TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/27 W195 2192685-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.10.2020
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Entscheidungsdatum

27.10.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W195 2192685-2/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX geb XXXX StA. Bangladesch, vertreten durch XXXX gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.01.2020, XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21.10.2020 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.




Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

I.1. Vorangegangenes Verfahren:

I.1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 28.07.2014 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

I.1.2. Im Rahmen seiner Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am Tag der Antragstellung gab der BF zu seinen Fluchtgründen an, er sei stellvertretender Generalsekretär der Partei „Chatra Dal“ (im Folgenden: CD) gewesen und sei im Herkunftsstaat aufgrund seiner politischen Gesinnung sowohl von den Sicherheitsbehörden, als auch von Angehörigen der regierenden Partei verfolgt worden. Als Funktionär der Partei sei er von der Polizei wegen Sachbeschädigung, Widerstand gegen die Staatsgewalt, illegale Versammlungen und wegen Hilfeleistung während eines Generalstreiks angezeigt worden. Durch die fingierten Anzeigen habe man versucht, die Oppositionspolitik zu unterbinden. Zwei seiner engsten Parteikollegen seien von Beamten der Sondereinheit der Sicherheitsbehörde RAB (= Rapid Action Bataillon) verschleppt worden und die habe Regierung bis jetzt keine Erklärung abgegeben, wo sie sich befänden. Er gehe davon aus, dass sie bereits getötet worden seien. Daher habe er Angst, ebenso von den Sicherheitskräften verschleppt oder im Gefängnis gefoltert zu werden. Es gebe zahlreiche Zeitungsberichte, welche mit seinem Foto versehen seien und über seinen Fall berichten würden. Er habe auch ein Anzeigeprotokoll. Am 01.06.2014 sei gegen ihn vom Gericht durch den obersten Berufsrichter von Comilla ein Haftbefehl erlassen worden und dieser sei landesweit vollstreckbar. Am 14.04.2014 sei sein Geschäftslokal angezündet worden. Er habe auch Fotos.

I.1.3. Am 14.03.2016 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), in welcher er zu seiner Person, zu seinen Angehörigen, zu seinem Familien- und Privatleben in Österreich sowie zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates befragt wurde.

Im Zuge dieser Einvernahme legte der BF, neben einem Konvolut an englischen und deutschsprachigen Dokumenten, in Bengali verfasste Unterlagen im Umfang von rund 50 Seiten (in Kopie) vor. Nach den auf Klebezetteln (bzw. „post-its“) handschriftlich festgehaltenen Anmerkungen des BFA, welche auch protokollarisch festgehalten wurden, handelt es sich um folgende Dokumente:

?        Anzeige vom 18.09.2013 Polizeistation XXXX , aus welcher hervorgeht, dass der BF der zweite Beschuldigte sei;

?        Anklageschrift vom 24.11.2013, welcher zu entnehmen sei, dass der BF der zweite Angeklagte sei;

?        Gerichtliche Verfügung betreffend die Anzeige vom 18.09.2013 vom leitenden Berufsrichter in XXXX , zu welcher vom Bundesamt angemerkt wurde, dass der Haftbefehl am 01.06.2014 erlassen worden sei;

?        Anzeige, zu welcher vom Bundesamt Folgendes angemerkt wurde: „von der GD vom 14.05.2015 eingebracht in der weiteren Folge wurde eine Anzeige erst.“;

?        Antrag auf Untersuchung des Falles an den zuständigen Richter von der Polizeistation XXXX vom 01.06.2015;

?        Ermittlungsbericht, zu welchem vom Bundesamt Folgendes angemerkt wurde: „Anzeige vom 25.07.2015 (NON-FIR Anzeige), Untersuchungsbericht wurde am 25.07.2015 ans Gericht weitergeleitet“;

?        Gerichtliche Verfügung vom 29.07.2015, wobei laut Anmerkung des Bundesamtes eine Ladung gegen die Angeklagten verfügt worden sei, der BF der zweite Angeklagte sei und als Ladungstermin der 30.08.2015 angeführt werde und

?        diverse Zeitungsberichte sowie ein Online-Bericht

I.1.4. Mit Schreiben vom 25.04.2016 stellte das Bundesamt eine Anfrage an die Staatendokumentation zur Beantwortung folgender Fragen:

1.       Gibt es tatsächlich eine Anzeige bzw. auch einen Haftbefehl gegen den BF?

2.       Ist es möglich festzustellen, ob der BF tatsächlich von der Polizei und vom RAB gesucht wird?

3.       Ist es möglich herauszufinden, warum der BF angezeigt wurde?

4.       Ist es möglich herauszufinden, ob die Familie noch an der angegebenen Adresse lebt?

5.       Ist es möglich in Erfahrung zu bringen, ob der BF tatsächlich im Spital war und warum?

6.       War der BF bei der BNP bzw. der Chatra Dal als Generalsekretär des politischen Bezirks XXXX tätig?

7.       Sind die übermittelten Dokumente echt?

Aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 01.09.2016 geht hervor, dass der BF gerichtlich vorgeladen worden sei, jedoch kein Haftbefehl gegen ihn bestehe. Zur zweiten Frage wurde ausgeführt, dass ein Dokument gefälscht worden sei. Von der Polizei werde der BF nicht gesucht. Das Gericht habe angeordnet, die Vorladung in der Zeitung zu veröffentlichen. Der BF sei angezeigt worden, weil er verdächtigt werde, eine Person angegriffen und Schäden an ihrem Eigentum verursacht zu haben (Frage 3). Nach der Auskunft des Vertrauensanwalts lebe der älteste Bruder des BF mit seiner Mutter und seiner Familie an der im Verfahren angegebenen Adresse, während die anderen Brüder im Ausland leben würden (Frage 4). Frage 5 wurde dahingehend beantwortet, dass der BF nach den Angaben einer befragten Person im Krankenhaus gewesen sei. Dem gesamten Untersuchungsprozess nach erscheine die Behauptung jedoch als unwahr und seien weitere Details im Bericht zu finden. Im Hinblick auf Frage 6 ist der Anfragebeantwortung zu entnehmen, es sei nach der zitierten Quelle wahrscheinlich, dass der Antragsteller Mitglied der „BNP XXXX “ gewesen sei. Er könne der Verbindungssekretär gewesen sein. Zur Echtheit der Dokumente (Frage 7) wurde angeführt, dass das Dokument G.R. Case No. 175/13 of XXXX Police Station gefälscht worden sei. Das Dokument G.R. Case No. 15/15 stimme mit dem Polizeibericht überein. Allerdings sei die Richtigkeit zu bezweifeln, da sich der Antragsteller zum Zeitpunkt der Einreichung der Anzeige nicht im Land aufgehalten habe. Die Angelegenheit sei wenige Tage später nach dem Vorfall angezeigt worden. Die anderen Dokumente seien von den entsprechenden Ämtern authentisch unterfertigt worden und sei daher wahrscheinlich, dass die Inhalte echt und richtig seien.

