Entscheidungsdatum
03.11.2020Norm
AlVG §44Spruch
G312 2227350-2/4E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Manuela WILD als Vorsitzende sowie die fachkundigen Laienrichterinnen Mag. Martina SCHÖNGRUNDNER und Mag. Lena TAUSS als Beisitzerinnen über den Antrag von XXXX auf Gewährung von Verfahrenshilfe vom 19.10.2020 für das Beschwerdeverfahren gegen den Bescheid der regionalen Geschäftsstelle XXXX des Arbeitsmarktservice vom XXXX , XXXX beschlossen:
A)
Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird gemäß § 8a Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang
1. Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle XXXX des Arbeitsmarktservice (im Folgenden: belangte Behörde) vom XXXX wurde festgestellt, dass XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführerin oder kurz BF) der Bezug auf Notstandshilfe ab dem XXXX gemäß § 38 iVm § 17 Abs. 1, § 44 und § 46 AlVG 1977 gebührt.
Begründet führte die belangte Behörde aus, dass sich die BF nach Ende ihres Krankenstandes am XXXX erst wieder am XXXX bei ihrer regionalen Geschäftsstelle gemeldet habe.
2. Gegen den oben genannten Bescheid der belangten Behörde richtete sich die undatierte und am 09.12.2019 bei der belangten Behörde fristgerecht eingelangte Beschwerde. Die BF führte aus, dass laut Bescheid eine Unterbrechung vom XXXX . bis XXXX der Notstandshilfe vorliege, da sie die Arbeitsunfähigkeit nicht gemeldet habe. Dies entspreche jedoch nicht den Tatsachen. Sie habe ihre Gesundmeldung am XXXX bei der genannten Geschäftsstelle um 12.23 Uhr abgegeben, der Mitarbeiter habe diese jedoch nicht entgegen nehmen wollen, da er den PC schon ausgeschaltet habe. Trotz mehrmaliger Bitte ihrerseits wurde die Bestätigung nicht entgegengenommen und sie genötigt, diese in den Postkasten einzuwerfen. Aus diesem Grund sei die Bestätigung zu spät eingelangt.
3. Die belangte Behörde wies die oben angeführte Beschwerde im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung, datiert mit XXXX , gemäß § 14 VwGVG iVm § 56 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG), BGBl. Nr. 609/1977 idgF, ab.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass sich die BF am Infopoint der regionalen Geschäftsstelle am XXXX krankgemeldet habe, der Notstandshilfebezug somit mit XXXX eingestellt worden sei. Am XXXX sei die Arbeitsunfähigkeitsmeldung bei der belangten Behörde eingegangen. Am 05.11.2019 ging eine Mitteilung des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger über das Ende des Krankengeldbezuges mit XXXX ein. Am XXXX sprach die BF persönlich in der regionalen Geschäftsstelle vor und teilte mit, dass sie bereits am XXXX persönlich am Infopoint gewesen sei, jedoch alle PC ausgeschaltet gewesen seien und sie die Krankenstandsmeldung in den Postkasten geworfen habe. Da sich die BF jedoch nicht in geeigneter Art und Weise (schriftlich oder persönlich) gesund gemeldet habe, gebühre ihr die Notstandshilfe wieder ab 20.11.2019
4. Mit Email vom 07.01.2020 beantragte die BF die Vorlage an das Bundesverwaltungsgericht.
5. Der Vorlageantrag wurde samt Beschwerde und maßgeblichen Verwaltungsakt von der belangten Behörde am 10.01.2020 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.
6. Am 05.10.2020 wurde eine öffentliche, mündliche Verhandlung für den 25.11.2020 anberaumt und die entsprechenden Ladungen zugestellt.
