TE Bvwg Beschluss 2020/12/15 W110 2237415-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.12.2020
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Entscheidungsdatum

15.12.2020

Norm

AVG §19 Abs3
B-VG Art133 Abs4
B-VG Art133 Abs9
COVID-19-MG §5
EMRK Art6
GOG Anl1 §32
GOG Anl1 §36
GOG Anl1 §55 Abs1
GOG Anl1 §56 Abs1
GOG Anl1 §56 Abs4
VStG §19
VwGG §25a Abs1
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W110 2237415-1/13E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Peter CHVOSTA als Vorsitzenden und die Richter Mag. Harald PERL sowie Dr. Christian EISNER als Beisitzer über den Antrag des Untersuchungsausschusses betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung (Ibiza-Untersuchungsausschuss) vom XXXX betreffend die Verhängung einer Beugestrafe über XXXX beschlossen:

A)

Gemäß § 36 Abs. 1 iVm § 55 Abs. 1 erster Halbsatz der Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse wird über XXXX als Beugestrafe wegen Nichtbefolgung einer Ladung als Auskunftsperson eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 2.000,-- verhängt.

B)

Die Revision ist gemäß § 25a Abs. 1 VwGG iVm Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Schreiben vom XXXX übermittelte der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung (Ibiza-Untersuchungsausschuss) (1/US XXVII. GP) (im Folgenden: Untersuchungsausschuss) den vom Untersuchungsausschuss am XXXX „einstimmig beschlossenen und begründeten“ Antrag auf Verhängung einer Beugestrafe über XXXX (im Folgenden: Antragsgegnerin) nach § 36 der Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse (im Folgenden: VO-UA).

Der Antrag war von fünf namentlich genannten Abgeordneten und weiteren Kolleginnen und Kollegen gestellt und – neben einem weiteren Antrag, der die neuerliche Ladung unter Androhung einer Vorführung zum Gegenstand hatte – gemäß einem Vermerk in der 25. Sitzung des Untersuchungsausschusses am XXXX beschlossen worden.

Der gegenständliche Antrag, dem die Kopie der Ladung der Antragsgegnerin als Auskunftsperson vom 15.10.2020 samt Übernahmebestätigung und ZMR-Auszug, ein Schreiben der Antragsgegnerin an die Parlamentsdirektion vom 21.10.2020 sowie ein Aktenvermerk der Parlamentsdirektion beigelegt wurde, lautete folgendermaßen:

„Das Bundesverwaltungsgericht möge gemäß § 36 Abs. 1 iVm § 55 Abs. 1 VO-UA eine Beugestrafe in angemessener Höhe über XXXX wegen Nichtbefolgung der nachweislich am 20.10.2020 an eine/n Bevollmächtigte/n für RSA-Briefe zugestellten Ladung des Untersuchungsausschusses betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung (Ibiza-Untersuchungsausschuss) verhängen.“

In der Begründung des Antrages wurde zunächst der Ablauf der telefonischen Kontakte mit der Antragsgegnerin im Vorfeld ihrer Ladung zur Befragung vor dem Untersuchungsausschuss am XXXX geschildert und darauf hingewiesen, dass die RSa-Ladung am 20.10.2020 zugestellt und laut Rückschein übernommen worden sei. Am 22.10.2020 habe die Antragsgegnerin im Wege ihrer Rechtsvertreterin der Parlamentsdirektion den Erhalt der Ladung bestätigt und mitgeteilt, dass sie einer Befragung vor Ort nicht zur Verfügung steht, da dies aufgrund der hohen Zahl an COVID-19-lnfektionen ein Risiko nicht nur für ihre, sondern auch für die Gesundheit ihres Mannes darstelle. Einer Befragung via Videozuschaltung vom Wohnort aus stehe sie jedoch zur Verfügung.

Am 13.11.2020 habe die Parlamentsdirektion der Rechtsvertreterin der Antragsgegnerin telefonisch mitgeteilt, dass eine Befragung lediglich innerhalb der Parlamentsgebäude vorgesehen und daher eine Videobefragung am Wohnort nicht möglich sei. Weiters sei der Antragsgegnerin mitgeteilt worden, dass über den angegebenen Entschuldigungsgrund erst in der Sitzung (am XXXX ) entschieden werde. Eine Befragung in einem separaten Raum innerhalb der Parlamentsgebäude sei in Aussicht gestellt worden. Die Rechtsvertreterin habe mitgeteilt, dass ihre Mandantin mit Sicherheit nicht zum Befragungstermin in Wien erscheinen werde. Am 19.11.2020 habe die Rechtsvertreterin der Antragsgegnerin nochmals bestätigt, dass der Befragungstermin am XXXX von ihrer Mandantin nicht wahrgenommen werden würde.

Am XXXX sei das Nichterscheinen der Auskunftsperson in der 25. Sitzung des Untersuchungsausschusses festgestellt worden. Am selben Tag sei beschlossen worden, die Auskunftsperson erneut für den XXXX , zu laden.

An die chronologische Darstellung der Geschehnisse knüpfte in der Antragsbegründung eine Bewertung des Hergangs an, nämlich dass eine genügende Entschuldigung im gegenständlichen Fall nicht vorliege: Auch unter Berücksichtigung der allgemein angespannten Situation betreffend COVID-19 sei eine genügende Entschuldigung der Auskunftsperson nicht gegeben. Es sei nicht ersichtlich, inwieweit die Abwesenheit der Auskunftsperson unvermeidlich oder durch einen beachtenswerten Grund ausgelöst worden sei. Die Auskunftsperson sei weder erkrankt, noch habe sie behauptet, dass sie einer Risikogruppe angehöre oder sonstige beachtenswerte gesundheitliche Gründe vorgebracht. Sie habe lediglich mehrfach pauschal auf das „Infektionsrisiko" verwiesen, ohne sich jedoch im Detail über die umfassenden Risikominimierungsmaßnahmen der Parlamentsdirektion zu erkundigen. Sie habe Angebote, zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen, die ein Infektionsrisiko ausschließen würden, abgelehnt. Sofern sich die Auskunftsperson auf ein besonderes Risiko in Wien beruft, müsse ihr entgegengehalten werden, dass Wien jenes Bundesland mit einer zum geplanten Befragungszeitpunkt besonders niedrigen Infektionsrate gewesen sei.

Dem Hinweis auf den gesundheitlichen Zustand ihres Ehemannes sei entgegen zu halten, dass durch risikominimierendes Verhalten, durch die Schutzmaßnahmen der Parlamentsdirektion sowie durch „die Möglichkeit der anschließenden Testung bzw. das Ergreifen geeigneter und zumutbarer Maßnahmen für einen Zeitraum von wenigen Tagen im auf die Befragung folgenden persönlichen Kontakt“ ein erhöhtes Infektionsrisiko für ihren Ehemann ausgeschlossen werden könne, sodass ein Fernbleiben als Auskunftsperson nicht gerechtfertigt sei. Sofern die Auskunftsperson Bedenken hinsichtlich ihres Sicherheitspersonals vorbringe, gelte ebenso, dass durch risikominimierendes Verhalten ein Ansteckungsrisiko für ihren Ehemann ausgeschlossen werden könne. Dies gelte umso mehr, als eine solche Ansteckung nur mittelbar über mehrere Personen denkbar wäre. Auch ein über das allgemeine Maß hinausgehendes besonderes Infektionsrisiko für den „Sicherheitsstab" der Auskunftsperson liege aus den oben genannten Gründen nicht vor.

Aus alledem ergebe sich – so die Antragsausführungen weiter –, dass die Berufung auf ein besonderes Infektionsrisiko lediglich als Vorwand zu werten sei, um sich einer Befragung durch den Untersuchungsausschuss zu entziehen. Sonstige Sicherheitsbedenken seien im Hinblick auf die Sicherheitsvorkehrungen für verfassungsgemäße Einrichtungen unbegründet. Weitere Entschuldigungsgründe seien nicht vorgebracht worden.

2. Der Antrag wurde am 2.12.2020 dem Bundesverwaltungsgericht übermittelt und von diesem noch am selben Tag der Antragsgegnerin samt Ladung zu einer Vernehmung im Wege ihrer Rechtsvertreterin zur Kenntnis gebracht, wobei die Möglichkeit einer schriftlichen Äußerung ebenfalls eingeräumt wurde.