I.1.5. Am 05.03.2018 erfolgte eine weitere niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem BFA. Der BF legte eine Kursbesuchsbestätigung sowie eine Teilbesuchsbestätigung betreffend die Deutschkurse A1 und A2 sowie eine Gewerbeanmeldung vor. In der Folge wurde er zur Partei Awami League (im Folgenden: AL), zu seiner Tätigkeit für seine Partei, zum Brand seines Geschäftslokals in Bangladesch, zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates, zu seinen Familienmitgliedern sowie zu seinem Privat- und Familienleben in Österreich befragt. Abschließend wurde dem BF die Möglichkeit eingeräumt, in das Länderinformationsblatt Bangladesch vom 08.01.2018 Einsicht zu nehmen.

I.1.6. Mit Bescheid vom 21.03.2018, XXXX , wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch ab (Spruchpunkte I. und II.), erteilte ihm einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht (Spruchpunkt III.), erließ gegen den BF eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.), stellte fest, dass seine Abschiebung nach Bangladesch zulässig sei (Spruchpunkt V.) und setzte die Frist für die freiwillige Ausreise des BF mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt VI.).

I.1.7. In Erledigung einer dagegen erhobenen Beschwerde wurde dieser Bescheid mit hg. Beschluss vom 27.02.2018, XXXX behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverwiesen. Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass das BFA seiner Ermittlungspflicht nicht ausreichend nachgekommen sei und es vom BF vorgelegte Urkunden nicht habe übersetzen lassen. Weiters habe sich das BFA nicht mit vorgelegten Zeitungsberichten auseinandergesetzt. Da das BFA dem BF eine Anfragebeantwortung nicht vorgehalten habe, habe es ihn in seinem Recht auf Parteiengehör verletzt.

I.2. Gegenständliches Verfahren:

I.2.1. Am 08.11.2019 wurde der BF vor dem BFA neuerlich niederschriftlich einvernommen. Dabei wurde er zunächste eingehend zu seinen Verhältnissen in Österreich und in Bangladesch sowie zu seinen dort aufhältigen Angehörigen befragt. Sein Bruder habe ihm berichtet, dass die politische Lage in Bangladesch sehr kritisch sei. Einige Angehörige des BF, die in seiner Heimat leben würden, seien in Gefahr und könnten nicht arbeiten. Nunmehr habe der BF erfahren, dass sein Geschäft in Brand gesetzt worden sei. Sein Bruder sei von der Polizei abgewiesen worden, AS er den Vorfall habe melden wollen Ein Freund des BF, der Bangladesch nicht verlassen habe, sei ermordet worden. Die Lage in Bangladesch sei schwierig.

Befragt, ob der BF noch politisch aktiv sei, führte er aus, er sei noch auf Facebook aktiv, wo er Beiträge und Fotos poste. Ein darüberhinausgehendes politisches Engagement sei nicht möglich.

Hinsichtlich seiner Fluchtgründe gebe es keine Neuigkeiten, von seinem Bruder wisse er, dass ihn die Polizei noch suchen würde. Es gebe Anzeigen und einen Haftbefehl gegen den BF. Daher werde er von der Polizei gesucht. Der BF stehe auf einer „Blacklist“ des RAB. Der BF verwies auf einen Artikel einer Onlinezeitung. Der BF werde nach wie vor vom Gericht gesucht. Die diesbezüglichen Ermittlungsergebnisse der Staatendokumentation, dass der BF nicht von der Polizei gesucht würden, ließen sich damit erklären, dass der BF vom Gericht gesucht würde. Anfangs sei er vom RAB gesucht worden, 2015 habe ihn die Polizei verfolgt. In XXXX habe der BF keine Probleme gehabt, weil er nur im Haus seines Onkels aufhältig gewesen sei. In der Anzeige stünde, dass der BF Motorräder beschädigt habe.

Im Falle einer Rückkehr bestünde das Problem, dass der BF auf einer „Blacklist“ des RAB stünde. Sie hätten seine Daten, sobald sie den BF ausfindig gemacht hätten, würden sie ihn inhaftieren oder töten.

I.2.2. Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 29.01.2020, XXXX wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch ab (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Darüber hinaus wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich des Status eines Asylberechtigten begründete das BFA im Wesentlichen damit, der BF habe eine Verfolgung in Bangladesch nicht glaubhaft machen können, weswegen dem BF nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen verfolgt zu werden, drohe. Unter Berücksichtigung der individuellen (persönlichen) Umstände des BF sei nicht davon auszugehen, dass der BF im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland in eine ausweglose Situation gerate, weswegen auch keine Anhaltspunkte für die Gewährung subsidiären Schutzes vorliegen würden. Ebenso wenig lägen Anhaltspunkte für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ vor und zudem würden die öffentlichen Interessen an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens gegenüber den privaten Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen, weswegen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei. Die Abschiebung des BF sei als zulässig zu bewerten.

I.2.3. Mit Schriftsatz vom 10.03.2020 wurde dieser Bescheid des BFA seitens des – ursprünglich durch XXXX , nunmehr in der Verhandlung vor dem BVwG durch Rechtsanwälte XXXX vertretenen – BF wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Verletzung von Verfahrensvorschriften zur Gänze angefochten.

Neben Ausführungen zum behaupteten Sachverhaltes wurde darin soweit wesentlich vorgebracht, der Bescheid sei infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mangelhaft. Das BFA habe seine Ermittlungspflicht verletzt und kein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt. Es sei nicht hinreichend auf das Vorbringen des Beschwerdeführers eingegangen. Es habe unter Verletzung der Begründungspflicht eine mangelhafte Beweiswürdigung durchgeführt. Daraus resultiere ein rechtswidriger Inhalt, namentlich eine mangelhafte rechtliche Beurteilung.

Es wurden die Anträge gestellt, eine Beschwerdeverhandlung durchzuführen, den bekämpften Bescheid hinsichtlich Spruchpunkt I. zu beheben und dem BF den Status des Asylberechtigten, in eventu, den Bescheid hinsichtlich Spruchpunkt II. zu beheben und ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen sowie in eventu, den bekämpften Bescheid hinsichtlich Spruchpunkt III. zu beheben und festzustellen, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei.

I.2.4. Mit Schreiben vom 11.03.2020 legte das BFA die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

I.2.5. Mit der Ladung zur Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde dem BF auch das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Bangladesch zur allfälligen Stellungnahme bis längstens im Rahmen der für den 21.10.2020 angesetzten mündlichen Beschwerdeverhandlung, übermittelt.

In der dem Bundesverwaltungsgericht übermittelten Stellungnahme des nunmehrigen Rechtsvertreters vom 06.10.2020 wird – als neuer Fluchtgrund - dargelegt, dass der BF der Gefahr ausgesetzt sei von der Polizei schikaniert zu werden aufgrund seiner Homosexualität. Es würde die Gefahr bestehen, dass der BF gesellschaftlich diskriminiert werde und sogar mit Misshandlungen zu rechnen sei, die bis zum Tod führen könnten.

I.2.6. Am 21.10.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Bengali und des ausgewiesenen Rechtsvertreters des BF eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, im Zuge derer der BF ausführlich u.a. zu seinen Fluchtgründen, seinen Rückkehrbefürchtungen, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensverhältnissen in Österreich befragt wurde.