7. Mit Eingabe vom 20.10.2020 beantragte die BF die Gewährung der Verfahrenshilfe im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gegen den angeführten Bescheid (RGS630/SfA/0566/2019-He/S) zur Vertretung bei der Verhandlung und der Beigabe eines Dolmetschers für die serbische Sprache. Zugleich beantragt die BF die einstweilige Befreiung von den Gerichtsgebühren, den Kosten von Amtshandlungen außerhalb des Gerichtes, den Gebühren der Zeugen, Sachverständigen, Dolmetscher, Übersetzer und Beisitzer, den notwendigen Barauslagen, die von dem Gericht bestellten gesetzlichen oder von dem der Partei beigegebenen Rechtsanwalt oder Vertreter gemacht worden sind sowie den Kosten für die Vertretung durch einen Rechtsanwalt. Dem angeschlossen wurde von der BF ein Vermögensbekenntnis.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Rechtliche Beurteilung:
1.1. Zu Spruchteil A):
Gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG ist, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, einer Partei Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Juristischen Personen ist Verfahrenshilfe sinngemäß mit der Maßgabe zu bewilligen, dass an die Stelle des Bestreitens der Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts das Aufbringen der zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel durch die Partei oder die an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten tritt.
Soweit in diesem Paragraphen nicht anderes bestimmt ist, sind die Voraussetzungen und die Wirkungen der Bewilligung der Verfahrenshilfe gemäß Abs. 2 leg. cit. nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung – ZPO, RGBl. Nr. 113/1895, zu beurteilen. Die Bewilligung der Verfahrenshilfe schließt das Recht ein, dass der Partei ohne weiteres Begehren zur Abfassung und Einbringung der Beschwerde, des Vorlageantrags, des Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder zur Vertretung bei der Verhandlung ein Rechtsanwalt beigegeben wird.
Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist gemäß Abs. 3 leg. cit. schriftlich zu stellen. Er ist bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht einzubringen. Für Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130
Abs. 1 Z 2 B-VG ist der Antrag unmittelbar beim Verwaltungsgericht einzubringen.
Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe kann gemäß Abs. 4 leg. cit. ab Erlassung des Bescheides bzw. ab dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene Kenntnis von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erlangt hat, gestellt werden. Wird die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer Säumnisbeschwerde beantragt, kann dieser Antrag erst nach Ablauf der Entscheidungsfrist gestellt werden. Sobald eine Partei Säumnisbeschwerde erhoben hat, kann der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe auch von den anderen Parteien gestellt werden.
In dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist gemäß Abs. 5 leg. cit. die Rechtssache bestimmt zu bezeichnen, für die die Bewilligung der Verfahrenshilfe begehrt wird.
Die Behörde hat gemäß Abs. 6 leg. cit. dem Verwaltungsgericht den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe und die Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Hat das Verwaltungsgericht die Bewilligung der Verfahrenshilfe beschlossen, so hat es den Ausschuss der zuständigen Rechtsanwaltskammer zu benachrichtigen, damit der Ausschuss einen Rechtsanwalt zum Vertreter bestelle. Dabei hat der Ausschuss Wünschen der Partei zur Auswahl der Person des Vertreters im Einvernehmen mit dem namhaft gemachten Rechtsanwalt nach Möglichkeit zu entsprechen.
Hat die Partei innerhalb der Beschwerdefrist die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt, so beginnt gemäß Abs. 7 leg. cit. für sie die Beschwerdefrist mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Beschluss über die Bestellung des Rechtsanwalts zum Vertreter und der anzufechtende Bescheid diesem zugestellt sind. Wird der rechtzeitig gestellte Antrag abgewiesen, so beginnt die Beschwerdefrist mit der Zustellung des abweisenden Beschlusses an die Partei zu laufen. Entsprechendes gilt für die Fristen, die sich auf die sonstigen in
Abs. 2 genannten Anträge beziehen.
Die Bestellung des Rechtsanwalts zum Vertreter erlischt gemäß Abs. leg. cit. mit dem Einschreiten eines Bevollmächtigten.
In Verfahrenshilfesachen ist gemäß Abs. 9 leg. cit. die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht zulässig.