In einer am 7.12.2020 per mail übermittelten Stellungnahme vertrat die Antragsgegnerin – zusammengefasst – die Ansicht, dass kein gültiger Antrag des Untersuchungsausschusses (sondern lediglich ein Antrag von Mitgliedern des Untersuchungsausschusses) vorliege. Der Vermerk des Beschlusses über den Antrag der Ausschussmitglieder stelle keine Ausfertigung des Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses dar und enthalte auch keine Begründung. Mangels entsprechenden Antrages sei das Verfahren einzustellen.

3. Mit Schriftsatz vom 7.12.2020 langte eine schriftliche Äußerung der Antragsgegnerin ein, in der sie den Hergang des Kontakts mit der Parlamentsdirektion (im Zeitraum vor Erhalt der Ladung) ergänzte und u.a. nochmals ihre Bereitschaft bekundete, im Untersuchungsausschuss via Skype auszusagen. Ihr Ehemann sei nicht nur aufgrund seines Alters, sondern auch wegen eines schweren Schlaganfalls auf ihre persönliche Unterstützung angewiesen. Wenn offenkundig eine geschäftliche Auslandsreise einen Entschuldigungsgrund für die Teilnahme am Untersuchungsausschuss darstelle, müsse dies wohl auch das Leben ihres Ehemannes sein. Angesichts des Umstandes, dass schon in einigen Wochen ein Impfstoff gegen eine COVID-19-Infektion verfügbar sein werde, wäre es fahrlässig, sein Leben so kurz vor einer deutlichen Risikoverringerung zu gefährden. Die jetzige Ladung sei jedenfalls unverhältnismäßig und nicht dringend genug, um das Risiko einer COVID-19-Infektion einzugehen. Sie stehe auch im Widerspruch zur allgemeinen politischen Linie, dass die sozialen Kontakte in der Phase der Pandemie reduziert werden mögen.

Auch die Möglichkeit der Befragung über einen separaten Raum im Parlamentsgebäude würde – so die Antragsgegnerin weiter – die Gefahrenlage nicht verringern. Schon die Anreise zum Untersuchungsausschuss würde durch ihre notwendigen Kontakte mit den Personenschützern das Infektionsrisiko erheblich erhöhen. Im Übrigen verwundere, dass mittlerweile die Sitzungen des Untersuchungsausschusses im Camineum der Österreichischen Nationalbibliothek stattfinden, obwohl – laut dem vorliegenden Antrag – § 17 Abs. 1 VO-UA eine Videobefragung nur innerhalb der Parlamentsgebäude zulasse.

Der Stellungnahme ist das ärztliche Schreiben eines Facharztes für Innere Medizin/Kardiologie beigeschlossen, in dem die Selbstisolation der Antragsgegnerin und ihres Ehemannes bestätigt und hervorgehoben wurde, dass die Antragsgegnerin für ihren Ehemann vor Ort unabkömmlich sei. Angesichts der Vorerkrankungen des Ehemannes der Antragsgegnerin müsse eine COVID-19-Infektion mit allen Mitteln verhindert und das Infektionsrisiko zum Schutz des Ehemannes der Antragsgegnerin möglichst minimiert werden.

4. Am 9.12.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht unter Verwendung technischer Einrichtungen zur Wort- und Bildübertragung eine mündliche Vernehmung der Antragsgegnerin durch, an der auch ihre Rechtsvertreterin teilnahm. Die Antragsgegnerin wurde zu ihren persönlichen Verhältnissen sowie zu den Gründen ihres Fernbleibens vom Untersuchungsausschuss und über ihre familiäre Situation im Zusammenhang mit der aktuellen COVID-19-Pandemie befragt.

Beweis wurde erhoben mittels Durchführung einer Vernehmung der Antragsgegnerin und durch Einschau in den vorliegenden Antrag des Untersuchungsausschusses, die weiteren (dem Antrag angeschlossenen) vorgelegten Unterlagen sowie in die Stellungnahme der Antragsgegnerin vom 7.12.2020 samt beigelegter ärztlicher Bestätigung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat – durch einen gemäß § 56 Abs. 1 VO-UA gebildeten Senat – erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Die Antragsgegnerin ist verheiratet, hat keine Sorgepflichten und ist Geschäftsführerin mehrerer Unternehmungen. Ihr Ehemann erlitt vor einigen Jahren einen schweren Schlaganfall und bedarf seither vielfältiger Unterstützung und Betreuung im Alltag, die von der Antragsgegnerin selbst wahrgenommen wird. Aufgrund des hohen Alters und seiner Vorerkrankung kann eine COVID-19-Infektion beim Ehemann der Antragsgegnerin eine Erkrankung mit kritischem und möglicherweise auch lebensbedrohlichem Verlauf nach sich ziehen. Die Antragsgegnerin selbst zählt nicht zur Risikogruppe für einen schweren Krankheitsverlauf infolge einer COVID-19-Infektion.

1.2 Seit dem vermehrten Aufkommen des COVID-19-Virus in Österreich im März 2020 befindet sich die Antragsgegnerin mit ihrem Ehemann – zunächst auf Empfehlung und dann auf ärztliche Anweisung hin – in weitgehender Selbstisolation bzw. freiwilliger Quarantäne. Konkret bedeutet dies, dass die Antragsgegnerin das Haus nicht verlässt und Kontakte auf ein absolutes Minimum reduziert. Es finden weder Familien- noch Geburtstagsfeiern statt. Veranstaltungen aller Art wurden abgesagt. Weitreichende Schutz- und Vorsichtsmaßnahmen wurden etabliert, um die Möglichkeit einer Infektion der Antragsgegnerin und ihres Ehemannes mit COVID-19 auszuschließen. Geschäftliche Termine werden von der Antragsgegnerin und ihrem Ehemann so weit wie möglich über elektronisch-technische Einrichtungen zur Wort- und Bildübertragung abgewickelt und nur dann im Wege physischer Präsenz wahrgenommen, wenn es nicht anders möglich ist. In solchen Fällen werden Einzelpersonen, wie zum Beispiel ein Geschäftsführer, nicht aber mehrere Personen empfangen. Gesprächspartner, mit denen die Antragsgegnerin oder ihr Ehemann zusammentreffen, müssen sich zuvor am Wohnort der Antragsgegnerin Tests auf COVID-19 unterziehen und die Ergebnisse in einem eigens dafür vorgesehenen Raum isoliert abwarten, bevor das Zusammentreffen stattfinden kann.

1.3 Am 2.7.2020 kam es erstmals zum telefonischen Kontakt zwischen einer Mitarbeiterin der Parlamentsdirektion und einer Mitarbeiterin der Antragsgegnerin wegen einer vorgesehenen Befragung vor dem Untersuchungsausschuss betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung am 21.10.2020. In dem Gespräch wurde der Parlamentsdirektion die Bereitschaft und der Wunsch der Antragsgegnerin zur Aussage mitgeteilt, aber zu bedenken gegeben, dass angesichts der Entwicklung der COVID-19-Infektionszahlen und dem Infektionsrisiko für die Antragsgegnerin und ihrem Ehemann eine Befragung über Skype oder Videotelefonie zweckmäßiger erscheine. In der Folge fragte die Antragsgegnerin im Wege ihrer Mitarbeiterin wiederholt wegen der allfälligen Übermittlung einer Ladung zu diesem Termin nach.

Am 25.9.2020 trat eine Mitarbeiterin der Parlamentsdirektion mit der Antragsgegnerin über deren Mitarbeiterin in Kontakt, um die Ladung der Antragsgegnerin vor den Untersuchungsausschuss für den XXXX abzuklären. Am 28.9.2020 sagte die Assistentin der Antragsgegnerin ihr Kommen unter der Bedingung zu, dass die COVID-19-Infektionszahlen in Wien im Zeitpunkt der Befragung nicht zu hoch sind.

