TE Vwgh Erkenntnis 1974/11/6 1262/73

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.11.1974
beobachten
merken

Index

StVO
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §37
AVG §39 Abs2
AVG §45 Abs2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Dolp und die Hofräte Dr. Schmid, Dr. Schmelz, Dr. Reichel und Großmann als Richter, im Beisein des Schriftführers Landesregierungsoberkommissär Dr. Yasikoff, über die Beschwerde des FG in L, vertreten durch Dkfm. Dr. Kurt Sailer, Rechtsanwalt in Ried im Innkreis, Roßmarkt 1, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 15. Mai 1973, Zl. VerkR-1970/1-1973-II, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Bezirkshauptmannschaft Eferding sprach mit Straferkenntnis vom 6. Februar 1973 aus, der Beschwerdeführer habe am 6. Juli 1971 um 6.35 Uhr den Lastkraftwagenzug O auf der Bundesstraße 134 von Breitenaich in Richtung Eferding gelenkt, obwohl er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe. Dadurch habe er eine Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 begangen und es werde über ihn gemäߧ 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 eine Geldstrafe von S 5.000,-- (Ersatzarreststrafe 4 Wochen) verhängt. In der Begründung dieses Straferkenntnisses wurde ausgeführt, gemäß der zitierten Gesetzesstelle gelte bei einem Blutalkoholgehalt von 0,8 %o und darüber der Zustand einer Person als von Alkohol beeinträchtigt. Der strafbare Tatbestand sei im Zuge der durchgeführten Unfallserhebungen festgestellt worden. Gegen die Richtigkeit der Verantwortung des Beschwerdeführers, unmittelbar vor dem Unfall eine Halbe Bier getrunken zu haben, bestünden Bedenken. Der Beschwerdeführer habe weder bei der Einvernahme beim Gendarmerieposten Eferding noch im Zuge der klinischen Untersuchung bei Dr. S. angegeben, daß er während der Fahrt Alkohol zu sich genommen habe. Außerdem sei erwiesen, daß die Angaben des Beschwerdeführers über den Alkoholkonsum unrichtig seien. Der Blutalkoholgehalt des Beschwerdeführers habe zur Unfallszeit 0,88 %o betragen. Hätte der Beschwerdeführer vor dem Unfall eine Halbe Bier getrunken, so müßte er, damit dieser Blutalkoholgehalt auch entstehen habe können, unbedingt bis spätestens eine Stunde vor dem Unfall ein Mehrfaches dessen getrunken haben, was er zugebe. Der Beschwerdeführer habe überdies seine Behauptung durch keinerlei Zeugenaussagen erhärten können, weshalb diese auch nicht geeignet gewesen seien, das Blutuntersuchungsergebnis der Bundesstaatlichen Bakteriologisch-Serologischen Untersuchungsanstalt Linz a.d.D, von 0,88 %o in Zweifel zu ziehen. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er im wesentlichen vorbrachte, man könne nicht mit den Werten des Sachverständigengutachtens operieren, weil die Meßergebnisse hinsichtlich Hunderttausendstel bei allen Sachverständigengutachten ungenau seien. Dazu komme aber noch, daß der Beschwerdeführer tatsächlich unmittelbar vor dem Unfall anläßlich der Jause Alkohol getrunken habe. Bei Berücksichtigung dieses Umstandes ergäbe sich zur Unfallszeit nur eine Blutalkoholkonzentration von ungefähr 0,7 %o. Die Begründung des angefochtenen Bescheides, daß gegen die Richtigkeit dieser Verantwortung Bedenken bestünden, reiche nicht aus, um einen Gegenbeweis zu begründen. Die Behörde hätte beweisen müssen, daß die Verantwortung des Beschwerdeführers unrichtig sei. Im übrigen berief sich der Beschwerdeführer zum Beweis für sein Vorbringen auf den Akt des Kreisgerichtes Wels Zl. 14 EVr 1015/71, Hv 143/71, das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz vom 26. Mai 1972, Zl. 7 Bs 8/72, und das darin enthaltene Sachverständigengutachten.