Der Aufwand ist gemäß Abs. 10 leg. cit. von jenem Rechtsträger zu tragen, in dessen Namen das Verwaltungsgericht in der Angelegenheit handelt.
1.2. Artikel 6 EMRK – Recht auf ein faires Verfahren – lautet:
(1) Jedermann hat Anspruch darauf, daß seine Sache in billiger Weise öffentlich und innerhalb einer angemessenen Frist gehört wird, und zwar von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht, das über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen oder über die Stichhaltigkeit der gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Anklage zu entscheiden hat. Das Urteil muß öffentlich verkündet werden, jedoch kann die Presse und die Öffentlichkeit während der gesamten Verhandlung oder eines Teiles derselben im Interesse der Sittlichkeit, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einem demokratischen Staat ausgeschlossen werden, oder wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozeßparteien es verlangen, oder, und zwar unter besonderen Umständen, wenn die öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde, in diesem Fall jedoch nur in dem nach Auffassung des Gerichts erforderlichen Umfang.
(2) Bis zum gesetzlichen Nachweis seiner Schuld wird vermutet, daß der wegen einer strafbaren Handlung Angeklagte unschuldig ist.
(3) Jeder Angeklagte hat mindestens (englischer Text) insbesondere (französischer Text) die folgenden Rechte:
a) in möglichst kurzer Frist in einer für ihn verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über die Art und den Grund der gegen ihn erhobenen Beschuldigung in Kenntnis gesetzt zu werden;
b) über ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung seiner Verteidigung zu verfügen;
c) sich selbst zu verteidigen oder den Beistand eines Verteidigers seiner Wahl zu erhalten und, falls er nicht über die Mittel zur Bezahlung eines Verteidigers verfügt, unentgeltlich den Beistand eines Pflichtverteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
d) Fragen an die Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung der Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen wie die der Belastungszeugen zu erwirken;
e) die unentgeltliche Beiziehung eines Dolmetschers zu verlangen, wenn der Angeklagte die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder sich nicht darin ausdrücken kann.
Artikel 47 und 51 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Abl 2012/C 326/02, lauten auszugsweise wie folgt:
Artikel 47
Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht
Jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, hat das Recht, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen.
Jede Person hat ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Jede Person kann sich beraten, verteidigen und vertreten lassen.
Personen, die nicht über ausreichende Mittel verfügen, wird Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit diese Hilfe erforderlich ist, um den Zugang zu den Gerichten wirksam zu gewährleisten.
Artikel 51 Absatz 1
Anwendungsbereich
Diese Charta gilt für die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips und für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union. Dementsprechend achten sie die Rechte, halten sie sich an die Grundsätze und fördern sie deren Anwendung entsprechend ihren jeweiligen Zuständigkeiten und unter Achtung der Grenzen der Zuständigkeiten, die der Union in den Verträgen übertragen werden.
1.3. Im gegenständlichen Fall bedeutet dies:
Die Antragstellerin bezieht seit XXXX mit kurzen Unterbrechungen Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, zuletzt in der Höhe von täglich Euro XXXX , das sind im Monat (mit 30 Tagen) XXXX . Sie wohnt mit ihrem Ehemann in einer Eigentumswohnung, dafür sind Euro XXXX im Monat an Kosten zu leisten. Laut Vermögensbekenntnis weist ihr Bankkonto ein Guthaben von XXXX € auf. Sie verfügt über keine zusätzlichen Zahlungsverpflichtungen.
