Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Außerstreitsache der Antragstellerin W***** GmbH, *****, vertreten durch Gibel Zirm Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, wider die Antragsgegnerin Stadtgemeinde *****, vertreten durch Dr. Christian Falkner, Rechtsanwalt in Baden, wegen Festsetzung einer Entschädigung gemäß § 36 NÖ ROG, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 23. Juni 2020, GZ 14 R 10/20y-25, womit der Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 28. November 2019, GZ 22 Nc 7/18y-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Parteien haben ihre Kosten selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die Antragstellerin – eine professionelle Bauträgerin – kaufte im Februar 2015 um 450.000 EUR von einer Dritten eine damals unbebaute, 1.158 m² große Liegenschaft im Stadtgebiet der Antragsgegnerin. Für diese Liegenschaft war – und ist – im Flächenwidmungsplan der Antragsgegnerin die Widmung „Bauland-Wohngebiet“, die Schutzzone „vorstädtische Zonen-Wohnsiedlungsgebiet (W) – Kategorie 04 Ortsbildzone“ sowie eine Beschränkung auf „3 Wohneinheiten“ verordnet. Im Bebauungsplan war zum Kaufzeitpunkt für die Liegenschaft eine „Bebauungsdichte“ von „45 %“ verordnet.
Der Gemeinderat der Antragsgegnerin fasste in seiner Sitzung vom 29. 9. 2015 den Beschluss, für das gesamte Stadtgebiet eine Bausperre nach § 35 NÖ ROG 2014 zu erlassen, um „den Bebauungsplan im Sinne der Erhaltung der siedlungstypischen Bebauungs- und Grünstrukturen im gesamten Stadtgebiet zu überprüfen und ggf zu überarbeiten“. Die Verordnung dieser Bausperre wurde am 30. 9. 2015 angeschlagen und trat am selben Tag in Kraft.
Die Antragstellerin tätigte ab Ende Oktober 2015 Planungen für die Bebauung der Liegenschaft unter Zugrundelegung einer Bebauungsdichte von 45 %. Im April 2016 erfuhr sie, dass die Antragsgegnerin eine Herabsetzung der Bebauungsdichte auf 30 % für die Liegenschaft plante. Nachdem sie dagegen interveniert hatte, teilte die Antragsgegnerin ihr mit, ein von ihr eingereichtes Bauprojekt werde eine Baubewilligung erhalten, wenn es mit einer Bebauungsdichte von 40 % eingereicht werde.
Die Antragstellerin reichte in der Folge – nach weiteren Planungen – im Dezember 2016 ein Wohnbauprojekt mit einer Bebauungsdichte von 40 % für zwei Wohnhausanlagen à drei Wohneinheiten und drei Abstellplätzen ein. Die Antragsgegnerin erteilte dafür am 13. 10. 2017 zwei Baubewilligungsbescheide.
Mit Schreiben vom 4. 12. 2017 und 12. 1. 2018 machte die Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin erfolglos einen Entschädigungsanspruch nach § 36 NÖ ROG für frustrierte Planungskosten und für eine Wertminderung der Liegenschaft wegen der Herabsetzung der Bebauungsdichte auf 40 % geltend.
Mit Vertrag vom 6. 3. 2018, verbüchert im Mai 2018, verkaufte die Antragstellerin die Liegenschaft – in nach wie vor unbebautem Zustand – um 780.000 EUR an eine Dritte.
Mit Beschluss vom 20. 3. 2018 verordnete der Gemeinderat der Antragsgegnerin eine Abänderung des Bebauungsplans, mit der ua für rund 2.000 Grundstücke im gesamten Stadtgebiet (davon über 50 in derselben Katastralgemeinde wie die Liegenschaft der Antragstellerin) konkrete Änderungen der Bebauungsdichte festgelegt wurden. Für die Liegenschaft der Antragstellerin wurde in dieser Verordnung die Bebauungsdichte von 45 % auf 40 % reduziert. Die Verordnung trat am 6. 4. 2018 in Kraft.
Die Antragstellerin begehrt, gestützt auf § 36 NÖ ROG 2014, die Festsetzung einer Entschädigung von 161.358 EUR für ihre aufgrund der Verminderung der Bebauungsdichte erlittenen Nachteile, und zwar 35.000 EUR für frustrierte Planungs- und Nebenkosten sowie 126.358 EUR für die Wertminderung der Liegenschaft.