1.4 Mit der – erstmaligen – Ladung vom 15.10.2020 wurde die Antragsgegnerin auf Grund eines wirksam gewordenen Verlangens gemäß § 29 VO-UA für den XXXX um Anwesenheit als Auskunftsperson in einem näher bezeichneten Ausschusslokal ersucht. Die Ladung nannte die Beweisthemen 3, 5, 6, 7 und 8 des Untersuchungsgegenstandes (Begünstigung von Dritten, Ermittlungen in der Ibiza-Affäre, Beteiligungsmanagement des Bundes, Personalpolitik in staatsnahen Unternehmen und Verdacht des Gesetzeskaufs) als Themen der Befragung der Auskunftsperson. Der Ladung waren als Anlage 1 der Untersuchungsgegenstand des Ausschusses und als Anlage 2 die gesetzlichen Bestimmungen über die Rechte und Pflichten von Auskunftspersonen sowie die Folgen ihres Ausbleibens angeschlossen.

Die Ladung enthielt u.a. den Hinweis auf die Möglichkeit, die Parlamentsdirektion zu kontaktieren, um die Vorgangsweise im Hinblick auf mögliche Fotoaufnahmen und Medienanfragen im Bereich der Parlamentsräumlichkeiten zu besprechen. Auch wurde die Auskunftsperson ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie eine Vertrauensperson beiziehen dürfe, die vorab namentlich bekannt gegeben werden solle und nicht in den Untersuchungsgegenstand involviert sein dürfe. Zur Dauer der Befragung einer Auskunftsperson war in der Ladung angegeben, dass diese gemäß § 37 Abs. 4 VO-UA drei Stunden nicht überschreiten solle und die Befragung vom Vorsitz nach längstens vier Stunden für beendet zu erklären sei, wobei die Erstbefragung und eine einleitende Stellungnahme gemäß § 39 VO-UA sowie Sitzungsunterbrechungen nicht eingerechnet würden. Abschließend waren die Kontaktdaten (Telefonnummer und E-Mail-Adresse) einer namentlich genannten Mitarbeiterin der Parlamentsdirektion angegeben, welche für weitere Auskünfte und Fragen zur Verfügung stehe.

Die Ladung enthielt auch einen Hinweis auf die wegen der COVID-19-Pandemie gesetzten Hygieneschutzmaßnahmen und Vorschriften im Bereich der Parlamentsräumlichkeiten, welche der Anlage 3 zu entnehmen waren. Die Ausführungen der Anlage 3 hatten „Hygieneschutzmaßnahmen und Vorschriften betreffend das Coronavirus (COVID-19)“ zum Inhalt, nämlich die Themen Atemhygiene, Handhygiene, Distanz und Belüftung: Unter der Rubrik „Atemhygiene“ wurde die Auskunftsperson zunächst darum ersucht, beim Betreten und Verlassen der Parlamentsräumlichkeiten einen Mund-Nasen-Schutz bis zum Einnehmen des Sitzplatzes im Befragungsraum zu tragen. Der Auskunftsperson würde es freigestellt, den Mund-Nasen-Schutz auch während der Befragung zu tragen. Die Auskunftsperson werde während der Befragung hinter einer Acrylglasscheibe sitzen, die zusätzlichen Schutz biete. Bei Husten oder Niesen werde die Auskunftsperson gebeten, Mund und Nase mit gebeugtem Ellenbogen oder einem Taschentuch zu bedecken. Auch beim Benutzen der Sanitäranlagen sei ein Mund-Nasen-Schutz zu tragen. Unter der Rubrik „Handhygiene“ wurde die Auskunftsperson aufgefordert, ihre Hände regelmäßig und gründlich mit Seife oder Desinfektionsmittel zu reinigen. Dazu seien mehrere Desinfektionsmittelspender im Befragungsraum und den angrenzenden Räumlichkeiten platziert. Es werde empfohlen, den eigenen Gesichtsbereich nicht zu berühren. Betreffend das Thema „Distanz“ wurde die Auskunftsperson ersucht, einen Abstand von mindestens 1 m zwischen sich und allen anderen Personen einzuhalten. Die Wahrung des Sicherheitsabstandes sei auch durch die Sitzplatzverteilung im Befragungsraum gewährleistet. Überhaupt sollte jeglicher Körperkontakt – etwa durch Händeschütteln zur Begrüßung – vermieden werden. Zum Thema „Belüftung“ wurde ausgeführt, dass der Befragungsraum regelmäßig durchgelüftet werde. Eine der Raumgröße entsprechende Belüftungsanlage sorge für ständige Luftzirkulation.

1.5 Am 20.10.2020 wurde die RSa-Ladung zugestellt und laut Rückschein übernommen.

In ihrem an die Parlamentsdirektion gerichteten Schreiben vom 21.10.2020 bestätigte die Antragsgegnerin den Erhalt der Ladung und verwies auf die steigenden COVID-19-Infektionszahlen insbesondere in der Bundeshauptstadt, die – so die Antragsgegnerin – von Mitgliedern der Bundesregierung als sehr ernst beschrieben worden sei. Die Antragsgegnerin wies darauf hin, dass Medienberichten zufolge auch ein (näher bezeichnetes) Mitglied der Bundesregierung trotz entsprechender Sicherheitsvorkehrungen eine COVID-19-Infektion nicht habe verhindern können. Laut AGES sei der Mund-Nasen-Schutz kein sicherer Schutz vor Viren, die über die Luft übertragen werden. Der Mund-Nasen-Schutz könne lediglich dazu beitragen, das Risiko einer Weiterverbreitung des Virus zu verringern. Die Antragsgegnerin stellte die rhetorische Frage, wer ihr garantieren könne, dass keine Infektion eines Untersuchungsausschussmitgliedes vorliege. Sie ersuchte daher um Verständnis, dass sie zum Schutz ihres Ehemannes – aufgrund der derzeit allgemein kritischen und volatilen Situation hinsichtlich COVID-19-Infektionen – nicht anreisen könne. Ihr Ehemann gehöre der höchst gefährdeten Risikogruppe an, für die eine Infektion mit COVID-19 tödliche Folgen haben könne. Da sich ihr Ehemann und sie selbst bereits seit März 2020 in freiwilliger Quarantäne befinden würden, um das Risiko einer Ansteckung möglichst auszuschließen, sehe sie, die Antragsgegnerin, sich außerstande, der Einladung persönlich Folge zu leisten. Sie müsste im Übrigen mit einem aus mehreren Personen bestehenden Securitystab anreisen, sodass die Infektion eines dieser Mitarbeiter das gesamte Sicherheitssystem nachhaltig beeinträchtigen und eine Koordination der Sicherheitsbelange unmöglich machen würde. Für eine Befragung via Skype/Videokonferenz stehe sie jedoch zur Verfügung.

Am 13.11.2020 teilte die Parlamentsdirektion der Rechtsvertreterin der Antragsgegnerin telefonisch mit, dass eine Befragung lediglich innerhalb der Parlamentsgebäude vorgesehen und daher eine Videobefragung am Wohnort nicht möglich sei. Der Rechtsvertreterin der Antragsgegnerin wurde mitgeteilt, dass eine Entscheidung darüber, ob der angegebene Entschuldigungsgrund als ausreichend erachtet wird, erst in der Sitzung am XXXX ergehe. Eine Befragung in einem separaten Raum innerhalb der Parlamentsgebäude wurde der Antragsgegnerin in Aussicht gestellt. Die Rechtsvertreterin gab bekannt, dass die Antragsgegnerin mit Sicherheit nicht zum Befragungstermin in Wien erscheinen werde. Am 19.11.2020 bestätigte die Rechtsvertreterin der Antragsgegnerin nochmals, dass der Befragungstermin am XXXX von der Antragsgegnerin nicht wahrgenommen werde.

1.6 Am XXXX ist die als Auskunftsperson geladene Antragsgegnerin in der 25. Sitzung des Untersuchungsausschusses nicht erschienen. Am selben Tag wurde beschlossen, die Antragsgegnerin – erneut – für den XXXX als Auskunftsperson zu laden.

2. Beweiswürdigung:

2.1 Die Feststellungen zum Familienstand und der beruflichen Tätigkeit der Antragsgegnerin sowie zu ihren persönlichen bzw. familiären Umständen gründen auf den Angaben der Antragsgegnerin in der Vernehmung vom 9.12.2020. Was die Zugehörigkeit ihres Ehemannes zur Risikogruppe für einen schweren Krankheitsverlauf infolge einer COVID-19-Infektion anbelangt, so beruhen die diesbezüglichen Feststellungen auf der vorgelegten ärztlichen Stellungnahme eines Facharztes für Innere Medizin/Kardiologie, die von der Antragsgegnerin zur Untermauerung ihrer diesbezüglichen Aussage vorgelegt wurde und deren prognostische Annahmen – auch vor dem Hintergrund des amtsbekannten Informationsstandes über die Auswirkungen von COVID-19 – schlüssig und insgesamt unbedenklich erscheinen. Dass die Antragsgegnerin selbst nicht zur Risikogruppe zählt, war ihren eigenen Aussagen in ihrer Gesamtheit zu entnehmen, die stets die Risikogruppenzugehörigkeit ihres Ehemannes zum Inhalt hatten.

2.2 Die Feststellungen über den Umgang mit der COVID-19-Pandemie stützen sich ebenfalls auf die Angaben der Antragsgegnerin in ihrer Vernehmung, in denen sie die Sicherheits- und Schutzvorkehrungen hinsichtlich einer COVID-19-Infektion detailreich und überzeugend veranschaulicht hat (siehe S. 4 des Vernehmungsprotokolls).

2.3 Der Ablauf der Kontakte im Vorfeld der Ladung ließ sich anhand der Antragsbegründung und der Angaben der Antragsgegnerin in ihrer Stellungnahme vom 7.12.2020 weitgehend miteinander in Einklang bringen, sodass die Angaben beider Seiten den Feststellungen zugrunde gelegt werden konnten.

2.4 Dass die Antragsgegnerin erstmals eine Ladung des Untersuchungsausschusses als Auskunftsperson erhalten und diese somit auch zum ersten Mal nicht befolgt hat, ergibt sich aus der Stellungnahme der Antragsgegnerin iVm den vom Untersuchungsausschuss übermittelten Unterlagen (siehe auch den Aktenvermerk der Parlamentsdirektion). Der erste Absatz der Begründung des Antrags, demzufolge die Antragsgegnerin am 2.7.2020 geladen worden sei, ist insofern irreführend und soll lediglich die bloße Einigung der Mitglieder des Untersuchungsausschusses auf die Ladung der Antragsgegnerin als Auskunftsperson zum Ausdruck bringen, die auch in eine Kontaktaufnahme am selben Tag mündete.

2.5 Die Zustellung der Ladung per RSa ist im Akt dokumentiert und der Ladungserhalt von der Antragsgegnerin auch mehrfach bestätigt worden. Die Gründe der Antragsgegnerin für das Nichterscheinen vor dem Untersuchungsausschuss, die im Schreiben vom 21.10.2020 dargelegt wurden, sind im vorliegenden Verfahren im Wesentlichen gleichgeblieben.

2.6 Es ist im vorliegenden Verfahren völlig unstrittig, dass die Antragsgegnerin am XXXX vor dem Untersuchungsausschuss nicht erschienen ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A)

3.1 Die Anlage 1 "VERFAHRENSORDNUNG FÜR PARLAMENTARISCHE UNTERSUCHUNGSAUSSCHÜSSE (VO-UA)" zum Bundesgesetz vom 4. Juli 1975 über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975 - GOG), BGBl. Nr. 410/1975 idF BGBl. I Nr. 99/2014, lautet – soweit im vorliegenden Fall relevant – folgendermaßen:

"Medienöffentliche und vertrauliche Sitzungen

§ 17. (1) Bei der Anhörung von Auskunftspersonen und Sachverständigen wird Medienvertretern vom Präsidenten nach Maßgabe der räumlichen Möglichkeiten Zutritt gewährt. Ton- und Bildaufnahmen sind ausschließlich für Zwecke der Protokollierung gemäß § 19 und der Übertragung innerhalb der Parlamentsgebäude gestattet.

(2) Die Öffentlichkeit ist auszuschließen, wenn

1. überwiegende schutzwürdige Interessen der Allgemeinheit, der Auskunftsperson oder Dritter dies gebieten,

2. es zum Schutz von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen notwendig ist oder

3. der Ausschluss der Öffentlichkeit im Interesse der Erlangung einer wahrheitsmäßigen Aussage erforderlich erscheint.

(3) Der Vorsitzende entscheidet über den Ausschluss der Öffentlichkeit aus eigenem, auf Antrag des Verfahrensrichters, eines Mitglieds, einer Auskunftsperson oder des Verfahrensanwalts.

(4) Die Befragung von Auskunftspersonen kann in vertraulicher oder geheimer Sitzung stattfinden. Bei der Befragung von öffentlich Bediensteten ist eine Mitteilung gemäß § 35 zu berücksichtigen.

[…]

Ausfertigung der Ladung

§ 32. (1) Ladungen sind vom Vorsitzenden ohne unnötigen Aufschub auszufertigen.

(2) Die erstmalige Ladung kann ohne Zustellnachweis erfolgen. Jede weitere Ladung ist dem Empfänger zu eigenen Handen zuzustellen.

[...]

Folgen des Ausbleibens von Auskunftspersonen

§ 36. (1) Wenn eine Auskunftsperson der ihr gemäß § 32 Abs. 2 zu eigenen Handen zugestellten Ladung ohne genügende Entschuldigung nicht Folge leistet, kann der Untersuchungsausschuss beim Bundesverwaltungsgericht die Verhängung einer Beugestrafe gemäß § 55 beantragen. Der Antrag ist zu begründen.

(2) Der Untersuchungsausschuss kann die Auskunftsperson zugleich neuerlich laden und androhen, dass er bei nochmaliger Nichtbefolgung der Ladung die Vorführung beschließen könne. Leistet die Auskunftsperson einer solchen Ladung ohne genügende Entschuldigung nicht Folge, so kann der Untersuchungsausschuss beschließen, dass sie durch die politische Behörde vorzuführen ist.

(3) Beschlüsse gemäß Abs. 1 und 2 sind vom Vorsitzenden auszufertigen.

(4) Gegen die Vorführung gemäß Abs. 2 ist eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zulässig

[...]

Beugemittel

§ 55. (1) Als Beugestrafe wegen Nichtbefolgung einer Ladung als Auskunftsperson kommt eine Geldstrafe in der Höhe von 500 Euro bis 5 000 Euro, im Wiederholungsfall in der Höhe von 2 000 Euro bis 10 000 Euro in Betracht.

(2) Als Beugestrafe wegen ungerechtfertigter Verweigerung der Aussage kommt eine Geldstrafe bis zu 1 000 Euro in Betracht.

Zuständigkeit und Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts

§ 56. (1) In den Fällen der §§ 36 Abs. 1 und 4 und 45 Abs. 2 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Senat.

(2) In den Fällen der §§ 36 Abs. 1 und 45 Abs. 2 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen vierzehn Tagen zu entscheiden.

(3) Jeder Beschluss gemäß Abs. 1 hat eine Belehrung über die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und einer ordentlichen oder außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof zu enthalten. Das Bundesverwaltungsgericht hat ferner hinzuweisen:

1. auf die bei der Einbringung einer solchen Beschwerde bzw. Revision einzuhaltenden Fristen;

2. auf die gesetzlichen Erfordernisse der Einbringung einer solchen Beschwerde bzw. Revision durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt;

3. auf die für eine solche Beschwerde bzw. Revision zu entrichtenden Eingabengebühren.

(4) Für die Bemessung der Beugestrafe gemäß § 55 hat das Bundesverwaltungsgericht § 19 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, sinngemäß anzuwenden.

[...]"

3.2 Die für den vorliegenden Fall ebenfalls maßgebliche Rechtslage hinsichtlich der COVID-19-Pandemie stellt sich folgendermaßen dar:

Das Bundesgesetz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Maßnahmengesetz), BGBl I 12/2020 idF BGBl. I 104/2020, enthält in § 3 die Ermächtigung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz zur Regelung des Betretens und Befahrens von Betriebsstätten, Arbeitsorten sowie Benutzen von Verkehrsmitteln, in § 4 die Ermächtigung zur Regelung des Betretens und Befahrens von bestimmten Orten und öffentlichen Orten in ihrer Gesamtheit sowie in § 5 eine (allgemeine) Ausgangsregelung.

