Entscheidungsdatum
30.10.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W183 2211956-1/21E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Dr. PIELER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch RA Mag. Peter Michael WOLF, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.11.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15.09.2020 zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin verließ im Jahr 2018 Iran, stellte am 01.02.2018 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am 02.02.2018 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Am 31.10.2018 wurde die Beschwerdeführerin von der nunmehr belangten Behörde, dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), zu ihren Fluchtgründen niederschriftlich einvernommen.
Im behördlichen Verfahren gab die Beschwerdeführerin als Fluchtgrund an, dass sie in Iran eine Beziehung zu einer Frau gehabt habe.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt, sondern gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Iran zulässig sei (Spruchpunkte III. bis V.). Unter Spruchpunkt VI. wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.
Das BFA stellte der Beschwerdeführerin amtswegig einen Rechtsberater zur Seite.
3. Mit Schriftsatz vom 19.12.2018 erhob die Beschwerdeführerin durch ihre Rechtsvertretung binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde in vollem Umfang.
4. Mit Schriftsatz vom 21.12.2018 (eingelangt am 02.01.2019) legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht vor.
Mit Schriftsatz vom 08.03.2019 wurden die übersetzte Geburts- sowie Scheidungsurkunde vorgelegt.
Aufgrund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 28.03.2019 wurde die gegenständliche Rechtssache der bislang zuständigen Gerichtsabteilung abgenommen und der nun zuständigen Gerichtsabteilung neu zugewiesen (eingelangt am 15.05.2019).
5. Mit Schriftsatz vom 10.02.2020 wurden Unterlagen betreffend Integration sowie der Teilnahme an Veranstaltungen der LGBT-Community vorgelegt.
6. Mit Schreiben vom 23.06.2020 wurden die Beschwerdeführerin sowie das BFA zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 26.08.2020 geladen und wurde in den Ladungen darauf hingewiesen, dass das Bundesverwaltungsgericht beabsichtigt, die Länderberichte gemäß dem „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Iran, Gesamtaktualisierung am 14. Juni 2019“ sowie den „Länderreport 10 des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Iran – Situation der Christen, Stand 3/2019“ als Grundlage für die Feststellungen zur Situation in Iran heranzuziehen. Es wurde Gelegenheit zur Einsicht- und Stellungnahme gegeben.
Mit Schreiben vom 30.06.2020 wurde die Verhandlung auf Ersuchen der Beschwerdeführerin auf den 15.09.2020 verlegt.
6. Mit Schriftsatz vom 07.09.2020 legte die Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin eine klinisch-psychologische Stellungnahme, zwei Empfehlungsschreiben und ein Fotokonvolut vor.
7. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 15.09.2020 unter Beiziehung eines Dolmetschs für die Sprache Farsi eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher die Beschwerdeführerin sowie deren Rechtsvertretung und ein Vertreter des BFA teilnahmen. Die Beschwerdeführerin wurde ausführlich zu ihrer Person, ihren Fluchtgründen sowie Aktivitäten in Österreich befragt. Es wurde ihr Gelegenheit gegeben, alle Gründe umfassend darzulegen, zu den ins Verfahren eingeführten Länderberichten Stellung zu nehmen und ihre Situation in Österreich darzustellen.
Eine Strafregisterabfrage wurde am Tag der Verhandlung durchgeführt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin
Der Beschwerdeführerin ist eine volljährige iranische Staatsangehörige. Sie trägt den im Erkenntniskopf genannten Namen und ist am dort angeführten Datum geboren. Ihre Identität steht fest.
Der Beschwerdeführerin stammt aus Teheran, gehört der Volksgruppe der Perser an, spricht Farsi (Muttersprache), ein wenig Englisch sowie ein wenig Deutsch (Niveau A2), besuchte zwölf Jahre lang die Schule in Iran, studierte Tourismus und Hotelmanagement (nicht abgeschlossen), arbeitete in Iran in einem Hotel und gab Malunterricht.
Die Beschwerdeführerin ist geschieden und hat eine Tochter, die in Iran lebt. In Iran leben auch die Eltern der Beschwerdeführerin.
Die Beschwerdeführerin stellte am 01.02.2018 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Ein nicht auf das Asylgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht besteht nicht.
Die Beschwerdeführerin leidet an keiner physischen oder psychischen (schweren oder lebensbedrohlichen) Erkrankung und ist arbeitsfähig.
Die Beschwerdeführerin verfügt über keine familiären oder sonstigen verwandtschaftlichen bzw. familienähnlichen sozialen Bindungen in Österreich. Die Beschwerdeführerin lebt hier in keiner Lebensgemeinschaft. Ihre sozialen Kontakte beziehen sich im Wesentlichen auf einen Verein, der auch ein Heim für homo- und transsexuelle Personen betreibt, in welchem die Beschwerdeführerin wohnt. Die sozialen Kontakte entstanden zu einem Zeitpunkt, als die Beschwerdeführerin bereits ihren Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat.
Die Beschwerdeführerin bezieht in Österreich Leistungen aus der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Sie engagiert sich als Freiwillige und näht Masken.
Die Beschwerdeführerin wurde in Österreich mit Urteil vom 19.11.2018 gemäß §§ 223 Abs. 2 und 224 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwei Monaten unter Setzung einer dreijährigen Probezeit verurteilt.
1.2. Zum Fluchtvorbringen
Die Beschwerdeführerin tritt nicht spezifisch gegen den Islam oder Religion generell auf. Sie hat keine Verhaltensweisen verinnerlicht, die bei einer Rückkehr nach Iran als Glaubensabfall gewertet werden würden.
Eine Verfolgung der Beschwerdeführerin aufgrund homosexueller Aktivitäten in Iran liegt nicht vor. Die Beschwerdeführerin lebt aktuell in keiner homosexuellen Partnerschaft. Eine homosexuelle Orientierung der Beschwerdeführerin ist nicht feststellbar.
Die Beschwerdeführerin brachte keine weiteren Gründe, warum sie eine Rückkehr in den Heimatstaat fürchtet, vor.
1.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat
Aus dem ins Verfahren eingeführten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Iran ergibt sich wie folgt:
Zur Sicherheitslage
Den komplexen Verhältnissen in der Region muss stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage im Iran auswirken.
Die schwierige Wirtschaftslage und latenten Spannungen im Land führen periodisch zu Kundgebungen, zum Beispiel im Zusammenhang mit Preiserhöhungen oder mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei muss mit schweren Ausschreitungen und gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gerechnet werden sowie mit Straßenblockaden. Zum Beispiel haben im November 2019 Proteste gegen die Erhöhung der Treibstoffpreise Todesopfer und Verletzte gefordert (EDA 4.5.2020).