Die Antragsgegnerin bestritt den geltend gemachten Entschädigungsanspruch insbesondere auch mit dem Argument, dass durch die Verminderung der Bebauungsdichte im Bebauungsplan die im Flächenwidmungsplan festgelegte Nutzung nicht zur Gänze ausgeschlossen werde. Eine bloß verminderte Bebaubarkeit einer Liegenschaft durch eine bloße – hier ohnehin nur geringe – Einschränkung der Bebauungsdichte begründe nach dem Gesetz keinen Entschädigungsanspruch.
Das Erstgericht wies den Antrag ab. Die frustrierten Planungsaufwendungen seien der Antragstellerin nach ihrem eigenen Vorbringen erst nach der Verhängung der Bausperre entstanden und hätten daher nicht im berechtigten Vertrauen auf die bisher zulässige Bebaubarkeit getätigt werden können. Der Antragstellerin stehe aber auch kein Ersatz für eine Wertminderung der Liegenschaft zu, weil sie zum Zeitpunkt der Abänderung des Bebauungsplans die Liegenschaft bereits um einen deutlich über ihren Anschaffungskosten gelegenen Preis verkauft gehabt habe.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Eine Gesetzesauslegung, dass die Regelung des § 36 Abs 1 NÖ ROG 2014, wonach durch die Festlegungen des Bebauungsplans die im Flächenwidmungsplan festgelegte Nutzung „ausgeschlossen“ sein muss, auch einen Entschädigungsanspruch für eine Baudichtereduktion von 45 % auf 40 % begründe, die weiterhin eine Bebaubarkeit zu Wohnzwecken mit sechs Wohneinheiten erlaube, werde auch vom äußersten Wortsinn der Bestimmung nicht gedeckt. Außerdem sehe § 27 Abs 1 lit a NÖ ROG 2014 für die – im Vergleich zu einer Änderung des Bebauungsplans weitaus tiefgreifendere – Umwidmung von Bauland in andere Widmungsarten bloß dann eine Entschädigung des Grundeigentümers vor, wenn die Bebaubarkeit „ausgeschlossen oder weitgehend verringert worden“ sei: Schon aufgrund eines Größenschlusses ergebe sich daher, dass nach § 36 Abs 1 NÖ ROG 2014 keine Entschädigungsansprüche aufgrund bloß geringfügiger Einschränkungen einer – auch nach der Änderung des Bebauungsplans weiterhin bestehenden – Bebauungsmöglichkeit zu Wohnzwecken begründet werden sollten. Ein nach verfassungsrechtlichen Grundsätzen entschädigungspflichtiges gleichheitswidriges „Sonderopfer“ der Antragsstellerin liege nicht vor.
Der ordentliche Revisionsrekurs sei gemäß § 62 Abs 1 AußStrG zulässig, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Auslegung der Entschädigungsvorschrift des § 36 Abs 1 NÖ ROG 2014, insbesondere zum Wort „ausgeschlossen“, bestehe.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, der auf eine Stattgebung des Antrags, hilfsweise auf eine Aufhebung der Vorentscheidungen abzielt.
Die Antragsgegnerin beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1.1 Der Flächenwidmungsplan hat nach § 14 Abs 1 NÖ ROG 2014 das Gemeindegebiet entsprechend den angestrebten Zielen zu gliedern und die Widmungsarten für alle Flächen festzulegen oder nach Maßgabe des § 15 Abs 2 leg cit kenntlich zu machen. Eine Entschädigung für jene vermögensrechtlichen Nachteile, die durch Änderungen von Baulandwidmungsarten in andere Widmungsarten entstanden sind, setzt nach § 27 Abs 1 lit a NÖ ROG 2014 ua voraus, dass durch die Umwidmung die Bebaubarkeit ausgeschlossen oder weitgehend verringert worden sein muss.
