Index
50/01 Gewerbeordnung;Norm
GewO 1994 §28 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde des A in L, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 17. Februar 1995, Zl. 316.928/3-III/4/94, betreffend Verweigerung der Nachsicht vom Befähigungsnachweis, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 2. Dezember 1993 wurde dem Beschwerdeführer - entsprechend seinem Ansuchen vom 25. Oktober 1993 - die Nachsicht vom Befähigungsnachweis für das Friseur- und Perückenmacherhandwerk gemäß § 28 Abs. 1 Z. 2 GewO 1973 in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 29/1993, erteilt.
Gegen diesen Bescheid erhob die Landesinnung Oberösterreich der Friseure Berufung, in der sie geltend machte, der Beschwerdeführer habe eine praktische Tätigkeit von lediglich 15 Monaten nachgewiesen. Gemessen an der in Österreich bestehenden dreijährigen Lehrzeit könne seine hinreichende tatsächliche Befähigung daher nicht angenommen werden. Abgesehen von der Unklarheit der in der Türkei geregelten Zulassungsbedingungen zur Ablegung der Meisterprüfung habe die Behörde zu Unrecht angenommen, daß dem Beschwerdeführer eine Ablegung der Meisterprüfung im Inland unzumutbar wäre. Die besonderen örtlichen Verhältnisse würden (aus den im einzelnen in der Berufung dargestellten Umständen) nicht für eine Nachsichtserteilung sprechen. Zudem habe die Behörde unberücksichtigt gelassen, daß der Beschwerdeführer über keinerlei kaufmännische und rechtliche Kenntnisse verfüge.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 17. Februar 1995 wurde der genannten Berufung Folge gegeben, der erstinstanzliche Bescheid behoben und dem Beschwerdeführer die Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis für das Friseur- und Perückenmacherhandwerk zum Zwecke der Ausübung dieses Gewerbes gemäß § 28 Abs. 1 GewO 1994 verweigert. Zur Begründung führte der Bundesminister - soweit für die Behandlung der Beschwerde noch relevant - aus, der Beschwerdeführer habe nach den von ihm beigebrachten Nachweisen lediglich im Fach "Männerfriseur" in der Türkei die Meisterprüfung abgelegt. Eine einschlägige Ausbildung im Damenfach habe er nicht nachgewiesen. Demnach könne nicht angenommen werden, daß er über die volle Befähigung im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 verfüge. Aus den vorgelegten Unterlagen sei auch nicht zu erkennen, ob die von ihm abgelegte Prüfung in fachlicher und kaufmännischer Hinsicht einer österreichischen Meisterprüfung im Herrenfach entspreche. Im Hinblick auf das Fehlen der "vollen Befähigung" sowie mangels Vorliegens eines Ausnahmegrundes könne weder eine auf Z. 1 noch eine auf Z. 2 des § 28 Abs. 1 GewO 1994 gestützte Nachsicht erteilt werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf Erteilung der begehrten Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis für das Friseur- und Perückenmacherhandwerk verletzt. Er bringt hiezu zunächst vor, die Landesinnung habe in ihrem Schreiben vom 14. April 1993 die von ihm beantragte Nachsichtserteilung abgelehnt. Am 8. Juli 1993 habe die Landesinnung in ihrem Gutachten aber unter anderem die Entscheidung "in das Ermessen der dortigen Behörde gestellt" und sich letztlich nicht mehr "dezidiert" gegen die Nachsichtserteilung ausgesprochen. Der erstinstanzliche Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich habe daher dem Gutachten der Landesinnung nicht widersprochen. Die belangte Behörde hätte die Berufung mangels Vorliegen der Voraussetzungen des § 346 Abs. 4 letzter Satz GewO als unzulässig zurückweisen müssen.
Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides dargetan.
Im erstinstanzlichen Verfahren erstattete die Landesinnung Oberösterreich der Friseure zum Nachsichtsansuchen des Beschwerdeführers ausschließlich die Stellungnahme vom 12. November 1993. Daß sich die genannte Innung mit dieser Stellungnahme eindeutig gegen eine Nachsichtserteilung aussprach und die Erlassung eines negativen (das Ansuchen des Beschwerdeführers abweisenden) Bescheides vorschlug, ist unstrittig (vgl. den dritten Absatz auf Seite 2 des erstinstanzlichen Bescheides) und wird auch vom Beschwerdeführer nicht bezweifelt. Hingegen sind die in der Beschwerde behaupteten Stellungnahmen (vom 14. April 1993 und vom 8. Juli 1993) nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten von der Landesinnung Oberösterreich der Friseure nicht erstattet worden. Es ist auch nicht einsichtig, inwieweit diese Innung im April und Juli 1993 zu einem im Oktober 1993 an die Behörde erster Instanz gerichteten Ansuchen ein Gutachten hätte erstatten können. Vielmehr erging die behördliche Aufforderung zur Abgabe eines Gutachtens (vgl. § 346 Abs. 3 GewO 1994) an die genannte Innung überhaupt erst mit Schreiben vom 5. November 1993.