Mit der – gemäß § 11 COVID-19-Maßnahmengesetz im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates erlassenen und am 1.11.2020 kundgemachten – COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wurde u.a. eine „Ausgangsregelung“ in § 2 Abs. 1 zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 getroffen: Danach war das Verlassen und das Verweilen außerhalb des eigenen privaten Wohnbereichs von 20.00 Uhr bis 06.00 Uhr des folgenden Tages nur zu bestimmten Zwecken zulässig, nämlich u.a. für berufliche Zwecke (- sofern erforderlich -) oder für die Teilnahme an gerichtlichen oder behördlichen Verfahren oder Amtshandlungen (Z 4). Gemäß § 15 Abs. 1 Z 3 dieser Verordnung galt diese Verordnung nicht für „Tätigkeiten im Wirkungsbereich der Organe der Gesetzgebung und Vollziehung“.

Diese COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung trat mit der am 15.11.2020 kundgemachten (ersten) COVID-19-Notmaßnahmenverordnung, BGBl. II 479/2020, außer Kraft, die wiederum eine Ausgangsregelung enthielt, die das Verlassen und den Aufenthalt außerhalb des eigenen privaten Wohnbereichs erneut nur für bestimmte Zwecke – allerdings nunmehr ohne zeitliche Beschränkung – erlaubte, nämlich u.a. für berufliche Zwecke (sofern dies erforderlich sei) (§ 1 Abs. 1 Z 4) oder zur Wahrnehmung von unaufschiebbaren behördlichen oder gerichtlichen Wegen (§ 1 Abs. 1 Z 6). Auch die COVID-19-Notmaßnahmenverordnung nahm Tätigkeiten im Wirkungsbereich der Organe der Gesetzgebung und Vollziehung aus ihren Anwendungsbereich aus (§ 15 Abs. 1 Z 3). Die maßgeblichen Vorschriften der (ersten) COVID-19-Notmaßnahmenverordnung, BGBl. II 479/2020, lauten folgendermaßen:

„Ausgangsregelung

§ 1. (1) Zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 und zur Verhinderung eines Zusammenbruchs der medizinischen Versorgung ist das Verlassen des eigenen privaten Wohnbereichs und der Aufenthalt außerhalb des eigenen privaten Wohnbereichs nur zu folgenden Zwecken zulässig:

1. Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für Leib, Leben und Eigentum,

2. Betreuung von und Hilfeleistung für unterstützungsbedürftige Personen sowie Ausübung familiärer Rechte und Erfüllung familiärer Pflichten,

3. Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens, wie insbesondere

a) der Kontakt mit

aa) dem nicht im gemeinsamen Haushalt lebenden Lebenspartner,

bb) einzelnen engsten Angehörigen (Eltern, Kinder und Geschwister),

cc) einzelnen wichtigen Bezugspersonen, mit denen in der Regel mehrmals wöchentlich physischer Kontakt gepflegt wird,

b) die Versorgung mit Grundgütern des täglichen Lebens,

c) die Inanspruchnahme von Gesundheitsdienstleistungen oder die Vornahme einer Testung auf COVID-19 im Rahmen von Screeningprogrammen,

d) die Deckung eines Wohnbedürfnisses,

e) die Befriedigung religiöser Grundbedürfnisse, wie Friedhofsbesuche und individuelle Besuche von Orten der Religionsausübung, sowie

f) die Versorgung von Tieren,

4. berufliche Zwecke und Ausbildungszwecke, sofern dies erforderlich ist,

5. Aufenthalt im Freien alleine, mit Personen aus dem gemeinsamen Haushalt oder Personen gemäß Z 3 lit. a zur körperlichen und psychischen Erholung,

6. zur Wahrnehmung von unaufschiebbaren behördlichen oder gerichtlichen Wegen,

7. zur Teilnahme an gesetzlich vorgesehenen Wahlen und zum Gebrauch von gesetzlich vorgesehenen Instrumenten der direkten Demokratie,

8. zum Zweck des zulässigen Betretens von Kundenbereichen von Betriebsstätten gemäß den §§ 5, 7 und 8, bestimmten Orten gemäß den §§ 9, 10 und 11 sowie Einrichtungen gemäß § 15 Abs. 1 Z 1 und 2, und

9. zur Teilnahme an Veranstaltungen gemäß den §§ 12 und 13.

(2) Zum eigenen privaten Wohnbereich zählen auch Wohneinheiten in Beherbergungsbetrieben sowie in Alten-, Pflege- und Behindertenheimen.

(3) Kontakte im Sinne von Abs. 1 Z 3 lit. a und 5 dürfen nur stattfinden, wenn daran

1. auf der einen Seite Personen aus höchstens einem fremden Haushalt gleichzeitig beteiligt sind und

2. auf der anderen Seite nur eine Person beteiligt ist.

[…]

Ausnahmen

§ 15. (1) Diese Verordnung gilt nicht für

1. […],

2. […],

3. Tätigkeiten im Wirkungsbereich der Organe der Gesetzgebung und Vollziehung mit Ausnahme des Parteienverkehrs in Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichten, sofern keine anderslautenden Regelungen im Bereich der Hausordnung bestehen.

[…]“

Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass mit der – am 25.11.2020 kundgemachten und gemäß § 19 Abs. 2a am 27.11.2020 in Kraft getretenen – Änderung der COVID-19-Notmaßnahmenverordnung, BGBl. II 528/2020, der soeben zitierten Z 6 in § 1 Abs. 1 eine Wortfolge angefügt wurde, wonach der zulässige Aufenthalt außerhalb des eigenen privaten Wohnbereichs auch auf die „Teilnahme an öffentlichen Sitzungen der allgemeinen Vertretungskörper und an mündlichen Verhandlungen der Gerichte und Verwaltungsbehörden zur Wahrung des Grundsatzes der Öffentlichkeit“ erstreckt wird (ferner trat in der Folge die am 4.12.2020 kundgemachte zweite COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung, BGBl. II 544/2020, am 7.12.2020 in Kraft.

3.3 Zum Antrag auf Verhängung einer Beugestrafe:

Zunächst ist festzuhalten, dass der mit Schreiben des Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses vom XXXX übermittelte Antrag, der auch eine Begründung enthält, von fünf namentlich genannten Abgeordneten und weiteren Kolleginnen und Kollegen gestellt und – gemäß dem Hinweis des Vorsitzenden – in der 25. Sitzung des Untersuchungsausschusses am XXXX einstimmig beschlossen wurde. Die Beschlussfassung findet auch in einem Vermerk seine Bestätigung, der sich auf der ersten Seite des Antrages befindet. Nichts deutet darauf hin, dass der Beschluss hinsichtlich des Antrages nicht auch die darin enthaltene Begründung mitumfasst hat. Entgegen der Ansicht der Rechtsvertreterin der Antragsgegnerin in ihrer Stellungnahme vom 7.12.2020 liegt demnach ein vom Untersuchungsausschuss beschlossener und insofern auch zulässiger Antrag auf Verhängung einer Beugestrafe vor (die hier ersichtliche Vorgangsweise des Untersuchungsausschusses entspricht auch der bisherigen Praxis, die von den Gerichtshöfen öffentlichen Rechts bislang unbeanstandet geblieben ist).

Den Feststellungen zufolge wurde am 20.10.2020 die Ladung als Auskunftsperson für die Sitzung am XXXX zu eigenen Handen der Antragsgegnerin zugestellt; die Antragsgegnerin ist zu dieser Sitzung nicht erschienen. Die Ladung enthielt alle in § 30 Abs. 1 VO-UA geforderten Teile.

3.4 Zur Begründung des Antrages:

Gemäß § 36 Abs. 1 letzter Satz VO-UA ist ein Antrag des Untersuchungsausschusses auf Verhängung einer Beugestrafe zu begründen.