Durch die Bestimmung des § 8a VwGV soll dem Erkenntnis des VfGH vom 25.06.2015 zur
Zl. G 7/2015, wonach die Bewilligung der Verfahrenshilfe auch abseits der Verwaltungsstrafverfahren in Administrativverfahren gewährleistet sein muss, Rechnung getragen werden. Die Bewilligung der Verfahrenshilfe kommt nach dieser Bestimmung zunächst nur insoweit in Betracht, als durch Bundes- oder Landesgesetz hinsichtlich der Regelung von Verfahrenshilfe nicht anderes bestimmt ist; die Bestimmung gelangt daher nur subsidiär zur Anwendung. Dabei ist wesentlich, dass in den betreffenden Materiengesetzen der Verfahrenshilfe entsprechende Regelungen, die eine unentgeltliche Unterstützung der Partei im Verfahren gewährleisten, vorhanden sind (siehe dazu Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, 2. Aufl., Wien 2017, K2 zu § 8a VwGVG).
Durch den Verweis auf Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC ist sichergestellt, dass die Verfahrenshilfe im verwaltungsgerichtlichen Verfahren den Anforderungen des Europäischen Menschenrechtsschutzes entspricht (siehe auch VwGH v. 03.09.2015, Zl. Ro 2015/21/0032).
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ist es nicht erforderlich, dass Verfahrenshilfe in allen erdenklichen Verfahren zu gewähren ist. Vielmehr bedarf es einer Prüfung im Einzelfall. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Prüfungsbeschluss, der zur Aufhebung des § 40 VwGVG führte, die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte dahingehend zusammengefasst, dass der "Zugang zu einem Gericht nicht bloß theoretisch und illusorisch, sondern effektiv gewährleistet sein müsse"; in jenen Fällen, in denen es "unentbehrlich sei, dass der Partei eines Verfahrens ein unentgeltlicher Verfahrenshelfer beigestellt werde," müsse ein solcher beigestellt werden. Für diese Beurteilung sind verschiedene Kriterien maßgeblich. Das sind zum einen Kriterien, die sich auf die Person der Parteien beziehen, nämlich ihre Vermögensverhältnisse oder ihre Fähigkeiten im Verkehr mit Behörden; zum anderen auch Kriterien, die in Zusammenhang mit der Rechtssache stehen, nämlich die Erfolgsaussichten, die Komplexität des Falles oder die Bedeutung der Angelegenheit für die Parteien (siehe 1255 der Beilagen XXV. GP - Regierungsvorlage - Erläuterungen zu § 8a VwGVG).
Zur Beurteilung, ob auf Grund des Art. 6 EMRK bzw. des Art. 47 GRC die Beigebung eines Rechtsanwaltes "geboten ist", kommt es im Sinn der Judikatur des EGMR und des EuGH darauf an, ob dies für den "effektiven Zugang" der Partei zum Gericht unentbehrlich ist. Dies ist in Übereinstimmung mit dieser Rechtsprechung jedenfalls dann zu verneinen, wenn die Voraussetzungen der Verfahrenshilfe nicht erfüllt sind, weil die Partei insbesondere die Kosten eines Rechtsanwaltes ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts bestreiten könnte oder die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung offenbar mutwillig oder aussichtslos ist. Sind diese Voraussetzungen aber erfüllt, ist maßgeblich, ob im Verfahren - insbesondere in Hinblick auf die Komplexität des Falles - Schwierigkeiten zu erwarten sind, die es der Partei verunmöglichen, ihre Interessen ohne Unterstützung eines Rechtsanwaltes wahrzunehmen. Dabei sind die persönlichen Umstände der Partei, wie ihr allgemeines Verständnis und ihre Fähigkeiten bzw. ihre Rechtskenntnisse zu berücksichtigen. Ergänzend ist in die Erwägungen auch die Bedeutung des Rechtsstreits für die Partei miteinzubeziehen. Dies entspricht im Sinn der Ausführungen in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (Hinweis 1255 BlgNR 25. GP 1 ff) grundsätzlich auch den Kriterien, die nach der Judikatur der Zivilgerichte für die Beurteilung, ob in Prozessen ohne Anwaltszwang im Sinn des § 64 Abs. 1 Z 3 ZPO die Beigebung eines Verfahrenshelfers nach Lage des Falles erforderlich ist, maßgeblich sind (vgl. die schon in den ErlRV genannte Literaturstelle M. Bydlinski in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze3, II/1 § 64 ZPO Rz 16; VwGH vom 11.09.2019, Zl. Ro 2018/08/0008).
1.3.1. Den gegenständlichen Fall betreffend ist auszuführen, dass in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten keine Anwaltspflicht besteht und ist der entscheidungsrelevante Sachverhalt grundsätzlich von Amts wegen zu ermitteln.
Eine Komplexität des Falles in der Weise, dass die AST in einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anwaltlich vertreten sein müsste, ist nicht gegeben, da es vorliegend nicht um die Lösung einer schwierigen Rechtsfrage, sondern vielmehr um die Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts, insbesondere um das Vorliegen einer angeblichen rechtzeitigen Wiedermeldung bei der belangten Behörde geht. Es ist auch vor dem Hintergrund der bereits erhobenen Beschwerde nicht zu erkennen, dass die Antragstellerin die wahren Verhältnisse vor der belangten Behörde bzw. dem erkennenden Gericht nicht ohne anwaltlichen Beistand darzulegen vermag.
Im konkreten Fall erfüllt die Antragstellerin die in § 8a Abs. 1 leg. cit. als Voraussetzung festgehaltenen persönliche Kriterium der geringen Vermögensverhältnisse nicht. Wie aus dem Vermögensbekenntnis hervorgeht, bewohnt sie mit ihrem Ehemann eine Eigentumswohnung und besteht auf dem ihrem Konto ein Guthaben von knapp 1.000 Euro. Zudem handelt es sich bei Verfahren nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz im Allgemeinen nicht um Verfahren komplexer Natur. Auch ergibt sich im vorliegenden Fall keine besondere Sachlage, wonach die Antragstellerin rechtsfreundlicher Hilfe bedarf. Über die Erfolgsaussichten der Beschwerde können derzeit naturgemäß keine Aussagen getätigt werden.
Aus ihrem Antrag vom 20.10.2020 geht nicht hervor, weshalb es ihr nicht möglich sein soll, an einem Beschwerdeverfahren ohne Verfahrenshelfer mitzuwirken.
Desweiteren wird von Seiten des Gerichtes ein Dolmetscher zur mündlichen Verhandlung hinzugezogen, wodurch auch diesbezüglich keine Aufwendungen bzw. Kosten der AS entstehen.
Es geht verfahrensgegenständlich nicht um eine komplexe Rechtsfrage, sondern lediglich um Klärung des Sachverhaltes.
Ob und inwieweit die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung aussichtsreich sein werden, ist auf Grund einer Prognose zu treffen, ob die ins Auge gefasste Beschwerde gegen die verwaltungsbehördliche Entscheidung aus rechtlichen Gründen voraussichtlich zum Erfolg führen wird. Eine nicht ganz entfernte Möglichkeit des Erfolgs genügt, um die Rechtsverfolgung nicht als offenbar aussichtslos erscheinen zu lassen. Als offenbar aussichtslos ist eine Beschwerde jedoch dann anzusehen, wenn sie aus rechtlichen Gründen nicht zum Erfolg führen kann (siehe dazu zur Aussichtslosigkeit einer Prozessführung in Eder/Martschin/Schmid, a. a.O., E 18 zu §8a VwGVG und die dort referierte höchstgerichtliche Rechtsprechung).
Dem gegenständlichen Verfahren liegt ein Bescheid betreffend Gewährung der Notstandshilfe wieder ab XXXX zu Grunde, da sich die BF laut Vorbringen der belangten Behörde nach Ende ihres Krankenstandes ( XXXX ) nicht rechtzeitig gemeldet habe.
Die BF führte hingegen aus, dass dies jedoch nicht den Tatsachen entspreche. Sie habe ihre Gesundmeldung am XXXX bei der genannten Geschäftsstelle um 12.23 Uhr abgegeben, der Mitarbeiter habe diese jedoch nicht entgegen nehmen wollen, da er den PC schon ausgeschaltet habe. Trotz mehrmaliger Bitte ihrerseits wurde die Bestätigung nicht entgegengenommen und sie genötigt, diese in den Postkasten einzuwerfen. Aus diesem Grund sei die Bestätigung zu spät eingelangt.
