TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/3 W242 1402914-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.11.2020
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Entscheidungsdatum

03.11.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W242 1402914-2/20E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Heumayr als Einzelrichter über die Beschwerde XXXX , geb. XXXX , StA. Bangladesch, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , XXXX , zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

Der männliche Beschwerdeführer stellte nach seiner Einreise ins Bundesgebiet am XXXX 2008 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich und begründete diesen mit einer Verfolgung aufgrund seiner Zugehörigkeit zur einer politischen Partei (BNP).

Das Bundesasylamt wies den Erstantrag mit Bescheid, GZ XXXX , vom XXXX 2008 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab und wies den Beschwerdeführer nach Bangladesch aus. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Entscheidung des Asylgerichtshofes, GZ XXXX , vom XXXX 2012 abgewiesen.

Am 14.04.2015 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Folgeantrag und führte dazu in der Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 16.04.2015 begründend aus, er werde beschuldigt am 15.03.2015 in Bangladesch an einer Bushaltestelle randaliert und einen Bus angezündet zu haben, wobei ein Mann getötet worden sei. Da er aber die ganze Zeit in Österreich gewesen sei, sei er unschuldig. Von der Anschuldigung habe er ca. eine Woche nach der Tat durch seinen Bruder, der in Bangladesch lebe, erfahren.

Am 27.01.2016 brachte der Beschwerdeführer in einer schriftlichen Stellungnahme vor, dass er in Bangladesch verdächtigt werde, am 15.03.2015 einen Mann getötet zu haben. Am 16.03.2015 habe er durch seinen Bruder die Anzeige erhalten. Sein Bruder sei zur Polizei gegangen und habe nach dem Problem gefragt, woraufhin ihm die Anzeige ausgefolgt worden sei.

Der Beschwerdeführer wurde am 20.06.2016 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich in Anwesenheit eines Dolmetschers für die bengalische Sprache einvernommen. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab er zusammengefasst an, dass gegen ihn im Jahr 2015 durch die Polizei eine neue Anzeige erstattet worden sei. Er werde des Mordes, der Sachbeschädigung und der Brandstiftung beschuldigt. Von der Polizei sei die Anzeige der Mutter gegeben worden. Diese habe sie über einen Jungen aus dem Dorf nach Österreich schicken lassen. Es seien mit ihm noch viele andere Personen angezeigt worden. Den Namen der getöteten Person kenne er nicht. Er sei Mitglied der Partei BNP gewesen und unterstütze diese Partei nicht von Österreich aus.

Am 05.03.2018 wurde der Beschwerdeführer erneut vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Er gab dabei an, dass er sich die Anzeige, mit der er beschuldigt werden würde, jemanden getötet zu haben, schicken lassen. Als sein Bruder deswegen zur Polizei gegangen sei, sei er dort belästigt und geschlagen worden. Sein Bruder habe deswegen sein zu Hause verlassen müssen und sei die Mutter nun alleine. Auf Nachfrage, was der Bruder ihm über die Anzeige erzählt habe, gab er an, dass die Polizei bei ihnen zu Hause gewesen sei und nach ihm gefragt habe. Der Bruder habe erzählt, dass er in Österreich sei, woraufhin diesem gesagt worden sei, dass dies nicht möglich sein könne, denn er habe jemanden umgebracht. Er habe andere Personen aufgefordert mit ihm in einer Busstation ein Feuer zu legen. Dabei seien Insassen in einem Bus verletzt worden und eine Person sei gestorben. Beim Versuch sich um die Anzeige zu kümmern, sei der Bruder von der Polizei geschlagen müssen. Aufgefordert konkretere Angaben zu machen, führte der Beschwerdeführer weiter aus, dass in einer Busstation in Shulogaor in einem Bus ein Feuer gelegt wurde, wobei sehr viele Leute verletz worden seien. Ein Mann namens XXXX sei dabei ums Leben gekommen. Der Mann sei aus Shoriodpur.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 13.03.2018 wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch (Spruchpunkt II.) ab und erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.). Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Bangladesch zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe nicht glaubhaft machen konnte. Der Beschwerdeführer sei bei einer Rückkehr nach Bangladesch keiner besonderen Gefährdung ausgesetzt. Der Beschwerdeführer habe umfangreiche familiäre Anknüpfungspunkte in Bangladesch, verfüge über eine ausreichende Schulbildung und Berufserfahrung, weshalb er in der Lage sei, in seinem Herkunftsland für seinen Unterhalt zu sorgen.

Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde, die er mit der Mangelhaftigkeit des durchgeführten Verfahrens begründete.

Aufgrund der Beschwerde wurde durch das Bundesverwaltungsgericht für den 16.03.2020 eine mündliche Verhandlung anberaumt. Am 04.02.2020 teilte der Rechtsanwalt des Beschwerdeführers mit, dass dieses Vertretungsverhältnis aufgelöst worden sei.

Vorbereitend für die Verhandlung am 16.03.2020 wurde durch den zweiten Vertreter des Beschwerdeführers eine mit 27.02.2020 datierte schriftliche Stellungnahme übermittelt, in der er ausführte, dass er sich seit 2008 durchgehend im Bundesgebiet aufhalte. Er sei bestens integriert und würden daher seine persönlichen Interessen an einem Verbleib im Bundesgeiet überwiegen. Gleichzeitig wurde die Einvernahme von Zeugen unter Ladungsverzicht beantragt.

Die Verhandlung musste vor der Durchführung am 13.03.2020 abberaumt werden.

Mit Ladung vom 24.08.2020 wurden die Verfahrensparteien erneut zur Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung am 23.09.2020 geladen. Der Beschwerdeführer wurde über seinen ausgewiesenen Vertreter geladen.

Mit Schreiben vom 14.09.2020 teilte die Vertretung des Beschwerdeführers mit, dass die Vollmacht zur Vertretung zurückgelegt werde.

Am 23.09.2020 wurde eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt. Nach Aufruf der Verhandlung um 09:00 Uhr ist ein Vertreter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl erschienen, nicht jedoch der Beschwerdeführer. Mit dem Beginn der Verhandlung wurde bis 09:30 Uhr zugewartet. Da der Beschwerdeführer bis zu diesem Zeitpunkt nicht erschien, wurde die Verhandlung in seiner Abwesenheit durchgeführt, wobei das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Beschwerdeführer teilte am 23.09.2020 um 08:42 Uhr mit, dass er aufgrund einer Erkrankung nicht zur Verhandlung erscheinen könne. Aufgrund dieser Mitteilung wurde der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 01.10.2020 aufgefordert umgehend eine ärztliche Bestätigung zum Beweis seiner Verhinderung am 23.09.2020 vorzulegen. Dieser Aufforderung kam der Beschwerdeführer bis dato nicht nach.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Die Identität steht nicht fest. Am XXXX 2008 stellte er einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Entscheidung des Asylgerichtshofes, GZ. XXXX , vom XXXX 2012 abgewiesen wurde. Er erklärte der Asylbehörde gegenüber freiwillig nach Bangladesch zurückkehren zu wollen, verblieb jedoch entgegen seiner Erklärung im Bundesgebiet. Am XXXX 2015 stellte der Beschwerdeführer einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz.

In Bangladesch leben die Mutter, ein Bruder und drei Schwestern des Beschwerdeführers, wobei er im telefonischen Kontakt mit seiner Mutter steht.

Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Er spricht Bengali, Hindi und etwas Englisch und Deutsch. Er hat neun Jahre eine Schule besucht und keinen Beruf erlernt.

Zum (Privat-)Leben des Beschwerdeführers in Österreich

Der Beschwerdeführer hält sich seit der ersten Beantragung von internationalen Schutz am XXXX 2008 im Bundesgebiet auf. Er hat das ÖSD Zertifikat A2 im Jahr XXXX nicht bestanden und sich im Jahr XXXX erneut für die Vorbereitung auf diese Prüfung angemeldet. Er ist Mitglied in der XXXX , im XXXX sowie im XXXX . Beruflich ist er als Zeitungsverkäufer bzw. Zeitungszusteller sowie im Bereich der Hausreinigung tätig. Zusätzlich verfügt er über ein angemeldetes Gewerbe der Hausbetreuung.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten, gesund, arbeitsfähig und bezieht keine Grundversorgung.

