Entscheidungsdatum
28.10.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W183 2209827-1/23E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Dr. PIELER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.10.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.06.2020 und am 01.09.2020 zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer verließ im Jahr 2015 Iran, stellte am 13.01.2016 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Am 07.04.2017 und am 19.10.2017 wurde der Beschwerdeführer von der nunmehr belangten Behörde, dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), zu seinen Fluchtgründen niederschriftlich einvernommen, nachdem mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.12.2016 der Bescheid der belangten Behörde vom 12.10.2016, mit welchem der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers als unzulässig zurückgewiesen und dessen Außerlandesbringung nach Kroatien angeordnet worden war, behoben wurde.
In der Erstbefragung gab der Beschwerdeführer als Fluchtgrund an, in Iran gebe es keine Arbeit, man dürfe seine Meinung nicht frei sagen. Man müsse dort immer lügen, deshalb wolle er ein Land suchen, in dem er in Ruhe leben könne, ohne dass er ständig aufpassen müsse.
In der Einvernahme vor der belangten Behörde gab der Beschwerdeführer als Fluchtgrund an, sein Leben sei in Gefahr gewesen, sonst habe er keine Schwierigkeiten gehabt. In Iran werde Konversion mit dem Tod bestraft. Auch in Österreich besuche er eine Kirche.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid (zugestellt am 16.10.2018) wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt, sondern gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Iran zulässig ist (Spruchpunkte III. bis V.). Unter Spruchpunkt VI. wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.
Das BFA stellte dem Beschwerdeführer amtswegig einen Rechtsberater zur Seite.
3. Mit Schriftsatz vom 12.11.2018 erhob der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde in vollem Umfang. In dieser wurde – nachdem mehrmals auf den Herkunftsstaat „Irak“ Bezug genommen wurde – u.a. angeführt, der Beschwerdeführer habe bereits eine Taufvorbereitung absolviert und werde Mitte Dezember 2018 getauft. Weiters wurde vorgebracht, die Erstbefragung sei in der Sprache Paschtu erfolgt und werde daher beantragt, in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht einen „iranischen Dolmetsch für die Sprache Dari“ hinzuzuziehen. Schließlich wurde angegeben, „Araber im Iran“ hätten mit ungleich größeren Schwierigkeiten zu rechnen als die lokale Bevölkerung – jedoch wird nicht näher ausgeführt, in welchem Zusammenhang dies mit der Situation des Beschwerdeführers steht, der vor der Behörde als ethnische Herkunft „Türke“ angab.
4. Mit Schriftsatz vom 19.11.2018 (eingelangt am 21.11.2018 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht vor.
Aufgrund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 28.03.2019 wurde die gegenständliche Rechtssache der bislang zuständigen Gerichtsabteilung abgenommen und der nun zuständigen Gerichtsabteilung neu zugewiesen (eingelangt am 15.05.2019).
5. Mit Schreiben vom 02.03.2020 wurden der Beschwerdeführer sowie das BFA zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 30.04.2020 geladen (die abberaumt wurde und in weiterer Folge am 23.06.2020 stattfand) und wurde in den Ladungen darauf hingewiesen, dass das Bundesverwaltungsgericht beabsichtigt, die Länderberichte gemäß dem „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Iran, Gesamtaktualisierung am 14. Juni 2019“ sowie den „Länderreport 10 des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Iran – Situation der Christen, Stand 3/2019“ als Grundlage für die Feststellungen zur Situation in Iran heranzuziehen. Es wurde Gelegenheit zur Einsicht- und Stellungnahme gegeben. Das BFA entschuldigte sich für die Nichtteilnahme an der Verhandlung. Schriftliche Stellungnahmen wurden von keiner der Parteien dem Bundesverwaltungsgericht übermittelt.
6. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 23.06.2020 unter Beiziehung eines Dolmetschs für die Sprache Farsi eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer sowie dessen Rechtsvertretung teilnahmen. Der Beschwerdeführer wurde ausführlich zu seiner Person, seinen Fluchtgründen sowie religiösen Aktivitäten in Österreich befragt. Es wurde ihm Gelegenheit gegeben, alle Gründe umfassend darzulegen, zu den ins Verfahren eingeführten Länderberichten Stellung zu nehmen und seine Situation in Österreich darzustellen. Seitens des Beschwerdeführers wurden mit 22.06.2020 datierte Bestätigungen (der Teilnahme an einem „Workshop gegen die Angst“, der Mithilfe bei Veranstaltungen des Vereins „ XXXX hilft Flüchtlingshilfe“, sowie weiteren Unterstützungsschreiben) vorgelegt. Das BFA nahm an dieser Verhandlung nicht teil und gab keine schriftliche Stellungnahme zu der Situation im Herkunftsland ab. Die Niederschrift über die mündliche Verhandlung wurde dem BFA zur Kenntnis gebracht.
Am 07.07.2020 langte seitens der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers eine Stellungnahme ein, in der im Wesentlichen das Beschwerdevorbringen wiederholt wurde, und die dem BFA zum Parteiengehör gebracht wurde. Es langten keine weiteren Stellungnahmen ein.
7. Mit Schreiben vom 13.07.2020 wurden der Beschwerdeführer sowie das BFA zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 01.09.2020 geladen und wurde in den Ladungen darauf hingewiesen, dass das Bundesverwaltungsgericht beabsichtigt, zusätzlich die Länderberichte gemäß dem „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Iran, Gesamtaktualisierung am 19.06.2020“ als Grundlage für die Feststellungen zur Situation in Iran heranzuziehen. Es wurde Gelegenheit zur Einsicht- und Stellungnahme gegeben. Das BFA entschuldigte sich für die Nichtteilnahme an der Verhandlung. Schriftliche Stellungnahmen wurden von keiner der Parteien dem Bundesverwaltungsgericht übermittelt.
8. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 01.09.2020 unter Beiziehung eines Dolmetschs für die Sprache Farsi eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer sowie dessen Rechtsvertretung und der in der Verhandlung vom 23.06.2020 zum Beweis der inneren Glaubensüberzeugung des Beschwerdeführers beantragte Zeuge teilnahmen. Der Zeuge wurde zu den religiösen Aktivitäten des Beschwerdeführers in Österreich befragt. Es wurde dem Beschwerdeführer Gelegenheit gegeben, zur Aussage des Zeugen Stellung zu nehmen und diesen zu befragen. Das BFA nahm an dieser Verhandlung nicht teil und gab keine schriftliche Stellungnahme zu der Situation im Herkunftsland ab. Die Niederschrift über die mündliche Verhandlung wurde dem BFA zur Kenntnis gebracht.