In der erlassenen Beschwerdevorentscheidung, datiert mit XXXX , begründend die belangte Behörde ihre negative Entscheidung vor allem damit, dass sich die BF am Infopoint der regionalen Geschäftsstelle am XXXX krankgemeldet habe, der Notstandshilfebezug somit mit XXXX eingestellt worden sei. Am XXXX sei die Arbeitsunfähigkeitsmeldung bei der belangten Behörde eingegangen. Am 05.11.2019 ging eine Mitteilung des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger über das Ende des Krankengeldbezuges mit XXXX ein. Am XXXX sprach die BF persönlich in der regionalen Geschäftsstelle vor und teilte mit, dass sie bereits am 21.10.2019 persönlich am Infopoint gewesen sei, jedoch alle PC ausgeschaltet gewesen seien und sie die Krankenstandsmeldung in den Postkasten geworfen habe. Da sich die BF jedoch nicht in geeigneter Art und Weise (schriftlich oder persönlich) gesund gemeldet habe, gebühre ihr die Notstandshilfe wieder ab XXXX
Da im Anlassfall die Rückmeldung der AS nach Beendigung ihres Krankenstandes für die Weitergewährung der Leistung iSd § 46 Abs. 5 AlVG (Wiedermeldung nach Unterbrechung bzw. Ruhen des Leistungsanspruches) maßgeblich ist, handelt es sich im Fall der Antragstellerin nicht um einen äußerst komplexen Sachverhalt.
Auch ist aufgrund der bisherigen Schriftsätzen jedenfalls davon auszugehen, dass sie ausreichende Fähigkeiten im Verkehr mit Behörden aufweist, zumal sie selbst ihre Beschwerde verfasst und eingebracht hat.
Besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten, die eine rechtsanwaltliche Vertretung erforderlich machen, sind somit nicht zu erwarten. Eine erforderliche Manuduktion in einer etwaigen Verhandlung, z.B. wann die Aussage verweigert werden darf, erfolgt durch das erkennende Gericht, weshalb die Antragstellerin durch die Nichtbeigebung eines Rechtsanwaltes auch dahingehend keinerlei Nachteile erfährt.
Vor dem Hintergrund der Manuduktionspflicht, der auch für nicht rechtkundige Bürger grundsätzlich zu bewältigenden Einhaltung der Formvorschriften und des Amtswegigkeitsprinzips, sowie der durch § 8a Abs. 1 VwGVG angeordneten ausdrücklichen Beschränkung der Gewährung der Verfahrenshilfe auf Fälle, in denen dies nach Art. 6 Abs. 1 EMRK oder Art. 47 GRC geboten ist, kommt der Beigebung eines Rechtsanwaltes als Verfahrenshelfer im Verfahren der Verwaltungsgerichte Ausnahmecharakter zu. Sie kann jedoch im Einzelfall erforderlich sein (vgl. zu einer solchen Fallkonstellation VwGH 3.9.2015, Ro 2015/21/0032). Dies könnte insbesondere dann der Fall sein, wenn schon die Formulierung einer Beschwerde bzw. eines Vorlageantrags, eines Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bzw. die Erstattung weiteren Vorbringens im Verfahren - etwa aufgrund einer nach Lage des Falles bestehenden Pflicht der Parteien, an der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken (vgl. zur Mitwirkungspflicht etwa VwGH 19.6.2018, Ra 2018/03/0021, mwN) - besondere Schwierigkeiten aufwerfen, die die Fähigkeiten der Partei nach ihren persönlichen Umständen überschreiten. Aus § 8a Abs. 2 zweiter Satz VwGVG ergibt sich insoweit eine weitere Einschränkung, als diese Bestimmung im Sinn der Erläuterungen der Regierungsvorlage (Hinweis 1255 BlgNR 25. GP 1ff) so zu verstehen ist, dass die Bewilligung der Beigebung eines Rechtsanwaltes als Verfahrenshelfer nicht zwingend für das gesamte Verfahren des Verwaltungsgerichtes erfolgen muss, sondern auch nur auf