Der Beschwerdeführer wurde Mit Ladung vom 24.08.2020 zu einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung am 23.09.2020 über seine ausgewiesene Vertretung geladen. Die Vertretung legte nach der rechtswirksam erfolgten Ladung am 14.09.2020 die Vertretungsvollmacht zurück. Am 23.09.2020 teilte der Beschwerdeführer um 08:42 Uhr mit, dass er an der Verhandlung nicht teilnehmen könne. Die Verhandlung wurde am 23.09.2020 in Abwesenheit des Beschwerdeführers durchgeführt. Aufgrund der Entschuldigung wurde der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 01.10.2020 nachweislich aufgefordert umgehend ärztliche Bestätigungen für seine am 23.09.2020 erfolgte Entschuldigung zu übermitteln. Dieser Aufforderung kam der Beschwerdeführer bis dato nicht nach.

Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Verfolgungsvorbringen kann nicht festgestellt werden.

Es steht festgestellt, dass der Beschwerdeführer nicht wegen seiner behaupteten politischen Einstellung der Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt ist.

Es steht fest, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Bangladesch keiner Lebensgefahr bzw. keinem Eingriff in seine körperliche Integrität durch private Personen drohen würde.

Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Es steht fest, dass dem Beschwerdeführer, bei einer Rückkehr nach Bangladesch, in seiner Herkunftsprovinz keine über die allgemeine Gefährdungslage hinausgehende Gefährdung drohen würde.

Bei einer Rückkehr nach Bangladesch kann der Beschwerdeführer grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Im Falle einer Verbringung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat droht diesem daher kein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK).

Zur maßgeblichen Situation in Bangladesch:

Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus dem vom Bundesamt herangezogenen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation wiedergegeben (letzte Aktualisierung 06.04.2020):

1.       Politische Lage

Bangladesch – offizielle Bezeichnung Volksrepublik Bangladesch (People's Republic of Bangladesh / Ga?apraj?tantr? B??l?de?) ist seit 1991 eine parlamentarische Demokratie (GIZ 11.2019a). Das Land befindet sich größtenteils in der Deltaebene, die durch die Mündung der Flüsse Ganges und Brahmaputra in den Golf von Bengalen (Indischer Ozean) gebildet wird. Nachbarstaaten sind Indien (Westen, Norden und Osten) und Myanmar (Südosten). Die Hauptstadt ist Dhaka (ca. 20 Millionen Einwohner). Au einer Fläche von ca. 148.000 km² (CIA 13.3.2020) leben etwa 163 Millionen Einwohner (CIA 13.3.2020; vgl. GIZ 3.2020, AA 6.3.2020a). Bangladesch ist mit 1.127 Einwohnern pro Quadratkilometer, der am dichtesten besiedelte Flächenstaat der Welt (zum Vergleich: Österreich 104 Einwohner pro km²) (WPR o.D.; vgl. AA 6.3.2020a).

Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt größtenteils zeremonielle Funktionen aus, während die Macht in den Händen des Premierministers als Regierungschef liegt. Dieser wird von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt. Der Premierminister ernennt die Regierungsmitglieder, die vom Präsidenten bestätigt werden. Nach Ende der fünfjährigen Legislaturperiode bildet der Präsident unter seiner Führung eine unabhängige Übergangsregierung, deren verfassungsmäßige Aufgabe es ist, innerhalb von 90 Tagen die Voraussetzungen für Neuwahlen zu schaffen (ÖB 8.2019; vgl. GIZ 11.2019a). Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 11.2019a).

Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300, in Einzelwahlkreisen auf fünf Jahre direkt gewählten, Abgeordneten (ÖB 8.2019) mit zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (USDOS 11.3.2020; vgl. GIZ 11.2019a). Diese werden nicht direkt durch eine Wahl vergeben, sondern durch die Parteien, die es ins Parlament schaffen, nominiert (GIZ 11.2019a; vgl. USDOS 11.3.2020). Das Parlament tagt nicht während der Amtszeit der Übergangsregierung. Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der Bangladesch Nationalist Party (BNP) und der Awami League (AL) als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Während die konservative BNP Verbündete bei den islamistischen Parteien wie der Jamaat-e-Islami (JI) hat, bekommt die AL traditionell Unterstützung von linken und säkularen Parteien, wie der Arbeiterpartei, der liberaldemokratischen Partei, der national-sozialen Partei Jatiyo Samajtantrik Dal und jüngst auch von der Jatiya Partei, unter dem ehemaligen Militärdiktator Hossain Mohammad Ershad (ÖB 8.2019).

Das politische Leben wird durch die beiden dominierenden und konkurrierenden größten Parteien, die „Awami League“ (AL) und „Bangladesh Nationalist Party“ (BNP) bestimmt (ÖB 8.2019). Klientelismus und Korruption sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind parteipolitisch durchdrungen (AA 22.7.2019; vgl. DGVN 2016). Beide Parteien haben keine demokratische interne Struktur und werden von Familien geführt, die Bangladesch seit der Unabhängigkeit geprägt haben (FH 2020).

Seit 2009 ist Sheikh Hasina Wazed von der Awami League (AL) Premierministerin (GIZ 11.2019a; vgl. ÖB 8.2019). Im Jänner 2019 wurde Sheikh Hasina für ihre vierte Amtszeit, die dritte Amtszeit in Folge, als Premierministerin angelobt. Im Februar 2019 gab sie bekannt, dass sie nach dieser Amtszeit an die „junge Generation“ übergeben wolle (DW 14.2.2019).

Bei den elften bangladeschischen Parlamentswahlen vom 30.12.2018 erzielte die „Große Allianz“ um die regierende AL einen Erdrutschsieg mit 96 % der Stimmen und 289 der 300 zur Wahl stehenden Parlamentssitze (Guardian 30.12.2018; vgl. BN24 31.12.2018, DT 27.1.2019, DS 10.1.2019, DW 14.2.2019), wobei in zwei Wahlkreisen aufgrund von Gewalt (DS 10.1.2019) bzw. dem Tod eines Kandidaten Nachwahlen notwendig waren (DT 27.1.2019).

Es gibt Berichte über Wahlmanipulation. Die Opposition verurteilte die Wahl als „Farce“ und fordert die Annullierung des Ergebnisses und Neuwahlen. Die Regierungspartei weist die Manipulationsvorwürfe und Neuwahlforderungen zurück und nennt die Wahl „völlig frei und unabhängig“ (BBC 31.12.2018). In einer vorläufigen Bewertung erklärten Wahlbeobachter der SAARC (South Asian Association for Regional Cooperation), dass die Wahl „viel freier und fairer“ ablief als die vorherigen (Hindu 1.1.2019). Bereits im Vorfeld der Wahl kam es zu Gewalt zwischen rivalisierenden Anhängern und zu harten Vorgehen der Regierung (BBC 31.12.2018; vgl. Hindu 1.1.2019). Die Wahlen vom 30. Dezember 2018 waren durch Übergriffe auf Oppositionelle, willkürliche Verhaftungen und Einschüchterungen der Stimmberechtigten gekennzeichnet (HRW 14.1.2020). Am Wahltag waren rund 600.000 Sicherheitskräfte, darunter Armee und paramilitärische Truppen, im Einsatz, um die Gewalt einzudämmen (Guardian 30.12.2018). Frühzeitig wurde die Wahl durch die Wahlkommission als frei und fair bezeichnet. Unregelmäßigkeiten wurden nicht untersucht. Stattdessen wurden Journalisten wegen ihrer Berichterstattung verhaftet (HRW 14.1.2020). Es wurden mindestens 17 Menschen bei Zusammenstößen zwischen Anhängern der regierenden Partei und der Opposition getötet (Reuters 1.1.2019).

Die oppositionelle BNP hat aufgrund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potenzial, durch Generalstreiks großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 11.2019a).

Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden, innerparteilichen Demokratie hat de facto die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Wie schon die Vorgängerregierungen baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in Verwaltung, Rechtswesen und Militär aus. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei hatte das Wahlergebnis angefochten und ist nun nicht mehr im Parlament vertreten ist (GIZ 11.2019a).