Es langten keine weiteren Stellungnahmen ein.
9. Das Bundesverwaltungsgericht führte zuletzt am 23.10.2020 eine Strafregisterabfrage durch.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer ist ein volljähriger iranischer Staatsangehöriger. Er trägt den im Erkenntniskopf genannten Namen und ist am dort angeführten Datum geboren. Seine Identität steht nicht fest.
Der Beschwerdeführer stammt aus Shiraz und lebte dort bis zu seiner Ausreise, gab an, der Volksgruppe der Türken anzugehören, spricht Farsi (Muttersprache) und Türkisch und arbeitete in Iran in einer Autowerkstatt.
Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. In Iran leben seine Eltern, Geschwister und seine erweiterte Familie. Zu seiner Mutter hat der Beschwerdeführer regelmäßig Kontakt, das Verhältnis zu ihr ist gut.
Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung von Passkontrollen aus Iran aus, illegal nach Österreich ein und stellte am 13.01.2016 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Ein nicht auf das Asylgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht besteht nicht.
Der Beschwerdeführer leidet an keiner physischen oder psychischen (schweren oder lebensbedrohlichen) Erkrankung und ist arbeitsfähig.
In Österreich lebt der mittlerweile volljährige, Bruder des Beschwerdeführers, mit dem er gemeinsam Iran verlassen hat. Seit 22.10.2020 ist der Beschwerdeführer an derselben Adresse wie sein Bruder gemeldet, die Brüder stehen aber in keinem Abhängigkeitsverhältnis zueinander. Der Beschwerdeführer verfügt darüber hinaus über keine sonstigen verwandtschaftlichen bzw. familienähnlichen sozialen Bindungen in Österreich. Der Beschwerdeführer lebt hier in keiner Lebensgemeinschaft. Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht Mitglied in Vereinen oder anderen Organisationen. Der Beschwerdeführer absolviert keine Ausbildung. Die sozialen Kontakte beschränken sich im Wesentlichen auf gelegentliche Kontakte zu in der Pfarre oder einem Verein für die Flüchtlingshilfe Tätigen sowie zu Fußballkollegen. Die sozialen Kontakte entstanden zu einem Zeitpunkt, als der Beschwerdeführer bereits seinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat.
Der Beschwerdeführer bezieht in Österreich Leistungen aus der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Er hilft gelegentlich in der Kirche oder bei Veranstaltungen des Vereins „ XXXX hilft Flüchtlingshilfe“ aus.
Der Beschwerdeführer hat zwei Deutschkurse auf A1-Niveau besucht und spricht ein paar Worte Deutsch.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zum Fluchtvorbringen
Der Beschwerdeführer wuchs in Iran als schiitischer Moslem auf. In Iran wandte sich der Beschwerdeführer nicht dem Christentum zu und missionierte nicht. Eine Bedrohung durch den Vater ist nicht anzunehmen.
In Österreich besuchte der Beschwerdeführer seit Herbst 2016 bis zumindest April 2017 selten die Gottesdienste des freikirchlichen XXXX , als er in XXXX wohnte. Eine Nahebeziehung zu dieser Kirche besteht nicht. Der Beschwerdeführer gab weiters an, (Stand: 23.06.2020) seit acht Monaten (also seit etwa Oktober 2019) in XXXX zu leben, wo er mindestens vier oder fünf Monate nach seinem Umzug begann, alle zwei Wochen den Gottesdienst in der katholischen Kirche zu besuchen. Während der durch die COVID-19-Pandemie bedingten Ausgangsbeschränkungen hatte er keinen (etwa digitalen) Kontakt zur Kirche und praktizierte auch seinen Glauben nicht. Im Juni 2020 besuchte er wieder Gottesdienste, bis August 2020 hatte er sich zum Taufvorbereitungskurs in der römisch-katholischen Pfarrgemeinde XXXX angemeldet. Der Beschwerdeführer wohnt seit 22.10.2020 nicht mehr in XXXX , sondern in XXXX . Der Beschwerdeführer ist bislang nicht in Österreich getauft worden und hat bislang auch keinen Taufschein vorgelegt, auch wenn er in der Einvernahme vor der belangten Behörde am 07.04.2017 angab, einen Taufschein zu haben. Der Beschwerdeführer meldete bislang nicht seinen Austritt aus der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich. Der Beschwerdeführer verfügt über kein tiefergehendes Wissen zum Christentum.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht aus einem innerem Entschluss zum Christentum konvertiert und die christliche Glaubensüberzeugung ist aktuell nicht derart ernsthaft, sodass sie Bestandteil der Identität des Beschwerdeführers wurde. Es wird davon ausgegangen, dass sich der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Iran nicht privat oder öffentlich zum christlichen Glauben bekennen wird.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht missionarisch tätig und beabsichtigt nicht ernsthaft, dies in Zukunft zu tun. Die iranischen Behörden oder Verwandte des Beschwerdeführers in Iran wissen von den oben festgestellten christlichen Aktivitäten des Beschwerdeführers in Österreich nicht Bescheid.
Dem Beschwerdeführer droht in Iran keine Verfolgung aufgrund seiner ethnischen Zugehörigkeit oder (unterstellter) oppositioneller Gesinnung.
Der Beschwerdeführer brachte keine weiteren Gründe, warum er eine Rückkehr in den Heimatstaat fürchtet, vor.
1.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat
Aus dem ins Verfahren eingeführten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Iran vom 19. Juni 2020 (LIB 2020) ergibt sich wie folgt:
Zur Sicherheitslage
Den komplexen Verhältnissen in der Region muss stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage im Iran auswirken.
Die schwierige Wirtschaftslage und latenten Spannungen im Land führen periodisch zu Kundgebungen, zum Beispiel im Zusammenhang mit Preiserhöhungen oder mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei muss mit schweren Ausschreitungen und gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gerechnet werden sowie mit Straßenblockaden. Zum Beispiel haben im November 2019 Proteste gegen die Erhöhung der Treibstoffpreise Todesopfer und Verletzte gefordert (EDA 4.5.2020).
Das Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land. Im Juni 2017 wurden in Teheran Attentate auf das Parlament und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini verübt. Sie haben über zehn Todesopfer und zahlreiche Verletzte gefordert. Im September 2018 forderte ein Attentat auf eine Militärparade in Ahvaz (Provinz Khuzestan) zahlreiche Todesopfer und Verletzte (EDA 4.5.2020; vgl. AA 4.5.2020b). 2019 gab es einen Anschlag auf einen Bus der Revolutionsgarden in der Nähe der Stadt Zahedan (AA 4.5.2020b).