Das Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land. Im Juni 2017 wurden in Teheran Attentate auf das Parlament und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini verübt. Sie haben über zehn Todesopfer und zahlreiche Verletzte gefordert. Im September 2018 forderte ein Attentat auf eine Militärparade in Ahvaz (Provinz Khuzestan) zahlreiche Todesopfer und Verletzte (EDA 4.5.2020; vgl. AA 4.5.2020b). 2019 gab es einen Anschlag auf einen Bus der Revolutionsgarden in der Nähe der Stadt Zahedan (AA 4.5.2020b).
In den Grenzprovinzen im Osten und Westen werden die Sicherheitskräfte immer wieder Ziel von bewaffneten Überfällen und Anschlägen (EDA 4.5.2020). In diesen Minderheitenregionen kommt es unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Die iranischen Behörden haben seit einiger Zeit die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran erhöht (AA 4.5.2020b).
In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkontrollen. Wiederholt wurden Ausländer in der Region festgehalten und längeren Verhören unterzogen. Eine Weiterreise war in manchen Fällen nur noch mit iranischer Polizeieskorte möglich. Dies geschah vor dem Hintergrund von seit Jahren häufig auftretenden Fällen bewaffneter Angriffe auf iranische Sicherheitskräfte in der Region (AA 4.5.2020b). Die Grenzzone Afghanistan, östliches Kerman und Sistan-Belutschistan stehen teilweise unter dem Einfluss von Drogenhändlerorganisationen sowie von extremistischen Organisationen. Sie haben wiederholt Anschläge verübt und setzen teilweise Landminen auf Überlandstraßen ein. Es kann hier jederzeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften kommen (EDA 4.5.2020).
In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, lokale Repräsentanten der Justiz und des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen und Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt. Seit 2015 kommt es nach iranischen Angaben in der Provinz Khuzestan und in anderen Landesteilen, auch in Teheran, wiederholt zu Verhaftungen von Personen, die mit dem sogenannten Islamischen Staat in Verbindung stehen und Terroranschläge in Iran geplant haben sollen (AA 4.5.2020b). Im iranisch-irakischen Grenzgebiet sind zahlreiche Minenfelder vorhanden (in der Regel Sperrzonen). Die unsichere Lage und die Konflikte in Irak verursachen Spannungen im Grenzgebiet. Gelegentlich kommt es zu Schusswechseln zwischen aufständischen Gruppierungen und den Sicherheitskräften. Bisweilen kommt es auch im Grenzgebiet zur Türkei zu Schusswechseln zwischen militanten Gruppierungen und den iranischen Sicherheitskräften (EDA 4.5.2020). Schmuggler, die zwischen dem iranischen und irakischen Kurdistan verkehren, werden mitunter erschossen, auch wenn sie unbewaffnet sind (ÖB Teheran 10.2019).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt (4.5.2020b): Iran: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/iransicherheit/202396, Zugriff 4.5.2020
? EDA – Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (4.5.2020): Reisehinweise Iran, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/iran/reisehinweise-fuerdeniran.html, Zugriff 4.5.2020
? ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 4.5.2020
Sexuelle Minderheiten
Angehörige sexueller Minderheiten können Belästigungen und Diskriminierungen ausgesetzt sein, obwohl über das Problem aufgrund der Kriminalisierung und Verborgenheit dieser Gruppen nicht ausreichend berichtet wird (FH 4.3.2020). Verboten ist in Iran jede sexuelle Beziehung, die außerhalb der heterosexuellen Ehe stattfindet, also auch homosexuelle Beziehungen, unabhängig von der Religionsangehörigkeit (ÖB Teheran 10.2019; vgl. FH 4.3.2020, GIZ 12.2019c). Auf homosexuelle Handlungen, welche auch als „Verbrechen gegen Gott“ gelten, stehen offiziell Auspeitschung und sie können mit der Todesstrafe bestraft werden (dies besagen diverse Fatwas, die von beinahe allen iranischen Klerikern ausgesprochen wurden) (ÖB Teheran 10.2019; vgl. HRW 14.1.2020, GIZ 12.2019c). Die Beweisanforderungen sind allerdings sehr hoch, man braucht vier männliche Zeugen, es gibt ein Ermittlungsverbot bei Fällen, in denen zu wenige Zeugenaussagen vorliegen und hohe Strafen für Falschbeschuldigungen. Bei Minderjährigen und in weniger schwerwiegenden Fällen sind Peitschenhiebe vorgesehen. Auch hierfür sind zwei männliche Zeugen erforderlich (AA 26.2.2020). Im Falle von „Lavat“ (Sodomie unter Männern) ist die vorgesehene Bestrafung die Todesstrafe für den „passiven“ Partner, falls der Geschlechtsverkehr einvernehmlich stattfand, ansonsten für den Vergewaltiger (ÖB Teheran 10.2019). Auf „Mosahegheh“ („Lesbianismus“) stehen 100 Peitschenhiebe. Nach vier Wiederholungen kann aber auch hier die Todesstrafe verhängt werden (ÖB Teheran 10.2019; vgl. AA 26.2.2020). Die Bestrafung von gleichgeschlechtlichen Handlungen zwischen Männern ist meist schwerwiegender als die für Frauen (ÖB Teheran 10.2019; vgl. US DOS 11.3.2020). Gleichfalls ist Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung nicht verboten (ÖB Teheran 10.2019; vgl. HRW 14.1.2020). Die Todesstrafe für Homosexualität wurde in den letzten Jahren nur punktuell und meist in Verbindung mit anderen Verbrechen verhängt. Da Homosexualität offiziell als Krankheit gilt, werden Homosexuelle vom Militärdienst befreit und können keine Beamtenfunktionen ausüben (ÖB Teheran 10.2019).
Aus Angst vor strafrechtlicher Verfolgung und sozialer Ausgrenzung ist ein öffentliches „Coming out“ grundsätzlich nicht möglich (AA 26.2.2020). Auch werden Missbräuche durch die Gesellschaft oft nicht angezeigt, was Mitglieder von sexuellen Minderheiten noch anfälliger für Menschenrechtsverletzungen macht (ÖB Teheran 10.2019).