einzelne Abschnitte des Verfahrens bzw. einzelne Verfahrenshandlungen - etwa die Abfassung und Einbringung der Beschwerde oder die Vertretung in der Verhandlung - beschränkt werden kann. Voraussetzung einer solchen Einschränkung der Beigebung des Rechtsanwaltes bloß auf einzelne Abschnitte des Verfahrens ist aber, dass in Fällen, in denen sich im Sinn der genannten Kriterien ergibt, dass ein Verfahrenshelfer beizugeben ist, absehbar ist, dass die Partei im übrigen Verfahren der Unterstützung eines Rechtsanwaltes nicht bedarf. (VwGH vom 11.09.2019, Zl. Ro 2018/08/0008)
Ob es im vorliegenden Fall im Interesse der Rechtspflege, vor allem im Interesse einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung, erforderlich und im Sinne des Art. 6 Abs. 1 und 3 lit. c MRK geboten war, der Revisionswerberin Verfahrenshilfe durch Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers zu gewähren, stellt eine Rechtsfrage des Einzelfalls dar, deren Beurteilung nur dann revisibel ist, wenn diese in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise erfolgt ist (vgl. VwGH 25.1.2018, Ra 2017/21/0205; VwGH vom 25.09.2018, Zl. Ra 2018/05/0227).
Als Gründe für die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers sind (u.a.) besondere Schwierigkeiten der Sachlage oder Rechtslage wie auch persönliche Umstände des Beschuldigten und die besondere Tragweite des Rechtsfalles für die Partei zu berücksichtigen. In der hg. Judikatur wurde auch bereits ausgesprochen, dass selbst dann, wenn es sich bei einem Beschuldigten um eine Person ohne juristische Ausbildung handelt, die Verfahrenshilfe nicht in jedem Fall zu gewähren ist und bei Vorliegen einer lediglich einfachen Sach- oder Rechtslage davon Abstand genommen werden kann (VwGH 26.1.2001, 2001/02/0012; zum Fall des Vorliegens einer lediglich einfachen Sachlage VwGH 29.9.2005, 2005/11/0094; VwGH vom 25.09.2018, Zl. Ra 2018/05/0227)
Insgesamt ist daher festzustellen, dass die Antragstellerin im konkreten Fall das in § 8a Abs. 1 leg. cit. als Voraussetzung festgehaltenen persönliche Kriterium der geringen Vermögensverhältnisse nicht erfüllt. Auch verfügt sie über derart intellektuelle Fähigkeiten – anhand der eingebrachten Beschwerden und Anträge - die auf ausreichend intellektuelle Fähigkeiten schließen lassen, so dass sie über Kompetenzen verfügt, die ihr den Zugang zum BVwG effektiv gewährleisten.
Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, dass die Gewährung von Verfahrenshilfe im Lichte des Art. 6 Abs. 1 EMRK oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union im vorliegenden Fall nicht geboten ist.
Im Rahmen einer Gesamtabwägung ist im konkreten Fall folglich nicht von einem Vorliegen von Umständen auszugehen, die die Gewährung der Verfahrenshilfe für geboten erscheinen lassen. Folglich ist der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe spruchgemäß gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG abzuweisen.
Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG im vorliegenden Fall nicht zulässig weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, abhängt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus uneinheitlich zu beurteilen und es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Gesamtbeurteilung Verfahrenshilfeantrag VermögensverhältnisseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:G312.2227350.2.00Im RIS seit
17.12.2020Zuletzt aktualisiert am
17.12.2020