Eingangs wurde festgehalten, dass der BF bei guter Gesundheit und arbeitsfähig ist. Er arbeitet als Hausbetreuer/Reinigungskraft sowie einem Mobiltelefongeschäft und verdient damit ca € 1.000,- netto.

Festgestellt wurde auch, dass der BF gut Deutsch spricht und einen ausreichenden Wortschatz besitzt. Er hat einige bengalische Freunde und einen österreichischen Freund, mit dem er manchmal fortgeht.

Darüber hinaus hat der 33-jährige BF eine 55-jährige Freundin, bei der er seit Juli 2019 wohnt. Sie teilen sich eine 60 m² Wohnung und auch die Kosten dafür. Seine Freundin, eine Außendienstmitarbeiterin in der Kosmetikbranche, welche als Zeugin vor dem BVwG einvernommen wurde, führte aus, dass sie den BF zuerst über Facebook kennenlernte. Anfang Jänner 2019 hätten sie sich das erste Mal getroffen, Mitte Jänner habe er sie zum Essen nach Hause eingeladen und damals habe sie erfahren, dass er Asylwerber sei. Sie sei zwar anfangs ein wenig geschockt gewesen, habe sich aber dann gedacht, dass sie ihm eine Chance geben möchte, gleichgültig, woher er käme. Es sei ihr der unsichere und unklare Aufenthaltsstatus des BF bewusst gewesen. Für sie habe er auch nicht die Mentalität eines muslimischen Mannes, er bemühe sich um Integration, etwa durch Deutsch lernen. Sie seien voriges Jahr gemeinsam auf Urlaub gefahren und würden gut zusammenleben. Zu seiner Familie habe sie mangels Sprachbarriere keinen (intensiven) Kontakt, über seine Fluchtgründe wisse sie nur durch den BF Bescheid, und dies auch nur im geringen Umfang. Sie könne sich eine gemeinsame Zukunft vorstellen. Nachgefragt, ob sich die Zeugin auch vorstellen könnte, nach Bangladesch zu gehen, falls der BF keinen Aufenthaltstitel bekäme, meinte sie, dass sie „einmal rüber fahren und es mir anschauen“ würde. Es würde ihr Herz zerreißen, wenn er wegmüsste, aber sie würde sich das Land anschauen; sie könne jedoch nicht sagen, dass sie alles aufgeben würde.

Zu seinem Fluchtgrund befragt gab der BF an, dass er von 2008 bis 2010, während er am College war, die Funktion des Generalsekretärs der oppositionellen Chattro Dal, einem politischen Zweig der BNP, und danach bis 2013 Joint-Secratary auf Gemeindeebene innehatte. Als er am 04.03.2013 zu seiner Abschlussprüfung gehen wollte sei er beim Überqueren einer Brück von drei namentlich ihm bekannten Personen angehalten und geschlagen worden und es sei ihm die Flucht nur durch einen Sprung von der Brücke geglückt. Er sei danach im Spitalsbehandlung gewesen. Sie hätten ihn auch schon zuvor manchmal geschlagen, aber nie so ernsthaft wie damals. Die drei Personen seien Funktionäre der gegnerischen Awami League gewesen. Er habe auch nach diesem Vorfall im Dorf gewohnt. Er selbst habe immer wieder an Veranstaltungen der BNP teilgenommen, etwa an Demonstrationen, aber nie an Schlägereien. Er sei wohlhabend gewesen, habe mehrere Geschäfte mit vier Angestellten betrieben und wurde auch auf ein Geschäft ein Brandanschlag verübt. Sein Geschäft und seine Grundstücke hätten mittlerweile die der Awami League zuzurechnenden Angreifer übernommen.

Nach Österreich sei er am 28.07.2014 illegal eingereist. Zwei Brüder leben in den XXXX , der Rest der Familie (zwei Brüder, zwei Schwestern und weitere Verwandte) in Bangladesch. Er habe zu seinen Geschwistern regelmäßig Kontakt über Facebook.

In weiterer Folge wurde auch noch auf den aktuellsten Länderbericht zu Bangladesch sowie die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Grund der Zahlen der WHO eingegangen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

II.1.1. Zur Person des BF, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensumständen in Österreich (Grundlage: Administrativakt, rechtskräftiger Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.02.2018 und Verhandlung vor dem BVwG vom 21.10.2020):

Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Bangladesch und der bengalischen Volksgruppe sowie der sunnitischen Glaubensgemeinschaft zugehörig. Seine Muttersprache ist Bengali (gleichlautende Angaben in der Erstbefragung AS 11 sowie in den Einvernahmen vor dem BFA AS 71, 273 f, 662).

Der BF ist wurde in XXXX geboren und hat dort gelebt (AS 273). Er hat dort zehn Jahre die Grundschule besucht, die Matura absolviert und danach drei Jahre auf der Universität Politikwissenschaften studiert und mit einem Bachelortitel abgeschlossen (AS 69, 274) und in Bangladesch ein Textilien- sowie Hardwarengeschäft betrieben (AS 274). Vor seiner Ausreise war der BF in XXXX und zuletzt in XXXX aufhältig (AS 669).

Der BF ist ledig und hat keine Kinder (AS 11 ff., 67, 275, 663). In Bangladesch halten sich die Mutter, zwei Brüder und zwei Schwestern auf (AS 15, 67, 275 f., 664). Zwei weitere Brüder des BF leben in den USA (AS 15, 71, 276, 664). Zwischen dem BF und seinen Verwandten besteht aufrechter regelmäßiger Kontakt.

Der BF ist im Juli 2014 nicht legal in das Bundesgebiet eingereist. Er nicht in die staatliche Grundversorgung einbezogen. Der BF arbeitet in Österreich in einem Asia-Restaurant als Reinigungskraft und in einem Mobiltelefongeschäft (AS 664). Der BF verdient ca € 1.000 netto pro Monat.

Der BF hat in Österreich eine Lebensgefährtin. Sie teilen sich eine Mietwohnung und leben gemeinsam. Sie arbeitet in einer Kosmetikfirma. Es besteht kein Abhängigkeitsverhältnis (AS 663 f.). Die Lebensgefährtin hat (ziemlich) von Anfang an gewusst, dass der BF ein Asylwerber ist und war sich über den unsicheren Aufenthaltsstatus des BF bewusst. Die Lebenggefährtin wäre bereit im Falle der Rückkehr des BF nach Bangladesch zu fliegen und sich „das anzuschauen“.

Der BF ist in Österreich kein Mitglied in einem Verein und engagierte sich während seines bisherigen Aufenthaltes nicht ehrenamtlich (AS 664).

Der BF verfügt über gute Deutschkenntnisse (AS 664) Er ist strafrechtlich unbescholten.

Der BF hat ab und zu Rückenschmerzen, wogegen er Schmerzmittel einnimmt. Er ist nicht in ärztlicher Behandlung und er nimmt auch nicht regelmäßig Medikamente ein (AS 661); anders vor BVwG: der BF ist bei guter Gesundheit.

Der BF ist nach seinen eigenen Aussagen nicht homosexuell.