Lesbische Frauen aus traditionellen, armen Familien sehen sich aus sozio-ökonomischen Gründen oder von Seiten der Familie häufig gedrängt, einen Mann zu heiraten (AA 26.2.2020; vgl. ÖB Teheran 10.2019).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf, Zugriff 24.4.2020
? FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html, Zugriff 24.4.2020
? GIZ – Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2019c): Gesellschaft Iran, https://www.liportal.de/iran/gesellschaft/, Zugriff 24.4.2020
? HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022677.html, Zugriff 24.4.2020
? ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 24.4.2020
? US DOS – US Department of State (11.3.2020): Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026339.html, Zugriff 24.4.2020
Zur Situation von Frauen:
Generell genießt die Familie in Iran, ebenso wie in den meisten anderen islamischen Gesellschaften, einen hohen Stellenwert. Der Unterschied zwischen Stadt und Land macht sich aber auch hier bemerkbar, in Bezug auf das Verhältnis zwischen Mann und Frau sowie auf die Rolle der Frau in der Gesellschaft. Auf dem Land hat das traditionelle islamische Rollenmodell weitgehende Gültigkeit, der Tschador, der Ganzkörperschleier, dominiert hier das Straßenbild. In den großen Städten hat sich dieses Rollenverständnis verschoben, wenn auch nicht in allen Stadtteilen. Während des Iran-Irak-Krieges war, allen eventuellen ideologischen Bedenken zum Trotz, die Arbeitskraft der Frauen schlicht unabdingbar. Nach dem Krieg waren Frauen aus dem öffentlichen Leben nicht mehr wegzudenken oder gar zu entfernen. Die unterschiedliche und sich verändernde Stellung der Frau zeigt sich auch an den Kinderzahlen: Während in vielen ländlichen, gerade den abgelegeneren Gebieten fünf Kinder der Normalfall sind, sind es in Teheran und Isfahan im Durchschnitt unter zwei. Viele junge Frauen begehren heute gegen die nominell sehr strikten Regeln auf, besonders anhand der Kleidungsvorschriften für Frauen wird heute der Kampf zwischen einer eher säkular orientierten Jugend der Städte und dem System in der Öffentlichkeit ausgefochten. Eine Bewegung, die sich in den letzten Jahren zunehmender Beliebtheit erfreut, ist der islamische Feminismus. Dieser will die Rechte der Frau mittels einer islamischen Argumentation durchsetzen. Auch wenn die Stellung der Frau in Iran, entgegen aller Vorurteile gegenüber der Islamischen Republik, in der Praxis sehr viel besser ist als in vielen anderen Ländern der Region, sind Frauen auch hier nicht gleichberechtigt (GIZ 3.2019c). Verschiedene gesetzliche Verbote machen es Frauen unmöglich, im gleichen Maße wie Männer am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen (strenge Kleiderordnung, Verbot des Zugangs zu Sportveranstaltungen, Fahrradverbot) (AA 26.2.2020).
In rechtlicher, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht sind iranische Frauen vielfältigen Diskriminierungen unterworfen, die jedoch zum Teil relativ offen diskutiert werden. Von einigen staatlichen Funktionen (u.a. Richteramt, Staatspräsident) sind Frauen gesetzlich oder aufgrund entsprechender Ernennungspraxis ausgeschlossen. Laut offiziellen Angaben liegt die Arbeitslosenrate bei Frauen bei 20,8% (1,11 Millionen). Unter Frauen mit höherer Bildung liegt sie noch deutlich höher. Auch nach der Population Situation Analysis der Universität Teheran vom Sommer 2016 besteht im Bereich der Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt erhöhter Nachholbedarf. Allerdings ist der Spielraum der Regierung beschränkt, da konservative Vertreter immer wieder die traditionelle Rolle der Frau in der islamischen Familie betonen (AA 26.2.2020; vgl. ÖB Teheran 10.2019). Die stagnierende wirtschaftliche Lage Irans hat ein stetiges Wachstum der Arbeitslosenrate in den vergangenen Jahren zur Folge gehabt. Insbesondere hat die hohe Arbeitslosigkeit im Land auch Einfluss auf die wirtschaftliche Situation von alleinstehenden Frauen genommen; u.a. sieht das Gesetz nicht die gleiche Bezahlung von Frauen und Männern vor. Außerdem haben selbst gut qualifizierte Frauen Schwierigkeiten, eine Arbeitsstelle zu finden (ÖB Teheran 10.2019). Weiters legt das Gesetz es Frauen nahe, sich für drei Viertel der regulären Arbeitszeit von Männern zu bewerben und Frauen brauchen das Einverständnis ihres Ehemannes, um eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Außerdem werden Stellen oft geschlechtsspezifisch ausgeschrieben, sodass es Frauen verwehrt wird, sich – ungeachtet ihrer Qualifikationen – für bestimmte Positionen zu bewerben. Auch von sexuellen Übergriffen am Arbeitsplatz wird berichtet. Die gravierenden Einschränkungen der Versammlungsfreiheit verhindern außerdem den Zusammenschluss erwerbstätiger Frauen in Gewerkschaften, um Frauenrechte effektiver vertreten und einfordern zu können (ÖB Teheran 10.2019). Die Erwerbsquote von Frauen liegt nur bei etwa 12%. Viele Frauen sind im informellen Sektor tätig (BTI 2020).
In rechtlicher Hinsicht unterliegen Frauen einer Vielzahl diskriminierender Einschränkungen. Prägend ist dabei die Rolle der (Ehe-)frau als dem (Ehe-)mann untergeordnet, wie sich sowohl in Fragen der Selbstbestimmung, des Sorgerechtes, der Ehescheidung als auch des Erbrechts erkennen lässt (AA 26.2.2020; vgl. HRW 14.1.2020, ÖB Teheran 10.2019, AI 26.2.2019). Beispielsweise darf eine verheiratete Frau ohne die schriftliche Genehmigung ihres Mannes (oder Vaters) keinen Reisepass erhalten oder ins Ausland reisen (HRW 14.1.2020; vgl. FH 4.3.2020). Nach dem Zivilgesetzbuch hat ein Ehemann das Recht, den Wohnort zu wählen, und kann seine Frau daran hindern, bestimmte Berufe auszuüben (HRW 14.1.2020). Im Straf- bzw. Strafprozessrecht sind Frauen bereits mit neun Jahren vollumfänglich strafmündig (Männer mit 15 Jahren), ihre Zeugenaussagen werden hingegen nur zur Hälfte gewichtet (AA 26.2.2020) und die finanzielle Entschädigung, die der Familie eines weiblichen Opfers nach ihrem Tod gewährt wird, ist nur halb so hoch, wie die Entschädigung für ein männliches Opfer (FH 4.3.2020). Weitere diskriminierende Vorschriften finden sich im Staatsangehörigkeitsrecht, internationalen Privatrecht, Arbeitsrecht sowie im Sozialversicherungsrecht (AA 26.2.2020).
Bei Verstößen gegen gesetzliche Verbote müssen Frauen mit Strafen rechnen. So kann etwa eine Frau, die ihre Haare oder die Konturen ihres Körpers nicht verhüllt, mit Freiheitsstrafe (zehn Tage bis zu zwei Monaten) und/oder Geldstrafe bestraft werden. Grundsätzlich ist auch die Verhängung von bis zu 74 Peitschenhieben wegen Verstoßes gegen die öffentliche Moral möglich; dazu kommt es in der Regel nicht, da die Familien von der Möglichkeit des Freikaufs überwiegend Gebrauch machen (AA 26.2.2020).