In den Grenzprovinzen im Osten und Westen werden die Sicherheitskräfte immer wieder Ziel von bewaffneten Überfällen und Anschlägen (EDA 4.5.2020). In diesen Minderheitenregionen kommt es unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Die iranischen Behörden haben seit einiger Zeit die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran erhöht (AA 4.5.2020b).
In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkontrollen. Wiederholt wurden Ausländer in der Region festgehalten und längeren Verhören unterzogen. Eine Weiterreise war in manchen Fällen nur noch mit iranischer Polizeieskorte möglich. Dies geschah vor dem Hintergrund von seit Jahren häufig auftretenden Fällen bewaffneter Angriffe auf iranische Sicherheitskräfte in der Region (AA 4.5.2020b). Die Grenzzone Afghanistan, östliches Kerman und Sistan-Belutschistan stehen teilweise unter dem Einfluss von Drogenhändlerorganisationen sowie von extremistischen Organisationen. Sie haben wiederholt Anschläge verübt und setzen teilweise Landminen auf Überlandstraßen ein. Es kann hier jederzeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften kommen (EDA 4.5.2020).
In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, lokale Repräsentanten der Justiz und des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen und Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt. Seit 2015 kommt es nach iranischen Angaben in der Provinz Khuzestan und in anderen Landesteilen, auch in Teheran, wiederholt zu Verhaftungen von Personen, die mit dem sogenannten Islamischen Staat in Verbindung stehen und Terroranschläge in Iran geplant haben sollen (AA 4.5.2020b). Im iranisch-irakischen Grenzgebiet sind zahlreiche Minenfelder vorhanden (in der Regel Sperrzonen). Die unsichere Lage und die Konflikte in Irak verursachen Spannungen im Grenzgebiet. Gelegentlich kommt es zu Schusswechseln zwischen aufständischen Gruppierungen und den Sicherheitskräften. Bisweilen kommt es auch im Grenzgebiet zur Türkei zu Schusswechseln zwischen militanten Gruppierungen und den iranischen Sicherheitskräften (EDA 4.5.2020). Schmuggler, die zwischen dem iranischen und irakischen Kurdistan verkehren, werden mitunter erschossen, auch wenn sie unbewaffnet sind (ÖB Teheran 10.2019).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt (4.5.2020b): Iran: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/iransicherheit/202396, Zugriff 4.5.2020
? EDA – Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (4.5.2020): Reisehinweise Iran, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/iran/reisehinweise-fuerdeniran.html, Zugriff 4.5.2020
? ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 4.5.2020
Zu Apostasie und Konversion
Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist im Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht (ÖB Teheran 10.2019). Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel „mohareb“ („Waffenaufnahme gegen Gott“), „mofsid-fil-arz/fisad-al-arz“ („Verdorbenheit auf Erden“), oder „Handlungen gegen die nationale Sicherheit“. In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie selten, wenn überhaupt noch vorhanden. Bei keiner der Hinrichtungen in den letzten zehn Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie ein bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen „mohareb“ (ÖB Teheran 10.2019, vgl. DIS/DRC 23.2.2018). Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen keine geläufige Bestrafung. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt (DIS/DRC 23.2.2018). Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen (Open Doors 2020; vgl. AA 26.2.2020). Anklagen lauten meist auf „Gefährdung der nationalen Sicherheit“, „Organisation von Hauskirchen“ und „Beleidigung des Heiligen“, wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden (AA 26.2.2020). Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Nach anderen Quellen wurden im Jahr 2017 gegen mehrere christliche Konvertiten hohe Haftstrafen (10 und mehr Jahre) verhängt [Anmerkung der Staatendokumentation: Verurteilungsgrund unklar] (AA 12.1.2019). Laut Weltverfolgungsindex 2020 wurden im Berichtszeitraum viele Christen, besonders solche mit muslimischem Hintergrund, vor Gericht gestellt und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt bzw. warten noch auf ihren Prozess. Ihre Familien sind während dieser Zeit öffentlichen Demütigungen ausgesetzt (Open Doors 2020).
Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen (AA 26.2.2020). In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind (ÖB Teheran 10.2019).
Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben) (ÖB Teheran 10.2019).
Es liegen keine Daten bzw. Details zu Rechtsprechung und Behördenpraxis im Zusammenhang mit „Konversion“ vom Schiitentum zum Sunnitentum vor. Diese „Konversion“ ist auch nicht als Apostasie zu werten; bislang wurde noch kein solcher Fall als Apostasie angesehen. Aufgrund von Diskriminierung von Sunniten im Iran könnten öffentlich „konvertierte“ Sunniten jedoch Nachteile in Beruf und Privatleben erfahren. Im derzeitigen Parlament sind Sunniten (vorwiegend aus Sistan-Belutschistan) vertreten. Gewisse hohe politische Ämter sind jedoch de facto Schiiten vorbehalten. Keine besonderen Bestimmungen gibt es zur Konversion von einer nicht-islamischen zu einer anderen nicht-islamischen Religion, da diese nicht als Apostasie gilt (ÖB Teheran 12.2018).
Die Schließungen der „Assembly of God“-Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen. Dieser Anstieg bei den Hauskirchen zeigt, dass sie – obwohl sie verboten sind – trotzdem die Möglichkeit haben, zu agieren. Obwohl die Behörden die Ausbreitung der Hauskirchen fürchten, ist es schwierig, diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind. Nichtsdestotrotz werden sie teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren, deshalb organisieren sich die Hauskirchen in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Behörden sofort reagieren, da man zuerst Informationen über die Mitglieder sammeln und wissen will, wer in der Gemeinschaft welche Aufgaben hat. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online-Aktivitäten ist weit verbreitet. Es kann jedoch nicht klargestellt werden, wie hoch die Kapazitäten zur Überwachung sind. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018).
In den letzten Jahren gab es mehrere Razzien in Hauskirchen und Anführer und Mitglieder wurden verhaftet (FH 4.3.2020; vgl. AI 18.2.2020). Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken und dies den Behörden melden. Ansonsten haben die Behörden eigentlich keine Möglichkeit eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind (DIS/DRC 23.2.2018).
Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen „Verbrechen gegen Gott“ angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. In Bezug auf die Strafverfolgung von Mitgliedern von Hauskirchen besagt eine Quelle, dass eher nur die Anführer von Hauskirchen gerichtlich verfolgt würden, während eine andere Quelle meint, dass auch „low-profile“ Mitglieder davon betroffen sein können. Manchmal werden inhaftierte Anführer von Hauskirchen oder Mitglieder auf Kaution entlassen, und wenn es ein prominenter Fall ist, werden diese Personen von den Behörden gedrängt, das Land zu verlassen. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird normalerweise nach 24 Stunden wieder freigelassen, mit der Bedingung, dass sie sich vom Missionieren fernhalten. Eine Vorgehensweise gegen Hauskirchen wäre, dass die Anführer verhaftet und dann wieder freigelassen werden, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Wenn sie das Missionieren stoppen, werden die Behörden in der Regel aufhören, Informationen über sie zu sammeln. Es soll auch die Möglichkeit geben, sich den Weg aus der Haft zu erkaufen (DIS/DRC 23.2.2018).