Mit dem nunmehr mit Beschwerde angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und bestätigte das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Eferding. In der Begründung dieses Bescheides heißt es, entscheidend für den Blutalkoholgehalt des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt des Verkehrsunfalles sei, ob der Konsum einer Flasche Bier (gemeint wohl unmittelbar vor Antritt der Fahrt) als erwiesen angenommen werde oder nicht. Die Berechnungen der Sachverständigen hätten nämlich, wenn eine Flasche Bier ca. 20 Minuten vor dem Unfall konsumiert worden sei, einen Blutalkoholgehalt von 0,7 %o ergeben, dagegen einen Blutalkoholgehalt von 0,88 %o bis 0,85 %o zum Zeitpunkt des Unfalles, wenn der Beschwerdeführer die Flasche Bier nicht getrunken habe. Diese Berechnungen würden auch vom Beschwerdeführer nicht in Zweifel gezogen und der belangten Behörde erschienen sie wissenschaftlich begründet und ohne erkennbaren Fehler, sodaß diese Berechnungen eine brauchbare Entscheidungsgrundlage darstellten. Zum Alkoholkonsum habe der Beschwerdeführer nach dem Verkehrsunfall bei seiner Untersuchung durch den Gemeindearzt angegeben, am Unfallstag keine alkoholischen Getränke zu sich genommen, am Abend des Vortages jedoch zwei Flaschen Bier getrunken zu haben. Auch der Gendarmerie gegenüber habe der Beschwerdeführer jeden Alkoholgenuß am Unfallstag bestritten. Erst in seiner Rechtfertigung vom 20. September 1972 habe der Beschwerdeführer vorgebracht, er habe kurz vor dem Unfall eine Flasche Bier getrunken. Dieses neue Vorbringen sei jedoch unglaubwürdig. Erfahrungsgemäß wurden gerade bei den ersten Erhebungen nach dem Verkehrsunfall wahrheitsgemäße Angaben gemacht. Wenn der Beschwerdeführer mehr als zwei Monate nach dem Verkehrsunfall vorbringe, er habe kurz vor dem Verkehrsunfall eine Flasche Bier getrunken, so sei dies als eine bloße Schutzbehauptung zu werten. Da die belangte Behörde davon ausgehe, daß der Beschwerdeführer kurz vor dem Verkehrsunfall nicht eine Flasche Bier getrunken habe, ergäbe sich auf Grund der übereinstimmenden Sachverständigengutachten, daß der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt des Unfalles einen Blutalkoholgehalt von mehr als 0,8%o gehabt habe, wobei 0,85 %o als der für den Beschwerdeführer günstigste Wert angenommen werde. Daß allgemein der für den Beschwerdeführer günstigste Wert zur Beurteilung des Grades der Alkoholisierung herangezogen werde, ergebe sich aus dem Zweifelsgrundsatz des Strafverfahrens, sodaß auch die Bedenken des Beschwerdeführers hinsichtlich der Genauigkeit der Hunderttausendstelstellen unbegründet seien. Mit Urteil des Oberlandesgerichtes Linz vom 26. Mai 1972, Zl. 7 Bs 8/72, sei zu Recht erkannt worden, daß der Beschwerdeführer nicht in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt habe. Das Oberlandesgericht sei zu diesem Ergebnis gekommen, weil es die vorliegenden Beweise anders als die belangte Behörde gewürdigt und demnach trotz größter Bedenken einen anderen Sachverhalt als erwiesen angenommen habe. Die Verwaltungsbehörde sei jedoch an Urteile von Gerichten nicht gebunden, weshalb die belangte Behörde die von dem strafgerichtlichen Urteil abweichende Entscheidung erlassen habe können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer rügt als wesentlichen Verfahrensmangel, daß die belangte Behörde den vom Beschwerdeführer beantragten Sachverständigenbeweis nicht durchgeführt habe. Der Beschwerdeführer habe, gestützt auf die Entscheidungen der Höchstgerichte, dargelegt, daß bei Blutalkoholbestimmungen eine Fehlerquelle von ± 1 %o (gemeint wohl 0,1 %o) berücksichtigt