Laut Gesetz darf eine jungfräuliche Frau nicht ohne Einverständnis ihres Vaters, Großvaters oder eines Richters heiraten (US DOS 11.3.2020). Väter und Großväter können bei Gericht eine Erlaubnis einholen, wenn sie das Mädchen früher verheiraten wollen. Das gesetzliche Heiratsalter für Mädchen liegt bei 13 Jahren (AA 26.2.2020; vgl. AI 22.2.2018), jenes für Jungen bei 15 Jahren. Kinder- und Zwangsehen sind daher weiterhin ein Problem, besonders im sunnitischen und ländlichen Raum sind Kinderehen häufig, weil der „Wert“ der Braut mit dem Alter abnimmt (ÖB Teheran 10.2019).
Im Oktober 2019 genehmigte der Wächterrat eine Änderung des Zivilgesetzbuchs des Landes, die es iranischen Frauen, die mit ausländischen Männern verheiratet sind, ermöglicht, für ihre Kinder die Staatsbürgerschaft zu beantragen (US DOS 11.3.2020; vgl. HRW 14.1.2020, AI 18.2.2020). Frauen müssen diese Übertragung jedoch eigens beantragen, und ihre Kinder müssen sich einer Sicherheitsüberprüfung durch das Geheimdienstministerium unterziehen, während die Staatsbürgerschaft iranischer Männer automatisch an deren Kinder übertragen wird (AI 18.2.2020).
Gesetzliche Regelungen räumen geschiedenen Frauen das Recht auf Alimente ein. Angaben über (finanzielle) Unterstützung vom Staat für alleinerziehende Frauen sind nicht auffindbar. Das Gesetz sieht vor, dass geschiedenen Frauen vorzugsweise das Sorgerecht für ihre Kinder bis zu deren siebentem Lebensjahr gegeben werden soll. Danach soll das Sorgerecht dem Vater übertragen werden, außer dieser ist dazu nicht im Stande. Heiraten geschiedene Frauen erneut, verlieren sie das Sorgerecht für Kinder aus einer früheren Ehe (ÖB Teheran 12.2018).
Alleinstehende, nicht geschiedene Frauen haben Schwierigkeiten, selbstständig eine Wohnung zu mieten und alleine zu wohnen, da gesellschaftliche Normen verlangen, dass eine unverheiratete Frau im Schutze ihrer Familie oder eines männlichen Familienmitglieds lebt. Im Gegensatz dazu dürfte es gesellschaftlich akzeptiert sein, dass geschiedene Frauen alleine wohnen. Aufgrund der Schwierigkeit für Frauen, am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, ist der familiäre Rückhalt für alleinstehende Frauen umso bedeutender. Jedoch erhalten manche Frauen, die außerhalb der gesellschaftlichen Norm leben (wie zum Beispiel lesbische Frauen od. Prostituierte), keine Unterstützung durch die Familie und können Opfer von häuslicher Gewalt und Zwangsheirat werden (ÖB Teheran 10.2019).
Häusliche Gewalt ist in Iran sehr weit verbreitet und die Gesetze dagegen sind schwach. Ein Drittel der Frauen gibt an, Opfer physischer Gewalt geworden zu sein, über die Hälfte gibt an, mit psychischer Gewalt konfrontiert worden zu sein. Krisenzentren und Frauenhäuser nach europäischem Modell existieren in Iran nicht. Angeblich sollen staatlich geführte Einrichtungen für alleinstehende Frauen, Prostituierte, Drogenabhängige oder Mädchen, die von Zuhause davon gelaufen sind, vorhanden sein. Informationen über diese Einrichtungen sind der Öffentlichkeit nicht zugänglich. Genauere Informationen über mögliche Unterstützungen des Staates für alleinstehende Frauen sind nicht eruierbar (ÖB Teheran 12.2018).
Der Staat ist verpflichtet, Frauen vor sexueller Gewalt zu schützen. Frauen, die ehelicher oder häuslicher Gewalt ausgesetzt sind, können aber nicht uneingeschränkt darauf vertrauen, dass effektiver staatlicher Schutz gewährt wird. Fälle von Genitalverstümmelung sind nicht bekannt (AA 12.1.2019). Vergewaltigung ist illegal und unterliegt strengen Strafen, einschließlich der Todesstrafe (US DOS 11.3.2020). Das Gesetz betrachtet Sex innerhalb der Ehe per Definition als einvernehmlich und behandelt daher keine Vergewaltigung in der Ehe, auch nicht in Fällen von Zwangsheirat (US DOS 11.3.2020; vgl. ÖB Teheran 10.2019). Die meisten Vergewaltigungsopfer melden Verbrechen nicht, weil sie offizielle Vergeltungsmaßnahmen oder Strafen für Vergewaltigungen befürchten, wie zum Beispiel Anklagen wegen Unanständigkeit, unmoralischem Verhalten oder Ehebruch. Ehebruch wiederum ist ebenfalls mit der Todesstrafe bedroht. Auch gesellschaftliche Repressalien oder Ausgrenzung werden von Vergewaltigungsopfern befürchtet (US DOS 11.3.2020).
Der Wächterrat ließ keine der 137 Frauen, die bei der Präsidentschaftswahl 2017 antreten wollten, für eine Kandidatur zu. Aufgrund des gesetzlichen Zwangs, ein Kopftuch (Hidschab) zu tragen, stehen Frauen im Visier von Polizei und paramilitärischen Kräften. Sie können schikaniert und festgenommen werden, wenn Haarsträhnen unter ihrem Kopftuch hervorschauen, wenn sie stark geschminkt sind oder eng anliegende Kleidung tragen (AI 22.2.2018). Frauen, die sich gegen die Kopftuchpflicht einsetzen, können Opfer staatlich unterstützter Verleumdungskampagnen werden (AI 18.2.2020). Nach anderen Berichten will die Polizei Frauen, die sich auf den Straßen „unislamisch“ kleiden oder benehmen, nunmehr belehren statt bestrafen. Frauen, die (in der Öffentlichkeit) die islamischen Vorschriften nicht beachten, würden laut Teherans Polizeichef seit einiger Zeit nicht mehr auf die Wache gebracht. Vielmehr würden sie gebeten, an Lehrklassen teilzunehmen, um ihre Sichtweise und ihr Benehmen zu korrigieren. In Iran müssen alle Frauen und Mädchen ab neun Jahren gemäß den islamischen Vorschriften in der Öffentlichkeit ein Kopftuch und einen langen, weiten Mantel tragen, um Haare und Körperkonturen zu verbergen. „Sünderinnen“ droht die Festnahme durch die Sittenpolizei, in manchen Fällen auch ein Strafverfahren und eine saftige Geldstrafe. Laut Polizeichef Rahimi gab es 2017 bereits mehr als 120 solcher Aufklärungsklassen, an denen fast 8.000 Frauen teilgenommen haben. Bewirkt haben sie anscheinend aber wenig. Nach der Wiederwahl des moderaten Präsidenten Hassan Rohani und der Ausweitung der gesellschaftlichen Freiheiten werden besonders abends immer mehr Frauen ohne Kopftuch in Autos, Cafés und Restaurants der Hauptstadt gesehen (Standard.at 27.12.2017; vgl. Kurier.at 27.12.2017).