1.2 Nach § 29 Abs 1 NÖ ROG 2014 hat der Bebauungsplan „auf Grund des örtlichen Raumordnungsprogramms, insbesondere seiner Zielsetzung“ die Regeln für die Bebauung und die Verkehrserschließung festzulegen. Der Oberste Gerichtshof hat bereits festgehalten, dass es jedem Bebauungsplan immanent ist, gewisse Beschränkungen der Bebaubarkeit mit sich zu bringen (4 Ob 89/99p). So darf nach § 30 Abs 2 Z 6 NÖ ROG 2014 im Bebauungsplan neben dem in Abs 1 leg cit vorgesehenen Mindestinhalt für das Bauland ua auch die Bebauungsdichte festgelegt werden. Die Bebauungsdichte ist gemäß § 4 Z 10 NÖ Bauordnung 2014 das Verhältnis der bebauten Fläche der Gebäude zur Gesamtfläche des Grundstücks bzw jenes Grundstücksteils, für den diese Bestimmung des Bebauungsplans gilt (dh für jene Fläche des Grundstücks, die als Bauland gewidmet ist).
§ 36 Abs 1 NÖ ROG 2014 regelt (wortgleich wie schon § 76 Abs 1 NÖ BauO 1996) die Entschädigung im Fall einer Änderung des Bebauungsplans (§ 34 NÖ ROG 2014):
„(1) Die Gemeinde hat auf Antrag des Eigentümers eines Grundstücks im Bauland, welches keinem Bauverbot unterliegt, für vermögensrechtliche Nachteile eine angemessene Entschädigung zu leisten, wenn durch Festlegungen des Bebauungsplans die im Flächenwidmungsplan festgelegte Nutzung ausgeschlossen wird.“
2.1 Die Auslegung eines Gesetzes beginnt mit der Wortinterpretation, worunter die Erforschung des Wortsinns, der Bedeutung eines Ausdrucks oder eines Gesetzes nach dem Sprachgebrauch zu verstehen ist (RIS-Justiz RS0008896). Bleibt nach Wortinterpretation und logischer Auslegung die Ausdrucksweise des Gesetzes dennoch zweifelhaft, dann ist die Absicht des Gesetzgebers zu erforschen. Dazu versucht man, den Sinn einer Bestimmung unter Bedachtnahme auf den Zweck der Regelung zu erfassen (objektiv-teleologische Interpretation). Der Auslegende hat die gesetzgeberische Regelung und die darin zum Ausdruck kommenden Wertmaßstäbe des Gesetzgebers weiter und zu Ende zu denken (vgl RS0008836). Dabei steckt der äußerst mögliche Wortsinn die Grenze jeglicher Auslegung ab, die auch mit den sonstigen Interpretationsmethoden nicht überschritten werden darf (RS0031382).
2.2 Nach dem Wortlaut des § 36 Abs 1 NÖ ROG 2014 kommt eine Entschädigung nur dann in Betracht, wenn durch die Festlegungen des Bebauungsplans die Nutzung laut Flächenwidmungsplan ausgeschlossen, das heißt unmöglich gemacht oder vereitelt wird. Richtig hat das Rekursgericht ausgeführt, dass das hier nicht der Fall ist: Die Verminderung der Bebauungsdichte von 45 % auf 40 % durch Änderung des Bebauungsplans hat die im Flächenwidmungsplan festgelegte Nutzung keineswegs verhindert; sie hat ausschließlich die Regeln für die Bebauung modifiziert. Weiterhin ist – wie im Flächenwidmungsplan vorgesehen – die Ausführung von je einer Wohnhausanlage mit bis zu drei Wohneinheiten pro Grundstück möglich. Die Bebauungsdichte selbst ist nicht im Flächenwidmungsplan geregelt. Ihre Einschränkung kann, muss aber nicht zu einer Änderung der im Flächenwidmungsplan festgelegten Nutzung führen (vgl die unter Pkt 3.1 zitierten Beispiele). Ersteres käme hier etwa in Betracht, wenn keine drei Wohneinheiten mehr realisierbar wären. Die Reduktion der Bebauungsdichte allein begründet jedoch keinen Entschädigungsanspruch.
3.1 Dieses Ergebnis wird auch in Literatur und Schrifttum vertreten: Kienastberger/Stellner-Bichler (NÖ Baurecht2 [2018]) merken zu § 36 Abs 1 NÖ ROG 2014 an, dass zum Unterschied von den Entschädigungsregelungen bei der Änderung des örtlichen Raumordnungsprogramms (Flächenwidmungsplans) bei der Änderung des Bebauungsplans von der Gemeinde nur dann eine Entschädigung zu leisten sei, wenn durch die geänderten Festlegungen die widmungsgemäße Nutzung überhaupt ausgeschlossen werde (zB bei der großflächigen Ausweisung einer Freifläche bzw einer absoluten Baufluchtlinie, wodurch die Errichtung eines Hauptgebäudes nicht mehr möglich wäre). Daraus folge, dass eine bloß eingeschränkte Nutzungsmöglichkeit (zB die Festlegung einer niedrigeren Bauklasse oder Bebauungsdichte oder die erstmalige Festlegung einer Baufluchtlinie) nicht entschädigungsfähig sei. W. Pallitsch/P. Pallitsch/Kleewein (Kommentar zum niederösterreichischen Baurecht11 [2019] § 36 NÖ ROG Anm 2) sind ebenfalls der Ansicht, dass eine verminderte Bebaubarkeit, zB durch eine restriktive Festlegung von Baufluchtlinien, nicht ausreiche und eine Entschädigung vielmehr nur dann gebühre, wenn die im Flächenwidmungsplan festgelegte Nutzung, zB durch eine Festlegung von Freiflächen, gänzlich ausgeschlossen werde. Auch Hauer/Zaussinger/Kraemmer (NÖ Baurecht5 [1997] § 76 Bauordnung 1996 Anm 8) führen zur (wortgleichen) Vorgängerbestimmung aus, dass die nach dem Flächenwidmungsplan festgelegte Nutzung ausgeschlossen sein müsse und eine Verminderung der Bebaubarkeit nicht ausreiche, weil die Beschränkbarkeit der Ausnutzbarkeit von Grundflächen dem Wesen von Bebauungsplänen entspreche.
3.2 Auch aus der von der Antragstellerin ins Treffen geführten Kommentarstelle ist nichts für sie zu gewinnen: Riegler/Koziar (NÖBauO4 [2019] § 36 NÖ ROG Rz 1) geben bloß eine Passage aus den Materialien zu § 76 NÖ BO 1996, MB 8200-0, wieder, wonach „anstelle der bisher kaum in Anspruch genommenen Einlösung von Grundflächen im Bauland, die durch Maßnahmen der örtlichen Raumordnung (das wären nicht nur Bebauungsplan-Festlegungen, sondern auch Flächenwidmungsplan-Änderungen gewesen) unbebaubar geworden sind, […] eine Entschädigung für den Ausschluss oder die Einschränkung der Bebaubarkeit eines Grundstücks im Bauland durch Festlegungen des Bebauungsplanes analog zu § 24 des NÖ ROG 1976, 8000-10, [Anm: dem entspricht aktuell die Bestimmung des § 27 NÖ ROG 2014] vorgesehen“ werden sollte. Nach der alten Rechtslage (§ 19 NÖ BO 1976) war bei einer wesentlichen Verminderung der Bebaubarkeit von im Bauland gelegenen Grundstücken oder Grundstücksteilen durch behördliche Maßnahmen der örtlichen Raumordnung ausschließlich eine Grundeinlösung, also der Verlust des Eigentums an Grund und Boden gegen Entschädigung, vorgesehen. Durch die Einführung des § 76 NÖ BauO 1996 sollte dagegen unter Beibehaltung des Eigentums eine Entschädigung gewährt werden (vgl Hauer/Zaussinger/Kraemmer, NÖ Baurecht5 [1997] § 76 NÖ Bauordnung 1996 Anm 1).
Die zitierte Erläuterung in den Gesetzesmaterialien bezieht sich daher offenkundig auf die Umstellung des Entschädigungssystems. Daraus lässt sich aber nicht schließen, dass § 36 NÖ ROG 2014 entgegen seinem Wortlaut auch einen Entschädigungsanspruch für eine – die widmungsgemäße Nutzung nicht ausschließende – Einschränkung der Bebaubarkeit statuieren soll.