Die erste Verfassung trat 1972 in Kraft und setzte neben der demokratischen Staatsform auch Säkularismus, Sozialismus und Nationalismus als Ziele fest. Nach zahlreichen Verfassungsänderungen wurde 1988 der Islam als Staatsreligion eingeführt bei gleichzeitiger verfassungsrechtlicher Verankerung des Rechts auf friedliche Ausübung anderer Religionen (ÖB 8.2019). Die verfassungsändernde Mehrheit der AL im Parlament führt zu einer enormen Machtkonzentration. Gesetzesinitiativen schränken den Spielraum der Zivilgesellschaft weiter ein (ACCORD 12.2016). Die Ankündigung von PM Sheik Hasina, ein Tribunal einzusetzen, um erstmals die Verantwortlichen für die Kriegsverbrechen im Unabhängigkeitskrieg 1971, aber auch für die Ermordung ihres Vaters und Staatsgründers Sheikh Rajibur Rahman 1975 sowie versuchte Mordanschläge auf ihr eigenes Leben 2004 zur Rechenschaft zu ziehen, stoßen in gewissen (pro-pakistanischen Kreisen) in Bangladesch auf heftigen Widerstand (ÖB 8.2019).

Die Kommunalwahlen 2019 fanden an fünf verschiedenen Wahltagen zwischen 10.3. und 18.6.2019 statt (bdnews24 20.6.2019; vgl. bdnews24 3.2.2019). Nachdem die BNP und einige andere Parteien die Wahlen boykottierten, wurde eine niedrige Wahlbeteiligung beobachtet (bdnews24 20.6.2019; vgl. DS 10.3.2019). Die Kandidaten der AL waren in 317 von 470 Upazillas [Landkreisen] siegreich, in 149 Upazillas gewannen unabhängige Kandidaten, die vorwiegend abtrünnige der Regierungsparteien sind. In 115 Upazillas gab es keine Gegenkandidaten (bdnews 20.6.2019). Für die Nachwahlen in insgesamt 8 Upazillas am 14.10.2019 kündigte die BNP jedoch eine Teilnahme an (PA 8.9.2019).

Der Verwaltungsaufbau von Bangladesch ist zentralistisch: Das Land ist in acht Regionen (Divisions), 64 Bezirke (Districts), 92 Landkreise bzw. Großstädte (Upazilas / City Corporations), über 4.500 Gemeindeverbände (Union Councils / Municipalities) und circa 87.000 Dorfgemeinden gegliedert (ÖB 8.2019). Im Gebiet der Chittagong Hill Tracts gilt eine besondere Verwaltung, die der lokalen (indigenen), nicht-bengalischen Bevölkerung verstärkte Mitwirkungsmöglichkeiten einräumen soll (ÖB 8.2019).

2.       Sicherheitslage

Der Hass zwischen den politischen Parteien, insbesondere Awami League (AL) und die Bangladesch National Party (BNP), ist für den größten Teil an Gewalt im Land verantwortlich (ACLED 9.11.2018). Die regierende Awami-Liga (AL) hat ihre politische Macht durch die nachhaltige Einschüchterung der Opposition, wie auch jener mit ihr verbündet geltenden Kräfte, sowie der kritischen Medien und Stimmen in der Zivilgesellschaft ausgebaut (FH 2020). Beide Parteien sind – gemeinsam mit unidentifizierten bewaffneten Gruppen – in Vandalismus und gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelt und greifen auch friedliche Zivilisten an (ACLED 9.11.2018).

Von nicht-staatlichen Akteuren (insbesondere Opposition, Islamisten, Studenten) geht nach wie vor in vielen Fällen Gewalt aus. Die öffentliche Sicherheit ist fragil. Das staatliche Gewaltmonopol wird durchbrochen. Es kommt häufig zu Morden und gewalttätigen Auseinandersetzungen aufgrund politischer (auch innerparteilicher) oder krimineller Rivalitäten. Eine Aufklärung erfolgt selten. Die großen Parteien verfügen über eigene „Studentenorganisationen“. Mit dem stillschweigenden Einverständnis der Mutterparteien fungieren diese bewaffneten Organisationen als deren Schild und Schwert. Ihr Mitwirken im politischen Prozess ist eine der wichtigsten Ursachen für die politische Gewalt in Bangladesch (AA 22.7.2019).

Spontane Streiks und Kundgebungen können jederzeit stattfinden (BMEIA 18.3.2020; vgl. AA 22.3.2020), dabei können Kämpfe zwischen Sicherheitsbehörden und Demonstranten, Brandstiftung, Gewalt und Vandalismus unvorhergesehen auftreten (UKFCO 29.3.2020a).

Gewalt gegen Zivilisten oder staatliche Kräfte durch Rebellen macht einen relativ kleinen Anteil an allen Gewaltereignissen aus. Es gibt radikale islamistische Gruppen wie die Mujahideen Bangladesh (JMB) und Ansarullah Bangla Team (ABT). Sowohl der Islamische Staat (IS) und Al Qaeda in the Indian Subcontinent (AQIS) geben an, in Bangladesch aktiv zu sein, was von der Regierung jedoch dementiert wird (ACLED 9.11.2018). 2017 kam es zu fünf Selbstmordattentaten mit Todesfolge, zu denen sich der Islamische Staat bekannte (BMEIA 18.3.2020; vgl. SATP 2.4.2020). 2019 gab es mehrere Angriffe gegen Polizei und Sicherheitskräfte in Dhaka und in der Stadt Khulna. Am 29.2.2020 erfolgte ein Anschlag auf die Polizei in Chittagong, bei welchem auch improvisierten Sprengkörper (IEDs) eingesetzt worden sind. Die bangladeschischen Behörden sind weiterhin in höchster Alarmbereitschaft und vereiteln geplante Angriffe. Es wurde eine Reihe von Verhaftungen vorgenommen. Einige Operationen gegen mutmaßliche Militante haben ebenfalls zu Todesfällen geführt (UKFCO 29.3.2020b). Extremistische Gruppen führen Angriffe auf Angehörige vulnerabler Gruppen durch (USDOS 11.3.2020; AA 27.7.2019). In vielen Fällen ist nicht eindeutig differenzierbar, ob religiöse Motive oder säkulare Interessen, wie z.B. Racheakte oder Landraub, Grund für die Vorfälle sind. Sicherheitsbehörden reagieren manchmal nicht zeitnah bzw. überhaupt nicht auf religiös motivierte Vorfälle (AA 22.7.2019).

In der Division Chittagong, insbesondere im Gebiet der Chittagong Hill Tracts (Bezirke Rangamati, Khagrachari und Bandarban) kommt es zu bewaffneten Unruhen und kriminellen Übergriffen (AA 22.3.2020; vgl. UKFCO 29.3.2020a, AI 30.1.2020). Im südöstlichen Verwaltungsbezirk Cox’s Bazar der Gebietsverwaltung Chittagong hat es zuletzt unter anderem in der Nähe von Flüchtlingslagern vereinzelt gewalttätige Zwischenfälle gegeben. Es gibt Berichte über Sicherheitsprobleme, Protestkundgebungen sowie Gewalttätigkeiten und Unruhen sowohl in der örtlichen Bevölkerung als auch unter den Bewohnern der Lager, nachdem ein lokaler politischer Führer ermordet worden ist (HRW 18.9.2019; vgl. AA 5.11.2019, TDS 24.8.2019).

Im März 2019 wurden bei den Kommunalwahlen im Gebiet Baghicahhari im Norden des Distrikts Rangamati mehrere Wahl- und Sicherheitsbeamte getötet (UKFCO 29.3.2020a).

An der Grenze zu Indien kommt es gelegentlich zu Schusswechseln zwischen indischen und bangladeschischen Grenzwächtern. Regelmäßig werden Menschen getötet, die versuchen, illegal die Grenze zu überqueren (UKFCO 29.3.2020a).

Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2016 insgesamt 907 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt. Im Jahr 2017 wurden 812 Personen durch terroristische Gewalt getötet und im Jahr 2018 kamen 940 Menschen durch Terrorakte. 2019 belief sich die Opferzahl terrorismus- relevanter Gewalt landesweit auf insgesamt 621 Tote. Bis zum 5.3.2020 wurden 81 Todesopfer durch terroristische Gewaltanwendungen registriert [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 17.3.2020).

Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2017 insgesamt 263 Vorfälle terrorismus-relevanter Gewalt. Im Jahr 2018 wurden 135 solcher Vorfälle verzeichnet und 2019 wurden 104 Vorfälle registriert. Bis zum 2.4.2020 wurden 29 Vorfälle terroristischer Gewaltanwendungen registriert (SATP 2.4.2020).

In der Monsunzeit von Mitte Juni bis Mitte Oktober muss mit Überschwemmungen gerechnet werden, im südlichen Landesdrittel von Oktober bis November und Mitte April bis Mitte Mai grundsätzlich auch mit Wirbelstürmen (AA 22.3.2020). Regelmäßig wiederkehrende Überschwemmungen sowie die Erosion von Flussufern führen zu einer umfangreichen Binnenmigration (AA 22.7.2019; vgl. Kaipel 2018). Die Kriminalität ist hoch, insbesondere Raubüberfälle (BMEIA 18.3.2020).

3.       Rechtsschutz / Justizwesen

Das Gerichtssystem besteht aus zwei Instanzen, den untergeordneten Gerichten (Magistrates, Session- und District Judges) und dem Obersten Gerichtshof (Supreme Court). Beide verhandeln Zivil- und Strafrechtssachen. Das Rechtssystem beruht weitgehend auf dem englischen „Common Law“. Der Oberste Gerichtshof besteht aus zwei Abteilungen, dem „High Court“, der Verfassungsfragen verhandelt und als Berufungsinstanz zu den erstinstanzlichen Gerichten fungiert, sowie dem „Appellate Court“, dessen Entscheidungen für alle übrigen Gerichte bindend sind. Die Richter beider Abteilungen werden gemäß der Verfassung vom Präsidenten ernannt (ÖB 8.2019).

Die Unabhängigkeit der Richter wird von der Verfassung garantiert. In der Praxis unterstellt allerdings eine schon lange geltende temporäre Bestimmung der Verfassung die erstinstanzlichen Richter der Exekutive. Auch ihre Ernennung und Remuneration ist Sache der Exekutive. Demgegenüber haben die Richter des Obersten Gerichtshofs des öfteren ihre Unabhängigkeit demonstriert und gegen die Regierung entschieden (ÖB 8.2019). Gemäß einer Verfassungsänderung können Richter abgesetzt werden (AA 22.7.2019).

Auf Grundlage mehrerer Gesetze („Public Safety Act“, „Law and Order Disruption Crimes Speedy Trial Act”, “Women and Children Repression Prevention Act”, „Special Powers Act“) wurden Sondertribunale errichtet, die Fälle innerhalb eines festgesetzten Zeitrahmens erledigen müssen. Es fehlen allerdings Vorschriften für den Fall, dass sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen. Diese „Speedy Trial“ Tribunale haben Medienberichten zufolge in den vergangenen Jahren mehrere Hundert Personen zum Tode verurteilt (ÖB 8.2019).

Wie die meisten Beobachter von Bangladesch übereinstimmend angeben, stellen Korruption, Ineffizienz der Justiz, gezielte Gewalt gegen Richter und ein gewaltiger Rückstau an offenen Fällen große Probleme dar (ÖB 8.2019; vgl. FH 2020). Strafanzeigen gegen Mitglieder der regierenden Partei werden regelmäßig zurückgezogen (FH 2020). Die schiere Zahl der gegen die politische Opposition eingeleiteten Klagen im Vorfeld zur 11. Parlamentswahl vom 30.12.2018, deutet auf ein ungehindertes Spielfeld und die Kontrolle der Regierungspartei über die Justiz- und Sicherheitsinstitutionen hin (FIDH 29.12.2018).

Zwei Drittel aller Streitfälle erreichen nicht das formelle Justizsystem, sondern werden von informellen Dorfgerichten oder bedeutenden Persönlichkeiten der lokalen Gemeinschaften entschieden. Diese behandeln meist Fälle betreffend Familienrecht, Unterhalt, Zweitehen, Mitgiftstreitigkeiten und Landeigentum. Obwohl diese „Gerichte“ eine durch Tradition legitimierte, schnellere und günstigere Alternative zu ordentlichen Gerichten darstellen, sind sie hinsichtlich der Einflussnahmemöglichkeiten durch lokal bedeutsame Persönlichkeiten sowie der gesellschaftlichen Stellung von Frauen nicht unproblematisch. Die islamische Scharia ist zwar nicht formell als Gesetz eingeführt, spielt aber insbesondere in den Bereichen des Zivilrechts (Erbschaft, Grunderwerb, Heirat und Scheidung etc.) eine große Rolle (ÖB 8.2019).

4.       Sicherheitsbehörden

Die Polizei ist beim Ministerium für Inneres angesiedelt und hat das Mandat die innere Sicherheit sowie Recht und Ordnung aufrechtzuerhalten. Die Armee, die dem Büro des Ministerpräsidenten untersteht, ist für die äußere Sicherheit zuständig, kann aber auch für innerstaatliche Sicherheitsaufgaben herangezogen werden. Zivile Stellen hatten weiterhin effektive Kontrolle über die Streitkräfte und andere Sicherheitsbehörden. Die Regierung verfügt über Mechanismen, Missbrauch und Korruption zu untersuchen und zu bestrafen; sie werden aber nicht immer angewandt (USDOS 11.3.2020).

Das Wirken der Polizei ist gekennzeichnet durch einen Mangel an Ressourcen inklusive mangelhafter Infrastruktur, Mangel an Personal, Ausbildung und Arbeitsmaterialien, Ineffizienz und Korruption (AA 27.7.2019). Die Regierung unternahm Schritte, um in der Polizei Professionalität, Disziplin, Ausbildung und Reaktionsfähigkeit zu verbessern und die Korruption zu verringern. (USDOS 11.3.2020). Trotz dieser Bemühungen kommt es weiterhin zu Machtmissbrauch und unangebrachter Gewaltanwendung von Sicherheitskräften, insbesondere durch die Rapid Action Batallions (RAPs), die in weiterer Folge ungestraft bleiben (ÖB 8.2019).

Es gibt Hinweise auf willkürliche Festnahmen durch die Polizeikräfte, obwohl dies gesetzlich verboten ist, sowie auf willkürliche Nutzung der gesetzlich erlaubten präventiven Festnahmen. Die Festnahme ohne Angabe von Gründen ist für bis zu 30 Tagen zur Verhinderung von Taten, die die nationale Sicherheit, Verteidigung, Souveränität, öffentliche Ordnung oder auch wirtschaftliche Interessen des Landes gefährden, erlaubt. Die Arretierten haben kein Recht auf einen Verteidiger. Die hauptsächlich Betroffenen sind Aktivisten der politischen Parteien und NGO-Vertreter, die Kritik an der Regierung üben. Nach wie vor problematisch ist auch die in vielen Fällen unverhältnismäßig lange Untersuchungshaft. Als Gründe hierfür werden bürokratische Ineffizienz, limitierte Ressourcen und Korruption genannt. Gegenwärtig geht man von über 2 Millionen ausständigen Zivil- und Strafverfahren aus (ÖB 8.2019).

Die Sicherheitskräfte lassen Personen weiterhin routinemäßig „verschwinden“ (AI 30.1.2020; siehe auch Abschnitt 5). Betroffene sehen aus Angst vor Vergeltung in der Regel davon ab, Mitglieder der Sicherheitsbehörden wegen Menschenrechtsvergehen anzuzeigen, so dass diese straflos bleiben. Auch im Falle einer Beschwerde herrscht weitestgehend Straffreiheit. Wenn allerdings die Medien Polizeiversagen öffentlich anprangern, werden durch die politische Ebene die zuständigen Polizisten oft bestraft (AA 27.7.2019).

Die Sicherheitsbehörden bestehen zum Hauptteil aus der dem Innenministerium unterstellten „Bangladesch Police“, die ca. 116.000 Mann zählt. Zur Unterstützung der Polizei stehen weitere Einheiten zur Verfügung (ÖB 8.2019).