Seit Ende Dezember 2017 fordern immer mehr iranische Frauen eine Abschaffung der Kopftuchpflicht. Als Protest nehmen sie in der Öffentlichkeit ihre Kopftücher ab und hängen sie als Fahne auf. Auch gläubige Musliminnen, die das Kopftuch freiwillig tragen, ältere Frauen, Männer und angeblich auch einige Kleriker haben sich den landesweiten Protestaktionen angeschlossen (Kleine Zeitung 3.2.2018). Die Proteste wurden von den Sicherheitskräften rasch eingedämmt, von der Judikative wurden schwere Strafen (z. T. mehrjährige Haft) verhängt. Dennoch wurde dadurch eine öffentliche Debatte angestoßen. Das Forschungszentrum des Parlaments veröffentlichte etwa eine Studie, welche die geringe Zustimmung zum Kopftuchzwang thematisierte und sogar dessen Abschaffung in Erwägung zog (ÖB Teheran 10.2019). Im Oktober 2018 kam es wieder zu vereinzelten Berichten über Frauen, die ihr Kopftuch abgenommen hatten (ÖB Teheran 10.2019, BTI 2020). Auch 2019 wurden diesbezüglich von Verhaftungen berichtet (ÖB Teheran 10.2019). Auch die Diskussion über den Zugang von Frauen zu Sportveranstaltungen ist immer noch Gange. Im Oktober 2019 durften Frauen auf Druck der FIFA erstmals ein Fußball-Länderspiel im Stadion verfolgen (AA 26.2.2020). Das Thema ist für Frauen nach wie vor wichtig, Anfang September 2019 zündete sich eine Frau an, als ihr eine Haftstrafe drohte (sie hatte sich als Mann verkleidet, um an einem Fußballmatch teilzunehmen) (ÖB Teheran 10.2019; vgl. FH 4.3.2020).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf, Zugriff 23.4.2020
? AI – Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Iran: 2019 [MDE 13/1829/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2026069.html, Zugriff 14.5.2020
? AI – Amnesty International (26.2.2019): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 - Iran [MDE 13/9900/2019], https://www.ecoi.net/en/file/local/2003678/MDE1399002019ENGLISH.PDF, Zugriff 23.4.2020
? AI – Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425078.html, Zugriff 24.4.2020
? BTI – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report — Iran, https://www.bti-project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf, Zugriff 6.5.2020
? FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html, Zugriff 23.4.2020
? GIZ – Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2019c): Gesellschaft Iran, https://www.liportal.de/iran/gesellschaft/, Zugriff 23.4.2020
? HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022677.html, Zugriff 23.4.2020
? Kleine Zeitung (3.2.2018): Bericht: "Besorgniserregender Widerstand gegen Kopftuch", https://www.kleinezeitung.at/politik/aussenpolitik/5365790/Strafen-helfen-im-Iran-nicht-mehr_Besorgniserregender-Widerstand, Zugriff 23.4.2020
? Kurier.at (27.12.2017): Belehrung statt Bestrafung für "unislamisch" gekleidete Iranerinnen, https://kurier.at/politik/ausland/belehrung-statt-bestrafung-fuer-unislamisch-gekleidete-iranerinnen/303.910.665, Zugriff 23.4.2020
? ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 23.4.2020
? Standard.at (27.12.2017): Belehrung statt Bestrafung für "unislamisch" gekleidete Iranerinnen, https://derstandard.at/2000071088880/Belehrung-statt-Bestrafung-fuer-unislamisch-gekleidete-Iranerinnen, Zugriff 23.4.2020
? US DOS – US Department of State (11.3.2020): Jahresbericht zur Menschenrechtslage im Jahr 2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026339.html, Zugriff 23.4.2020
Zu Grundversorgung und Rückkehr:
Die Grundversorgung ist in Iran gesichert, wozu neben staatlichen Hilfen auch das islamische Spendensystem beiträgt. Der Mindestlohn liegt bei ca. 15,7 Mio. Rial im Monat (ca. 110 Euro). Das durchschnittliche monatliche pro Kopf Einkommen liegt bei ca. 54,6 Mio. Rial (ca. 400 Euro) (AA 26.2.2020). Angesichts der immer schärferen US-Sanktionen gegen Iran und des dramatischen Währungsverfalls hat sich die wirtschaftliche Lage weiter verschlechtert (ÖB Teheran 10.2019; vgl. BTI 2020). Die Weltbank erwartet in den Jahren 2018-2020 eine anhaltende Rezession, der Internationale Währungsfonds sogar einen Rückgang des BIP. Das Budget wird durch die sinkenden Erdölexporte erheblich belastet werden, weshalb ein Sinken der öffentlichen Ausgaben zu erwarten ist (ÖB Teheran 10.2019).
Allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, löst bei Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus. In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Trotzdem kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. Bisher wurde kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. (AA 26.2.2020)
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 20.4.2020
? AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf, Zugriff 21.4.2020
? AI – Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Iran: 2019 [MDE 13/1829/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2026069.html, Zugriff 14.5.2020
? BTI – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report — Iran, https://www.bti-project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf, Zugriff 6.5.2020
? DIS/DRC – Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (23.2.2018): IRAN - House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish Refugee Council based on interviews in Tehran, Iran, Ankara, Turkey and London, United Kingdom, 9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426255/1788_1520517773_house-churches-and-converts.pdf, Zugriff 20.4.2020
? FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html, Zugriff 20.4.2020
? ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 20.4.2020
? Open Doors (2020): Weltverfolgungsindex 2020 Länderprofil Iran, https://www.opendoors.de/christenverfolgung/weltverfolgungsindex/laenderprofile/iran, Zugriff 20.4.2020
? US DOS – US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2011176.html, Zugriff 20.4.2020
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen ergeben sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsunterlagen sowie den Aktenbestandteilen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Als Beweismittel insbesondere relevant sind die Niederschriften der Einvernahmen durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Erstbefragung; EB) und durch das BFA (EV) sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (VH), der Beschwerdeschriftsatz, das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Iran mit den darin enthaltenen, bei den Feststellungen näher zitierten Berichten), die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Dokumente und die Strafregisterabfrage vom 15.09.2020
2.2. Zu folgenden Feststellungen wird näher ausgeführt wie folgt:
2.2.1. Zur Person der Beschwerdeführerin
Aufgrund der beim Bundesverwaltungsgericht vorgelegten Personendokumente steht die Identität der Beschwerdeführerin fest. Es besteht kein Grund, an der Identität der Beschwerdeführerin zu zweifeln.