I.1.2. Zum Fluchtvorbringen des BF:

Nicht festgestellt werden kann eine konkrete Verfolgung des BF aus politischen Gründen in Bangladesch.

Wie dem Bericht der Vertrauensanwaltes der Republik Österreich entnommen werden kann, wird festgestellt, dass der BF gerichtlich vorgeladen worden sei, jedoch kein Haftbefehl gegen ihn bestehe. Der BF hat teilweise gefälschte Dokumente vorgelegt. Von der Polizei werde der BF nicht gesucht.

Das Gericht habe angeordnet, eine Vorladung in der Zeitung zu veröffentlichen. Der BF sei angezeigt worden, weil er verdächtigt werde, eine Person angegriffen und Schäden an ihrem Eigentum verursacht zu haben.

Es sei „wahrscheinlich“ – und somit für das BVwG als gesichert - anzunehmen, dass der Antragsteller Mitglied der „BNP XXXX “ gewesen sei. Er könne der Verbindungssekretär gewesen sein. Zur Echtheit der Dokumente (Frage 7) wurde angeführt, dass das Dokument G.R. Case No. 175/13 of XXXX Police Station gefälscht worden sei. Das Dokument G.R. Case No. 15/15 stimme mit dem Polizeibericht überein. Allerdings sei die Richtigkeit zu bezweifeln, da sich der Antragsteller zum Zeitpunkt der Einreichung der Anzeige (2015) nicht im Land aufgehalten habe. Die Angelegenheit sei wenige Tage später nach dem Vorfall angezeigt worden.

Da im weiteren Verfahrensgang trotz Erhebungen und Einvernahmen der BF keine zusätzlichen substantiierten Hinweise oder Beweismittel hinsichtlich einer politischen Verfolgung, die darüberhinausgehend politische Verflechtungen glaubhaft machten, darlegte, kann somit nicht festgestellt werden, dass der BF aus politischen Gründen verfolgt wird.

Es kann auch nicht festgestellt werden, dass gegen den BF aus politischen Gründen Anzeigen erstattet wurden und dass der BF von Mitgliedern der AL, von der Polizei, von „Rapid Action Bataillons“ oder sonst jemandem verfolgt würde.

Da der BF nach eigenen Angaben nicht homosexuell ist, ist eine Verfolgung aus diesem Grund, wie in der Stellungnahme des derzeitigen Rechtsvertreters von Oktober 2020 dargelegt, nicht glaubwürdig.

Allfälligen Behelligungen kann der BF durch eine Niederlassung in anderen Landesteilen Bangladeschs ausweichen.

II.1.3. Zur maßgeblichen Lage in Bangladesch:

Politische Lage:

Bangladesch – offizielle Bezeichnung Volksrepublik Bangladesch (People's Republic of Bangladesh/Ga?apraj?tantr? B??l?de?) ist seit 1991 eine parlamentarische Demokratie (GIZ 11.2019a). Die Hauptstadt ist Dhaka (ca. 20 Millionen Einwohner). Auf einer Fläche von ca. 148.000 km² (CIA 13.3.2020) leben etwa 163 Millionen Einwohner (CIA 13.3.2020; vgl. GIZ 3.2020, AA 6.3.2020a). Bangladesch ist mit 1.127 Einwohnern pro Quadratkilometer der am dichtesten besiedelte Flächenstaat der Welt (zum Vergleich: Österreich 104 Einwohner pro km²) (WPR o.D.; vgl. AA 6.3.2020a).

Der Verwaltungsaufbau von Bangladesch ist zentralistisch: Das Land ist in acht Regionen (Divisions), 64 Bezirke (Districts), 92 Landkreise bzw. Großstädte (Upazilas / City Corporations), über 4.500 Gemeindeverbände (Union Councils / Municipalities) und circa 87.000 Dorfgemeinden gegliedert (ÖB 8.2019). Im Gebiet der Chittagong Hill Tracts gilt eine besondere Verwaltung, die der lokalen (indigenen), nicht-bengalischen Bevölkerung verstärkte Mitwirkungsmöglichkeiten einräumen soll (ÖB 8.2019). Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt größtenteils zeremonielle Funktionen aus, während die Macht in den Händen des Premierministers als Regierungschef liegt. Dieser wird von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt. Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 11.2019a).

Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300, in Einzelwahlkreisen auf fünf Jahre direkt gewählten Abgeordneten (ÖB 8.2019) sowie zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (USDOS 11.3.2020; vgl. GIZ 11.2019a). Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der Bangladesh Nationalist Party (BNP) und der Awami League (AL) als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Während die konservative BNP Verbündete bei den islamistischen Parteien wie der Jamaat-e-Islami (JI) hat, bekommt die AL traditionell Unterstützung von linken und säkularen Parteien, wie der Arbeiterpartei, der liberaldemokratischen Partei, der national-sozialen Partei Jatiyo Samajtantrik Dal und jüngst auch von der Jatiya Partei, unter dem ehemaligen Militärdiktator Hossain Mohammad Ershad (ÖB 8.2019).

Die erste Verfassung trat 1972 in Kraft und setzte neben der demokratischen Staatsform auch Säkularismus, Sozialismus und Nationalismus als Ziele fest. Nach zahlreichen Verfassungsänderungen wurde 1988 der Islam als Staatsreligion eingeführt bei gleichzeitiger verfassungsrechtlicher Verankerung des Rechts auf friedliche Ausübung anderer Religionen (ÖB 8.2019).

Das politische Leben wird durch die beiden dominierenden und konkurrierenden größten Parteien AL und BNP bestimmt (ÖB 8.2019; vgl. AA 21.6.2020, BS 29.4.2020). Klientelismus und Korruption sowie mafiöse Strukturen sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind parteipolitisch durchdrungen (AA 21.6.2020; vgl. DGVN 2016). Beide Parteien haben keine demokratische interne Struktur und werden von Familien geführt, die Bangladesch seit der Unabhängigkeit geprägt haben (FH 2020).

Seit 2009 ist Sheikh Hasina Wazed von der AL Premierministerin (GIZ 11.2019a; vgl. ÖB 8.2019). Im Jänner 2019 wurde sie für ihre vierte Amtszeit – die dritte Amtszeit in Folge – als Premierministerin angelobt. Im Februar 2019 gab sie bekannt, dass sie nach dieser Amtszeit an die „junge Generation“ übergeben wolle (DW 14.2.2019).

Wahlen und Willensbildungsprozess:

Bei den elften bangladeschischen Parlamentswahlen vom 30.12.2018 erzielte die „Große Allianz“ um die regierende AL einen Erdrutschsieg mit 96 % der Stimmen und 289 der 300 zur Wahl stehenden Parlamentssitze (Guardian 30.12.2018; vgl. BN24 31.12.2018, DT 27.1.2019, DW 14.2.2019), wobei in zwei Wahlkreisen aufgrund von Gewalt (DS 10.1.2019) bzw. dem Tod eines Kandidaten Nachwahlen notwendig waren (DT 27.1.2019).