Die aktenwidrigen (schon in sachverhaltsmäßiger Hinsicht unzutreffenden) Beschwerdeausführungen sind daher nicht geeignet, die Vorgangsweise der belangten Behörde - über die Berufung der Innung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in der Sache selbst zu entscheiden - als rechtswidrig zu erkennen.
Der Beschwerdeführer wendet sich in meritorischer Hinsicht ausschließlich dagegen, daß die belangte Behörde das Vorliegen seiner vollen Befähigung im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 nicht angenommen habe. Zum Nachweis dafür habe er sein Zeugnis über die in der Türkei abgelegte Prüfung für Friseurmeister, ein Dienstzeugnis (betreffend die Zeit vom 27. Oktober 1985 bis 28. Jänner 1987) und eine Bestätigung über Versicherungszeiten (betreffend seine Tätigkeit vom 28. März 1991 bis dato) vorgelegt. Daraus ergebe sich, daß er seit März 1985 als Damen- und Herrenfriseur gearbeitet und mehr als fünf Jahre einen eigenen Betrieb geführt habe. Es sei unverständlich, weshalb er die geforderte volle Befähigung nicht erfüllen sollte. Die behördliche Schlußfolgerung, daß er die volle Befähigung allein deshalb nicht zu erfüllen vermöge, weil er eine Meisterprüfung bloß als Männerfriseur nachgewiesen habe, sei unzutreffend. Die Behörde hätte von Amts wegen zu beurteilen gehabt, ob die vorgelegten Nachweise den von der österreichischen Rechtsordnung gestellten Anforderungen entsprechen bzw. inwieweit die Gleichwertigkeit gegeben sei. Die von ihm beigebrachten Belege seien stets aus österreichisch-formalem Blickwinkel betrachtet und dadurch von vornherein entwertet worden. Hätte die belangte Behörde aber ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt, hätte sie zu dem Ergebnis gelangen müssen, daß die Nachsicht gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 zu erteilen gewesen wäre.
Dieses Vorbringen vermag die Beschwerde nicht zum Erfolg zu führen.
Die Bestimmung des § 28 Abs. 1 GewO 1994 lautet:
"Sofern dieses Bundesgesetz oder eine Verordnung gemäß § 20 Abs. 4 oder § 22 Abs. 4 nichts Gegenteiliges bestimmt, ist die Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis zu erteilen, wenn
1. nach dem Bildungsgang und der bisherigen Tätigkeit des Nachsichtswerbers angenommen werden kann, daß er die für die Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen (volle Befähigung) besitzt und keine Ausschlußgründe gemäß § 13 vorliegen oder
2. eine hinreichende tatsächliche Befähigung des Nachsichtswerbers angenommen werden kann, keine Ausschlußgründe gemäß § 13 vorliegen und
a) dem Nachsichtswerber die Erbringung des vorgeschriebenen Befähigungsnachweises wegen seines Alters, seiner mangelnden Gesundheit oder sonstigen, in seiner Person gelegenen wichtigen Gründen nicht zuzumuten ist, oder
b) wenn besondere örtliche Verhältnisse für die Erteilung der Nachsicht sprechen."
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 6. November 1995, Zl. 95/04/0146, und vom 30. Jänner 1996, Zl. 95/04/0124) umfaßt die Nachsicht nach § 28 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 nicht die Befähigung (die für die Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen) sondern allein den - normativ - geforderten Nachweis dieser Befähigung. Hiebei bilden die den Befähigungsnachweis festlegenden Vorschriften den Maßstab dafür, ob die Nachsichtsvoraussetzungen des § 28 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. vorliegen. Die Nachsicht darf von vornherein nur erteilt werden, wenn die vom Nachsichtswerber absolvierte Ausbildung mindestens in gleicher Weise wie die in den den Befähigungnachweis festlegenden Vorschriften geforderte Ausbildung das Ausbildungsziel verwirklichen läßt. Die für die Nachsichtserteilung nach § 28 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. erforderliche volle Befähigung liegt daher nur im Falle der Beherrschung des gesamten Stoffes, umfassend die für die selbständige Ausübung des Gewerbes notwendigen Kenntnisse auf allen in der betreffenden Befähigungsnachweisverordnung angeführten Sachgebieten, vor.