Das Bundesverwaltungsgericht erachtet die Beschwerdeführerin – betreffend weitere Personenmerkmale (Alter, Staatsangehörigkeit, ethnische Zugehörigkeit, Herkunftsregion, Sprachkenntnisse, Ausbildung und Berufserfahrung, Familienstand, Familienverhältnisse und Gesundheitszustand) sowie ihre Situation in Österreich für persönlich glaubwürdig, weil sie im Verfahren im Wesentlichen gleichbleibende Angaben dazu machte. Es gibt keine Gründe, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln, und war die Beschwerdeführerin diesbezüglich auch in der mündlichen Verhandlung persönlich glaubwürdig. Was den Gesundheitszustand anbelangt, so gab die Beschwerdeführerin zwar bei der EV (AS 85) an, dass sie unter Depressionen leide, doch erklärte sie in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar, dass sie diesbezüglich nun keine Medikamente mehr benötige (VH, S 3).
Die Feststellungen zur Situation der Beschwerdeführerin in Österreich ergeben sich aus den vorgelegten, unstrittigen Dokumenten und der Einvernahme in der mündlichen Verhandlung.
2.2.2. Zum Fluchtvorbringen
Die belangte Behörde führte im Wesentlichen ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren und kam bereits zu dem Schluss, dass das Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin nicht glaubwürdig ist. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht bestätigte sich die mangelnde Nachvollziehbarkeit des Fluchtvorbringens und ist dazu näher auszuführen wie folgt:
2.2.2.1. Zu den von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Vorfällen in Iran
Die vorgebrachte und angeblich in Iran gelebte sexuelle Orientierung ist insofern nicht nachvollziehbar, als die Beschwerdeführerin ihr Fluchtvorbringen vage, widersprüchlich und gesteigert erstattete. So konnte sie etwa nicht angeben, wie lange ihre Freundin im Gefängnis war (AS 89) und drückte sich dazu vage aus; Ebenso vage waren die Ausführungen, warum es zu einer Festnahme gekommen sei (AS 91); auch kannte sie den Nachnamen der Freundin nicht. Widersprüchlich sind die Ausführungen insofern, als die Beschwerdeführerin vor dem BFA angab, ihr Mann habe sie nicht beim Geschlechtsverkehr mit der Freundin gesehen (AS 91), wohingegen sie in der mündlichen Verhandlung ausführte, dass der Mann eine Kamera installiert habe, welche sie beim Sex mit der Freundin gefilmt habe. Sprunghaft und wenig konsistent wirken die Antworten auf Fragen zu dem angeblich in Iran begangenen Delikt (außereheliche Beziehung oder gleichgeschlechtliche Beziehung; AS 91). Anzeigen könne sie nicht vorlegen (AS 93). Offenbar hat die Beschwerdeführerin ein Interesse daran, die tatsächlichen Vorkommnisse zu verschleiern, oder bewusst ein vages Vorbringen zu erstatten, welches eine Überprüfbarkeit verunmöglicht. So sei etwa auch der Kontakt zu ihrer angeblichen Freundin namens Leila abgebrochen (AS 93). Warum dieser Kontakt abbrach, wurde wiederum widersprüchlich beantwortet: Vor dem BFA gab sie an, Leila habe den Kontakt abgebrochen (AS 93), wohingegen sie in der mündlichen Verhandlung ausführte, sie selbst habe den Kontakt abgebrochen (VH, S. 16), um dann noch gesteigert vorzubringen, andernfalls würde eine Verfolgung durch den Bruder von Leila drohen. Inkonsistent sind auch die Angaben zu lesbischen Bekanntschaften in Iran. So gab sie in der EV an, keine anderen lesbischen Frauen gekannt zu haben (AS 95), gab aber bei der Erstbefragung an, auf einer lesbischen Party gewesen zu sein. Obwohl diese Party ja das angeblich fluchtauslösende Ereignis war, waren ihre Ausführungen dazu sehr knapp und vage. Auch könne sie sich nicht mehr erinnern, wann die Party gewesen sei (AS 95).
Was die Intensität der vorgebrachten Beziehungen zu Frauen in Iran anbelangt, blieb die Beschwerdeführerin auch vage und sagte, dass sie „befreundet“ gewesen seien (AS 93). Es habe keine sexuelle Beziehung gegeben. Diese Aussage widerholte sie anschließend nochmals, indem sie angab, nie sexuelle Kontakte zu Frauen gehabt zu haben und keine gleichgeschlechtliche Beziehung vollzogen zu haben. Dazu in Widerspruch führte sie in der mündlichen Verhandlung aus, dass sie „tollen Sex“ mit ihrer Freundin in Iran gehabt habe (VH, S. 9). Auf den Widerspruch angesprochen antwortete sie ausweichend und nahm auf die Interviewsituation und ihren eigenen Zustand Bezug. Diese Argumentationslinie bemüht die Beschwerdeführerin offenbar immer, wenn sie auf Widersprüche angesprochen wird (vgl. VH, S. 15). Aus den Einvernahmeprotokollen des BFA ist jedoch in keinster Weise ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin nicht gesund gewesen wäre oder eine außergewöhnliche Einvernahmesituation vorgeherrscht hätte.
Nicht in Einklang zu bringen sind die Namensnennungen der Freundinnen in Iran mit den zugehörigen, angeblichen Geschehnissen. So gab die Beschwerdeführerin beim BFA an, dass sie verurteilt worden sei [das war den Angaben der Beschwerdeführerin zufolge 2005] und ihre Freundin namens Elahe (vgl. AS 89) habe ihr zur Flucht geraten. Sie sei dann auch mit dieser Freundin ausgereist (AS 89). Aus dem restlichen Protokoll ist jedoch ersichtlich, dass die Freundin, mit der die Beschwerdeführerin angeblich ausreiste, Leila hieß. Die Angaben zur Verurteilung von Leila sind äußerst oberflächlich (vgl. AS 97). Ob sie selbst eine Ladung oder Anzeige erhalten habe, wisse die Beschwerdeführerin nicht.
Dass die Beschwerdeführerin nicht tatsächlich eine asylrelevante Verfolgung fürchtet, ergibt sich aus ihren Ausführungen zu Fragen in Bezug auf eine allfällige Rückkehr. Daraus erschließt sich, dass sie eine Rückkehr nicht für gänzlich ausgeschlossen hält (vgl. AS 95, 97). Auch ist zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin vor allem zu ihrer Schwester nach England wollte und vor dem BFA angab, kein Interesse an einem Verbleib in Österreich zu haben. Eher würde sie wieder in die Heimat zurückkehren (AS 83, 85). Auch ihre Aussage, sie habe für ihre Ausreise gespart (AS 87), legt nahe, dass die Ausreise aus Iran zu ihrer Schwester nach England schon länger geplant war und nicht die drei Wochen vor ihrer Asylantragstellung in Österreich stattgefundene „Party“ fluchtauslösend war.
