zur Gesundheitsversorgung im Herkunftsstaat beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 21. Medizinische Versorgung, sowie auf dem EASO COI Report: Afghanistan. Key socio-economic indicators. Focus on Kabul City, Mazar-e Sharif and Herat City von August 2020, Kapitel 2.6.2 Access and availability, S. 48 ff.).
Die Feststellungen zur Sicherheitslage in Kabul beruhen auf den übereinstimmenden Informationen des Länderinformationsblattes, Kapitel 2. Sicherheitslage, Unterkapitel 2.1. Kabul, und der EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel III. Subsidiary protection, Unterkapitel Article 15(c) QD, Buchstabe c. Indiscriminate violence, Abschnitt Kabul, S. 101-102, insbesondere Unterabschnitt Focus on the capital: Kabul City, S. 102.
Die Feststellung zum internationalen Flughafen in Kabul beruht auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 2. Sicherheitslage, Unterkapitel 2.35. Erreichbarkeit, Abschnitt Internationale Flughäfen in Afghanistan. Die EASO Country Guidance berichten, dass für den Flughafen von Kabul, fünf km vom Stadtzentrum entfernt im Stadtgebiet gelegen, zwar Zwischenfälle bekannt sind, die Erreichbarkeit sei jedoch über den Flughafen im Allgemeinen sicher gegeben (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel V. Internal protection, Unterkapitel Travel and admittance, S. 130).
Die Feststellungen zum Dsitrikt Bagrami beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 2. Sicherheitslage, Unterkapitel 2.1. Kabul. Hier wird berichtet, die Provinz stünde unter Regierungskontrolle. Für Bagrami sind für 2019 ein und für 2020 bisher kein sicherheitsrelevanter Vorfall verzeichnet. Auch die EASO Country Guidance berichtet hinsichtlich Bagrami nicht von Sicherheitsvorfällen und –operationen.
Angesichts der guten Sicherheitslage im Herkunftsdistrikt ist auch nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr dorthin im Zuge von Kampfhandlungen zwischen regierungsfeindlichen Gruppierungen und Streitkräften der Regierung oder durch Übergriffe von regierungsfeindlichen Gruppierungen gegen die Zivilbevölkerung zu Tode kommen oder misshandelt oder verletzt werden könnte. Im Hinblick auf die Anreise über Kabul (Stadt) ist anzumerken, dass die UNHCR-Richtlinien zwar hinsichtlich der Provinz Kabul berichten, dass diese wiederholt die höchste Zahl ziviler Opfer, die hauptsächlich auf willkürlich Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen seien, verzeichnet habe (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 4. Interne Flucht- oder Neuansiedelungsalternative in Kabul, Buchstabe a) Die Relevanz von Kabul als interner Schutzalternative S. 127-128). Auch der EASO Country Guidance zufolge ist Kabul zwar von Gewalt betroffen. Ziel sind jedoch insbesondere die zivile Administration der Regierung, religiöse Kultstätten, Bildungseinrichtungen, im Zusammenhang mit Wahlen stehende Einrichtungen, etc. (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel III. Subsidiary protection, Unterkapitel Article 15(c) QD, Buchstabe c. Indiscriminate violence, Abschnitt Kabul, S. 101-102, insbesondere Unterabschnitt Focus on the capital: Kabul City, S. 102), wie auch aus den bereits zitierten UNHCR-Richtlinien hervorgeht. Die konkrete Gefährdung hängt nach der Einschätzung von EASO stark von individuellen Faktoren ab. In der Person des Beschwerdeführers sind jedoch keine individuellen Elemente ersichtlich, die ein erhöhtes Risiko erwarten lassen (z.B. z.B. Behinderung, Erkrankung, Betroffenheit von Strafverfolgung oder Verhaftung, extreme Armut, Vgl. EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel III. Subsidiary protection, S. 26-30). Zudem verfügt der Beschwerdeführer durch seine achtjährige Tätigkeit als Polizist in der Stadt zweifellos über ausgezeichnete Ortskenntnisse und überdies über Erfahrung mit Sicherheitsvorfällen. Auch die Anreise in den Herkunftsdistrikt ist damit sicher möglich.
Die Feststellung, dass zu erwarten ist, dass der Beschwerdeführer sich eine Lebensgrundlage wird aufbauen können, beruht auf einer Zusammenschau der individuellen Umstände der Rückkehrsituation und Merkmale des Beschwerdeführers.