Bei Razzien in Hauskirchen werden meist die religiösen Führer zur Verantwortung gezogen, vor allem aus politischen Gründen. Aufgrund der häufigen Unterstützung ausländischer Kirchen für Kirchen in Iran und der Rückkehr von Christen aus dem Ausland lautet das Urteil oft Verdacht auf Spionage und Verbindung zu ausländischen Staaten und Feinden des Islam (z.B. Zionisten), oder Bedrohung für die nationale Sicherheit. Diese Urteile sind absichtlich vage formuliert, um ein größtmögliches Tätigkeitsspektrum abdecken zu können. Darüber hinaus beinhalten die Urteile auch den Konsum von Alkohol während der Messe (obwohl der Alkoholkonsum im Rahmen der religiösen Riten einer registrierten Gemeinschaft erlaubt ist), illegale Versammlung, Respektlosigkeit vor dem Regime und Beleidigung des islamischen Glaubens. Den verhafteten Christen werden teilweise nicht die vollen Prozessrechte gewährt – oft werden sie ohne Anwaltsberatung oder ohne formelle Verurteilung festgehalten bzw. ihre Haft über das Strafmaß hinaus verlängert. Berichten zufolge sollen auch Kautionszahlungen absichtlich sehr hoch angesetzt werden, um den Familien von Konvertiten wirtschaftlich zu schaden. Im Anschluss an die Freilassung wird Konvertiten das Leben erschwert, indem sie oft ihren Job verlieren bzw. es ihnen verwehrt wird, ein Bankkonto zu eröffnen oder ein Haus zu kaufen (ÖB Teheran 12.2018). Die Regierung nutzt Kautionszahlungen, um verurteilte Christen vorsätzlich verarmen zu lassen (Open Doors 2020).
Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten, und ob er/sie auch im Ausland bekannt ist, ab. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion aber andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder das Unterrichten von anderen Personen im Glauben, dann kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen (DIS/DRC 23.2.2018).
Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, werden für die Behörden nicht von Interesse sein. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, dann wäre eine Rückkehr nach Iran kein Problem. Konvertiten, die ihre Konversion aber öffentlich machen, können sich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang würde davon abhängen, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein „high-profile“-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, wird der Konvertit wohl keine harsche Strafe bekommen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein, würde nicht zu einer Verfolgung führen, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, würde er/sie nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das zu einem Problem werden (DIS/DRC 23.2.2018).
Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung habe, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen in Iran darüber unsicher; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein könnte (DIS/DRC 23.2.2018).
Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein, und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Auch Publikationen, die sich mit dem Christentum beschäftigen und schon auf dem Markt waren, wurden konfisziert, obwohl es von der Regierung genehmigte Übersetzungen der Bibel gibt. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken (US DOS 29.5.2018).
Zu Grundversorgung und Rückkehr:
Die Grundversorgung ist in Iran gesichert, wozu neben staatlichen Hilfen auch das islamische Spendensystem beiträgt. Der Mindestlohn liegt bei ca. 15,7 Mio. Rial im Monat (ca. 110 Euro). Das durchschnittliche monatliche pro Kopf Einkommen liegt bei ca. 54,6 Mio. Rial (ca. 400 Euro) (AA 26.2.2020). Angesichts der immer schärferen US-Sanktionen gegen Iran und des dramatischen Währungsverfalls hat sich die wirtschaftliche Lage weiter verschlechtert (ÖB Teheran 10.2019; vgl. BTI 2020). Die Weltbank erwartet in den Jahren 2018-2020 eine anhaltende Rezession, der Internationale Währungsfonds sogar einen Rückgang des BIP. Das Budget wird durch die sinkenden Erdölexporte erheblich belastet werden, weshalb ein Sinken der öffentlichen Ausgaben zu erwarten ist (ÖB Teheran 10.2019).
Allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, löst bei Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus. In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Trotzdem kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. Bisher wurde kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. (AA 26.2.2020)
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 20.4.2020
? AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf, Zugriff 21.4.2020
? AI – Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Iran: 2019 [MDE 13/1829/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2026069.html, Zugriff 14.5.2020
? BTI – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report — Iran, https://www.bti-project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf, Zugriff 6.5.2020
? DIS/DRC – Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (23.2.2018): IRAN - House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish Refugee Council based on interviews in Tehran, Iran, Ankara, Turkey and London, United Kingdom, 9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426255/1788_1520517773_house-churches-and-converts.pdf, Zugriff 20.4.2020
? FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html, Zugriff 20.4.2020
? ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 20.4.2020
? Open Doors (2020): Weltverfolgungsindex 2020 Länderprofil Iran, https://www.opendoors.de/christenverfolgung/weltverfolgungsindex/laenderprofile/iran, Zugriff 20.4.2020
? US DOS – US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2011176.html, Zugriff 20.4.2020
Zur Situation der ethnischen Minderheiten:
Nur etwa 51% der Iraner sind Perser. Dazu kommt die Volksgruppe der Aseris mit 24% der Gesamtbevölkerung, etwa 8% Gilakis und Mazanderanis, 7% Kurden, 3% Araber und je etwa 2% Turkmenen, Luren und Belutschen (vgl. GIZ 12.2019c). Es sind keine Rechtsverletzungen gegen Mitglieder ethnischer Minderheiten aus rein ethnischen Gesichtspunkten bekannt (ÖB Teheran 10.2019). Von Diskriminierungen im Alltag (rechtlich, wirtschaftlich und/oder kulturell, z.B. Zugang zu Wohnraum, Wasser und Bildung) wurde jedoch betreffend u.a. Angehöriger der arabischen Gemeinschaft der Ahwazi, Aseris, Belutschen, Kurden und Turkmenen berichtet. Der Gebrauch ihrer jeweiligen Muttersprache in Behörden und Schulen ist weiterhin verboten, trotz entsprechender Zusagen von Präsident Rohani während seines Wahlkampfes im Jahr 2013. Menschen, die sich für Minderheitenrechte einsetzen, können bedroht, festgenommen und bestraft werden (ÖB Teheran 10.2019, vgl. FH 4.3.2020).