Eine Steigerung erfuhr das Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung insofern, als diese betreffend die Ereignisse in Iran vorbrachte, bereits im Gymnasium ihre erste „Freundin“ gehabt zu haben (VH, S. 5). Auf Fragen, warum sie dies nicht bereits beim BFA erwähnte, wich sie aus (VH, S. 15). Insgesamt wirkt auch die Schilderung dieser ersten Erfahrungen einstudiert, weil die Beschwerdeführerin in Bezug auf andere Fragen eher knapp antwortete. Es ist hier somit ein Bruch in der Erzählweise feststellbar. Eine weitere Steigerung betrifft die angebliche Installation einer Kamera durch den Exmann, mit welcher sie beim Sex gefilmt worden sei (VH, S. 7, 9). Diesen Umstand erwähnte sie beim BFA nicht und gab sie dort sogar an, nie sexuellen Kontakt mit Frauen gehabt zu haben (s.o.).
Ergänzend ist auch anzumerken, dass die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung nicht den Eindruck erweckte, tatsächlich in Iran eine Verfolgung aufgrund ihrer sexuellen Orientierung erlitten zu haben, da sie ihr Vorbringen emotionslos erstattete. Glaubwürdig ist hingegen, dass die nun geschiedene Ehe für sie schwierig war und sie ihre Tochter vermisst. Das waren die beiden einzigen Situationen, in denen die Beschwerdeführerin Emotionen zeigte und in Bezug auf das konkret in diesem Moment Erzählte authentisch wirkte (VH, S. 7). Auch beim BFA wurde gesondert vermerkt, dass die Beschwerdeführerin einen desinteressierten Eindruck erweckt und abfällige Bemerkungen macht (AS 95, 97).
2.2.2.2. Zu den von der Beschwerdeführerin in Österreich gesetzten Aktivitäten
Die Beschwerdeführerin wurde in der mündlichen Verhandlung eingehend zu ihrer sexuellen Orientierung befragt. Dabei konnte sie nicht nachvollziehbar darlegen, dass sie tatsächlich homosexuell orientiert ist und es ihr ein Anliegen ist, dies auch zu leben. So lebt sie in Österreich in keiner homosexuellen Partnerschaft (VH, S. 4) und ist auch nicht ernsthaft daran interessiert.
Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass die Beschwerdeführerin in Österreich in einer Unterkunft lebt, welche von einer LGBT-Organisation betrieben wird. Es leben dort nur Frauen. Auch hat die Beschwerdeführerin glaubwürdig vorgebracht, an Veranstaltungen und Aktivitäten eines Vereins, der im Bereich LGBT tätig ist, teilzunehmen. Diese Umstände alleine sind jedoch nicht hinreichend, um von einer tatsächlichen homosexuellen Orientierung auszugehen, handelt es sich doch um äußere Umstände, die gerade vor dem Hintergrund des bisher von der Beschwerdeführerin Erlebten verständlich sind. So ist es glaubwürdig, dass die Beschwerdeführerin unter ihrem Exmann litt und dann in dem Heim, in welchem sie in Österreich anfangs lebte und wo viele Männer waren, unwohl fühlte. Es ist verständlich, dass sie sich nun in einer Einrichtung, in der nur Frauen leben, wohler fühlt. Auch ist nachvollziehbar, dass sich die Beschwerdeführerin von den Vereinsmitgliedern nett aufgenommen fühlt und dort viele Freunde hat. Aus den vorgelegten Dokumenten zeigt sich auch eine große Solidarität mit der Beschwerdeführerin. Ihr Engagement im Verein besteht im Wesentlichen im Nähen von Masken. Dass die Beschwerdeführerin nun tatsächlich homosexuell orientiert ist, ist daraus aber nicht zwingend zu schließen und stehen die Ausführungen der Beschwerdeführerin in der Verhandlung, welche eine überzeugte homosexuelle Neigung nicht nahelegen, einer solchen Annahme entgegen. So findet sie das Leben hier toll und hat sie Freunde; Sicherheit sei ihr aber wichtiger als eine sexuelle Beziehung (VH, S. 10). Alle Ausführungen zu homosexuellen Beziehungen in Österreich blieben vage. Auch ist nicht ersichtlich, dass sie aktuell (und das ist der hier maßgebliche Zeitpunkt) ernsthaft an einer lesbischen Beziehung interessiert ist. Sie lebt diese Beziehungsform nicht. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt weiters nicht, dass die Beschwerdeführerin in der Verhandlung ein Schreiben vorlegte, in welchem die Verfasserin schreibt, mit der Beschwerdeführerin eine Sexbeziehung gehabt zu haben. Auch sagte die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung, dass sie einmal eine kurze sexuelle Beziehung hatte. Dieses Vorbringen ist jedoch vor dem Hintergrund der Ausführungen der Beschwerdeführerin und auch aufgrund des Umstands, dass sämtliche Schilderungen zu den Ereignissen in Iran nicht glaubwürdig sind, wodurch die generelle Glaubwürdigkeit der Beschwerdeführerin in Bezug auf ihre sexuelle Orientierung massiv erschüttert wurde, als reine Schutzbehauptung im Beschwerdeverfahren zu werten. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Beschwerdeführerin erst nach Erhalt des negativen Asylbescheides auf Anraten ihres Rechtsanwaltes mit dem Verein in Kontakt kam. Ab diesem Zeitpunkt wurde die Beschwerdeführerin zu diversen einschlägigen Veranstaltungen mitgenommen. Bis dahin hatte sie keine Kontakte zur homosexuellen Szene in Österreich und hat sie auf die konkrete Frage danach ausweichend geantwortet (vgl. VH, S. 11). Daraus ist ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin, obwohl sie sich in Österreich in Sicherheit hätte wähnen können, sichtlich nicht das Bedürfnis hatte, ihrer angeblichen sexuellen Neigung nachzugehen. Die Teilnahme an Veranstaltungen, Partys und Demonstrationen steht vielmehr im Zusammenhang mit ihrer freundschaftlichen Einbindung in ihrer Unterkunft und dem Verein. Dass die Beschwerdeführerin eine aktive Rolle, abseits vom ehrenamtlichen Nähen von Masken, als Unterstützerin speziell für die Rechte von Homosexuellen einnehmen würde, ist aus den Ausführungen in deren Gesamtschau nicht schlüssig hervorgekommen. Befragt, ob sich ihre sexuelle Neigung irgendwie in ihrer Lebensweise widerspiegelt, konnte sie kaum Konkretes anführen, welches ein näheres Bild ihrer Persönlichkeit erlauben würde. Lediglich das Tragen eines Hosenanzugs nannte sie. Vielmehr ist es das Ziel der Beschwerdeführerin, sich ein neues Leben aufzubauen und in Ruhe zu leben. Dass die Beschwerdeführerin nicht mehr mit einem Mann zusammenkommen will (VH, S. 13), ist aufgrund ihrer Erlebnisse mit dem Exmann, der sie auch vergewaltigt hat, nachvollziehbar und verständlich – dass sie aber deshalb automatisch lesbisch wäre, kann nicht gefolgert werden.
Auch bei der Schilderung zu den Aktivitäten in Österreich war die Beschwerdeführerin in ihrem Ausdruck gleichgültig und wenig überzeugend. Lediglich die Abneigung Männern gegenüber ist glaubwürdig gewesen, woraus aber – wie bereits ausgeführt wurde – nicht sogleich auf eine homosexuelle Neigung geschlossen werden kann.
All ihre Ausführungen erlauben in einer Gesamtschau nicht den Eindruck, dass es sich bei der Beschwerdeführerin um eine Frau handelt, welche tatsächlich homosexuell orientiert ist und die im Falle einer Rückkehr jedenfalls ihre sexuelle Orientierung ausleben würde bzw. wollte, was eine Gefährdung ihrer Person zur Folge hätte. Vielmehr legen die Antworten und das Verhalten der Beschwerdeführerin nahe, dass sie die schrecklichen Erlebnisse mit ihrem nunmehrigen Exmann hinter sich lassen wollte und sich in England bei ihrer Schwester ein neues Leben aufbauen wollte.
2.2.2.3. Betreffend allfällige sonstige Gründe
Die Angaben der Beschwerdeführerin, religionslos zu sein, sind nicht geeignet, einen nachhaltigen und die Identität verändernden Abfall vom Islam zu belegen. Dass die Beschwerdeführerin öffentlich gegen den Islam auftreten würde oder dies bereits tat, ist im gesamten Verfahren nicht hervorgekommen. Auch gab sie selbst an, lediglich aufgrund ihrer sexuellen Orientierung verfolgt zu werden.
Die Feststellung, wonach die Beschwerdeführerin keine weiteren Fluchtgründe vorbrachte, ergibt sich aus der Einvernahme, wo sie von sich aus keine weiteren Gründe nannte, welche asylrelevant wären (AS 95). Auch in der mündlichen Verhandlung brachte sie keine darüberhinausgehenden Gründe vor (VH, S. 5). Darüber hinaus indizieren auch die Länderberichte keine sonstige Gefährdung der Beschwerdeführerin.
2.2.3. Zur Situation in Iran
Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat ergeben sich aus den unter Punkt 1.3. genannten Länderberichten samt den darin zitierten Quellen sowie der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation. Die aktuellen Länderberichte beruhen auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von staatlichen und nichtstaatlichen Stellen und bieten dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche, weshalb im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass besteht, an der Richtigkeit dieser Berichte zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.
Das Bundesverwaltungsgericht teilte den Verfahrensparteien im Rahmen der Ladung zur mündlichen Verhandlung mit, welche Berichte es beabsichtigt, der Entscheidung zugrunde zu legen, und bot die Möglichkeit zur Einsicht- und Stellungnahme an.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten)
3.1.1. Rechtsgrundlagen
Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (in Folge: AsylG 2005), ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.
Gemäß Abs. 2 leg. cit. kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).
Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich „aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen;“
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.11.2003, 2003/20/0389, ausführte, ist das individuelle Vorbringen eines Asylwerbers ganzheitlich zu würdigen und zwar unter den Gesichtspunkten der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit und der objektiven Wahrscheinlichkeit des Behaupteten.
3.1.2. Wie bereits in der Beweiswürdigung ausführlich dargelegt wurde, war die Beschwerdeführerin in Bezug auf den vorgebrachten (Nach-)Fluchtgrund persönlich unglaubwürdig. Ihre Antworten in der mündlichen Verhandlung lassen nicht den Schluss zu, dass es sich bei der Beschwerdeführerin tatsächlich um eine homosexuell orientierte Person handelt, welche diese Neigung auch im Falle einer Rückkehr nach Iran ausleben würde.
Abschließend wird festgehalten, dass aus den amtswegigen Ermittlungen des Bundesverwaltungsgerichts in Form von Einsichtnahmen in die relevanten Länderberichte und dem am Bundesverwaltungsgericht vorhandenen Fachwissen eine asylrelevante Verfolgung auch aus anderen, nicht von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Gründen nicht maßgeblich wahrscheinlich ist.
Da die Glaubhaftmachung ein wesentliches Tatbestandsmerkmal für die Gewährung von Asyl ist, und es der Beschwerdeführerin nicht gelungen ist, eine aus einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Grund aktuell drohende Verfolgung maßgeblicher Intensität glaubhaft zu machen, liegt somit im Falle der Beschwerdeführerin weder ein Flucht- noch ein Nachfluchtgrund vor und hat die belangte Behörde zu Recht den Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen.
3.2. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides (Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten)
3.2.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden im Falle der Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes folgt, dass eine Voraussetzung für die Gewährung subsidiären Schutzes das Drohen einer realen Gefahr ("real risk") insbesondere einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung ist (VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137). Um von der realen Gefahr ("real risk") im Falle der Rückkehr ausgehen zu können, reicht es nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf vielmehr einer darüberhinausgehenden Wahrscheinlichkeit, dass sich eine solche Gefahr verwirklichen wird.
Zum AsylG 2005 hat der VwGH betreffend die Voraussetzungen für die Gewährung von subsidiärem Schutz – entsprechend dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 – (insbesondere) auf den Maßstab des Art. 3 MRK abgestellt (vgl. VwGH 21.05.2019, Ro 2019/19/0006; 06.11.2018, Ra 2018/01/0106, Rn. 14 f, mwN). Nach dieser Rechtsprechung kann die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat etwa auch dann eine Verletzung von Art. 3 MRK bedeuten und daher die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten begründen, wenn – wobei eine solche Situation allerdings nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen ist – der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also seine Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können (vgl. näher zu den Voraussetzungen einer solchen Annahme etwa VwGH 18.10.2018, Ra 2017/19/0200; 25.04.2017, Ra 2017/01/0016). Ebenso ist in der Rechtsprechung des VwGH in Hinblick auf den anzuwendenden Prüfungsmaßstab des Art. 3 MRK (weiterhin) anerkannt, dass es unter Berücksichtigung der Judikatur des EGMR Ausnahmefälle geben kann, in denen durch eine schwere Erkrankung bzw. einen fehlenden tatsächlichen Zugang zur erforderlichen Behandlung im Herkunftsstaat die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten begründet wird (vgl. jüngst VwGH 21.03.2018, Ra 2018/18/0021).
3.2.2. Umgelegt auf den gegenständlichen Fall folgt vor dem Hintergrund dieser Rechtsgrundlage und in Zusammenschau mit den oben getroffenen Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin sowie den aktuellen Länderberichten, dass die Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr nach Iran in keine existenzbedrohende oder lebensgefährliche Situation gelangen würde.
Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass es in Iran Spannungen gibt, aber die Sicherheitslage ist – wie sich aus den Länderberichten ergibt – nicht derart, dass die Beschwerdeführerin alleine aufgrund ihrer Anwesenheit in Iran einem realen Risiko für ihre körperliche Unversehrtheit oder ihr Leben ausgesetzt wäre. Insbesondere stammt die Beschwerdeführerin nicht aus den Provinzen Sistan-Belutschistan, Kurdistan oder West-Aserbaidschan, für welche die Länderberichte ein erhöhtes Sicherheitsrisiko verze