Die Opposition verurteilte die Wahl als „Farce“ und fordert die Annullierung des Ergebnisses und Neuwahlen. Die Regierungspartei wies die Manipulationsvorwürfe und Neuwahlforderungen zurück und nannte die Wahl „völlig frei und unabhängig“ (BBC 31.12.2018). In einer vorläufigen Bewertung erklärten Wahlbeobachter der SAARC (South Asian Association for Regional Cooperation), dass die Wahl „viel freier und fairer“ ablief als die vorherigen (Hindu 1.1.2019). Bereits im Vorfeld der Wahl kam es zu Gewalt zwischen rivalisierenden Anhängern und einem harten Vorgehen der Regierung (BBC 31.12.2018; vgl. Hindu 1.1.2019). Die Wahlen vom 30. Dezember 2018 waren durch Übergriffe auf Oppositionelle, willkürliche Verhaftungen und Einschüchterungen der Stimmberechtigten gekennzeichnet (HRW 14.1.2020). Am Wahltag waren rund 600.000 Sicherheitskräfte, darunter Armee und paramilitärische Truppen, im Einsatz, um die Gewalt einzudämmen (Guardian 30.12.2018). Frühzeitig wurde die Wahl durch die Wahlkommission als frei und fair bezeichnet. Unregelmäßigkeiten wurden nicht untersucht. Stattdessen wurden Journalisten wegen ihrer Berichterstattung verhaftet (HRW 14.1.2020). Es wurden mindestens 17 Menschen bei Zusammenstößen zwischen Anhängern der regierenden Partei und der Opposition getötet (Reuters 1.1.2019).

Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden innerparteilichen Demokratie hat de facto die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Wie schon die Vorgängerregierungen baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in Verwaltung, Rechtswesen und Militär aus. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei das Wahlergebnis angefochten hatte und nun nicht mehr im Parlament vertreten ist (GIZ 11.2019a). Die oppositionelle BNP hat aufgrund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potenzial, durch Generalstreiks großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 11.2019a).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (6.3.2020a): Bangladesch – Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/-/206322, Zugriff 1.4.2020

?        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (21.6.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 5.8.2020

?        BBC – British Broadcasting Corporation (31.12.2018): Bangladesh election: PM Sheikh Hasina wins landslide in disputed vote, https://www.bbc.com/news/world-asia-46718393, Zugriff 6.4.2020

?        BN24 - Bangla News 24 (31.12.2018): Grand alliance wins 288 seats, https://www.banglanews24.com/english/national/article/73191/Grand-alliance-wins-288-seats, Zugriff 7.3.2019

?        BS - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report Bangladesh, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029402/country_report_2020_BGD.pdf, Zugriff 5.8.2020

?        CIA – Central Intelligence Agency (13.3.2020): The World Factbook – Bangladesh, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/bg.html, Zugriff 1.4.2020

?        DT – Dhaka Tribune (27.1.2019): Ruling party's Dr Younus Ali Sarker wins Gaibandha 3 by-polls,https://www.dhakatribune.com/bangladesh/election/2019/01/27/voting-in-gaibandha-3-by-polls-underway, Zugriff 6.4.2020

?        DT – Dhaka Tribune (8.12.2018): EC rejects Khaleda Zia’s candidature by majority decision, https://www.dhakatribune.com/bangladesh/election/2018/12/08/khaleda-zia-s-appeal-remains-pending, Zugriff 7.3.2019

?        DW – Deutsche Welle (14.2.2019): Bangladesh PM Sheikh Hasina hints at last term as prime minister, https://www.dw.com/en/bangladesh-pm-sheikh-hasina-hints-at-last-term-as-prime-minister/a-47513555, Zugriff 6.4.2020

?        DGVN – Deutsche Gesellschaft für die Vereintern Nationen (2016): EWP – Eine Welt Presse. Menschenwürdige Arbeitsbedingungen, https://nachhaltig-entwickeln.dgvn.de/fileadmin/publications/PDFs/Eine_Welt_Presse/20170119_EWP_Arbeitsbedingungen_Nachdruck-web.pdf, Zugriff 2.4.2020

?        FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020

?        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (11.2019a): Bangladesch – Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat/, Zugriff 24.3.2020

?        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020): Bangladesch – Überblick, https://www.liportal.de/bangladesch/ueberblick/, Zugriff 24.3.2020

?        Guardian, The (30.12.2018): Bangladesh PM Hasina wins thumping victory in elections opposition reject as 'farcical', https://www.theguardian.com/world/2018/dec/30/bangladesh-election-polls-open-after-campaign-marred-by-violence, Zugriff 6.4.2020

?        Hindu, The (1.1.2019): Hasina’s triumph: on Bangladesh election results, https://www.thehindu.com/opinion/editorial/hasinas-triumph/article25874907.ece, Zugriff 6.4.2020

?        HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022700.html, Zugriff 1.4.2020

?        HRW - Human Rights Watch (13.12.2018): Bangladesh: Crackdown as Elections Loom, https://www.ecoi.net/de/dokumet/n1454483.html, Zugriff 6.4.2020

?        ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (8.2019): Asylländerbericht Bangladesch, per E-Mail

?        Reuters (1.1.2019): Western powers call for probe into Bangladesh election irregularities, violence, https://www.reuters.com/article/us-bangladesh-election/western-powers-call-for-probe-into-bangladesh-election-irregularities-violence-idUSKCN1OV1PK, Zugriff 6.4.2020

?        USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 24.3.2020

?        WPR – World Population Review (o.D.): World Countries by Population Density 2020, http://worldpopulationreview.com/countries/countries-by-density/. Zugriff 6.4.2020

Sicherheitslage:

Letzte Änderung: 19.8.2020

Der Hass zwischen den politischen Parteien, insbesondere der Awami League (AL) und der Bangladesh Nationalist Party (BNP), ist für den größten Teil an Gewalt im Land verantwortlich (ACLED 9.11.2018). Die regierende AL hat ihre politische Macht durch die nachhaltige Einschüchterung der Opposition, wie auch der mit ihr verbündet geltenden Kräfte, sowie der kritischen Medien und Stimmen in der Zivilgesellschaft ausgebaut (FH 2020). Beide Parteien sind – gemeinsam mit unidentifizierten bewaffneten Gruppen – in Vandalismus und gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelt und greifen auch friedliche Zivilisten an (ACLED 9.11.2018).

Von nichtstaatlichen Akteuren (insbesondere Opposition, Islamisten, Studenten) geht nach wie vor in vielen Fällen Gewalt aus. Die öffentliche Sicherheit ist fragil. Das staatliche Gewaltmonopol wird durchbrochen. Es kommt häufig zu Morden und gewalttätigen Auseinandersetzungen aufgrund politischer (auch innerparteilicher) oder krimineller Rivalitäten. Eine Aufklärung erfolgt selten. Die großen Parteien verfügen über eigene „Studentenorganisationen“. Mit dem stillschweigenden Einverständnis der Mutterparteien fungieren diese bewaffneten Organisationen als deren Schild und Schwert. Ihr Mitwirken im politischen Prozess ist eine der wichtigsten Ursachen für die politische Gewalt in Bangladesch (AA 21.6.2020).