Für den Beschwerdefall ist dies der in der Friseur-Meisterprüfungsordnung, BGBl. Nr. 326/1981, umschriebene Prüfungsstoff. Nach § 2 Abs. 1 dieser Verordnung umfaßt der fachlich-praktische Teil der Meisterprüfung die Ausführung von Meisterarbeiten in den Gegenständen Kundenbetreuung und Haararbeiten. Der Gegenstand der Kundenbetreuung beinhaltet die Herrenbedienung, die Damenbedienung und die Schönheitspflege. Der Gegenstand Haararbeiten umfaßt die im § 4 der Friseur-Meisterprüfungsordnung im einzelnen bezeichneten Meisterarbeiten. Der fachlich-theoretische Teil der Meisterprüfung umfaßt eine schriftliche Prüfung über Fachkalkulation und Kostenrechnung (§ 6 Abs. 2 der genannten Verordnung) sowie eine mündliche Prüfung über Fachkunde, Arbeitshygiene und Unfallverhütung (§ 6 Abs. 3 der genannten Verordnung). Daß er - auf welche Art auch immer - diese Ausbildungsziele erreicht habe, wurde vom Beschwerdeführer weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde entsprechend konkretisiert behauptet. Denn auch nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers muß davon ausgegangen werden, daß er insbesondere im Teilbereich Schönheitspflege (des Gegenstandes Kundenbedienung) und in Ansehung des Gegenstandes Haararbeiten nicht die geringste (praktische und sachlich-theoretische) Ausbildung nachzuweisen vermag. In der Beschwerde wird zudem auch nicht aufgezeigt, daß bzw. auf welchem Weg der Beschwerdeführer die Ausbildungsziele im Teilbereich Damenbedienung (des Gegenstandes Kundenbedienung) und der Gegenstände des fachlich-theoretischen Teiles der Meisterprüfung erreicht habe. Solcherart ist aber sein Vorbringen, die belangte Behörde hätte von Amts wegen prüfen müssen, ob die in der Türkei abgelegte Meisterprüfung als "Männerfriseur" mit einer in Österreich nach der genannten Verordnung abgelegten Prüfung gleichwertig sei, von vorneherein (schon in sachverhaltsmäßiger Hinsicht) nicht nachvollziehbar und jedenfalls unschlüssig. In der Beschwerde wird auch nicht behauptet, daß der Beschwerdeführer in dieser Hinsicht im Verwaltungsverfahren überhaupt ein Vorbringen erstattet habe. Derart und vor dem Hintergrund, daß es nicht Aufgabe der Behörde ist, von Amts wegen alle Fakten zu erheben, die möglicherweise für eine Nachsichtserteilung sprechen, zeigt der Beschwerdeführer mit seiner Verfahrensrüge - die Behörde habe kein ausreichendes amtswegiges Ermittlungsverfahren durchgeführt - einen entscheidungswesentlichen Verfahrensmangel nicht auf (vgl. in dieser Hinsicht auch die hg. Erkenntnisse vom 30. Jänner 1996, Zl. 95/04/0124, und vom 19. März 1996, Zl. 95/04/0147).
Daß aber eine Erteilung der Nachsicht nach § 28 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 schon wegen des Fehlens eines Ausnahmegrundes im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 2 lit. a oder lit. b leg. cit. nicht in Betracht kommt, wird auch vom Beschwerdeführer nicht bestritten.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG unterbleiben, da die Schriftsätze der Parteien erkennen lassen, daß die Entscheidung des Beschwerdefalles nicht von einer Klarstellung des Sachverhaltes abhängt, sodaß eine mündliche Erörterung keine Klärung erwarten ließ. Der Beschwerdeführer hat im Zusammenhang mit seinem Verhandlungsantrag auch keine Gründe vorgebracht, die eine Erörterung des vorliegenden Beschwerdefalles in einer mündlichen Verhandlung angezeigt erschienen ließen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995040081.X00Im RIS seit
20.11.2000