Der Beschwerdeführer ist im erwerbsfähigen Alter, verfügt über nach afghanischen Verhältnissen relativ gute Schulbildung, nachdem dem Länderinformationsblatt zufolge lediglich 56,1 % der Kinder im entsprechenden Alter überhaupt eine Grundschule besuchen (Kapitel 17. Relevante Bevölkerungsgruppen, Unterkapitel 17.2. Kinder, Abschnitt Schulbildung in Afghanistan). Außerdem verfügt der Beschwerdeführer über acht Jahre Berufserfahrung als Polizist. Er hat sein gesamtes Leben bis zur Ausreise nach Europa in Afghanistan verbracht und ist daher mit Sitten und Gepflogenheiten vertraut. Weiter kehrt der Beschwerdeführer in sein Herkunftsdorf in den bestehenden Haushalt seiner Familie zurück, in dem der Beschwerdeführer auch bis zu seiner Ausreise gelebt hat und Ehefrau und Töchter noch immer leben. Zudem besitzt die Familie des Beschwerdeführers eine Bäckerei, in der auch er mitarbeiten und seinen Beitrag zum Familieneinkommen leisten kann. Auch bezeichnet der Beschwerdeführer selbst die finanziellen Verhältnisse seiner Familie als gut (AS 33) und gibt implizit an, dass die Erwirtschaftung des Einkommens von der Familie als Aufgabe des ganzen Haushaltes gesehen wird (AS 27: „Wir haben alle gemeinsam unsere Familie ernährt.“). Damit ist wohl davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer, wenn er in das Herkunftsdorf zurückkehrt, zunächst am Haushalteinkommen der Familie partizipieren kann, bis es ihm selbst möglich ist, hierzu wieder – so wie auch bis zur Ausreise – beizutragen. Hierzu ist im Übrigen anzumerken, dass der Beschwerdeführer bei der Arbeitssuche auf seine alten sozialen Netzwerke, sowie auf die seiner Familie zurückgreifen kann, insbesondere, weil persönliche Kontakte bei der Arbeitssuche dem Länderinformationsblatt zufolge eine große Rolle spielen (Kapitel 20. Grundversorgung, Abschnitt Arbeitsmarkt). Zum mit Stellungnahme vom 02.10.2020 (OZ 26) beantragten Einholung eines Gutachtens der länderkundigen Sachverständigen für Afghanistan XXXX zum Beweis dafür, dass der Beschwerdeführer in den Städten Kabul, Mazar-e Sharif und Herat aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Situation und Versorgungslage, insbesondere unter Berücksichtigung der durch die COVID-19-Pandemie verursachten Maßnahmen und Lageveränderungen keine Möglichkeit habe, am wirtschaftlichen Leben teilzunehmen, eine Unterkunft mit Zugang zu ausreichenden hygienischen Sanitäranlagen und eine Beschäftigungsmöglichkeit zu finden, ist darauf hinzuweisen, dass von der Aufnahme beantragter Beweise abzusehen ist, wenn diese bzw. das hierfür genannte Beweisthema unerheblich sind (VwGH 30.01.2020, Ra 2019/16/0215). Das Bundesverwaltungsgericht geht gegenständlich von der Rückkehr des Beschwerdeführers in das Herkunftsdorf aus, die Bedingungen, die der Beschwerdeführer in Kabul, Mazar-e Sharif und Herat vorfände nicht relevant sind. Die Lebensgrundlage des Beschwerdeführers ist im Ergebnis im Hinblick auf das Herkunftsdorf gesichert.
Im Hinblick auf den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ist anzumerken, dass dieser gesund ist und folglich spezifischer Behandlungsbedarf nicht ersichtlich ist. Angesichts der Verfügbarkeit grundlegender medizinischer Versorgung im Herkunftsstaat erscheint seine medizinische Versorgung damit gewährleistet. Zu den mit Stellungnahme vom 02.10.2020 (OZ 26) erstatteten Ausführungen, der Beschwerdeführer werde im Rückkehrfall früher oder später an COVID-19 erkranken und sei dann im Fall eines schweren Verlaufes nicht die adäquate Behandlung erhältlich, ist anzumerken, dass es sich hierbei um bloße Spekulationen handelt und wurde eine Neigung zu einem schweren Verlauf auch nicht behauptet oder konkret dargetan. Insbesondere sind diesbezügliche Hinweise im Fall des gesunden, mitte-30-jährigen Beschwerdeführers auch nicht hervorgekommen.
Zur Plausibilität und Seriosität der herangezogenen Länderinformationen zur Lage im Herkunftsstaat ist auszuführen, dass die im Länderinformationsblatt zitierten Unterlagen von angesehen Einrichtungen stammen. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nach § 5 Abs. 2 BFA-VG verpflichtet ist, gesammelte Tatsachen nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten und in allgemeiner Form zu dokumentieren. Auch das European Asylum Support Office (EASO) ist nach Art. 4 lit. a Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 zur Einrichtung eines Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen bei seiner Berichterstattung über Herkunftsländer zur transparent und unparteiisch erfolgende Sammlung von relevanten, zuverlässigen, genauen und aktuellen Informationen verpflichtet. Damit durchlaufen die länderkundlichen Informationen, die diese Einrichtungen zur Verfügung stellen, einen qualitätssichernden Objektivierungsprozess für die Gewinnung von Informationen zur Lage im Herkunftsstaat. Den UNHCR-Richtlinien ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besondere Beachtung zu schenken („Indizwirkung"), wobei diese Verpflichtung ihr Fundament auch im einschlägigen Unionsrecht findet (Art. 10 Abs. 3 lit. b der Richtlinie 2013/32/EU [Verfahrensrichtlinie] und Art. 8 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2011/95/EU [Statusrichtlinie]; VwGH 07.06.2019, Ra 2019/14/0114) und der Verwaltungsgerichtshof auch hinsichtlich der Einschätzung von EASO von einer besonderen Bedeutung ausgeht und eine Auseinandersetzung mit den „EASO-Richtlinien“ verlangt (VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0405). Das Bundesverwaltungsgericht stützt sich daher auf die angeführten Länderberichte, wobei eine beweiswürdigende Auseinandersetzung im Detail oben erfolgt ist.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zur Abweisung der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Gewährung von Asyl)
Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG) ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht, dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG gesetzt hat.
Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht einer Person, wenn sie sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierung ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/18/0010 mwN).
3.1.1. Zur behaupteten Zwangsrekrutierung
Der Verwaltungsgerichtshof differenziert in ständiger Judikatur zwischen der per se nicht asylrelevanten Zwangsrekrutierung durch eine Bürgerkriegspartei von der Verfolgung, die an die tatsächliche oder unterstellte politische Gesinnung anknüpft, die in der Weigerung, sich den Rekrutierenden anzuschließen, gesehen wird. Auf das Auswahlkriterium für die Zwangsrekrutierung kommt es dabei nicht an. Entscheidend ist daher, mit welcher Reaktion durch die Milizen aufgrund einer Weigerung, sich dem Willen der Rekrutierenden zu beugen, gerechten werden muss und ob in ihrem Verhalten eine (unterstellte) politische oder religiöse oppositionelle Gesinnung erblickt wird (19.04.2016, VwGH Ra 2015/01/0079 mwN).
Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt konnte der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen, dass er in der Vergangenheit bereits bedroht und aufgefordert wurde, sich den Taliban anzuschließen und ist auch für den Fall der Rückkehr nicht zu erwarten, dass der Beschwerdeführer einer Zwangsrekrutierung durch die Taliban ausgesetzt wäre. Asylrelevante Verfolgungsgefahr im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung konnte der Beschwerdeführer damit nicht glaubhaft machen.
3.1.2. Zur Blutrache
Der Verwaltungsgerichtshof bejaht in seiner ständigen Rechtsprechung grundsätzlich die Asylrelevanz einer Verfolgung wegen Blutrache unter dem GFK-Anknüpfungspunkt der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der „von Blutrache bedrohten Angehörigen der Großfamilie“, sofern sich die Verfolgungshandlungen gegen Personen richten, die in die Rache gegen den unmittelbar Betroffenen bloß aufgrund ihrer familiären Verbindungen zu diesem einbezogen werden (Vgl. etwa Ra 2014/18/0011, 13.11.2014).