Der Vielvölkerstaat Iran verfolgt gegenüber ethnischen Minderheiten grundsätzlich eine auf Ausgleich bedachte Politik, v.a. die Aseris sind in Staat und Wirtschaft sehr gut integriert (AA 26.02.2020).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf, Zugriff 22.4.2020
? FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html, Zugriff 22.4.2020
? GIZ – Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2019c): Gesellschaft Iran, https://www.liportal.de/iran/gesellschaft/, Zugriff 22.4.2020
? ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 22.4.2020
Aus dem Länderreport 10 Iran zur Situation der Christen des Deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Stand 3/2019) ergibt sich wie folgt:
Ein Mitglied einer Hauskirche, das Mission betreibt, an christlichen Konferenzen außerhalb Irans teilnimmt, sich möglicherweise auch im Besitz christlicher Materialen befindet und insofern in den Fokus der Ordnungskräfte oder Geheimdienste geraten kann, wird bestenfalls vernommen und verwarnt. Es kann aber auch zu einer Festnahme mit anschließendem Strafverfahren führen. Das Ziel der vorgenannten Sicherheitskräfte ist nicht die Privatperson, sondern die Hauskirche als Organisation und die aktiv missionierenden Führungspersonen. Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen „Verbrechen gegen Gott“ angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall eines Konvertiten bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hat. Mitglieder von Hauskirchen, die nicht der Leitung der Gemeinschaft zugerechnet werden, werden oftmals nach einer zweitägigen Haft und verschiedenen Vernehmungen, in deren Verlauf sie zu der Organisation der Hauskirche und eventuellen noch nicht bekannten Mitgliedern befragt werden, wieder auf freien Fuß gesetzt. (S 8f.)
Die Rückkehr von Konvertiten in den Iran führt nicht zwingend zu einer Festnahme oder Inhaftierung. In den vergangenen zehn Jahren wurde seitens der in Iran vertretenen westlichen Botschaften, die grundsätzlich Rückführungen iranischer Staatsangehöriger vor Ort kontrollieren, kein Fall der Festnahme eines Konvertiten bei der Einreise gemeldet. (S 11)
Die zu Apostasie und Konversion festgestellte Situation stellt sich im gesamten iranischen Staatsgebiet gleichermaßen dar.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen ergeben sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsunterlagen sowie den Aktenbestandteilen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Als Beweismittel insbesondere relevant sind die Niederschriften der Einvernahmen durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Erstbefragung; EB) und durch das BFA (EV) sowie die Niederschriften der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (VH), der Beschwerdeschriftsatz, das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Iran vom 19. Juni 2020 mit den darin enthaltenen, bei den Feststellungen näher zitierten Berichten, der Länderreport 10 Iran zur Situation der Christen des Deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Stand 3/2019), die vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumente (Bestätigung des XXXX vom 04.04.2017 über Gottesdienstbesuche, Bestätigung der römisch-katholischen Pfarrgemeinde XXXX vom 28.08.2020 über Gottesdienstbesuche, Teilnahmebestätigungen A1-Deutschkurse vom 04.04.2018 und vom 19.09.2018, undatierte Bestätigung über die Aushilfe bei diversen Veranstaltungen der Pfarre XXXX , mit 22.06.2020 datierte Bestätigungen der Teilnahme an einem „Workshop gegen die Angst“, der Mithilfe bei Veranstaltungen des Vereins „ XXXX hilft Flüchtlingshilfe“ sowie weitere Unterstützungsschreiben), die Zeugenaussage in der mündlichen Verhandlung, die Strafregisterabfrage vom 23.10.2020 sowie die ZMR-Auszüge betreffend den Beschwerdeführer sowie seinen Bruder vom 23.10.2020.
2.2. Zu folgenden Feststellungen wird näher ausgeführt wie folgt:
2.2.1. Zur Person des Beschwerdeführers
Die Identität konnte mangels Vorlage (unbedenklicher) Dokumente nicht bewiesen werden, weshalb in Bezug auf Namen und Geburtsdatum Verfahrensidentität vorliegt.
Das Bundesverwaltungsgericht erachtet den Beschwerdeführer – betreffend weitere Personenmerkmale (Alter, Staatsangehörigkeit, ethnische Zugehörigkeit, Herkunftsregion, Sprachkenntnisse, Ausbildung und Berufserfahrung, Familienstand, Familienverhältnisse und Gesundheitszustand) sowie seine Situation in Österreich für persönlich glaubwürdig, weil er im Verfahren im Wesentlichen gleichbleibende Angaben dazu machte. Es gibt keine Gründe, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln, und war der Beschwerdeführer diesbezüglich auch in der mündlichen Verhandlung persönlich glaubwürdig.
Die Feststellung zur Einreise und Ausreise ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers in der Einvernahme vor der belangten Behörde.
Die Feststellungen zur Situation des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich aus den vorgelegten Dokumenten und der Einvernahme in der mündlichen Verhandlung. Betreffend die Deutschkenntnisse legte der Beschwerdeführer zwei Sprachkursbestätigungen auf A1-Niveau vor und konnte sich das Bundesverwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung ein aktuelles Bild von den bloß ansatzweise vorhandenen Deutschkenntnissen machen.
2.2.2. Zum Fluchtvorbringen
2.2.2.1. Zu den vom Beschwerdeführer vorgebrachten Vorfällen in Iran
Die belangte Behörde führte im Wesentlichen ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren und kam bereits zu dem Schluss, dass das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubwürdig ist. In seiner Beschwerde trat der Beschwerdeführer diesen Ausführungen nicht in geeigneter und substantiierter Weise entgegen. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich der schlüssigen Beweiswürdigung der Behörde an und geht zusätzlich auf die Widersprüche in den Aussagen des Beschwerdeführers im behördlichen Verfahren sowie vor dem Bundesverwaltungsgericht und auf dessen Glaubensausübung in Österreich ein. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht bestätigte sich die mangelnde Nachvollziehbarkeit des Fluchtvorbringens und ist dazu näher auszuführen wie folgt:
Wenngleich gem. § 19 AsylG 2005 die Erstbefragung insbesondere der Ermittlung von Identität und Reiseroute dient und sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat, so ist doch festzuhalten, dass die Angaben des Beschwerdeführers in der Erstbefragung nicht gänzlich unbeachtlich sind (vgl. VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0189). Auch wenn nicht die näheren Fluchtgründe zu erfragen sind, so ist doch zu berücksichtigen, dass ein gänzlich neues Fluchtvorbringen die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers massiv erschüttert. Auch wurde berücksichtigt, dass es sich bei dem Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Erstbefragung (EB) um einen volljährigen Mann handelte, der um 21:47 Uhr am Tag seiner Antragstellung befragt wurde.