Spontane Streiks und Kundgebungen können jederzeit stattfinden (BMEIA 27.7.2020; vgl. AA 28.7.2020), dabei können Kämpfe zwischen Sicherheitsbehörden und Demonstranten, Brandstiftung, Gewalt und Vandalismus unvorhergesehen auftreten (UKFCO 29.3.2020a).

Gewalt gegen Zivilisten oder staatliche Kräfte durch Rebellen macht einen relativ kleinen Anteil an allen Gewaltereignissen aus. Es gibt radikale islamistische Gruppen wie die Mujahideen Bangladesh (JMB) und Ansarullah Bangla Team (ABT). Sowohl der Islamische Staat (IS) und Al Qaeda in the Indian Subcontinent (AQIS) geben an, in Bangladesch aktiv zu sein, was von der Regierung jedoch dementiert wird (ACLED 9.11.2018). 2017 kam es zu fünf Selbstmordattentaten mit Todesfolge, zu denen sich der Islamische Staat bekannte (BMEIA 18.3.2020; vgl. SATP 2.4.2020). 2019 gab es mehrere Angriffe gegen Polizei und Sicherheitskräfte in Dhaka und in der Stadt Khulna. Am 29.2.2020 erfolgte ein Anschlag auf die Polizei in Chittagong, bei welchem auch improvisierten Sprengkörper (IEDs) eingesetzt worden sind. Einige Operationen gegen mutmaßliche Militante haben ebenfalls zu Todesfällen geführt (UKFCO 29.3.2020b). Extremistische Gruppen führen Angriffe auf Angehörige vulnerabler Gruppen durch (USDOS 11.3.2020; AA 21.6.2020). In vielen Fällen ist nicht eindeutig differenzierbar, ob religiöse Motive oder säkulare Interessen, wie z.B. Racheakte oder Landraub, Grund für die Vorfälle sind. Sicherheitsbehörden reagieren manchmal nicht zeitnah auf religiös motivierte Vorfälle (AA 21.6.2020).

In der Division Chittagong, insbesondere im Gebiet der Chittagong Hill Tracts (Bezirke Rangamati, Khagrachari und Bandarban) kommt es zu bewaffneten Unruhen und kriminellen Übergriffen (AA 28.7.2020; vgl. UKFCO 29.3.2020a, AI 30.1.2020). Im südöstlichen Verwaltungsbezirk Cox’s Bazar der Gebietsverwaltung Chittagong hat es zuletzt unter anderem in der Nähe von Flüchtlingslagern vereinzelt gewalttätige Zwischenfälle gegeben. Es gibt Berichte über Sicherheitsprobleme, Protestkundgebungen sowie Gewalttätigkeiten und Unruhen sowohl in der örtlichen Bevölkerung als auch unter den Bewohnern der Lager, nachdem ein lokaler politischer Führer ermordet worden ist (HRW 18.9.2019; vgl. AnAg 5.11.2019, TDS 24.8.2019).

Im März 2019 wurden bei den Kommunalwahlen im Gebiet Baghicahhari im Norden des Distrikts Rangamati mehrere Wahl- und Sicherheitsbeamte getötet (UKFCO 29.3.2020a).

An der Grenze zu Indien kommt es gelegentlich zu Schusswechseln zwischen indischen und bangladeschischen Grenzwächtern. Regelmäßig werden Menschen getötet, die versuchen, illegal die Grenze zu überqueren (UKFCO 29.3.2020a).

Das South Asia Terrorism Portal (SATP) verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2017 insgesamt 263 Vorfälle terrorismusrelevanter Gewalt im Land. Im Jahr 2018 waren es 135 solcher Vorfälle und 2019 wurden 104 Vorfälle registriert. Bis zum 15.8.2020 wurden im Jahr 2020 58 Vorfälle terroristischer Gewaltanwendungen registriert (SATP 17.8.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (28.7.2020): Bangladesch: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/bangladeschsicherheit/206292, Zugriff 5.8.2020

?        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 5.8.2020

?        AnAg – Anadolu Agency (5.11.2019): Bangladesh rejects Amnesty report on Rohingya killings, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/bangladesh-rejects-amnesty-report-on-rohingya-killings/1636457, Zugriff 2.4.2020

?        ACLED – Armed Conflict Location & Event Data Project (9.11.2018): The Anatomy of Violence in Bangladesh, https://www.acleddata.com/2018/11/09/the-anatomy-of-violence-in-bangladesh/, Zugriff 6.3.2019

?        AI – Amnesty International (30.1.2020): Human Rights in Asia-Pacific; Review of 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2023864.html, Zugriff 2.4.2020

?        BMEIA – Bundesministerium Europa, Integration und Äußeres (27.7.2020): Bangladesch – Reiseinformation, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/bangladesch/, Zugriff 5.8.2020

?        FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020

?        HRW – Human Rights Watch (18.9.2019): Spate of Bangladesh ‘Crossfire’ Killings of Rohingya, https://www.hrw.org/news/2019/09/18/spate-bangladesh-crossfire-killings-rohingya, Zugriff 4.2.2020

?        SATP – South Asia Terrorism Portal (17.8.2020): Data Sheet – Bangladesh, Yearly Sucide Attacks, Advance Search 2000 - 2020, https://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/incidents-data/bangladesh, Zugriff 17.5.2020

?        TDS – The Daily Star (24.8.2019): Jubo League leader killed by ‘Rohingyas’, https://www.thedailystar.net/frontpage/news/jubo-league-leader-killed-rohingyas-1789726, Zugriff 15.1.2020

?        UKFCO – UK Foreign and Commonwealth Office (29.3.2020a): Foreign travel advice Bangladesh - Safety and security, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/bangladesh/safety-and-security, Zugriff 4.2.2020

?        UKFCO – UK Foreign and Commonwealth Office (29.3.2020b): Foreign travel advice Bangladesh – Terrorism, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/bangladesh/terrorism, Zugriff 4.2.2020

?        USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 24.3.2020

Rechtsschutz/Justizwesen:

Letzte Änderung: 19.8.2020

Die Justiz ist überlastet. Überlange Verfahrensdauern, Korruption und politische Einflussnahme behindern die Unabhängigkeit. Presseberichten zufolge kommt es in ländlichen Gebieten zu Verurteilungen durch unbefugte Dorfälteste oder Geistliche nach traditionellem, islamischem „Scharia Recht“. Nicht immer greifen die Behörden ein (AA 21.6.2020).

Das Gerichtssystem besteht aus zwei Instanzen, den untergeordneten Gerichten (Magistrates, Session- und District Judges) und dem Obersten Gerichtshof (Supreme Court). Beide verhandeln Zivil- und Strafrechtssachen. Das Rechtssystem beruht weitgehend auf dem englischen „Common Law“. Der Oberste Gerichtshof besteht aus zwei Abteilungen, dem „High Court“, der Verfassungsfragen verhandelt und als Berufungsinstanz zu den erstinstanzlichen Gerichten fungiert, sowie dem „Appellate Court“, dessen Entscheidungen für alle übrigen Gerichte bindend sind. Die Richter beider Abteilungen werden gemäß der Verfassung vom Präsidenten ernannt (ÖB 8.2019).

Die Unabhängigkeit der Richter wird von der Verfassung garantiert. In der Praxis unterstellt allerdings eine schon lange geltende temporäre Bestimmung der Verfassung die erstinstanzlichen Richter der Exekutive. Auch ihre Ernennung und Remuneration ist Sache der Exekutive. Demgegenüber haben die Richter des Obersten Gerichtshofs des Öfteren ihre Unabhängigkeit demonstriert und gegen die Regierung entschieden (ÖB 8.2019). Die Einflussnahme der Regierungspartei auf Parlament und Justiz haben deren Unabhängigkeit inzwischen weitgehend beseitigt (AA 21.6.2020).

Auf Grundlage mehrerer Gesetze („Public Safety Act“, „Law and Order Disruption Crimes Speedy Trial Act”, „Women and Children Repression Prevention Act”, „Special Powers Act“) wurden Sondertribunale errichtet, die Fälle innerhalb eines festgesetzten Zeitrahmens erledigen müssen. Es fehlen allerdings Vorschriften für den Fall, dass sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen. Diese „Speedy Trial“-Tribunale haben Medienberichten zufolge in den vergangenen Jahren mehrere Hundert Personen zum Tode verurteilt (ÖB 8.2019).

Wie die meisten Beobachter von Bangladesch übereinstimmend angeben, stellen Korruption, Ineffizienz der Justiz, gezielte Gewalt gegen Richter und ein gewaltiger Rückstau an offenen Fällen große Probleme dar (ÖB 8.2019; vgl. FH 2020). Strafanzeigen gegen Mitglieder der regierenden Partei werden regelmäßig zurückgezogen (FH 2020). Die schiere Zahl der gegen die politische Opposition eingeleiteten Klagen im Vorfeld zur 11. Parlamentswahl vom 30.12.2018, deutet auf ein ungehindertes Spielfeld und die Kontrolle der Regierungspartei über die Justiz- und Sicherheitsinstitutionen hin (FIDH 29.12.2018).

Zwei Drittel aller Streitfälle erreichen nicht das formelle Justizsystem, sondern werden von informellen Dorfgerichten oder bedeutenden Persönlichkeiten der lokalen Gemeinschaften entschieden. Diese behandeln meist Fälle betreffend Familienrecht, Unterhalt, Zweitehen, Mitgiftstreitigkeiten und Landeigentum. Obwohl diese „Gerichte“ eine durch Tradition legitimierte, schnellere und günstigere Alternative zu ordentlichen Gerichten darstellen, sind sie hinsichtlich der Einflussnahmemöglichkeiten durch lokal bedeutsame Persönlichkeiten sowie der gesellschaftlichen Stellung von Frauen nicht unproblematisch. Die islamische Scharia ist zwar nicht formell als Gesetz eingeführt, spielt aber insbesondere in den Bereichen des Zivilrechts (Erbschaft, Grunderwerb, Heirat und Scheidung etc.) eine große Rolle (ÖB 8.2019).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 5.8.2020

?        FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020

?        FIDH - International Federation for Human Rights (Hg.) (29.12.2018): Joint statement on the undemocratic electoral environment in Bangladesh, https://www.fidh.org/en/region/asia/bangladesh/joint-statement-on-the-undemocratic-electoral-environment-in, Zugriff 3.4.2020

?        ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (8.2019): Asylländerbericht Bangladesch

Sicherheitsbehörden:

Letzte Änderung: 19.8.2020

Die Polizei ist beim Ministerium für Inneres angesiedelt und hat das Mandat, die innere Sicherheit sowie Recht und Ordnung aufrechtzuerhalten. Die Armee, die dem Büro des Ministerpräsidenten untersteht, ist für die äußere Sicherheit zuständig, kann aber auch für innerstaatliche Sicherheitsaufgaben herangezogen werden. Zivile Stellen hatten weiterhin effektive Kontrolle über die Streitkräfte und andere Sicherheitsbehörden. Die Regierung verfügt über Mechanismen, Missbrauch und Korruption zu untersuchen und zu bestrafen; sie werden aber nicht immer angewandt (USDOS 11.3.2020).

Das Wirken der Polizei ist gekennzeichnet durch einen Mangel an Ressourcen inklusive mangelhafter Infrastruktur, Mangel an Personal, Ausbildung und Arbeitsmaterialien, Ineffizienz und Korruption (AA 21.6.2020). Die Regierung unternahm Schritte, um in der Polizei Professionalität, Disziplin, Ausbildung und Reaktionsfähigkeit zu verbessern und die Korruption zu verringern (USDOS 11.3.2020). Trotz dieser Bemühungen kommt es weiterhin zu Machtmissbrauch und unangebrachter Gewaltanwendung von Sicherheitskräften, insbesondere durch die Rapid Action Batallions (RAPs), die in weiterer Folge ungestraft bleiben (ÖB 8.2019).

Es gibt Hinweise auf willkürliche Festnahmen durch die Polizeikräfte, obwohl dies gesetzlich verboten ist, sowie auf willkürliche Nutzung der gesetzlich erlaubten präventiven Festnahmen. Die Festnahme ohne Angabe von Gründen ist für bis zu 30 Tagen zur Verhinderung von Taten, die die nationale Sicherheit, Verteidigung, Souveränität, öffentliche Ordnung oder auch wirtschaftliche Interessen des Landes gefährden, erlaubt. Die Arretierten haben kein Recht auf einen Verteidiger. Die hauptsächlich Betroffenen sind Aktivisten der politischen Parteien und NGO-Vertreter, die Kritik an der Regierung üben. Nach wie vor problematisch ist auch die in vielen Fällen unverhältnismäßig lange Untersuchungshaft. Als Gründe hierfür werden bürokratische Ineffizienz, limitierte Ressourcen und Korruption genannt. Gegenwärtig geht man von über 2 Millionen ausständigen Zivil- und Strafverfahren aus (ÖB 8.2019).

Die Sicherheitskräfte lassen Personen weiterhin routinemäßig „verschwinden“ (AI 30.1.2020; siehe auch Abschnitt 5). Betroffene sehen aus Angst vor Vergeltung in der Regel davon ab, Mitglieder der Sicherheitsbehörden wegen Menschenrechtsvergehen anzuzeigen, sodass diese straflos bleiben. Auch im Falle einer Beschwerde herrscht weitestgehend Straffreiheit. Wenn allerdings die Medien Polizeiversagen öffentlich anprangern, werden durch die politische Ebene die zuständigen Polizisten oft bestraft (AA 21.6.2020).

Die Sicherheitsbehörden bestehen zum Hauptteil aus der dem Innenministerium unterstellten „Bangladesch Police“, die ca. 116.000 Mann zählt. Zur Unterstützung der Polizei stehen weitere Einheiten zur Verfügung (ÖB 8.2019).