4. Das Rekursgericht hat zudem zutreffend darauf hingewiesen, dass auch im Hinblick auf die Regelung des § 27 Abs 1 NÖ ROG 2014 eine Entschädigung in dem Fall ausscheidet, dass durch die Änderung des Bebauungsplans die Bebaubarkeit – wie hier – nicht wesentlich eingeschränkt wird: Wenn sogar eine Entschädigung für den Fall einer Umwidmung voraussetzt, dass durch die Umwidmung die Bebaubarkeit ausgeschlossen oder weitgehend verringert wird, muss dies umso mehr für eine Entschädigung für den Fall einer Änderung des Bebauungsplans gelten. Mit diesem Argument setzt sich die Revisionsrekurswerberin in ihrem Rechtsmittel gar nicht auseinander.
5.1 Letztlich meint die Antragstellerin, § 36 NÖ ROG 2014 sei aus verfassungsrechtlichen Gründen dahingehend zu interpretieren, dass er einen Entschädigungsanspruch nicht davon abhängig mache, ob die Bebaubarkeit zur Gänze oder nur teilweise ausgeschlossen werde.
5.2 Richtig ist, dass aus verfassungsrechtlichen Gründen (insbesondere Art 7 B-VG) auch bei bloßen – von der Enteignung zu unterscheidenden – Eigentumsbeschränkungen die Festlegung einer Entschädigung geboten sein kann, um nicht dem einzelnen betroffenen Eigentümer zugunsten der Allgemeinheit ein unzumutbares „Sonderopfer“ aufzuerlegen (8 Ob 35/09v). Diese „Sonderopfertheorie“ fragt – wie bereits das Rekursgericht ausgeführt hat – danach, wann eine Eigentumseinschränkung dem Eigentümer ein besonders gravierendes Opfer zugunsten der Allgemeinheit abverlangt, ihn also in sachlich nicht rechtfertigbarer und unverhältnismäßiger Weise stärker belastet als im Allgemeinen andere Personen zugunsten des öffentlichen Wohls belastet sind (5 Ob 30/08k). Als wesentliche Parameter für die Beurteilung einer allfälligen verfassungsrechtlichen Vorgabe für die Festlegung einer Entschädigungspflicht werden die Dauer und Intensität der Einschränkung im Hinblick auf die bisherige Nutzung, der Vermögensverlust, die Vorhersehbarkeit, das bloße Erfassen einzelner oder kleiner Gruppen und die Frage einer prinzipiellen Änderung oder weitgehenden Reduzierung der mit dem Eigentum verbundenen Ausübungsbefugnisse gesehen (8 Ob 35/09v).
5.3 Der Auffassung des Rekursgerichts, dass hier von einem unzumutbaren „Sonderopfer“ nicht die Rede sein könne, weil der Antragstellerin eine wirtschaftlich sinnvolle Verwertung der Liegenschaft auch bei einer Bebauungsdichte von 40 % möglich war, vermag die Antragstellerin nichts Stichhältiges entgegenzusetzen. Es stellt gerade keine Ungleichbehandlung gleicher Sachverhalte dar (vgl RS0109606), wenn ein Eigentümer, der Aufwendungen im Vertrauen auf das bisher zulässige Ausmaß der Bebaubarkeit des Grundstücks getätigt hat, keine Entschädigung erhält, weil die Bebaubarkeit auf seinem Grundstück eben nicht ausgeschlossen oder auch nur wesentlich beeinträchtigt ist, wohingegen ein anderer Eigentümer eine Entschädigung enthält, weil das auf seinem Grundstück sehr wohl der Fall ist. Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin durch die Änderung des Bebauungsplans stärker belastet wird, als andere Grundeigentümer, für deren Grundstücke die Bebauungsdichte ebenfalls angepasst wurde, liegen nicht vor. Schließlich sei darauf verwiesen, dass die Antragstellerin die als frustriert geltend gemachten Aufwendungen erst nach dem am 30. 9. 2015 in Kraft getretenen Baustopp tätigte, dem ja eine Überprüfung und allfällige Überarbeitung des Bebauungsplans vor allem auch in Bezug auf die Bebauungsdichte zugrunde lag.
6. Dem Revisionsrekurs war daher keine Folge zu geben.
7. Die Kostenentscheidung gründet auf § 36 Abs 5 NÖ ROG 2014 iVm § 44 EisbEG.
Textnummer
E130074European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0080OB00085.20P.1123.000Im RIS seit
17.12.2020Zuletzt aktualisiert am
17.06.2021