Der Beschwerdeführer gab in der EB lediglich vage an, in Iran gebe es keine Arbeit, man dürfe nicht frei seine Meinung sagen, man müsse immer lügen dort. Deshalb wolle er ein Land suchen, in dem er in Ruhe leben könne, ohne dass er ständig aufpassen müsse (EB, S. 5). Er konkretisierte nicht, welche Meinung er im Iran nicht vertreten könne. Hinsichtlich seiner Religion wurde aufgenommen, er sei schiitischer Moslem (EB, S. 1).
In der ersten Einvernahme vor der belangten Behörde am 07.04.2017 gab der Beschwerdeführer erstmals an, er habe einen Taufschein (Niederschrift, S. 2). In der zweiten Einvernahme vor der belangten Behörde am 19.10.2017 (EV) gab er schließlich an, er besuche einmal in der Woche seine Kirche in XXXX (EV, S. 3), er sei seit zwei Jahren und sechs bis sieben Monaten Christ (EV, S. 4) (also etwa Frühjahr 2015). Sein Leben sei in Gefahr gewesen, da im Iran Konversion mit dem Tod bestraft werde, weitere Fluchtgründe habe er nicht (EV, S. 8f). Er sei am 25.04.2015 getauft worden. Ein langjähriger Kunde habe keinen Platz gehabt, um mit dessen Freunden seinen Glauben auszuleben, deswegen hätten sie im Lager des Beschwerdeführers drei bis vier Veranstaltungen abgehalten. Der Beschwerdeführer habe sich an sie und die Art und Weise, wie sie miteinander umgehen, gewöhnt. Sie hätten hilfsbedürftigen Leuten geholfen und Geld gesammelt (EV, S. 9). Hinsichtlich einer allfälligen Rückkehr nach Iran befragt, gab der Beschwerdeführer an, wenn die Regierung ihn in Ruhe lasse, würde ihn sein Vater töten (EV, S. 11).
In der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gab der Beschwerdeführer im Gegensatz dazu an, er sei in Iran von einem Freund aktiv missioniert worden, der immer mehr mit ihm über das Christentum gesprochen habe. Der Glaube habe ihm auch geholfen, seine Sucht zu beenden. (VH vom 23.06.2020, S. 5) Auch ein Wunder, als es seinem Onkel sehr schlecht gegangen sei, habe ihn in seinem Glauben bestärkt (VH vom 23.06.2020, S. 6). Weiters brachte der Beschwerdeführer erstmals in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vor, er habe mit diesem Freund Hauskirchen besucht, der Freund sei festgenommen und auf dessen Laptops Fotos gefunden worden, die auch den Beschwerdeführer zeigen würden. Danach sei die Polizei auch bei ihm gewesen. Die Hauskirche sei jedes Mal woanders gewesen. (VH vom 23.06.2020, S. 10)
Auffallend ist, dass der Beschwerdeführer sowohl vor der belangten Behörde als auch vor dem Bundesverwaltungsgericht angibt, bereits in Iran mit dem Christentum in Kontakt gekommen zu sein, diesen Kontakt jedoch gänzlich unterschiedlich beschreibt. Die Schilderungen sind so widersprüchlich, dass sie auch nicht miteinander in Einklang gebracht werden können – entweder, er habe sich durch die Abhaltung von Treffen eines Kunden und dessen Freunden in seinem Lager an deren Glauben „gewöhnt“, oder, er sei aktiv von einem Freund missioniert und zu Hauskirchen mitgenommen worden, woraufhin er auch polizeilich gesucht worden war. Nie vorgebracht wurde, dass der Beschwerdeführer Hauskirchen etwa selbst organisiert hätte oder missionarisch tätig geworden sei. Auch das – nicht näher beschriebene – Wunder im Zusammenhang mit dem Zustand des Onkels oder der mögliche Entzug wurden erstmals in der Verhandlung vorgebracht. Gemein ist diesen Vorbringen, dass der Beschwerdeführer sie äußerst vage und detailarm beschrieben sowie im Laufe des Verfahrens gesteigert hat, sodass in diesem Zusammenhang von einer konstruierten Geschichte auszugehen ist. Auch die – nicht näher begründete – Bedrohung durch den Vater erscheint als Schutzbehauptung.
Zu den Niederschriften im behördlichen Verfahren wird angemerkt, dass der Beschwerdeführer auf Nachfrage keine konkreten Korrekturen in der mündlichen Verhandlung machte und bloß pauschal auf eine mangelnde Rückübersetzung verwies. Die Möglichkeit der Akteneinsicht in der mündlichen Verhandlung wurde vom Beschwerdeführer nicht genutzt. Angemerkt wird, dass die Einvernahme vor dem BFA dem Beschwerdeführer rückübersetzt wurde und er in der Einvernahme die Möglichkeit hatte, ausführlich sein Fluchtvorbringen zu erstatten. Der Beschwerdeführer hat am Beginn der Verhandlung keine Korrekturen oder Anmerkungen zur Einvernahme vor dem BFA gemacht. Eine falsche Übersetzung oder Protokollierung ist daher nicht anzunehmen.
Die Schilderungen betreffend den Ablauf von Veranstaltungen in Hauskirchen in Iran blieben sehr oberflächlich und war der Beschwerdeführer auch wenig emotional in der Erzählweise. Dies lässt jeglichen individuellen Bezug zur Person des Beschwerdeführers vermissen, eine Motivation für das Christentum lässt sich daraus nicht erschließen. Der Beschwerdeführer gab an, dass er lediglich in die Hauskirche gegangen sei und sei dort in der Bibel gelesen und Tee getrunken worden. Nähere Details dazu schilderte er nicht und erwiesen sich seine Angaben als völlig oberflächlich. Die Angaben sind vergleichbar mit jenen, welche iranische Asylwerber über Kirchenbesuche in Österreich schildern und sind daher diese Ausführungen kein Beleg dafür, dass er diese tatsächlich in einer Hausmesse im Iran erlebt hätte. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass man, um solche Angaben machen zu können, keinesfalls tatsächlich eine Hauskirche besucht oder sich anderweitig näher mit dem Christentum befasst haben muss.
Angesichts der in Iran üblichen behördlichen Überwachungsmethode, Informanten in Hauskirchen einzuschleusen, widerspricht es jeglicher Vernunft und allgemeinen Erfahrung, dass eine Person muslimischen Glaubens bereits nach kurzer Zeit zu einer Hauskirche mitgenommen wird.