Rapid Action Batallions (RABs): Es gibt rund 12 RABs mit insgesamt ca. 8.500 Mann, die ebenfalls dem Innenministerium unterstellt sind. Ihre Aufgabe ist der Kampf gegen bewaffnete kriminelle Organisationen. Die RABs sind hauptsächlich in urbanen Zentren stationiert, rekrutieren sich hauptsächlich aus Polizei und Armee, sind gut ausgebildet und mit moderner Ausrüstung versehen (ÖB 8.2019). Ihnen werden schwere Menschenrechtsverstöße wie z.B. extralegale Tötungen zugeschrieben (AA 27.7.2019). Die RABs verfolgen eine aggressive Strategie gegen bewaffnete „Gang“-Mitglieder, was zu zahlreichen Toten durch Schießereien führt. Sie werden auch bei Demonstrationen eingesetzt, wobei exzessive Gewalt, Gummigeschosse aber auch scharfe Munition gegen Demonstranten zum Einsatz kam, welche wiederholt Todesopfer forderten. Es kam trotz zahlreicher Verhaftungen noch zu keiner Verurteilung wegen außergerichtlicher Tötungen, Folter oder willkürlicher Verhaftungen gegen Mitglieder der RABs (ÖB 8.2019). Die Regierung streitet weiterhin das Verschwindenlassen von Personen, Folter und andere Verstöße durch Sicherheitskräfte, sowie außergerichtliche Tötungen, etwa durch Angehörige des RAB ab. Die Sicherheitskräfte versuchen seit langem, unrechtmäßige Tötungen zu vertuschen, indem sie behaupteten, dass es bei einem Schusswechsel oder im Kreuzfeuer zu Todesfällen gekommen ist. Hunderte wurden angeblich in solchen „Kreuzfeuer“ getötet (HRW 14.1.2020).

Bangladesh Ansar: Gegründet im Jahr 1948 und ebenfalls dem Innenministerium unterstellt, gibt es aktuell ca. 23.000 leicht bewaffnete Ansars, die zur Unterstützung der Polizei im ländlichen Raum eingesetzt werden und auch Zivilschutz-Aufgaben übernehmen (ÖB 8.2019).

Bangladesh Rifles (BDRs): Diese ca. 40.000 Mann starke paramilitärische Truppe untersteht dem Home Ministry, wird aber hauptsächlich von Armee-Offizieren geführt und dient in erster Linie dem Grenzschutz. Die BDRs sind auch für die Verhinderung von Schmuggel und Menschenhandel zuständig (ÖB 8.2019).

Village Defence Parties (VDP): Gegründet 1976, sollte es in jedem Dorf des Landes je ein männliches und weibliches „Platoon“ à 32 Personen geben, die der Unterstützung der Polizei bei der Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung sowie der Unterstützung der zivilen Behörden bei sozialen und wirtschaftlichen Wiederaufbauprogrammen und bei Naturkatastrophen dienen sollen. In Städten gibt es analog dazu sog. Town Defence Parties (ÖB 8.2019).

Special Branch of Police (SB) ist beauftragt, die nationale Sicherheit zu gewährleisten, erfüllt die Funktion, nachrichtendienstliche Informationen zu sammeln und ist mit der Spionageabwehr betraut. Die SB ist überall in Bangladesch vertreten und besitzt die Fähigkeit, innerhalb und außerhalb des Landes zu agieren (AA 27.7.2019).

5.       Korruption

Korruption ist in Bangladesch weit verbreitet und hat alle Teile der Gesellschaft durchdrungen (AA 27.7.2019; vgl. LIFOS 25.2.2019, ODHIKAR 8.2.2020). Auf dem Korruptionsindex von Transparency International belegte Bangladesch im Jahr 2019 den 146. Platz unter 180 Staaten (TI 23.1.2020). Das bedeutet eine Verbesserung gegenüber 2018 (149. Platz unter 180 untersuchten Staaten) um drei Positionen (Vergleich zum Jahr 2017: 143/180) (TI 29.1.2019).

Vor allem im Bereich der erstinstanzlichen Gerichte, der Gerichtsbediensteten, der öffentlichen Ankläger, der Magistrate und der Anwälte wird Korruption als ein weit verbreitetes Problem angesehen. Wohlhabenden oder in den großen Parteien verankerten Personen stehen die Möglichkeiten des ineffizienten und korrupten Justizsystems offen. Das Ausmaß der Korruption stellt jedoch sicher, dass auch Opfer staatlicher Verfolgung davon profitieren können (ÖB 8.2019).

Das Strafgesetzbuch von 1860 verbietet es Beamten, Bestechungsgelder anzunehmen [Absatz 161, 165] oder Beihilfe zur Bestechung zu leisten [Absatz 165 A] (TI 1.2019). Als korrupteste Behörden werden die Migrationsbehörden, die Polizei sowie die Rechtspflege genannt. NGOs und Militär genießen den besten Ruf (AA 27.7.2019).

Als Korruptionsbekämpfungs- sowie Rechtsschutzinstrument besteht die Antikorruptionsbehörde (Anti Corruption Commission - ACC). Diese wird seitens der deutschen Botschaft Dhaka jedoch als „eher zahnloser Papiertiger“ sowie „reines Aushängeschild“ beurteilt (ÖB 8.2019). Die Antikorruptionsbehörde (ACC) darf der Korruption verdächtigte Beamte nur mit Erlaubnis der Regierung anklagen. Faktisch ist die „Anti Corruption Commission“ machtlos (AA 27.7.2019; vgl. ODHIKAR 2.8.2020). Die Regierung nutzt die ACC für politisch motivierte Strafverfolgung beispielsweise gegen die oppositionelle BNP (FH 2020).

Es gibt Ambitionen der jüngsten Regierungen, Korruption einzuschränken (LIFOS 25.2.2019) und die Regierung setzt Schritte zur Bekämpfung der weit verbreiteten Polizeikorruption (USDOS 11.3.2020).

Quellen:

6.       Ethnische Minderheiten

Die bengalische Bevölkerungsgruppe macht mindestens 98 % der Gesamtbevölkerung aus, 1,1 % sind andere ethnische Gruppen. Die Regierung von Bangladesch erkennt 27 ethnische Gruppen an (CIA 13.3.2020). Artikel 28 der Verfassung schützt Bürger vor jeglicher Art der Diskriminierung durch den Staat aufgrund von Religion, Rasse, Kaste, Geschlecht oder Geburtsort (MoLJP 2010 § 28). Eine rassisch-ethnisch diskriminierende Gesetzgebung existiert nicht. Es bestehen keine gezielten und systematischen staatlichen Repressionen aufgrund von Rasse oder Nationalität (AA 27.7.2019).

Religiöse und ethnische Minderheiten überschneiden sich häufig und leben weitgehend regional konzentriert in den Chittagong Hill Tracts und im Nordosten (ÖB 8.2019) (Siehe auch Abschnitte 15 und 16.1).

In Bangladesch halten sich bis zu einer Million Flüchtlinge aus Myanmar, Mitglieder der Volksgruppe der Rohingya, auf (HRW 14.1.2020, siehe auch Abschnitt 19.).

18.      Bewegungsfreiheit

Die Freiheit, sich im Land zu bewegen, ist relativ unbeschränkt (FH 2020; vgl. AA 27.7.2019). Rechtliche Hindernisse, sich in anderen Landesteilen, mit Ausnahme der Chittagong Hill Tracts, niederzulassen, bestehen nicht. Faktisch migriert jährlich eine große Zahl von Menschen vom Land in die Städte (AA 27.7.2019). Grundsätzlich respektiert die Regierung die Rechte der inländischen und ausländischen Bewegungsfreiheit, Emigration und Rückkehr von Bürgern, mit Ausnahme der zwei sensiblen Regionen Chittagong Hill Tracts und Cox’s Bazar. Die Regierung hat 2015 Restriktionen für ausländische Reisende in diese Gebiete, in denen viele nichtregistrierte Rohingyas außerhalb der zwei offiziellen Flüchtlingscamps in den Städten und Dörfern leben, angekündigt, allerdings war die Art der Umsetzung zum damaligen Zeitpunkt noch unklar (ÖB 8.2019).