Der Verwaltungsgerichtshof vertrat die Ansicht, dass Zweck der gesetzlichen Vorgabe, wonach der Untersuchungsausschuss seinen Antrag auf Verhängung einer Beugestrafe zu begründen hat, nur sein könne, dass dem Bundesverwaltungsgericht bereits mit der Übermittlung des Antrages die wesentlichen Gründe, die den Untersuchungsausschuss zur Stellung des Antrages veranlasst haben, mitzuteilen sind und damit eine (erste) Grundlage für die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu liefern ist. Dies sei auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass das Bundesverwaltungsgericht über einen derartigen Antrag gemäß § 56 Abs. 2 VO-UA binnen vierzehn Tagen zu entscheiden habe, womit die Durchführung eines umfangreichen Ermittlungsverfahrens in der Regel nicht in Betracht komme (VwGH 27.1.2016, Ro 2015/03/0042).

Von einer Begründung des Antrages im Sinne einer „(ersten) Grundlage für die Entscheidung“ kann nur dann ausgegangen werden, wenn sich der Antrag in seinen Ausführungen mit den geltend gemachten Entschuldigungsgründen adäquat auseinandersetzt und die nach eingehender Prüfung erfolgte Annahme, dass eine genügende Entschuldigung nicht vorliegt, entsprechend zum Ausdruck kommt.

Der vorliegende Antrag des Untersuchungsausschusses enthält neben dem Antrag und der Wiedergabe der chronologischen Ereignisse eine nähere Begründung, weshalb der Untersuchungsausschuss das Fehlen einer genügenden Entschuldigung iSd § 36 Abs. 1 VO-UA in Bezug auf die Antragsgegnerin annimmt (vgl. S. 2 f. des Antrags).

3.5 Zur Frage der „genügenden Entschuldigung“:

Es war daher zu überprüfen, ob die Antragsgegnerin der Ladung für den XXXX "ohne genügende Entschuldigung" keine Folge leistete:

3.5.1 In seiner Rechtsprechung zu § 19 Abs. 3 AVG, der die Voraussetzungen der Entbindung von der Pflicht, einer Ladung Folge zu leisten, regelt, geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass eine rechtswirksam geladene Partei zwingende Gründe für ihr Nichterscheinen darzutun hat. Sie muss etwa im Fall einer Erkrankung nicht nur deren Vorliegen behaupten und dartun, sondern auch die Hinderung am Erscheinen bei der Verhandlung aus diesem Grund (vgl. VwGH 17.2.2016, Ra 2015/08/0006; 3.1.2018, Ra 2017/11/0207 mwN). Nach verwaltungsgerichtlicher Judikatur ist wesentlich, dass der Geladene durch das geltend gemachte Hindernis tatsächlich vom Erscheinen „abgehalten“ wurde (vgl. VwGH 3.3.2020, Ra 2020/04/0016).

Beispielsweise könne eine urlaubsbedingte oder berufliche Verhinderung nur dann ein begründetes Hindernis iSd § 19 Abs. 3 AVG bilden, wenn sie nicht etwa durch zumutbare Dispositionen hätte beseitigt werden können (vgl. etwa VwGH 27.2.2018, Ra 2018/05/0008 mwN).

3.5.2 Die Antragsgegnerin machte als Grund für ihr Fernbleiben von der Sitzung des Untersuchungsausschusses – zusammengefasst – die durch die COVID-19-Pandemie hervorgerufene Infektionsgefahr geltend, die im Hinblick auf ihre Ansteckung und der dann drohenden Übertragung des Virus von der Antragsgegnerin auf ihren Ehemann angesichts dessen Angehörigkeit zur höchstgefährdeten Risikogruppe dramatische Konsequenzen haben könnte.

Diesem Argument hielt der Untersuchungsausschuss im Wesentlichen ein „entsprechendes risikominimierendes Verhalten“ entgegen, die Schutzmaßnahmen der Parlamentsdirektion sowie die Möglichkeit der anschließenden Testung bzw. die Ergreifung „geeigneter und zumutbarer Maßnahmen für einen Zeitraum von wenigen Tagen im auf die Befragung folgenden persönlichen Kontakt“, wodurch ein erhöhtes Infektionsrisiko für den Ehemann der Antragsgegnerin ausgeschlossen werden könne.

3.5.3 Vorweg ist festzuhalten, dass die im März 2020 in Österreich aufgetretene und in ihrem Ausmaß für die jüngere Vergangenheit beispiellose COVID-19-Pandemie eine allgemeine gesundheitsgefährdende Lage nach sich gezogen hat, deren Intensität sich im zeitlichen Verlauf sehr unterschiedlich bzw. schwankend gestaltet (hat).

Wie der oben unter 3.2 dargestellten Rechtslage zu entnehmen ist, hat die für den maßgeblichen Zeitpunkt, nämlich der vorgesehenen Befragung der Antragsgegnerin im Rahmen des Untersuchungsausschusses am XXXX , relevante (erste) COVID-19-Notmaßnahmenverordnung das Verlassen des eigenen privaten Wohnbereichs und der Aufenthalt außerhalb des eigenen privaten Wohnbereichs nicht gänzlich untersagt, sondern bei Vorliegen bestimmter als wichtig eingestufter Gründe erlaubt, wie dies u.a. die in § 1 Abs. 1 Z 4 und 6 genannten Zwecke verdeutlichen, nämlich berufliche Zwecke oder Ausbildungszwecke oder die Wahrnehmung unaufschiebbarer behördlicher oder gerichtlicher Wege einschließlich der Teilnahme an öffentlichen Sitzungen der allgemeinen Vertretungskörper. Vom Anwendungsbereich dieser Verordnung waren gemäß § 15 Abs. 1 Z 3 Tätigkeiten im Wirkungsbereich der Organe der Gesetzgebung ausgenommen, worunter jedenfalls auch die Tätigkeit des Untersuchungsausschusses als zentrales parlamentarisches Instrument politischer Kontrolle fällt (zur Einrichtung von Untersuchungsausschüssen vgl. allgemein dazu Kahl, Art 52b B-VG, in: Korinek/Holoubek et al. [Hrsg.], Bundesverfassungsrecht, 7. Lfg. 2005, Rz 4).

Somit haben die Bestimmungen der ersten COVID-19-Notmaßnahmenverordnung weder dem Erscheinen der Antragsgegnerin am XXXX entgegengestanden, noch lassen sich aus deren Regelungen Anhaltspunkte für die Annahme ableiten, dass ein Fernbleiben der Antragsgegnerin von der Sitzung des Untersuchungsausschusses schon an sich gerechtfertigt wäre.

3.5.4 Soweit die Antragsgegnerin ihre familiäre Situation als besonderen Rechtfertigungsgrund geltend machte, ist Folgendes zu bemerken:

Nach verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung kommt parlamentarischen Untersuchungsausschüssen eine demokratiepolitisch wesentliche Kontrollfunktion zu, deren Ermittlungstätigkeit vor allem auch die Befragung von Auskunftspersonen zum Inhalt hat (VwGH 27.1.2016, Ro 2015/03/0042). Diese Ermittlungstätigkeit wird zwangsläufig erheblich dadurch beeinträchtigt, wenn Auskunftspersonen einer Ladung ohne genügende Entschuldigung keine Folge leisten.

Vor diesem Hintergrund geht das Bundesverwaltungsgericht auch davon aus, dass der Untersuchungsausschuss – wenn auch der Antrag in dieser Hinsicht keinerlei Ausführungen enthält – sorgfältig abgewogen hat, ob auch während der Dauer der Geltung der COVID-19-Notmaßnahmenverordnung und gerade zu dem in der Ladung genannten Zeitpunkt und nicht erst nach Außerkrafttreten dieser Verordnung (und damit nach anzunehmender Verringerung des Infektionsrisikos) die Einvernahme der Antragsgegnerin erforderlich ist.

Der oben unter 3.5.1 referierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes lässt sich der allgemeine Grundsatz entnehmen, dass ein behauptetes Hindernis, einer Ladung Folge zu leisten, nur dann als Rechtfertigungsgrund qualifiziert werden kann, wenn die Behebung oder die Vermeidung dieses Hindernisses nach den jeweiligen Umständen des konkreten Falles nicht zumutbar (gewesen) wäre.

Im vorliegenden Fall räumt der erkennende Senat ein, dass die durch die COVID-19-Pandemie hervorgerufene Situation eine komplexe (und sich zeitlich verändernde) Gefährdungslage geschaffen hat, die sich – je nach den persönlichen Umständen – sehr unterschiedlich gestalten kann. Dass sich die Antragsgegnerin aufgrund ihrer familiären Situation zu besonderer Vorsicht veranlasst gesehen hat, ist lebensnah, nachvollziehbar und bedarf keiner näheren Erörterung. Die Sorge der Antragsgegnerin hinsichtlich einer Infektion (und vor allem der Möglichkeit einer weiteren Übertragung des Virus auf ihren Ehemann) wird ebenso wenig in Zweifel gezogen, wie die fortlaufenden Bemühungen der Antragsgegnerin im Alltag, das Infektionsrisiko durch umfangreiche Vorsichts- und Schutzmaßnahmen zu minimieren.

Jedoch ist zu bedenken, dass die VO-UA den Untersuchungsausschuss zu einer den gesundheitlichen Notwendigkeiten einer Auskunftsperson angepassten Gestaltung der Befragung nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet (vgl. idS bereits BVwG 3.8.2020, W234 2233183-1). Den Feststellungen zufolge bestehen aufgrund der COVID-19-Pandemie Hygieneschutzmaßnahmen und Vorschriften für den Bereich der Parlamentsräumlichkeiten, die eine Infektion mit COVID-19 – soweit dies nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand gesagt werden kann – weitgehend hintanhalten, jedenfalls aber das Risiko erheblich minimieren (siehe Anlage 2 zur Ladung, wonach die Auskunftsperson eine Mund-Nasen-Schutzmaske auch während der Befragung tragen darf sowie die Positionierung der Auskunftsperson hinter einer Acrylglasscheibe). Das Bundesverwaltungsgericht hat keinen Anlass zur Annahme, dass dieses Reglement in der Praxis nicht eingehalten wird. Aus dem Verfahren, das dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 3.8.2020, W234 2233183-1, zugrunde lag, sind weitere Schutzmaßnahmen hervorgekommen, die einer anderen Auskunftsperson angeboten worden waren (z.B. die Verfügbarkeit eines nahegelegenen Parkplatzes). Auch wenn diese Maßnahmen nicht ausdrücklich der Antragsgegnerin angeboten worden sein dürften, so vermag das Bundesverwaltungsgericht nicht anzunehmen, dass ähnliche Schutzvorkehrungen nicht auch noch getroffen worden wären, wenn die Antragsgegnerin Derartiges gewünscht hätte.

Angesichts aller dieser Schutzmaßnahmen in ihrer Gesamtheit hat das Bundesverwaltungsgericht im erwähnten Erkenntnis vom 3.8.2020 den Standpunkt eingenommen, dass die attestierte Zugehörigkeit einer geladenen Auskunftsperson zur COVID-19-Risikogruppe keine genügende Entschuldigung für ihr Fernbleiben darstelle (siehe Punkt 3.7.4 des Erkenntnisses). Im vorliegenden Fall ist hervorzuheben, dass die Antragsgegnerin selbst nicht zur COVID-19-Risikogruppe gehört, sondern ihr Ehemann.

Doch selbst wenn man die Ansicht vertreten würde, dass die Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen im Untersuchungsausschuss betreffend COVID-19, die das Bundesverwaltungsgericht im Erkenntnis vom 3.8.2020 beurteilt hat, durch das veränderte Infektionsgeschehen im November 2020 einer Neubewertung zu unterziehen wäre, ließe sich daraus für die Antragsgegnerin nichts gewinnen:

Im vorliegenden Fall wurde der Antragsgegnerin – über die oben erwähnten Schutzvorkehrungen hinaus – überdies eine Befragung in einem separaten Raum innerhalb des Parlamentsgebäudes in Aussicht gestellt, die wohl mit einer weiteren Reduzierung der erforderlichen persönlichen Kontakte oder zumindest der Zahl der Personen, mit denen sich die Antragsgegnerin über einen längeren Zeitraum hindurch in einem Raum befunden hätte, verbunden gewesen wäre. Diese Vorgangsweise hätte nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts – zusätzlich zu den übrigen Maßnahmen – eine weitere Minderung des Infektionsrisikos bedeuten können. Unter diesen Voraussetzungen erscheint das Infektionsrisiko nicht derart, dass ein Erscheinen der Antragsgegnerin am XXXX unzumutbar gewesen wäre.

Den Feststellungen zufolge hat die von der Antragsgegnerin vorgebrachte monatelange Quarantäne und Selbstisolation insbesondere einen persönlichen Kontakt ihres Ehemannes mit anderen Personen nicht vollkommen und zur Gänze ausgeschlossen, sondern – soweit dies unbedingt erforderlich war – auch geschäftliche Zusammentreffen des Ehemannes mit einzelnen Personen erlaubt. Wenn auch diese Kontakte unter strengen Sicherheits- bzw. Schutzvorkehrungen stattgefunden haben (siehe S. 4 des Vernehmungsprotokolls), so legt dies dennoch den Schluss nahe, dass ein zeitlich begrenzter Kontakt der Antragsgegnerin mit einer beschränkten Zahl an Personen unter Anwendung entsprechender Schutzmaßnahmen möglich sein wird, wenn ein solcher Kontakt erforderlich sein sollte. Dabei übersieht der erkennende Senat nicht, dass mit der Ladung der Antragsgegnerin in den Untersuchungsausschuss ein zusätzlicher Aufwand für diverse Vorkehrungen für den Zeitraum vor und nach dem Erscheinen im Untersuchungsausschuss verbunden sein kann, wenn die Möglichkeit der COVID-19-Infektion weitgehend ausgeschlossen und das von der Antragsgegnerin geschilderte Sicherheitskonzept zum Schutz der Gesundheit ihres Ehemannes beibehalten werden soll. Auch der Umstand, dass die Antragsgegnerin für die fortlaufende Unterstützung ihres Ehemannes im Alltag für den Zeitraum während ihrer Abwesenheit Vorsorge treffen müsste, vermag das Fernbleiben der Antragsgegnerin im Untersuchungsausschuss nicht schlechthin zu rechtfertigen.

3.5.5 Zum Vorschlag der Antragsgegnerin, als Alternative zur Befragung vor Ort im Wege einer Videokonferenz, die ihr den Verbleib am Wohnort ermöglichen würde, befragt zu werden, ist Folgendes zu bemerken:

Inwieweit § 17 Abs. 1 VO-UA einer Befragung über Video in der von der Antragsgegnerin gewünschten Form entgegensteht, wie im Antrag des Untersuchungsausschusses ausgeführt wurde, kann aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichts dahingestellt bleiben: Der erkennende Senat kann dem Untersuchungsausschuss jedenfalls nicht entgegentreten, wenn er – in Ermangelung einer speziellen Regelung zur Befragung über Videotelefonie und vor dem Hintergrund der Bedeutung des Befragungsinhaltes für seine Ermittlungstätigkeit – eine Befragung der Antragsgegnerin an ihrem Wohnort via Videokonferenz abgelehnt und eine Anwesenheit der Antragsgegnerin zumindest im Parlamentsgebäude als erforderlich angesehen hat.

3.5.6 Die von der Antragsgegnerin für ihr Fernbleiben am XXXX ins Treffen geführte Entschuldigung, nämlich dass die Infektionsgefahr vor dem Hintergrund der Zugehörigkeit ihres Ehemannes zur COVID-19-Risikogruppe zu hoch sei, kann daher nicht als genügende Entschuldigung iSd § 36 Abs. 1 VO-UA qualifiziert werden.

Da insoweit sämtliche Tatbestandsmerkmale des § 36 Abs. 1 VO-UA erfüllt sind, liegen die Voraussetzungen für die Verhängung einer Beugestrafe gemäß § 55 Abs. 1 iVm § 56 VO-UA über die Antragsgegnerin vor.

3.6 Zur Bemessung der Beugestrafe:

Gemäß § 55 Abs. 1 VO-UA kommt als Beugestrafe wegen Nichtbefolgung einer Ladung als Auskunftsperson eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 500,-- bis Euro 5 000,-- in Betracht (im Wiederholungsfall in der Höhe von Euro 2 000,-- bis Euro 10 000,--).

Gemäß § 56 Abs. 4 VO-UA hat das Bundesverwaltungsgericht für die Bemessung der Beugestrafe § 19 VStG „sinngemäß“ anzuwenden. § 19 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 idF BGBl. I Nr. 33/2013, lautet:

"Strafbemessung

§ 19. (1) Grundlage für die Bemessung der Strafe sind die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

(2) Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen."

§ 19 VStG unterscheidet zwischen objektiven (Abs. 1) und subjektiven (Abs. 2) Kriterien, die bei der Strafbemessung zu berücksichtigen sind. Während es bei Abs. 1 leg. cit. auf den objektiven Unrechtsgehalt der Tat ankommt, ist im Rahmen des Abs. 2 auf drei subjektive, dh in der Person des Beschuldigten gelegene Umstände Bedacht zu nehmen. Soweit in subjektiver Hinsicht die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten zu berücksichtigen sind, sind diese Umstände im Verfahren zu erheben. Verweigert der Beschuldigte die dafür notwendigen Angaben und können diese von Amts wegen nicht festgestellt werden, sind die finanziellen Verhältnisse des Beschuldigten letztlich zu schätzen (vgl. Lewisch/Fister/Weilguni, VStG Kommentar2 [2017], § 19 Rz 3, 7, 8 und 16 mwN).

3.6.1 Zu den objektiven Kriterien ist festzuhalten, dass – wie bereits oben dargelegt wurde –Untersuchungsausschüsse der parlamentarischen Kontrolle der Vollziehung dienen und die Befragung von Auskunftspersonen ein Kernelement der Ermittlungstätigkeit eines Untersuchungsausschusses darstellt. Wenn der Untersuchungsausschuss dabei auf das Erscheinen und die Mitwirkung der geladenen Auskunftspersonen angewiesen ist, erweist sich die Beeinträchtigung der Tätigkeit eines Untersuchungsausschusses durch die Nichtbefolgung einer Ladung ohne genügende Entschuldigung durch eine Auskunftsperson keineswegs als bloß unerheblich.

3.6.2 Zu den subjektiven Kriterien ist zu beachten: Die Festsetzung einer Geldbuße ist eine Ermessensentscheidung (vgl. VwGH 27.1.2016, Ro 2015/03/0042), bei der neben den gesetzlichen Bemessungsfaktoren die Umstände des Einzelfalles und der Kontext der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen sind. Es handelt sich um eine rechtliche und wirtschaftliche Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände, nicht um das Ergebnis einer schlichten Rechenoperation (vgl. VwGH 18.3.2015, 2012/04/0070 mwN zur Geldbußenbemessung, insbesondere im Vergabe- und Kartellverfahren, sowie allgemein zum Charakter einer Geldbuße). Voraussetzung für die rechtmäßige Ausübung des Ermessens ist, dass der Sachverhalt in den für die Ermessensübung maßgebenden Punkten ordnungsgemäß und hinreichend vollständig ermittelt wurde (vgl. VwGH 18.3.2015, 2012/04/0070 mit Verweis auf Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht³, 267f). Um die Überprüfbarkeit des bei der Geldbuße geübten Ermessens zu gewährleisten, „hat die Behörde ausgehend von den konkreten Feststellungen zu den Sachverhaltsgrundlagen, die in die Ermessensentscheidung erschwerend oder mildernd einfließen, darzulegen, weshalb die Höhe der im Einzelfall verhängten Geldbuße den [...] festgelegten gesetzlichen Anforderungen der Wirksamkeit, Angemessenheit und Eignung zur Abschreckung entspricht“ (vgl. VwGH 18.3.2015, 2012/04/0070).

§ 55 VO-UA ist mit „Beugemittel“ überschrieben, woraus sich ableiten lässt, dass es sich bei den in § 55 VO-UA vorgesehenen Beugestrafen um "Beugemaßnahmen" und somit um Vollstreckungsmaßnahmen handelt, die der effektiven Durchsetzung der Pflicht einer Auskunftsperson zum Erscheinen vor einem Untersuchungsausschuss dienen (vgl. VwGH 27.1.2016, Ro 2015/03/0042).

In sinngemäßer Anwendung des § 19 Abs. 2 VStG sind die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse der Antragsgegnerin bei der Bemessung der Beugestrafe zu berücksichtigen. In diesem Sinne sind die getroffenen diesbezüglichen Feststellungen der Bemessung zugrunde zu legen und ist zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin keine Sorgepflichten hat und Geschäftsführerin mehrerer Unternehmen ist.

Als mildernd muss berücksichtigt werden, dass die Antragsgegnerin ihrer (verfahrensrechtlichen) Mitwirkungspflicht im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nachgekommen ist (das Erscheinen zur Vernehmung und der Beitrag zur Wahrheitsfindung). Überdies ist ferner zu bedenken, dass die als Entschuldigungsgrund geltend gemachte Befürchtung der Antragsgegnerin einer Infektion mit COVID-19 (und damit verbunden die Übertragung des Virus auf ihren Ehemann, welcher der Risikogruppe für einen schweren bis dramatischen Krankheitsverlauf angehört) vor dem Hintergrund einer globalen Pandemie historischen Ausmaßes zu sehen ist, die den Umgang mit der Infektionsproblematik mitunter auch emotional herausfordernd macht. Mag der Entschuldigungsgrund angesichts diverser Schutzmaßnahmen vor einer Infektion das Fernbleiben der Antragsgegnerin auch nicht rechtfertigen, so erscheint der Unrechtsgehalt der Tat aufgrund der pandemiebedingten Ausnahmesituation dennoch in der vorliegenden Konstellation niedriger als im Vergleich zu anderen Fällen, in denen geladene Auskunftspersonen (gleichfalls) ohne genügende Entschuldigung ferngeblieben sind.

Als erschwerend ist zu werten, dass die Antragsgegnerin – abgesehen von ihrem Vorschlag zugunsten einer Befragung über Video vom Wohnort aus – ab dem 21.10.2020 ihr Erscheinen strikt abgelehnt und auch das – entgegenkommende – Angebot einer Befragung in einem separaten Raum ausgeschlagen hat.

3.7 Unter Zugrundelegung dieser objektiven und subjektiven Kriterien war gegenüber der Antragsgegnerin eine Geldstrafe im unter der mittleren Höhe liegenden Bereich des Strafrahmens (Euro 500,-- bis Euro 5.000--), sohin in der Höhe von Euro 2.000,--, zu verhängen.

4. Nach ständiger Rechtsprechung sind Zwangsstrafen iSd § 36 Abs. 1 iVm § 55 Abs. 1 VO-UA keine Strafen iS des Art. 6 EMRK, sodass diese Bestimmung einem Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht entgegensteht (vgl. VfSlg. 10.840/1986; VwGH 24.3.2014, 2012/01/0161 sowie OGH 16.2.2012, 6 Ob 17/12m). Von der Antragsgegnerin ist überdies auf eine öffentliche mündliche Verhandlung ausdrücklich verzichtet worden (siehe S. 6 des Vernehmungsprotokolls).

Zu Spruchpunkt B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 9 iVm Abs. 4 B-VG nicht zulässig, da die vorliegende Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhing, der grundsätzliche Bedeutung zukommt: Der Beschluss bewegt sich nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts im Rahmen der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wobei die maßgeblichen Rechtsfragen in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bislang nicht uneinheitlich beantwortet wurden. Auch sind keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage ersichtlich, zumal die Rechtslage eindeutig ist (vgl. VwGH 27.1.2016, Ro 2015/03/0042; 28.2.2018, Ro 2017/04/0120).

Schlagworte

Abwesenheit ärztliche Bestätigung Auskunftsperson Auskunftspflicht Beugestrafe Einvernahme Ermessen Ermessensübung Geldbuße Geldstrafe Gesundheitsrisiko Interessenabwägung Ladungen Mitwirkungspflicht persönliche Einvernahme Risikogruppe Risikominimierung Risikovermeidung Strafbemessung Untersuchungsausschuss Unzumutbarkeit Videoaufnahme Zumutbarkeit Zustellung zu eigenen Handen Zwangsstrafe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W110.2237415.1.00
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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