Gegenständlich bringt der Beschwerdeführer den Aspekt der Rache im Zusammenhang mit einem Verhalten, das er selbst gesetzt hat, im Verfahren vor, weswegen diesbezügliche Rachehandlungen nicht im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung asylrelevant wären, wenn der Beschwerdeführer sie hätte glaubhaft machen können.
3.1.3. Zur (unterstellten) politischen Gesinnung
Nach der gefestigten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes reicht für die Annahme einer asylrechtlich relevanten Verfolgung aus Gründen der politischen Gesinnung aus, dass eine solche politische Gesinnung zumindest unterstellt wird (vgl. etwa VwGH 06.05.2004, 2002/20/0156).
Der Beschwerdeführer konnte, wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt, nicht glaubhaft machen, dass er im Fall der Rückkehr in den Herkunftsdistrikt Rachehandlungen von Seiten des Cousins ausgesetzt wäre. Ebenso konnte er nicht glaubhaft machen, dass er im Fall der Rückkehr wegen seiner Tätigkeit für die afghanische Polizei in der Vergangenheit zum Opfer eines Übergriffes der Taliban wird. Asylrelevante Verfolgungsgefahr im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung wurde damit nicht glaubhaft gemacht.
3.1.4. Zur behaupteten Verfolgungsgefahr wegen „Verwestlichung“ bzw. unterstellter „Ungläubigkeit“
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass eine Asylrelevanz gegeben sein kann, wenn die Ursache der Verfolgung auf der dem Verfolgten (bloß) unterstellten Ablehnung der religiösen Überzeugung der Verfolger beruht. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob der Asylwerber tatsächlich konvertiert oder auf sonstige Weise vom Islam abgefallen ist, sondern darauf, ob dem Asylwerber ein Wandel seiner religiösen Überzeugung unterstellt wird und ob ihm aufgrund dieser Unterstellung Verfolgung droht (VwGH vom 24.02.2015, Ra 2014/18/0086).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes können zudem Frauen Asyl beanspruchen, die aufgrund eines gelebten „westlich“ orientierten Lebensstils bei Rückkehr in ihren Herkunftsstaat verfolgt würden. Nicht entscheidend ist, ob die Asylwerberin schon vor ihrer Ausreise aus dem Herkunftsstaat eine derartige Lebensweise gelebt hatte bzw. deshalb bereits verfolgt worden ist. Es reicht vielmehr aus, dass sie diese Lebensweise im Zuge ihres Aufenthalts in Österreich angenommen hat und bei Fortsetzung dieses Lebensstils im Falle der Rückkehr mit Verfolgung rechnen müsste (VwGH 26.02.2020, Ra 2019/18/0459). Weiter hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen, dass nicht jede Änderung der Lebensführung einer Asylwerberin während ihres Aufenthaltes in Österreich, die im Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht mehr aufrechterhalten werden könnte, dazu führt, dass der Asylwerberin deshalb internationaler Schutz gewährt werden müsste. Entscheidend ist vielmehr eine grundlegende und auch entsprechend verfestigte Änderung der Lebensführung der Asylwerberin, in der die Anerkennung, die Inanspruchnahme oder die Ausübung ihrer Grundrechte zum Ausdruck kommt, die zu einem wesentlichen Bestandteil ihrer Identität geworden ist, und die bei Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht gelebt werden könnte. Die in der Rechtsprechung behandelte Verfolgung von Frauen westlicher Orientierung wird darin gesehen, dass solche Frauen, obwohl ihr westliches Verhalten oder ihre westliche Lebensführung ein solch wesentlicher Bestandteil ihrer Identität geworden ist, dieses Verhalten unterdrücken müssten (VwGH 13.11.2019, Ra 2019/18/0303).
Festzuhalten ist zunächst, dass der Verwaltungsgerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung die Asylgewährung wegen eines gelebten „westlich“ orientierten Lebensstils auf Frauen beschränkt hat. Zudem ist zum Gehalt des „westlich“ orientierten Lebensstils auszuführen, dass dieser vor allem eine selbstbestimmte Lebensweise umfasst, insbesondere Zugang zu Bildung und Ausbildung, Berufstätigkeit (ohne männliche Zustimmung), selbstständige Lebensführung auch außer Haus, Bewegungsfreiheit ohne männliche Begleitung, Entscheidungshoheit über die eigene Lebensführung, etc.