Es liegen keine Einschränkungen hinsichtlich der Ein- oder Ausreise vor (ÖB 8.2019; vgl. FH 2020; AA 27.7.2019). Personen, die in der Vergangenheit bereits ihren Pass verloren haben, bekommen allerdings oft nur Reisepässe, die nur für wenige Monate gültig sind, ausgestellt. Generell kommt es zu teils enormen Verzögerung bei der Reisepassausstellung (ÖB 8.2019). Auch manche Oppositionspolitiker berichten von langen Verzögerungen bei der Erneuerung von Reisepässen, zusätzlich von Belästigungen und Verzögerungen an Flughäfen (USDOS 11.3.2020). Ein Ausreiseverbot besteht für Verdächtige an den Kriegsverbrechen während des Unabhängigkeitskrieges 1971 (ÖB 8.2019; vgl. USDOS 11.3.2020).

Frauen brauchen keine Erlaubnis ihrer Väter oder Ehemänner um zu reisen. Minderjährige über zwölf Jahre brauchen keinen gesetzlichen Vertreter um einen Pass zu beantragen. Sie dürfen auch alleine reisen, bedürfen dazu aber eines speziellen, von einem Elternteil unterschriebenen Formulars (ÖB 8.2019).

Ein staatliches Meldewesen oder Staatsangehörigkeitsregister besteht nicht (ÖB 8.2019; vgl. AA 27.7.2019). Neuankömmlinge fallen wegen fehlender familiärer Bindungen und aufgrund der engen Nachbarschaftsverhältnisse auf. Dies setzt der Anonymität auch in Städten gewisse Grenzen (AA 27.7.2019).

19.      Grundversorgung

Die Grundversorgung mit Nahrungsmitteln hat sich in den vergangenen Jahren wesentlich verbessert (AA 27.7.2019). Obwohl die Armutsquote in den letzten zwei Dekaden zurückging, leben weiterhin mindestens 11,3 % der Bevölkerung (circa 20 Millionen) unterhalb der extremen Armutsgrenze von 1,9 US-Dollar. Unter- sowie Fehlernährung bleiben weit verbreitete Phänomene. Das Bevölkerungswachstum liegt bei 1,042 %, die Geburtenziffer je Frau bei 2,2 % (AA 1.10.2019).

Bangladeschs Wirtschaft ist seit 2005 jährlich um rund 6 % gewachsen, trotz politischer Instabilität, schlechter Infrastruktur, Korruption, unzureichender Stromversorgung und langsamer Umsetzung der Wirtschaftsreformen (CIA 13.3.2020). Der landwirtschaftliche Sektor beschäftigt knapp die Hälfte der Gesamtbevölkerung. Die Landwirtschaft wird vom Reisanbau dominiert (GIZ 3.2020b; vgl. CIA 13.3.2020). Die Verarbeitung von Produkten der Landwirtschaft und die Textilindustrie sind die wichtigsten Zweige des industriellen Sektors (GIZ 3.2020b), auf den 2017 geschätzt 29,3 % des BIP gefallen sind. Der Export von Kleidungsstücken macht ca. 80 % der Exporte aus. Der Dienstleistungssektor erwirtschaftet 2017 mehr als die Hälfte des BIP (CIA 13.3.2020).

Über 10 % Anteil an der bangladeschischen gesamtwirtschaftlichen Leistung haben Geldüberweisungen von Arbeitsmigranten nach Bangladesch (GIZ 12.2018b), die im Finanzjahr 2016/17 ca. 13 Milliarden US-Dollar ausmachten (CIA 13.3.2020). Arbeitsmigration, vornehmlich in die Golfstaaten und Malaysia, ist stark ausgeprägt und wird von der Regierung gefördert. Etwa 10 Millionen bangladeschische Staatsangehörige arbeiten im Ausland. Die Migration wird durch das „Bureau of Manpower, Employment and Training“ (BMET) gesteuert. Daneben existieren weitere Organisationen, die sich der Bedürfnisse der Wanderarbeiter vor Ausreise und nach Rückkehr annehmen. (z.B. “BRAC”, “Welfare Association of Bangladeshi Returnee Employees“, “Bangladesh Migrant Centre“, “Bangladesh Women Migrants Association“). Dachverband ist das „Bangladesh Migration Development Forum“ (BMDF). Diese Organisationen werden aber auch bei zurückgeführten Personen aktiv (AA 27.7.2019).

Die offizielle Arbeitslosenrate liegt 2018 geschätzt bei 4-6 %, jedoch mit verdeckter weit verbreiteter massiver Unterbeschäftigung. Vor allem in der Landwirtschaft ist Subsistenzwirtschaft ausgeprägt. Formelle und organisierte Beschäftigung gibt es lediglich im staatlichen Bereich, sowie bei größeren Unternehmen. 85 % der Beschäftigten arbeiten im informellen Sektor. Einen staatlichen Mindestlohn gibt es nicht. Die Durchsetzung von arbeitsrechtlichen Standards erfolgt lediglich sporadisch (ÖB 8.2019). Brände und Gebäudeeinstürze mit zahlreichen Toten kommen immer wieder vor; insbesondere in der Textilindustrie, wo Bauordnungen lax sind und gefährliche Chemikalien nicht ordnungsgemäß gelagert werden (Al Jazeera 21.2.2019).

Die Bevölkerung Bangladeschs erfährt seit einigen Jahren einen erhöhten Verteilungs- und Chancenkonflikt, aufgrund des Bevölkerungswachstums bei gleichzeitig abnehmenden Landressourcen und fehlenden Alternativen zur Landarbeit, sowie erhöhtem Druck durch Extremwetterereignisse und anderen Konsequenzen des Klimawandels. Die Slums der Städte wachsen, wenn auch im Vergleich zu anderen Ländern mit ähnlichen Bedingungen etwas langsamer. Ebenso konkurriert die Bevölkerung mit einem höheren Bildungsabschluss um Universitätsplätze und besser bezahlte Arbeitsplätze. Die Lebenshaltungskosten in den Städten steigen und die Versorgung mit Wasser und Elektrizität in den ländlichen Gebieten und kleineren Städten ist oft lückenhaft bzw. ist ein Anschluss an öffentliche Versorgungsnetzwerke noch nicht vollzogen. Die Strukturen werden zusätzlich temporär belastet, wenn Saisonarbeiter für einige Zeit in die Städte ziehen und dort Arbeitsplätze und Unterkünfte suchen. Die nötige Infrastruktur wird in vielen Gebieten ausgebaut, allerdings kann das Tempo dieses Ausbaus noch nicht mit der Bevölkerungsdynamik mithalten. Aktuell sind ungefähr 60 % aller Haushalte an das staatliche Stromnetz angeschlossen (GIZ 3.2020b).

Mit dem etwas höheren Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahre kam es zu einer Beschleunigung der Inflation mit geschätzten 7 %, für 2018 sogar knapp 8 % kam es vor allem seit 2008 zu einer Beschleunigung der Inflation mit 5,6 % für 2018. Die Preissteigerungen bei Lebensmittel von bis zu 70 % treffen besonders den armen Teil der Bevölkerung. Die Regierungen versuchen, mit staatlichen Nahrungsmittel-, Düngemittel- und Treibstoffsubventionen gegenzusteuern, fördern damit aber hauptsächlich Ineffizienz. Allerdings verfügt Bangladesch über ein hervorragendes Netz an Mikrokreditinstitutionen, welche Millionen Bangladeschis effektiv bei ihrem Weg aus der Armut unterstützen (ÖB 8.2019).