Aufgrund des in der Verhandlung offenkundig gewordenen mangelnden Wissens zum Christentum (vgl. die näheren Ausführungen dazu weiter unten) ergibt sich zusätzlich, dass sich der Beschwerdeführer in Iran noch nicht tiefergehend mit dem Christentum auseinandergesetzt haben kann. Hätte er – wie angegeben – tatsächlich bereits mehrfach Hauskirchen besucht und diese Veranstaltungen inhaltlich verfolgt, so müsste er auch aktuell über vermehrte und grundlegende Kenntnisse zum Christentum verfügen.
Auch der persönliche Eindruck des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung (gleichgültige Erzählweise, knappe Antworten, emotionsloser Ausdruck) lässt nicht auf ein tatsächliches Erleben der geschilderten Ereignisse schließen.
Bei der Schilderung der Fluchtgeschichte soll der Zuhörer in die Lage versetzt werden können, den Eindruck zu gewinnen, dass der Beschwerdeführer all dies selbst höchstpersönlich durchlebt hat. Es kann in diesem Zusammenhang auch nicht als amtswegige Aufgabe gesehen werden, jede vage und pauschale Abgabe bzw. Andeutung durch mehrmaliges Nachfragen zu konkretisieren. Es obliegt dem Beschwerdeführer, ein detailliertes und stimmiges Vorbringen zu erstatten, um die nötige persönliche Glaubwürdigkeit zu erlangen.
Alle geschilderten Umstände zusammen lassen für das Gericht keine Zweifel übrig, dass es sich hinsichtlich der in Iran angeblich vorgefallenen Umstände um eine Konstruktion handelt.
Aufbauend darauf, dass nicht nachvollziehbar ist, dass der Beschwerdeführer in Iran Hauskirchen besuchte, kann auch der Behauptung, die Behörden hätten nach ihm gesucht und eine Hausdurchsuchung durchgeführt, kein Glauben geschenkt werden. Ebenso wenig kann eine Verfolgungsgefahr durch seinen Vater angenommen werden. Es ist schließlich auch nicht anzunehmen, dass dem Beschwerdeführer ein Bezug zum Christentum oder missionarische Tätigkeit in Iran unterstellt wird.
Im Rahmen einer ganzheitlichen Würdigung des Vorbringens des Beschwerdeführers ist somit nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Visier der iranischen Behörden stand oder ihm missionarische Tätigkeit unterstellt wurde bzw. wird.
2.2.2.2. Zu den vom Beschwerdeführer in Österreich gesetzten Aktivitäten
Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes folgt, dass sobald auf Grund äußerer Tatsachen ein Wechsel der Religion aus innerer Überzeugung nicht unwahrscheinlich ist, sich das Gericht auf Grund einer ausführlichen Beurteilung der Persönlichkeit und aller Umstände der persönlichen Glaubwürdigkeit sowie darauf aufbauend einer ins einzelne gehenden Beweiswürdigung und allenfalls der Einvernahme von Personen, die Auskunft über den Glaubenswechsel und die diesem zugrunde liegenden Überzeugungen geben können, einen detaillierten Eindruck darüber verschaffen muss, inwieweit der Religionswechsel auf einer persönlichen Glaubensentscheidung beruht; dies selbst dann, wenn sich der Asylwerber zunächst auf unwahre Angaben betreffend seinen Fluchtgrund gestützt hat (vgl. VwGH 23.01.2019, Ra 2018/19/0260 unter Bezugnahme auf VfGH 27.02.2018, E 2958/2017).
Im gegenständlichen Fall ergeben sich die Feststellungen zu den christlich-religiösen Aktivitäten des Beschwerdeführers in Österreich aus den von ihm vorgelegten Bestätigungen (Bestätigungen des XXXX vom 04.04.2017 sowie der römisch-katholischen Pfarrgemeinde XXXX vom 28.08.2020), der Zeugenaussage des Pastors sowie der Einvernahme des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung prüfte das erkennende Gericht die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Konversion entsprechend den in der Folge unter Punkt 3.1.1. zitierten Vorgaben des Verwaltungsgerichtshofes und befragte den Beschwerdeführer zu seiner Motivation für den Glaubenswechsel, seinem Wissen in Bezug auf das Christentum, seinen Gottesdienstbesuchen und sonstigen religiösen Aktivitäten und einer allfälligen Verhaltens- und Einstellungsänderung. Die Befragung widmete sich der Glaubensüberzeugung des Beschwerdeführers sowohl im Hinblick auf eine öffentliche Ausübung des Glaubens als auch auf die persönliche, innere Beziehung zum Christentum.
Die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht diente insbesondere dazu, einen Eindruck vom persönlichen Empfinden des Beschwerdeführers zu seiner neuen Religion zu gewinnen. Gerade darin konnte der Beschwerdeführer aber keinen emotionalen Bezug glaubwürdig darlegen. Die Erzählweise war knapp, wenig lebendig in der Ausdrucksweise und erschöpfte sich in Stehsätzen, welche dem erkennenden Gericht aus vergleichbaren Verfahren nahezu wortgleich bekannt sind. Eine individuelle Motivation und Bezugsebene zum Christentum konnte demnach beim Beschwerdeführer nicht festgestellt werden.
Ohne geringsten persönlichen Bezug gab der Beschwerdeführer an, dass das Christentum eine freie Religion sei und man an Jesus glauben sollte.
Die Antworten auf Fragen in Bezug auf die Rolle, welche der neue Glaube für den Beschwerdeführer persönlich spiele, begnügten sich mit Allgemeinplätzen, waren oberflächlich und ließen jegliche Individualität vermissen. Es besteht kein erkennbarer Bezug zur persönlichen Glaubensüberzeugung. Die eigeninitiativen Ausführungen des Beschwerdeführers zu seinem neuen Glauben waren knapp und allgemein gehalten.
Der Beschwerdeführer konnte nur inhaltsleere, floskelhafte Aussagen zu seinem neuen Glauben tätigen, er konnte diese stereotypen Aussagen aber nicht auf seine Person bezogen näher erläutern.
Der Beschwerdeführer konnte nicht nachvollziehbar darlegen, warum er konkret einen bestimmten Glaubenszweig wählte und warum speziell die Glaubenslehren dieser Richtung für ihn persönlich wesentlich sind und ihn zum behaupteten Glaubenswechsel veranlassten. Vielmehr gab der Beschwerdeführer hinsichtlich seiner Konfession vor dem Bundesverwaltungsgericht befragt an, er sei evangelisch. Zu Beginn seines Aufenthalts in Österreich besuchte er gelegentlich das freikirchliche XXXX , zum Zeitpunkt der Verhandlung die römisch-katholische Kirche in XXXX , da es „die näheste Kirche“ sei (VH vom 23.06.2020, S. 6).