Weiter hat der Beschwerdeführer seinen „Lebensstil“ nicht weiter konkretisiert und ist auch sonst nicht ersichtlich, dass seine Lebensführung mit in Afghanistan an Männer gestellten Rollenerwartungen bricht. Zudem führt bereits bei Frauen nicht jede Änderung der Lebensführung, die im Fall der Rückkehr nicht mehr aufrechterhalten werden könnte, bereits zur Schutzgewährung. Dass der Beschwerdeführer Verhaltensweisen und Kommunikationsstrategien im Fall der Rückkehr allenfalls wieder an afghanische Gepflogenheiten anpassen müsste, ist ihm damit durchaus zumutbar. Dass er von anderen, mit der Situation von Frauen vergleichbaren Restriktionen in der Lebensführung konfrontiert wäre, hat er jedoch bereits nicht behauptet.
Weiter konnte der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen, dass ihm wegen seiner Rückkehr aus einem „westlichen“ Land Ungläubigkeit unterstellt würde und ihm deshalb Übergriffe drohen würden. Asylrelevante Verfolgungsgefahr im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung ist daher nicht ersichtlich.
Im Ergebnis war die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zur Abweisung der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides (Subsidiärer Schutz)
Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung oder Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Mit Erkenntnis vom 06.11.2018, Ra 2018/01/0106 hat der Verwaltungsgerichtshof sich mit der Rechtsprechung des EuGH zu den Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten auseinandergesetzt. Danach sei subsidiärer Schutz nur in jenen Fällen zu gewähren, in denen die reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK auf einen ernsthaften Schaden iSd Art. 15 Statusrichtlinie zurückzuführen ist, der vom Verhalten eines Akteurs iSd Art. 6 Statusrichtlinie verursacht wird (Art. 15 lit a. und b.), bzw. auf eine Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt (Art. 15 lit. c) zurückzuführen ist. Nicht umfasst sei dagegen die reale Gefahr jeglicher etwa auf allgemeine Unzulänglichkeiten im Heimatland zurückzuführende Verletzungen von Art. 3 EMRK. Insofern habe der nationale Gesetzgeber die Bestimmungen der Statusrichtlinie fehlerhaft umgesetzt, weil nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 AsylG jegliche reale Gefahr (real risk) einer Verletzung von Art 2. Art. EMRK, 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zur Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führe (VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106).
An diese Judikatur anschließend spricht der der Verwaltungsgerichthof in seinem Erkenntnis vom 21.05.2019, Ro 2019/19/0006 aus, dass die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht ausschließlich anhand Art. 15 Statusrichtlinie geprüft werden könne. Die Bestimmung sei – obgleich fehlerhaft in das nationale Recht umgesetzt – nicht unmittelbar anwendbar, weil dies zulasten eines bzw. zur Vorenthaltung von Rechten des Einzelnen nicht in Frage komme. Die nationale Regelung des § 8 Abs. 1 AsylG sei günstiger. Deren unionsrechtskonforme bzw. richtlinienkonforme Auslegung finde ihre Schranke jedoch in einer Auslegung contra legem des nationalen Rechtes. Eine einschränkende Auslegung des Wortlautes des § 8 Abs. 1 AsylG im Sinne einer teleologischen Reduktion sei vor dem Hintergrund des klaren gesetzgeberischen Willens – den der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung herausarbeitet – nicht zu rechtfertigen. Daher halte der Verwaltungsgerichtshof an seiner Rechtsprechung, wonach eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK durch eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat – auch wenn diese Gefahr nicht durch das Verhalten eines Dritten (Akteurs) bzw. die Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt verursacht wird – die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 8 Abs. 1 AsylG begründen kann (VwGH 21.05.2019, Ro 2019/19/0006 m.w.N.).
Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reicht es, um von der realen Gefahr („real risk“) einer drohenden Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte eines Asylwerbers bei Rückkehr in seinen Heimatstaat ausgehen zu können, nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf viel mehr einer darüberhinausgehenden Wahrscheinlichkeit, dass sich eine solche Gefahr verwirklichen wird (VwGH 18.10.2018, Ra 2017/19/0109 m.w.N.). Es obliegt dabei der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines solchen Risikos nachzuweisen. Es reicht nicht aus, sich bloß auf eine allgemein schlechte Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan zu berufen (VwGH 03.05.2018, Ra 2018/20/0191).
Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können aber besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein – im Vergleich zur