Mikrokreditinstitute bieten Gruppen und Individuen ohne Zugang zum herkömmlichen Finanzsystem die Möglichkeit, einen Kredit aufzunehmen (GIZ 3.2020b). Das bekannteste davon ist die Grameen Bank, die 1976 in Bangladesch durch den späteren Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus gegründet wurde. Die Grameen Bank, deren Konzept von zahlreichen weiteren Institutionen aufgegriffen und auch in anderen Ländern umgesetzt wurde, gewährt Kredite ohne die banküblichen materiellen Sicherheiten und setzt stattdessen vor allem auf die soziale Komponente, um die Rückzahlung zu gewährleisten. Die Kreditnehmerinnen, die kaum unternehmerische Erfahrung und zumeist einen sehr niedrigen Bildungsstand haben, sollen auch langfristig beraten und unterstützt werden, um ein realistisches Konzept entwickeln und erfolgreich umsetzen zu können – so zumindest ist es vorgesehen. Bei seriösen Programmen sind auch Schulungen über Grundlagen der Unternehmensführung enthalten („finanzielle Alphabetisierung“) (IP 6.3.2018).

19.1.    Sozialbeihilfen

Bei regionaler Nahrungsmittelknappheit werden von der Regierung Bezugsscheine für staatliche Nothilferationen ausgegeben. Sonstige staatliche Hilfe für bedürftige Personen gibt es nicht (AA 27.7.2019). Aufgrund des Fehlens eines staatlichen Sozialversicherungssystems muss allgemein auf Hilfe innerhalb von Familienstrukturen zurückgegriffen werden. Dies gilt auch für die Absicherung alter und behinderter Menschen (ÖB 8.2019). Nicht staatliche Unterstützung durch religiös ausgerichtete Wohltätigkeitsvereine und andere NGOs findet statt (AA 27.7.2019; vgl. ÖB 8.2019), kann aber in Anbetracht der hohen Bevölkerungszahl nur einem kleinen Teil der Bedürftigen geleistet werden. Eine flächendeckende soziale Absicherung besteht nicht (AA 27.7.2019).

Eine Alterspension in der Höhe von 500 Taka [5,5 Euro] wird an Männer über 65 und Frauen über 62 Jahren mit Wohnsitz in Bangladesch ausgezahlt, wobei nur ein Familienmitglied eine Pension beziehen kann. Eine Behindertenpension beträgt monatlich 700 Taka, wobei die Bezugsberechtigung durch eine Kommission festgestellt wird. Im Falle einer Krankheit wird das Gehalt zu 100 % für insgesamt 14 Tage jährlich ausbezahlt. Mütter erhalten den Durchschnitt ihres Gehalts der letzten drei Monate vor der Ankündigung der Schwangerschaft für den Zeitraum von acht Wochen vor bis acht Wochen nach der Geburt, für insgesamt zwei Lebendgeburten, ausbezahlt; ab der dritten Geburt ist keine Unterstützung vorgesehen. Bei temporärer Behinderung nach einem Arbeitsunfall werden 100 % des Gehaltes für zwei Monate, danach 2/3 für die nächsten zwei Monate, danach die Hälfte des Gehaltes bis zu einem Zeitraum von zwei Jahren bezahlt. Bei permanenter Behinderung in Folge eines Arbeitsunfalles wird ein Fixbetrag von 125.000 Taka bezahlt. Es gibt keine staatliche Arbeitslosenunterstützung, Unternehmen müssen eine Kündigungsabfindung in der Höhe von 30 Tagesgehältern pro Jahr Firmenzugehörigkeit bezahlen (USSSA 3.2019).

20.      Medizinische Versorgung

Die Bereitstellung der Gesundheitsfürsorge liegt im Verantwortungsbereich der Regierung (DFAT 22.8.2019). Die medizinische Versorgung in Bangladesch ist mit Europa nicht zu vergleichen und ist vielfach technisch, apparativ und/oder hygienisch problematisch. Die Ausstattung der örtlichen Krankenhäuser ist ungenügend (AA 22.3.2020; vgl. DFAT 22.8.2019, AA 27.7.2019). Wegen des Mangels an Ärzten und Rettungsfahrzeugen kann bei Unfällen nicht mit schneller Hilfe gerechnet werden (AA 22.3.2020). Medizinische Einrichtungen in Bangladesch sind äußerst selten und von schlechter Qualität (ÖB 8.2019; vgl. DFAT 22.8.2019). Es herrscht ein eklatanter Mangel an ausgebildeten Doktoren, Krankenschwestern und Spitalsbetten. Schätzungsweise lediglich 12 % aller schweren Krankheitsfälle erreichen das staatliche Gesundheitssystem (ÖB 8.2019). In der Praxis stellen der Privatsektor und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) einen erheblichen Teil der Gesundheitsdienste zur Verfügung (DFAT 22.8.2019).

In Dhaka bestehen wenige moderne kommerzielle Großkliniken, die Behandlungen nach internationalem Ausstattungsstand und eine gesicherte medizinische Versorgung anbieten. Die Behandlung in diesen Krankenhäusern ist den zahlungsfähigen Patienten vorbehalten (AA 27.7.2019; vgl. ÖB 8.2019). Ferner bestehen private Arztpraxen, deren Inhaber häufig im Ausland ausgebildet wurden. Wohlhabende Bangladescher und westliche Ausländer ziehen bei Erkrankungen häufig das regionale Ausland vor (AA 27.7.2019). Lokale Kliniken gibt es auf Gemeinde- oder Dorfebene. Diese Einrichtungen unterstützen größere Distrikt- oder Zentralkrankenhäuser (DFAT 22.8.2019). Obwohl staatliche Gesundheitsleistungen kostenlos sein sollen, berichten die Patienten, dass sie im Allgemeinen für den Zugang zu den Diensten zahlen müssen. Die Beratungsgebühren sind oft exorbitant und für die Armen unerschwinglich. Ärzte neigen Berichten zufolge auch dazu, ihre Kunden "übermäßig zu behandeln" und unnötige Tests anzuordnen, um ihr Einkommen zu erhöhen (DFAT 22.8.2019. So ist der Großteil der armen Landbevölkerung auf Selbsthilfe oder private Hilfsinitiativen angewiesen (ÖB 8.2019).

Bangladesch produziert preisgünstige Medikamente (Generika) für den lokalen Markt sowie für den Export. Der heimische Markt wird weitgehend von den lokalen Produzenten bedient. Die Versorgung mit Medikamenten ist aber auch durch Importmöglichkeiten gewährleistet (AA 27.7.2019).

Ärztlichen Auskünften zufolge sind, im Gegensatz zu ambulanten Behandlungen, längerfristige psychologische und psychiatrische Behandlungen und Betreuungen in Bangladesch nur schwer zu gewährleisten. Nach Erfahrungen der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sind diese Behandlungen sehr teuer. In ländlichen Gebieten sind sie nicht möglich (AA 27.7.2019). Vor allem NGOs und Entwicklungshilfeinstitutionen sind um Verbesserungen der medizinischen Versorgung bemüht, z.B. durch Impfprogramme für Kinder gegen weit verbreitete Krankheiten wie Tuberkulose. Bangladesch hat nur eine niedrige Rate an HIV/Aids-Infizierten, gilt aber als potenziell stark gefährdetes Land (ÖB 8.2019).

Neben einer Reihe medizinischer Hilfsprojekte von NGOs gibt es eine rudimentäre, kostenlose medizinische Versorgung durch staatliche Gesundheitsstationen auf dem Land sowie Krankenhäuser. Eine beitragsabhängige medizinische Versorgung niedrigen Standards ist zudem gewährleistet (AA 27.7.2019). Staatliche Gesundheitseinrichtungen, soweit vorhanden, behandeln Patienten gratis oder gegen minimale Gebühren (ÖB 8.2019).

Ein staatliches Sozial- und Krankenversicherungssystem existiert, bis auf geringe Beihilfen zum Existenzminimum an Senioren, nicht (AA 27.7.2019). Das Arbeitsrecht 2006 sieht vor, dass Firmen mit mindestens 300 Arbeitnehmern vor Ort medizinische Einrichtungen bereitstehen sollten. Der Arbeitnehmer zahlt keine Prämie, die gesamten Kosten werden vom Arbeitgeber getragen (USSSA 3.2019).