Die vorgebrachte Motivation ist nicht nachvollziehbar. Auch ist der Umstand zu berücksichtigen, dass sich der Beschwerdeführer früher nicht für Religion interessierte. Ein innerer Entschluss wurde nicht nachvollziehbar dargelegt. Fragen, welche auf seine innere Glaubensüberzeugung abstellten, beantworte der Beschwerdeführer mit knappen Stehsätzen.
Der Beschwerdeführer sagte, dass er nicht mehr lüge, seit er Christ geworden sei und versuche, niemandem etwas Schlechtes zu tun. Damit hat er aber keine innere, religiös motivierte Glaubenshaltung dargelegt.
Der Beschwerdeführer gab an, etwa seit dem Frühjahr 2015 Christ zu sein (also seit zumindest fünfeinhalb Jahren), seit Jänner 2016 befindet er sich in Österreich (also seit vier Jahren und neun Monaten). In diesem Zeitraum besuchte er jedoch nur zwischen Herbst 2016 und April 2017 „selten“ die Gottesdienste des freikirchlichen XXXX , wie sich aus dem von ihm selbst vorgelegten Bestätigungsschreiben ergibt. Um den Jahreswechsel 2019/2020 begann er (wie aus seinen Angaben in der Verhandlung sowie der von ihm vorgelegten Bestätigung der betreffenden Pfarrgemeinde hervorgeht), in XXXX regelmäßig die lokale römisch-katholische Kirche zu besuchen, was jedoch bald durch die COVID-19-Pandemie unterbrochen wurde. Damit vermochte der Beschwerdeführer jedoch nicht den regelmäßigen Gottesdienstbesuch darzulegen, der von einem vor mehr als fünf Jahren angeblich konvertierten Christen, der in Österreich – im Gegensatz zu seinem Herkunftsland, was nach eigenen Angaben maßgeblich zu seiner Flucht beigetragen habe – seine Religion frei ausleben kann, erwartet werden könnte.
Ein Austausch über diese oberflächlichen Bekanntschaften hinaus und insbesondere ein Austausch mit der Glaubensgemeinschaft in religiösen, glaubensmäßigen Belangen wurde damit nicht dargelegt. Es ist somit nicht hervorgekommen, dass das Praktizieren des Glaubens innerhalb einer Gemeinschaft, was auch eine christliche Lebensweise kennzeichnet, für den Beschwerdeführer zu einem wesentlichen Bestandteil seiner Glaubensausübung wurde.
In Bezug auf die in der mündlichen Verhandlung gestellten Wissensfragen zum Christentum und zu der vom Beschwerdeführer gewählten Glaubensrichtung verlangt das Bundesverwaltungsgericht bewusst keine tiefgehenden, theologisch-wissenschaftlichen Kenntnisse und soll diesem Aspekt kein überzogenes Gewicht beigemessen werden. Von einer Person, welche sich im Erwachsenenalter und unter Kenntnis der grundsätzlichen Gefahrenlage, die eine Konversion für sie und ihre Familie mit sich bringen kann, bewusst für einen neuen Glauben entscheidet, kann aber verlangt werden, dass sie sich mit den Wesensmerkmalen dieses Glaubens auseinandergesetzt hat und über ein entsprechendes Grundwissen zum Christentum sowie der gewählten Glaubensrichtung verfügt. Schließlich handelt es sich bei einer Konversion um den Beitritt zu einer anderen Glaubensgemeinschaft, welche auf einer religiösen Lehre mit spezifischen Geboten bzw. Verboten und Praktiken basiert. Folglich sollte ein Konvertit nachvollziehbar sowohl die persönlich-individuelle Ebene des Konversionsprozesses beschreiben als auch die Charakteristika der neuen Religion in objektiver Hinsicht anführen können.
Obwohl sich der Beschwerdeführer eigenen Angaben zufolge bereits seit fünfeinhalb Jahren mit dem Christentum befasst, war er nicht in der Lage, grundlegende Fragen zum Christentum zu beantworten. Der Beschwerdeführer begnügte sich mit oberflächlichen Angaben, welche in ihrer Allgemeinheit nicht geeignet sind, das Christentum zu beschreiben.
Von einem Konvertiten kann verlangt werden, dass er zumindest (und auch bloß mit eigenen Worten) die grundsätzlichen Lehren und Eckpfeiler seiner neuen Religion beschreiben kann, andernfalls nicht nachvollziehbar ist, woran er nun glaubt. Der Beschwerdeführer nannte zwar Jesus, den Sohn Gottes, der wegen unserer Sünden gekreuzigt worden ist, doch handelt es sich hierbei um Stichwörter, die zwar einen Bezug zum Christentum haben, die Eckpfeiler der christlichen Glaubenslehre sind damit aber nicht umrissen worden, bzw. vermochte er auch nicht mehr über die Kernelemente der christlichen Glaubenslehre auszuführen.
Das Vaterunser wurde vom Beschwerdeführer zwar teilweise aufgesagt, doch hat er nicht nachvollziehbar dargelegt, auch dessen Inhalt verstanden zu haben. Glauben bedeutet nicht, religiöse Lehren und Grundsätze auswendig lernen zu wollen, sondern aus Innerem daran zu glauben. Folglich ist das auswendige Aufsagen eines religiösen Textes nicht gefordert und würde die Wiedergabe des Inhalts auch bzw. gerade in eigenen Worten genügen.
Tatsächlich konnte der Beschwerdeführer aber nur sehr oberflächliche Kenntnisse vorweisen. Hinsichtlich der Dreifaltigkeit nannte er zwar Gott den Vater, Jesus den Sohn und den Heiligen Geist, vermochte aber nicht weiter deren Bedeutung zu erklären. Auch habe er vergessen, was zuletzt zu Pfingsten gefeiert worden sei. Im Grunde vermochte der Beschwerdeführer keine Frage mehr als oberflächlich oder in Stichworten zu beantworten. Die Antworten des Beschwerdeführers zeugen von Unkenntnis und einem mangelnden Interesse am Christentum.
Der vom Beschwerdeführer zum Beweis seiner inneren Glaubensüberzeugung beantragte Zeuge, der Pastor des XXXX , führte aus, er kenne den Beschwerdeführer lediglich flüchtig. Der Beschwerdeführer komme manchmal mit seinem Bruder in das XXXX mit, gehöre jedoch nicht zu dieser Kirche und es finde kein persönlicher Austausch statt. Der Zeuge hat keine eigenen Wahrnehmungen zum christlichen Leben des Beschwerdeführers.
Schließlich ist noch auf den „Taufstatus“ des Beschwerdeführers einzugehen: im Unterschied zum behördlichen Verfahren gab er vor dem Bundesverwaltungsgericht an, nic