Rapid Action Batallions (RABs): Es gibt rund 12 RABs mit insgesamt ca. 8.500 Mann, die ebenfalls dem Innenministerium unterstellt sind. Ihre Aufgabe ist der Kampf gegen bewaffnete kriminelle Organisationen. Die RABs sind hauptsächlich in urbanen Zentren stationiert, rekrutieren sich hauptsächlich aus Polizei und Armee, sind gut ausgebildet und mit moderner Ausrüstung versehen (ÖB 8.2019). Ihnen werden schwere Menschenrechtsverstöße wie z.B. extralegale Tötungen zugeschrieben (AA 21.6.2020). Die RABs verfolgen eine aggressive Strategie gegen bewaffnete „Gang“-Mitglieder, was zu zahlreichen Toten durch Schießereien führt. Sie werden auch bei Demonstrationen eingesetzt, wobei exzessive Gewalt, Gummigeschosse aber auch scharfe Munition gegen Demonstranten zum Einsatz kam, welche wiederholt Todesopfer forderten. Es kam trotz zahlreicher Verhaftungen noch zu keiner Verurteilung wegen außergerichtlicher Tötungen, Folter oder willkürlicher Verhaftungen gegen Mitglieder der RABs (ÖB 8.2019). Die Regierung streitet weiterhin das Verschwindenlassen von Personen, Folter und andere Verstöße durch Sicherheitskräfte, sowie außergerichtliche Tötungen, etwa durch Angehörige des RAB ab. Die Sicherheitskräfte versuchen seit langem, unrechtmäßige Tötungen zu vertuschen, indem sie behaupteten, dass es bei einem Schusswechsel oder im Kreuzfeuer zu Todesfällen gekommen ist. Hunderte Menschen wurden angeblich in solchen „Kreuzfeuer“ getötet (HRW 14.1.2020).

Bangladesh Ansar: Gegründet im Jahr 1948 und ebenfalls dem Innenministerium unterstellt, gibt es aktuell ca. 23.000 leicht bewaffnete Ansars, die zur Unterstützung der Polizei im ländlichen Raum eingesetzt werden und auch Zivilschutz-Aufgaben übernehmen (ÖB 8.2019).

Bangladesh Rifles (BDRs): Diese ca. 40.000 Mann starke paramilitärische Truppe untersteht dem Home Ministry [Innenministrium], wird aber hauptsächlich von Armee-Offizieren geführt und dient in erster Linie dem Grenzschutz. Die BDRs sind auch für die Verhinderung von Schmuggel und Menschenhandel zuständig (ÖB 8.2019).

Village Defence Parties (VDP): Gegründet 1976, sollte es in jedem Dorf des Landes je ein männliches und weibliches „Platoon“ à 32 Personen geben, die der Unterstützung der Polizei bei der Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung sowie der Unterstützung der zivilen Behörden bei sozialen und wirtschaftlichen Wiederaufbauprogrammen und bei Naturkatastrophen dienen sollen. In Städten gibt es analog dazu sog. Town Defence Parties (ÖB 8.2019).

Special Branch of Police (SB): Sie ist beauftragt, die nationale Sicherheit zu gewährleisten, erfüllt die Funktion, nachrichtendienstliche Informationen zu sammeln und ist mit der Spionageabwehr betraut. Die SB ist überall in Bangladesch vertreten und besitzt die Fähigkeit, innerhalb und außerhalb des Landes zu agieren (AA 21.6.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 5.8.2020

?        HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022700.html, Zugriff 1.4.2020

?        ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (8.2019): Asylländerbericht Bangladesch

?        USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 24.3.2020

Korruption:

Letzte Änderung: 19.8.2020

Korruption ist in Bangladesch weit verbreitet und hat alle Teile der Gesellschaft durchdrungen (AA 921.6.2020; vgl. LIFOS 25.2.2019, ODHIKAR 8.2.2020). Auf dem Korruptionsindex von Transparency International belegte Bangladesch im Jahr 2019 den 146. Platz unter 180 Staaten (TI 23.1.2020). Das bedeutet eine Verbesserung gegenüber 2018 (149. Platz unter 180 untersuchten Staaten) um drei Positionen (Vergleich zum Jahr 2017: 143/180) (TI 29.1.2019).

Vor allem im Bereich der erstinstanzlichen Gerichte, der Gerichtsbediensteten, der öffentlichen Ankläger, der Magistrate und der Anwälte wird Korruption als ein weit verbreitetes Problem angesehen. Wohlhabenden oder in den großen Parteien verankerten Personen stehen die Möglichkeiten des ineffizienten und korrupten Justizsystems offen. Das Ausmaß der Korruption stellt jedoch sicher, dass auch Opfer staatlicher Verfolgung davon profitieren können (ÖB 8.2019).

Das Strafgesetzbuch von 1860 verbietet es Beamten, Bestechungsgelder anzunehmen [Absatz 161, 165] oder Beihilfe zur Bestechung zu leisten [Absatz 165 A] (TI 1.2019). Als korrupteste Behörden werden die Migrationsbehörden, die Polizei sowie die Rechtspflege genannt. NGOs und Militär genießen den besten Ruf (AA 21.6.2020).

Als Korruptionsbekämpfungs- sowie Rechtsschutzinstrument besteht die Antikorruptionsbehörde (Anti Corruption Commission - ACC). Diese wird seitens der deutschen Botschaft Dhaka jedoch als „eher zahnloser Papiertiger“ sowie „reines Aushängeschild“ beurteilt (ÖB 8.2019). Die Antikorruptionsbehörde (ACC) darf der Korruption verdächtigte Beamte nur mit Erlaubnis der Regierung anklagen. Faktisch ist die „Anti Corruption Commission“ machtlos (AA 21.6.2020; vgl. ODHIKAR 2.8.2020). Die Regierung nutzt die ACC für politisch motivierte Strafverfolgung, beispielsweise gegen die oppositionelle BNP (FH 2020).

Es gibt Ambitionen der jüngsten Regierungen, Korruption einzuschränken (LIFOS 25.2.2019) und die Regierung setzt Schritte zur Bekämpfung der weitverbreiteten Polizeikorruption (USDOS 11.3.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 5.8.2020

?        FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020

?        LIFOS – Center för landinformation och landanalys inom migrationsområdet (25.2.2019): Bangladesh falska handlingar, https://www.ecoi.net/en/file/local/1458189/1226_1551169348_190225550.pdf, Zugriff 5.3.2019

?        ODHIKAR (8.2.2020): Annual Human Rights Report 2019; Bangladesh, 8. Februar 2020, https://www.fidh.org/IMG/pdf/annual-hr-report-2019_eng.pdf, Zugriff 3.4.2020

?        ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (8.2019): Asylländerbericht Bangladesch

?        TI – Transparency International (23.1.2020): Corruption Perceptions Index 2019, https://www.transparency.org/files/content/pages/2019_CPI_Report_EN.pdf, Zugriff 6.4.2020

?        TI – Transparency International (1.2019): Korruptionsvermeidung in der Bekleidungsindustrie: Szenarien aus Bangladesch, https://www.transparency.de/fileadmin/Redaktion/Publikationen/2019/Broschuere_Undress_Corruption_Fassung_2019.pdf, Zugriff 6.4.2020

?        TI – Transparency International (29.1.2019): Corruption Perceptions Index 2018, https://www.transparency.org/cpi2018, https://www.transparency.org/files/content/pages/2018_CPI_Methodology.zip, Zugriff 6.3.2019

?        USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 24.3.2020

Allgemeine Menschenrechtslage:

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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