21.      Rückkehr

Die Rückkehr bangladeschischer Staatsangehöriger unterliegt keinen rechtlichen Beschränkungen (AA 27.7.2019) und es ist bisher nicht bekannt geworden, dass sich Rückkehrer aufgrund der Stellung eines Asylantrages staatlichen Maßnahmen ausgesetzt sahen (AA 27.7.2019). Sofern es sich um Opfer von Schlepperei handelt, können sie allerdings auch nicht mit staatlicher Unterstützung rechnen. Problematisch ist, dass „erfolglose Rückkehrer“ von ihren Familien und lokalen Gemeinschaften als Schandfleck betrachtet werden. Soweit Kritiker der Regierung oder rivalisierender politischer Parteien in Bangladesch selbst gefährdet waren, gilt dies auch für ihre eventuelle Rückkehr (ÖB 8.2019).

Staatliche Repressionen nach Rückkehr wegen oppositioneller Tätigkeiten im Ausland (z.B. Demonstrationen und Presseartikel) sind nicht bekannt. Der „International Organization for Migration“ (IOM) ist kein Fall bekannt, in dem eine rückgeführte Person misshandelt wurde. In einigen seltenen Fällen wurden die Rückkehrer zu einem sogenannten „General Diary“ gebeten. Nach IOM Angaben handelt es sich dabei um ein ca. halbstündiges Gespräch mit der Immigrationsbehörde, die die Daten des Rückkehrers aufnimmt und ihn zum Auslandsaufenthalt befragt. IOM sind bislang keine Fälle bekannt geworden, in denen dem Rückkehrer ein Nachteil entstanden ist. Besondere Vorkommnisse sind anlässlich der Durchführung der Einreisekontrollen nicht bekannt geworden (AA 27.7.2019).

IOM betreut nur Personen, die freiwillig zurückkehren und ist am Flughafen Dhaka mit einem Büro und Mitarbeitern präsent und kann im Rahmen von Betreuungs- und Integrationsvereinbarungen die Betreuung vor Ort übernehmen. Diese Hilfe umfasst die Betreuung und Begleitung anlässlich der Ankunft, soweit erforderlich die Vermittlung von Kontakten zur Familie des Rückkehrers und die Vermittlung von Kontakten zu anderen Organisationen, die weiterführende Hilfe leisten können. Ferner leistet IOM praktische Reintegrationsbetreuung und -begleitung. IOM bestätigt, dass in Bangladesch familiäre und verwandtschaftliche Unterstützung letztendlich für die Rückkehrer maßgeblich sind und dem Rückkehrer als Auffangnetz in einer kritischen Lebensphase dienen. Rückkehrer sind, auch ohne die oben genannten Institutionen, aufgrund der großen Familien, enger, weit verzweigter Verwandtschaftsverhältnisse und noch intakter nachbarschaftlicher bzw. dörflicher Strukturen in der Regel nicht auf sich allein gestellt (AA 27.7.2019).

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch:

-        Einsicht in den Verwaltungsakt des Erstverfahrens GZ 08 07.092-BAE;

-        Einsicht in den verfahrensgegenständlichen Verwaltungsakt, insbesondere in die Protokolle der Erstbefragung vom XXXX 2015 (AS 1 ff) und der niederschriftlichen Einvernahmen vom 20.06.2016 (AS 47 ff) und vom 05.03.2018 (AS 143 ff) sowie in die Beschwerde vom 10.04.2018 (AS 307 ff);

-        Einsicht in das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Bangladesch idF vom 06.04.2020;

-        Einsicht in das Zentrale Melderegister, das Strafregister und in das Betreuungsinformationssystem.

Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergibt sich aufgrund der Aktenlage. Mangels geeigneter Dokumente konnte diese nicht festgestellt werden.

Die Feststellungen zur Beantragung von internationalem Schutz sowie zum Ablauf des Asylverfahrens beruhen auf der unzweifelhaften Aktenlage.

Die Feststellungen zu seiner Staatsangehörigkeit, zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seinem derzeitigen Familienstand, zur familiären Situation im Herkunftsstaat und seiner beruflichen Tätigkeiten im Herkunftsland gründen sich auf seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.

Die Feststellungen zur Schulbildung des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen diesbezüglich schlüssigen Angaben.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand gründen auf den diesbezüglich glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bzw. auf der Tatsache, dass gegenteiliges nicht behauptet wurde.

Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Die Feststellungen zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich (insbesondere zur Aufenthaltsdauer und -titel, seinen Deutschkenntnissen, seinen fehlenden familiären oder engen sozialen Anknüpfungspunkten in Österreich und seiner Integration in Österreich) stützen sich auf die Aktenlage (vgl. insbesondere den Auszug aus dem Grundversorgungs-Informationssystem, dem Strafregister und dem Zentralen Melderegister). Aus den im Verwaltungsakt einliegenden Kopien (insbesondere ÖSD Zertifikat A2 vom XXXX , Bestätigungen der XXXX vom XXXX , des XXXX vom XXXX , des XXXX vom XXXX , dem Auszug aus dem XXXX vom XXXX und des Arbeitsvertrages vom XXXX ) ergeben sich die Feststellungen zu beruflichen und privaten Tätigkeiten in Österreich.

Hinweise auf außergewöhnliche und nachhaltige Integrationsschritte (soziale/berufliche Integration) des Beschwerdeführers in Österreich sind weder dem Verwaltungs- noch dem Gerichtsakt zu entnehmen.

Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 liegt es am Beschwerdeführer, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht. Zum Zweck der Glaubhaftmachung ist der Beschwerdeführer verpflichtet, initiativ alles darzulegen, was für das Zutreffen der behaupteten Voraussetzungen spricht und hat er diesbezüglich konkrete Umstände anzuführen, die objektive Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Voraussetzungen liefern. Allgemein gehaltene Behauptungen reichen für eine Glaubhaftmachung nicht aus. Das Vorbringen des Beschwerdeführers ist auf seine Glaubhaftigkeit hin zu überprüfen. Im Zuge dieser Überprüfung ist auch auf das Kriterium der persönlichen Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers abzustellen. Diese persönliche Glaubwürdigkeit kann dadurch eingeschränkt werden, wenn der Beschwerdeführer sein Vorbringen auf ge- oder verfälschte Beweismittel stützt, wichtige Tatsachen verheimlicht bzw. diese bewusst falsch darstellt, sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens auswechselt oder unbegründet und verspätet erstattet, keine Interesse am Verfahrensablauf zeigt und die nötige Mitwirkung verweigert. Hinzu kommt, dass das Vorbringen genügend substantiiert sein muss. Ungenügende Substantiierung ist dann gegeben, wenn der Beschwerdeführer den Sachverhalt sehr vage schildert, seine Angaben auf Gemeinplätze beschränkt, nicht in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über seine behaupteten Erlebnisse zu machen. Das Vorbringen hat zudem plausibel zu sein. D.h. es muss mit den Tatsachen oder der allgemeinen Erfahrung übereinstimmen. Schließlich muss ein Vorbringen auch in sich schlüssig sein, was nicht gegeben ist, wenn sich der Beschwerdeführer in wesentlichen Aussagen widerspricht.

Der Regelung des § 19 Abs. 1 AsylG zufolge hat sich die Erstbefragung zwar nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen. Wenn der Beschwerdeführer aber im Rahmen der Erstbefragung Angaben zu seinen Fluchtgründen macht, ist es weder dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl noch dem Bundesverwaltungsgericht verwehrt, diese Angaben im Rahmen des Verfahrens zu verwerten.

Soweit der Beschwerdeführer behauptet, dass er aufgrund seiner politischen Einstellung und der daraus resultierenden Bedrohung sein Heimatland verlassen hätte, kommt seinem Vorbringen aus folgenden Gründen keine Glaubwürdigkeit zu:

Der Beschwerdeführer behauptete bei seiner Erstbefragung zum Folgeantrag, dass gegen ihn von der Awami Leage eine unrichtige Anzeige wegen Brandstiftung und Tötung eines Mannes erfolgt sei. Die Tat sei während seines Aufenthalts in Österreich geschehen, weshalb er unschuldig sei. Von der Anzeige hätte er telefonisch durch seinen Bruder erfahren.

In seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 20.06.2016 gab er gegensätzlich dazu an, dass die Anzeige von der Polizei seiner Mutter gegeben worden sei und diese über einen Jungen aus dem per E-Mail übermittelt worden sei.

Bei der niederschriftlichen Einvernahme

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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