werden müsse. Durch den beantragten Sachverständigenbeweis hätte der Beschwerdeführer demnach beweisen können, daß die Feststellung von 0,85 bis 0,88 %o keine absolute Ziffer sei und daß der tatsächliche Schwankungsrahmen in einem solchen Fall 0,75 bis 0,95 %o betrage. Selbstverständlich hätte dann in Anwendung des Rechtssatzes „in dubio pro reo“ nicht als erwiesen angenommen werden dürfen, daß der Blutalkoholgehalt des Beschwerdeführers im Unfallszeitpunkt die 0,8 %o Grenze erreicht habe. Es könne sein, daß die Verwaltungsbehörde an gerichtliche Entscheidungen nicht gebunden sei, das könne aber doch nur dann gelten, wenn die Verwaltungsbehörden ein eigenes Beweisverfahren abführen. Das sei aber im vorliegenden Fall nicht geschehen. Die belangte Behörde habe den Beschwerdeführer nur zur Rechtfertigung aufgefordert und sodann an Hand der Aktenlage entschieden. Wenn hiezu die belangte Behörde von der Verantwortung des Beschwerdeführers, er habe eine Flasche Bier ca. 20 Minuten vor dem Unfall getrunken, abgegangen sei, so hätte dies nur nach persönlicher Einvernahme des Beschwerdeführers geschehen dürfen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 40 Abs. 1 VStG 1950 hat die Behörde, wenn sie nicht von der Verfolgung absieht, dem Beschuldigten Gelegenheit zu geben, sich zu rechtfertigen. Zu diesem Zweck kann die Behörde gemäß § 40 Abs. 2 leg. cit. den Beschuldigten zur Vernehmung laden oder ihn auffordern, nach seiner Wahl entweder zu einem bestimmten Zeitpunkt zu seiner Vernehmung zu erscheinen oder sich bis zu diesem Zeitpunkt schriftlich zu rechtfertigen. Demnach hat im Verwaltungsstrafverfahren der Beschuldigte, wenn, wie im vorliegenden Fall, eine Aufforderung nach § 40 Abs. 2 VStG 1950 an ihn ergangen ist, die Wahl, sich entweder selbst in mündlicher Verhandlung vor der Behörde zu verantworten oder aber sich schriftlich zu rechtfertigen. Da der Beschwerdeführer die Form der schriftlichen Rechtfertigung gewählt hat, war seine Vernehmung nicht erforderlich. Wenn aber die belangte Behörde im Hinblick auf die ursprüngliche Verantwortung des Beschwerdeführers nach dem Unfall seiner späteren abweichenden Rechtfertigung, er habe noch ca. 20 Minuten vor dem Unfall eine Flasche Bier getrunken, keinen Glauben geschenkt hat, so kann darin keine Rechtswidrigkeit und auch keine Unschlüssigkeit in der Beweiswürdigung erblickt werden. Aber auch der weitere vom Beschwerdeführer erhobene Vorwurf, die belangte Behörde habe überhaupt kein Beweisverfahren durchgeführt, ist nicht berechtigt. Der Beschwerdeführer übersieht, daß dem Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Eferding ein umfangreiches Ermittlungsverfahren vorausgegangen ist und der Behörde außer der Anzeige, das Ergebnis der klinischen Untersuchung, des positiven Alkotestes und das Gutachten der Bundesstaatlichen Bakteriologisch-Serologischen Untersuchungsanstalt Linz über den Blutalkoholgehalt sowie die Rechtfertigung des Beschwerdeführers zur Verfügung standen. Diese Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens reichten aber auch für die Entscheidung durch die belangte Behörde aus. Wie auch der Beschwerdeführer erkannt hat, ist die Verwaltungsbehörde, von den im Gesetz vorgesehenen Ausnahmen abgesehen, an den Spruch einer gerichtlichen Entscheidung nicht gebunden. Es braucht daher wohl nicht erst betont zu werden, daß die Bindung einer Behörde an die Beweiswürdigung eines Strafgerichtes schon gegen den in § 45 Abs. 2 AVG 1950 normierten Grundsatz der freien Beweiswürdigung verstoßen würde. Im vorliegenden Fall geht der Beschwerdeführer so weit, daß er im Ergebnis eine Bindung der belangten Behörde an den vom Strafgericht angewendeten Rechtsgrundsatz in dubio pro reo ableitet. Er verkennt dabei, daß das Strafgericht zwar die Verantwortung des Beschwerdeführers über den behaupteten Sturztrunk nicht geglaubt, aber dennoch vermeint hat, der Beschwerdeführer sei der Tat des § 337 lit. b StG nicht mit hinreichender Sicherheit überwiesen worden, Die belangte Behörde hat auf Grund der freien Beweiswürdigung der Verantwortung des Beschwerdeführers über den behaupteten Sturztrunk ebenfalls keinen Glauben geschenkt, ist aber auf Grund der Ergebnisse des gesamten Ermittlungsverfahrens zu dem Tatsachenschluß gekommen, daß der Beschwerdeführer zur Tatzeit einen Blutalkoholgehalt von mehr als 0,8 %o aufgewiesen hat. Dieser Schluß ist unbedenklich, weil das Sachverständigengutachten der Bundesstaatlichen Bakteriologisch-Serologischen Untersuchungsanstalt Linz, das in seinem Ergebnis vom Beschwerdeführer nicht einmal angezweifelt wird, einen über 0,8 %o liegenden Blutalkoholgehalt im Zeitpunkt des Unfalles unter der Voraussetzung ermittelt hat, daß vom Beschwerdeführer innerhalb der letzten Stunde vor der Tatzeit kein Alkohol konsumiert worden ist. Bleibt nur noch die erstmals in der Beschwerde enthaltene Behauptung, daß bei Blutalkoholbestimmungen eine Fehlerquelle von ± 1 %o (gemeint wohl 0,1 %o) berücksichtigt werden müsse. Diese Behauptung hat der Beschwerdeführer durch nichts belegt, insbesondere konnte er für deren Richtigkeit keine konkreten wissenschaftlich fundierten Behauptungen aufstellen. Im Verwaltungsstrafverfahren hat der Beschwerdeführer in seiner Berufung nur ausgeführt, daß die Meßergebnisse hinsichtlich Hundertausendstel nach allen Sachverständigengutachten ungenau seien; daß man an sich mit diesen Werten nicht mehr operieren könne und hat hiezu die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt. Nunmehr leitet der Beschwerdeführer in seinen Beschwerdeausführungen unter Angabe einer Größe der Fehlerquelle von ± 0,1%o einen Verfahrensmangel daraus ab, daß die belangte Behörde diesem Beweisantrag nicht entsprochen habe. Dieser Vorwurf ist aber nicht stichhältig. Die Behauptungen des Beschwerdeführers in seiner Berufung mußten bei den eindeutigen, schlüssigen und wissenschaftlich begründeten Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens die belangte Behörde nicht veranlassen, noch ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen. In der Unterlassung des beantragten Sachverständigenbeweises kann daher eine Rechtswidrigkeit nicht erblickt werden. Im übrigen hat das Gutachten, das die belangte Behörde zur Grundlage ihrer Entscheidung genommen hat, ohnehin eine Fehlerquelle von 0,03 %o berücksichtigt und die belangte Behörde hat überdies den für den Beschwerdeführer sich daraus ergebenden günstigsten Wert seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Da der Beschwerdeführer nicht stichhaltige Gründe gegen die Richtigkeit dieses Sachverständigengutachtens anzuführen vermochte, bestehen keine Bedenken gegen die von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen und die rechtliche Wertung.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.

Der Kostenausspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 14. November 1972, BGBl. Nr. 427.

Wien, am 6. November 1974

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Verhältnis Gericht Verwaltungsbehörde Verhältnis Gericht - Verwaltungsbehörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1974:1973001262.X00

Im RIS seit

17.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

17.12.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten