Entscheidungsdatum
12.11.2020Index
83 Naturschutz UmweltschutzNorm
AWG 2002 §38Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Dünser über die Beschwerde des AA, Adresse 1, Z, mitbeteiligte Partei BB GmbH, mit Sitz in der Adresse 2, Y, vertreten durch die Geschäftsführerin CC, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 06.09.2019, Zl ***, betreffend ein Verfahren nach dem AWG 2002, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,
zu Recht:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid hinsichtlich Spruchpunkt B) und hinsichtlich der damit verbundenen Verwaltungsabgabe von Euro 870,-- behoben. Stattdessen wird der Antrag auf Erteilung der naturschutzrechtlichen Bewilligung für die Errichtung und den Betrieb einer Bodenaushubdeponie im Bereich des X auf Gst Nr **1, KG W, abgewiesen.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der BB GmbH, mit Sitz in der Adresse 2, Y, vertreten durch die Geschäftsführerin CC, in Spruchpunkt A) die abfallwirtschaftsrechtliche Genehmigung und in Spruchpunkt B) die naturschutzrechtliche Bewilligung für die Errichtung und den Betrieb einer Bodenaushubdeponie im Bereich des X auf Gst Nr **1, KG W, mit einer Gesamtkapazität von 412.000 m3 auf einer Gesamtfläche von 39.710 m2 für einen Zeitraum von 20 Jahren, unter der Vorschreibung diverser Nebenbestimmungen, erteilt.
Dagegen richtet sich das fristgerecht erhobene Rechtsmittel des Landesumweltanwaltes vom 03.10.2019, Zl ***, in welchem dieser die Versagung der beantragten Bewilligung nach dem Tiroler Naturschutzgesetz 2005 beantragt.
Festgehalten wird, dass das vorliegende Verfahren ausschließlich die Frage der Erteilung der naturschutzrechtlichen Bewilligung betrifft.
I.1. Beschwerdevorbringen:
Der Landesumweltanwalt bringt in seiner Beschwerde vor, der angefochtene Bescheid sei mangelhaft und rechtswidrig – aus Sicht des Landesumweltanwalts gebe es zahlreiche Gründe, warum im gegenständlichen Fall eine Deponie mit einer derart großen Kubatur an diesem Standort nicht bewilligungsfähig sein könne.
Durch die Errichtung und den Betrieb der gegenständlichen Deponie komme es jedenfalls zu einer Beeinträchtigung der Schutzgüter des Naturschutzes. Das geplante Vorhaben führe nicht nur zu Beeinträchtigungen der Schutzgüter „Landschaftsbild“ und „Erholungswert“, vielmehr komme es auch zu Lebensraumverlusten für viele Arten und vorübergehend starken Beeinträchtigungen des Naturhaushaltes.
Hinsichtlich des öffentlichen Interesses habe die Behörde lediglich die Feststellung getroffen, dass dieses darin bestehe, unter bestmöglicher Vermeidung von Emissions- und Immissionsbelästigungen für Anrainer die Ablagerung der genehmigten Abfallarten zu ermöglichen, die Großteils im Gebiet DD bzw im EE anfallen würden.
Der Landesumweltanwalt bemängelt in seiner Beschwerde, dass die Behörde ein Überwiegen dieses langfristigen öffentlichen Interesses festgestellt habe, dieses jedoch nicht näher ausgeführt habe.
Die Argumentation der belangten Behörde sei für den Landesumweltanwalt nicht nachvollziehbar – schließlich würden die durch die Planungsverbände „FF“ und „DD“ erhobenen Bevölkerungszahlen und die Bevölkerungsentwicklung aufzeigen, dass mit einer explosionsartigen Zunahme der Bevölkerung und der Errichtung von Wohnobjekten im Ausmaß der genehmigten Kubatur nicht zu rechnen sei. Vielmehr sei davon auszugehen, dass das gegenständliche Vorhaben den Zweck verfolge, lediglich „vorsorglich“ eine Deponiemöglichkeit für Bodenaushub aus einer allfälligen Umfahrung oder einem Tunnelprojekt zu schaffen.
Zudem verweist der Landesumweltanwalt auf die im gegenständlichen Bereich ohnehin schon hohe Verkehrsbelastung und bringt vor, die Feststellungen zum Bereich „Verkehr“ im angefochtenen Bescheid seien unzureichend. Es seien keine Fragen an den verkehrstechnischen Amtssachverständigen dahingehend gestellt worden, wie sich die Situation konkret an den reise- und damit verkehrsintensivsten Samstagen darstelle – konkret welche Auswirkungen zusätzliche LKW- oder sonstige Kfz-Fahrten auf die ohnehin belastete Situation ausüben würden. Dies wäre insbesondere aufgrund der Betriebszeiten der Deponie auch samstags zwischen 06:00 Uhr und 13:00 Uhr notwendig gewesen.
Dem Landesumweltanwalt erschließe sich auch nicht, welche Vorteile die Anrainer einer Gemeinde hätten, wenn beispielsweise von einem Bauprojekt in Y Bodenaushub auf den X verfrachtet würde. Die LKWs oder sonstigen Kraftfahrzeuge würden dafür über die B *** durch kleinere und größere Ortschaften fahren und würden dort Emissionen erzeugen, die auf die Anrainer der Gemeinden direkt oder indirekt einwirken würden. Dadurch würden pro Anlieferung knapp 60 km durch LKWs in einem ohnehin stark belasteten Gebiet zusätzlich zurückgelegt.
Überdies seien bereits Bodenaushubdeponien in GG und JJ vorhanden, die mit Kapazitäten von 670.000 m3 bzw 195.000 m3 die Feststellungen der Behörde zum öffentlichen Interesse in der gegenständlichen Sache komplett invalidieren würden. Schließlich könne die Ablagerung von Bodenaushub, der im Gebiet DD bzw im KK Talkessel anfalle, mit diesen genehmigten Kapazitäten gewährleistet werden ohne eine zusätzliche Deponie auf dem X zu errichten.
Auch aus emissions- und immissionstechnischer Sicht seien einige Fragen offen, die einer erneuten Beurteilung bedürfen würden.
Mit Schreiben des Landesverwaltungsgerichts vom 14.10.2019, Zl LVwG-2019/15/2069-1, wurde die Beschwerde des Landesumweltanwaltes der BB GmbH mit der Einladung übermittelt, dazu binnen 14 Tagen eine Stellungnahme abzugeben. Zudem erging die Aufforderung, jene langfristigen öffentlichen Interessen bekannt zu geben, die für die Verwirklichung des Vorhabens sprechen.
I.2. Vorbringen der BB GmbH:
Die BB GmbH brachte anlässlich ihrer Stellungnahmen vom 22.10.2019 bzw vom 07.02.2020 dazu vor, der Landesumweltanwalt sei in gegenständlichem Verwaltungsverfahren präkludiert. Schließlich seien in der am 05.06.2019 stattgefundenen öffentlichen mündlichen Verhandlung seitens des Landesumweltanwaltes keinerlei Einwendungen erhoben worden. Der Einwand des fehlenden öffentlichen Interesses sei erstmals in der nunmehr vorliegenden Beschwerde erhoben worden. Der Beschwerdeführer habe daher seine Parteistellung mangels Erhebung von Einwendungen spätestens in der Verhandlung verloren und der Beschwerde komme bereits aus diesem Grund keine Berechtigung zu.
In jenem Falle, dass dem Beschwerdeführer trotz der vorgebrachten Argumente weiterhin Parteistellung zukommen solle, mangle es an der „konkreten“ Beschwerdelegitimation
Der bekämpfte Bescheid sei vom Landeshauptmann von Tirol als zuständige Behörde erlassen worden. Der Landesumweltanwalt könne die Einhaltung von naturschutzrechtlichen Bestimmungen im Verfahren geltend machen und Beschwerden an das Landesverwaltungsgericht erheben. Insofern erfahre die dem Landesumweltanwalt in § 42 AWG 2002 gesetzlich eingeräumte Befugnis im konzentrierten AWG-Bewilligungsverfahren eine Einschränkung auf die naturschutzrechtlichen Belange. Der Beschwerdeführer habe auch nur die naturschutzrechtliche Bewilligung, nicht aber die abfallwirtschaftliche Genehmigung bekämpft. Daher sei die abfallwirtschaftliche Genehmigung auch in Teilrechtskraft erwachsen.
Die mitbeteiligte Partei argumentiert weiters, dass dem Landesumweltanwalt zwar aufgrund der Bestimmung des § 42 Abs 1 Z 8 AWG 2002 das Recht eingeräumt werde, Rechtsmittel – einschließlich der Beschwerde an das Verwaltungsgericht – zu ergreifen, im gegenständlichen Fall trete diese Bestimmung aber hinter die Bestimmung des § 36 Abs 8 TNSchG zurück, die demgegenüber als lex specialis zu qualifizieren sei. Der Landesumweltanwalt sei gemäß § 36 Abs 8 TNSchG 2005 lediglich berechtigt, gegen Bescheide der Bezirksverwaltungsbehörden Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht zu erheben. Der bekämpfte Bescheid sei aber vom Landeshauptmann von Tirol als zuständige Behörde erlassen worden.
Die Beschwerde des Landesumweltanwaltes sei daher zurückzuweisen.
Zu den langfristigen öffentlichen Interessen wurden von der BB GmbH zahlreiche Stellungnahmen (Stellungnahme der Gemeinde W vom 04.02.2020, Stellungnahme der Marktgemeinde Y vom 31.01.2020, Stellungnahme der LL GmbH vom 29.01.2020, Stellungnahme MM, Universität Z, Institut für Banken und Finanzen vom 14.01.2020, Stellungnahme des Standortanwaltes vom 30.12.2019, Stellungnahme der Wirtschaftskammer Tirol vom 29.01.2020) eingeholt und dem Landesverwaltungsgericht Tirol mit Schriftsatz vom 11.02.2020 vorgelegt.
Zu den konkreten öffentlichen Interessen führt die BB GmbH zusammengefasst aus:
Zunächst bestehe sowohl ein öffentliches Interesse der Gemeinde W als auch der Marktgemeinde Y an der Verwirklichung der verfahrensgegenständlichen Deponie. Die Gemeinde W würde im Falle der Errichtung und des Betriebes der Deponie gleich in 3-facher Weise profitieren – nämlich durch die Einnahmen des Deponiezinses, ein Deponiefreikontingent im Ausmaß von 15.000 m3 sowie ein Abfuhrkontingent im Ausmaß von 5.000 m3 Aushubmaterial von einem im Ortsgebiet der Gemeinde befindlichen Zwischenlager.
Weiters seien beide Gemeinden an der Existenzsicherung des Unternehmens BB GmbH interessiert. Einerseits seien mit dem Unternehmen nämlich zahlreiche Arbeitsplätze verbunden und andererseits seien dem Unternehmen wesentliche Aufgaben im Rahmen der Daseinsvorsorge, wie zB die örtliche Abfallsammlung, übertragen. Durch die Errichtung der Deponie komme es zudem zur Schaffung vierer weiterer Vollzeitarbeitsplätze für die Dauer von 20 Jahren.
Die im öffentlichen Interesse liegende Existenzsicherung des Unternehmens könne im Falle einer Versagung der Deponie nicht gewährleistet werden. Die BB GmbH sei als Mischbetrieb konzipiert und auf einen Zugang zu einer eigenen Bodenaushubdeponie angewiesen, um die Kernbranchen der Entsorgung, Erdarbeiten und Transportdienstleistungen für Baustellen aufrecht zu erhalten.
Ein weiteres öffentliches Interesse bestehe in der Verbesserung der Wettbewerbssituation – schließlich befinde sich im Bezirk Y derzeit ein Unternehmen mit einem Anteil von 83 % am derzeit genehmigten Deponievolumen in einer marktbeherrschenden Stellung. Durch den beabsichtigten Deponiebetreib der BB GmbH würde es daher neben einer Verbesserung der Wettbewerbssituation zu einer Vermeidung des Entstehens einer Monopolstellung kommen.
Potentieller Bedarf an einer Deponie bestehe auch aufgrund von Naturereignissen wie Vermurungen, Lawinen und Geschieberäumungen bei Hochwässern.
I.3. Vorbringen der Abfallbehörde:
Mit Schriftsatz vom 03.09.2020 äußerte sich auch der Landeshauptmann, pA Amt der Tiroler Landesregierung, Abteilung Umweltschutz, zur Beschwerde des Landesumweltanwaltes.
Zusammengefasst wird darin vorgebracht, dem Landesumweltanwalt komme jedenfalls nur im Rahmen der Wahrung der Naturschutzinteressen Parteistellung zu, eine Abänderung des Bescheides komme daher nur im Rahmen der naturschutzrechtlichen Bewilligung in Frage. Sämtliche vom Landesumweltanwalt in seiner Beschwerde vorgebrachten Aspekte betreffend Emissions- und Immissionsschutz seien daher irrelevant.
Aufgrund des Umstandes, dass der Projektsbereich im 500 m Uferschutzbereich des V liege, seien die Beeinträchtigungen im Rahmen der Interessensabwägung mit Bezug auf das Schutzgut „Gewässerschutz“ zu gewichten. In Bezug auf die Interessensabwägung sei weiters zu beachten, dass sich unter Berücksichtigung der vollständigen Rekultivierung insgesamt langfristig nur mittelmäßig starke Beeinträchtigungen ergeben. Außerdem werde nochmals auf die erhebliche Vorbelastung durch die B *** Straße hingewiesen.
Zu der in Hinblick auf künftige Bauvorhaben sowie vorhandene Restkubaturen verlangten Bedarfsprüfung sei darauf hinzuweisen, dass eine solche im AWG 2002 nicht vorgesehen sei. Auch das TNSchG 2005 sehe explizit keine Bedarfsprüfung vor, daher könne eine solche lediglich Bestandteil einer vorzunehmenden Interessensabwägung sein und auch in deren Rahmen nur einen Mosaikstein darstellen.
Nachdem der Akt des Amtes der Tiroler Landesregierung, Abteilung Umweltschutz, dem Landesverwaltungsgericht Tirol am 09.10.2019 vorgelegt wurde, wurden infolge umfangreiche Sachverhaltserhebungen seitens des Landesverwaltungsgerichts durchgeführt.
Es wurde eine Stellungnahme des abfalltechnischen Amtssachverständigen zur Frage, wieviel offenes Deponievolumen für die Abfallart Bodenaushub im Bezirk Y zur Verfügung steht und mit welchem Anfall an Bodenaushub im besagten Bezirk zu rechnen ist, eingeholt. Zusätzlich wurde ein verkehrstechnisches Gutachten zur Frage eingeholt, inwiefern durch die Errichtung und den Betrieb der Deponie in Bezug auf die dabei anfallenden LKW-Fahrten auf der X-Bundesstraße mit Beeinträchtigungen der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zu rechnen ist.
Außerdem erging ein Ersuchen an sämtliche DeponiebetreiberInnen im Bezirk Y, dem Landesverwaltungsgericht Tirol Auskunft dahingehend zu erteilen, inwiefern auf deren Bodenaushubdeponien auch Aushübe anderer Erdbauunternehmen angenommen werden und um Mitteilung der diesbezüglichen Konditionen ersucht.
Am 09.09.2020 fand eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol statt, an der der Beschwerdeführer, für die mitbeteiligte Partei Frau CC, Herr NN, Herr OO., sowie PP, weiters der Amtssachverständige für Naturkunde, die Amtssachverständigen für Verkehr, sowie der Bürgermeister der Gemeinde W teilnahmen.
II. Sachverhalt:
Die BB GmbH hat um Erteilung der abfallrechtlichen Genehmigung und naturschutzrechtlichen Bewilligung für die Errichtung und den Betrieb einer Bodenaushubdeponie im Bereich des X angesucht.
Die Deponie soll auf Gst Nr **1, KG W, im Eigentum der Gemeindegutsagrargemeinschaft W, errichtet und betrieben werden. Der Deponiestandort liegt innerhalb des 500 m Bereiches des 280.000 m2 großen V (380 m Entfernung).
Es ist geplant, eine talförmige Mulde, die sich im Bereich der Xhöhe unmittelbar südlich der B *** straße befindet, mit Bodenaushubmaterial zu verfüllen. Die gesamte Deponiefläche beträgt 3,97 ha und weist eine Kubatur von 412.000 m3 auf.
Die Zufahrt zur Deponie erfolgt über den neu zu errichtenden Linksabbiegestreifen direkt von der B *** bei Straßenkilometer 10,493-10,769.
Das abzulagernde Bodenaushubmaterial kommt lt Projektsangaben hauptsächlich aus Y und DD.
Der Schüttbetrieb ist auf einen Zeitraum von 20 Jahren angesetzt und in insgesamt sieben Bauabschnitte unterteilt. Im ersten Bauabschnitt „A“ erfolgt die Herstellung des Zufahrtsweges inklusive einer Ebene für Baucontainer, Waage und Reifenwaschanlage. Die darauffolgenden Bauabschnitte B – G sind in jeweils drei Bauphasen gegliedert.
Der Deponiebetrieb findet an Werktagen von 06:00 – 19:00 Uhr statt, an Samstagen von 06:00 – 13:00 Uhr.
II.1. Feststellungen aus naturkundefachlicher Sicht:
II.1.1. Zum Deponie-Standort im Allgemeinen:
Die Ursache für die Bildung der Senke, in der die Deponie errichtet und betrieben werden soll, liegt in Bergstürzen, die sich bereits vor Jahrtausenden ereignet haben.
Der Bereich des X, an dem die Deponie errichtet werden soll, wird derzeit bestimmt durch Waldflächen mit darüber aufragenden Latschen und mit Magerrasen bewachsenen und/oder kahlen Kalkfelsbereichen. Der Pass mit seiner geringen Höhe (1210 m) ist nicht wie andere Pässe in Tirol dominiert von alpinen Grasfluren, sondern eben von dichtem höherstämmigem Wald. Dies macht die Besonderheit dieses Passes als wichtiges Verbindungsglied zwischen den Bezirken U und Y aus.
Die geplanten Aufschüttungsflächen werden derzeit eingenommen von einem Erika-Kiefernwald, Fichten – Kiefernwalt und Reitgras – Fichtenwald.
Außerdem konnten im Vorsommer 2019 folgende Pflanzenarten in der näheren (bis 100 m) und weiteren (über 1.000 m) Umgebung festgestellt werden:
? Tanne Abies alba
? Fichte Picea abies
? Eberesche Sorbus aucuparia
? Zwerg-Vogelbeere Sorbus chamaemespilus
? Geflecktes Knabenkraut Dactylorhiza maculata
? Land-Reitgras Calamagrostis epigejos
? Heidelbeere Vaccinium myrtillus
? Rot-Föhre Pinus sylvestris
? Sauerklee Oxalis acetosella
? Seidelbast Daphne mezereum
? Breitblättrige Stendelwurz Epipactis helleborine
? Eibe Taxus baccata
? Keulen-Bärlapp Lycopodium clavatum
? Berg-Ahorn Acer pseudoplatanus
? Wiesen-Witwenblume Knautia arvensis
? Berberitze Berberis vulgaris
? Kleines Habichtskraut Hieracium pilosella
? Pfeifengras Molinia caerulea
? Lärche Larix decidua
? Buche Fagus sylvatica
? Preiselbeere Vaccinium vitis-idaea
? Langblättrige Stendelwurz Epipactis longifolia
? Schneeheide Erica herbacea
Einzusehen ist das geplante Aufschüttungsgelände von der direkt vorbeiführenden Xbundesstraße B *** aus einer Entfernung von bis 20 m sowie aus größerer Entfernung von den umgebenden Bergflanken und Gipfeln um den X (zB QQ, RR, SS, TT, UU).
II.1.2. Beeinträchtigung des Landschaftsbildes:
Mit der Errichtung und dem Betrieb der Deponie geht für den Deponiezeitraum und mehrere Jahrzehnte darüber hinaus eine starke Beeinträchtigung des derzeit von hochmontanem Fichtenwald geprägten Landschaftsbildes einher. Auch wenn im unmittelbaren Nahebereich die Xstraße angelegt ist, ist die Straße im Verhältnis zum umgebenden Wald nicht von übergeordneter Bedeutung. Vielmehr wird die Eigenart und Schönheit der Landschaft im gegenständlichen Bereich von den umgebenden Waldflächen sowie den dahinter aufragenden Kalkbergen der VV und der WW geprägt. Der Bereich des Xes übt eine Torfunktion von einer Region Tirols in die nächste mit unberührten Wald/Bergausblicken aus.
Die Realisierung der Deponie geht mit der Rodung der beschriebenen Waldflächen und der Schaffung künstlicher Flächen einher. Das Landschaftsbild wird dann über Jahrzehnte bestimmt von unbegrünten Schotterflächen, Abbiegespur, Manipulationsfläche sowie Baugeräten und ist nicht mehr mit der ansonsten relativ unberührten Naturlandschaft in Einklang zu bringen.
Aufgrund der Tatsache, dass die Flächen nie mehr natürlich vorliegen werden und die Deponie auch in Zukunft als solche noch erkennbar sein wird, wird diese starke Beeinträchtigung zwar reversibel sein, aber zumindest in einem mittleren Maße – dies unter der Bedingung der Aufforstung der gesamten Deponiefläche mit Nadelwald – bestehen bleiben.
II.1.3. Beeinträchtigungen des Erholungswertes:
Auf der Deponiefläche selbst sind keine Erholungswerteinrichtungen wie Wanderwege oder Sportstätten ausgebildet. Allerdings kann direkt vom X aus einerseits das XX nach Westen hin bewandert werden, sowie andererseits kann von dort aus in südliche Richtung zum YY gewandert werden. Letztgenannter Weg wird auch als Radwanderroute verwendet.
Der Südwestbereich der Deponie ist im unmittelbaren Einflussbereich dieser beiden markierten und in den Karten eingetragenen Wanderwege sowie der Radroute gelegen. Während der Zeit der Schüttung wird der Erholungswert in diesem Gebiet durch Staub und Lärm stark beeinträchtigt werden. Auch kann von den oa Wegen direkt auf die geplante Deponiefläche eingesehen werden.
Vom Nordostende der Deponie (jenseits der Xtraße) führt ein Weg in die alpinen Bereiche um ZZ und AAa. Auch hier ist mit Beeinträchtigungen durch Staub und Lärm zu rechnen. Hier ist allerdings nur von einer Mittelmäßigkeit der Beeinträchtigung auszugehen, da der Bereich an sich bereits durch den Betrieb der übermäßig stark frequentierten Xbundesstraße stark belastet ist.
Diese Beeinträchtigungen im Erholungswert sind reversibel, nämlich bereits dann, wenn keine Deponiebewegungen mehr stattfinden.
II.1.4. Beeinträchtigung des Artenreichtums:
II.1.4.1. Pflanzenarten:
Während des Zeitraumes der Aufschüttung – also über einen Zeitraum von 20 Jahren – kommt es zu einer starken Beeinträchtigung der Lebensgemeinschaften von Pflanzen und Tieren.
Neben zahlreichen ungeschützten Pflanzenarten sind von der Überschüttung auch folgende geschützte Pflanzenarten (gg-gänzlich geschützt; tg – teilweise geschützt) betroffen:
Name Deutsch
Name Lateinisch
NSCHVO
Anlage
1-3
NSCHVO
a, b, v,
oder d
NSCHVO
Ziffer
Seidelbast
Daphne mezereum
tg Anl3
b
20
Breitblättrige Stendelwurz
Epipactis helleborine
gg Anl2
d
27
Eibe
Taxus baccata
gg Anl2
d
16
Keulen-Bärlapp
Lycopodium clavatum
tg Anl3
a
1
Langblättrige Stendelwurz
Epipactis longifolia
gg Anl2
d
27
Geflecktes Knabenkraut
Dactylorhiza maculata
gg Anl2
d
27
Da diese Pflanzenarten im höherstämmigen Wald vorkommen, können diese während der Dauer der Aufschüttung sowie während eines darauffolgenden Zeitraumes von zusätzlich ca 15 Jahren – bis zum Bestehen eines höherstämmigen Waldes – nicht mehr in der derzeitigen Ausprägung anwachsen.
Dies gilt auch für die anderen angeführten Pflanzenarten. Trockenzeiger wie das Habichtskraut werden auf Dauer nicht mehr vorkommen, da die Untergrundverhältnisse nicht mehr so vorliegen werden wie derzeit.
Da die Arten und Pflanzengesellschaften in näherer bis weiterer Entfernung ebenfalls vorkommen, ist nicht davon auszugehen, dass diese an ihrem Standort so beeinträchtigt werden, dass sie erheblich in ihrem Fortbestand gehindert werden oder dass dieser Fortbestand unmöglich wird.
Nach Beendigung der Schüttung sowie im Zuge einer ordnungsgemäßen Begrünung und Bepflanzung mit standorttypischen Holzgewächsen und deren Pflege (bis zumindest 15 Jahre nach Beendigung der Schüttung) wird die Beeinträchtigung reversibel sein.
II.1.4.2. Tierarten:
Auch hinsichtlich der im Deponiebereich vorkommenden Vogelarten kommt es zu vorübergehend starken Beeinträchtigungen, für die Dauer der Schüttung ist deren Lebensraum entzogen. Dies betrifft vor allem Vogelarten wie Buchfink, die Tannenmeise, die Mönchsgrasmücke und das Rotkehlchen. Denn diese Arten werden auf der Fläche zumindest 5, unter sehr dichtem Bestand aber auch bis zu 8 Reviere verlieren.
Erst wenn der derzeitige höherstämmige Fichtenwald mit Kiefern auf der entstehenden Schüttfläche wiederhergestellt werden kann – womit erst im Verlauf von mehreren Jahren oder sogar Jahrzehnten zu rechnen ist – steht der Lebensraum wieder zur Verfügung und wird dieser auch wieder besiedelt werden.
Auch der Grauspecht hat uU einen Teillebensraum in der besagten Fläche. Brutbäume konnten weder vom beigezogenen Experten des Antragstellers noch vom ha. ASV für Naturkunde in der Fläche vorgefunden werden. Es wird – so wie dies auch vom ornithologischen Experten dargelegt ist – davon ausgegangen, dass nicht der Hauptteil dieses Revieres entfernt wird. Das Revier der Art wird im Mittel auf 1.000.000 m2 geschätzt. Davon werden ca. 39.000m2 für die Deponie in Verwendung stehen. Dabei kommt (erschwerend für eine gute Reviereignung) hinzu, dass die geplante Deponie direkt entlang der Xstraße angelegt werden soll. Diesen stark beschallten Bereich, der darüber hinaus durch ständige Verkehrsbewegungen beunruhigt ist, ist somit nicht als guter Lebensraum für den Grauspecht anzunehmen. Vielmehr hat sich dieser in die von der Straße entfernteren Flächen des YY zurückgezogen.
Durch Nebenbestimmungen wie Rodungen außerhalb der Brutsaison (also Ende Juli bis Anfang März) können derartige Beeinträchtigungen zwar reduziert, nicht aber auf ein geringes Maß abgesenkt werden. Die Beeinträchtigungen werden örtlich immer noch stark aber reversibel sein.
Auch Arten wie Waldameisen verlieren durch den Deponiebau ihren Lebensraum. Durch das Versetzen der im Deponiebereich vorkommenden Ameisenhügeln in geeignete Bereiche kann die starke Beeinträchtigung auf ein mittleres Maß abmindern.
Auch Kleinsäuger wie Eichhörnchen werden durch die Maßnahmen jedenfalls stark beeinträchtigt, wenn dies innerhalb der Paarungs- und Aufzuchtzeit stattfindet. Durch geeignete Nebenbestimmungen (Maßnahmen außerhalb dieser Zeit also in der Zeit zwischen Ende Juli bis Anfang März) können derartige Beeinträchtigungen reduziert aber nicht auf ein geringes Maß abgesenkt werden. Die Beeinträchtigungen werden örtlich immer noch stark aber reversibel sein.
II.1.5. Beeinträchtigung des Naturhaushaltes :
Die derzeit von der Straße ausgehenden Störungen beeinträchtigen den Wald bis zu einer Tiefe von ca 80 m bis 120 m durch Lärm und Unruhe. Im Falle der Anlage der Deponie werden sich diese Störungen auch auf bisher nicht beeinträchtige Waldflächen des YY erstrecken – auf einer Länge von 550 m und einer Tiefe von zumindest 80 m bis 120 m werden dann mehrere Hektar Wald zusätzlich durch Störwirkungen der an- und abfahrenden LKW sowie von Baugeräten auf der Deponie zumindest mittelmäßig stark belastet.
Diese Beeinträchtigungen werden zumindest bis zum Zeitpunkt des Aufkommens des rekultivierten Waldes vorliegen. Dies bedeutet, dass die Störungen zumindest über einen Zeitraum von 20 Jahren plus ca weitere 100 Jahre vorliegen werden. Damit ist eine Reversibilität binnen einer Generation (30 Jahre) de facto nicht gegeben. Als mittelmäßig stark kann diese Beeinträchtigung nur deshalb angesehen werden, weil derzeit bereits durch das übermäßig hohe Verkehrsaufkommen auf der Hauptverkehrslinie X eine deutliche und starke Vorschädigung gegeben ist. Dann wenn dieses Verkehrsaufkommen nicht mehr in diesem Maße gegeben ist, dann wiegen diese Beeinträchtigungen umso schwerer und sind als stark und irreversibel anzusetzen.
Auch der verbleibende Weg auf einer Länge von ca 550m entlang der Südgrenze der geplanten Deponie wird eine Erschließung des bis dato vollkommen unzugänglichen Bereichs mit sich bringen. Damit sind Störzonen in die umgebenden YY vorgezeichnet. Denn dieser Weg kann durch Wanderer, Radfahrer und auch PKWs bewandert/befahren werden.
Die Deponiefläche ist zwar nur ca 380 m vom V entfernt. Ein direkter funktioneller Zusammenhang zwischen Deponie und See besteht aber nicht.
II.2. Feststellungen in Bezug auf die vorgebrachten öffentlichen Interessen:
Das Unternehmen BB GmbH ist als Mischbetrieb konzipiert, der die Sparten Entsorgung, Transporte, Erdarbeiten und Busreisen bedient. Im Herbst 2019 waren im Betrieb 47 Mitarbeiter beschäftigt – davon 10 Mitarbeiter in der Verwaltung und 37 Mitarbeiter als Fahrpersonal. Teilweise werden die Mitarbeiter auch spartenübergreifend eingesetzt – dh sie finden zB Verwendung sowohl als Busfahrer als auch als LKW-Fahrer. Im Falle der Realisierung der geplanten Deponie würden im Unternehmen für die Dauer von 20 Jahren zusätzlich vier neue Vollzeitarbeitsplätze geschaffen werden.
Bisher verfügt die BB GmbH über keine eigene Deponierungsmöglichkeit und ist diesbezüglich auf andere Deponiebetreiber angewiesen. Die Entgegennahme von Bodenaushub durch andere Deponiebetreiber ist jedenfalls möglich. Derzeit liegen die Preise pro Tonne abzulagerndes Bodenaushubmaterial in den beiden nahegelegenen Deponien GG und JJ zwischen EUR 5,90 und EUR 15,70 (je nach Qualität des abzulagernden Materials).
Dass das Unternehmen BB GmbH im Falle einer Versagung der beantragten Deponiegenehmigung – unmittelbar auf diesen Umstand zurückzuführend – in seinem Fortbestand gefährdet wäre, konnte nicht festgestellt werden.
Das offene Deponievolumen im Bezirk Y ist in ca 4 – 5 Jahren erschöpft. Im unmittelbaren Nahebereich der geplanten Deponie befinden sich bereits zwei weitere Bodenaushubdeponien, nämlich in GG (Gesamtkubatur 670.000 m3) und JJ (195.000 m3). Bei einem Vergleich der drei Deponiestandorte JJ, GG und X zeigt sich, dass die kürzeste Transportentfernung für Bodenaushubmaterial aus dem Bereich des KK Beckens zum bereits bestehenden Deponiestandort in JJ besteht, wohingegen für die Ablagerung von Bodenaushubmaterial aus dem Bereich DD die in ungefähr derselben Transportentfernung liegenden Deponiestandorte GG und X zur Auwahl stehen.
Hinsichtlich der verkehrsrelevanten Aspekte ist festzustellen, dass an einem durchschnittlichen Tag von ca 20 Lkw-Fahrten auszugehen ist, an einem Spitzentag hingegen von bis zu 64 Fahrten (32 Anlieferungen). Die Distanz, welche die Lkws dabei bis zum Erreichen des Deponiegeländes zurückzulegen haben, beträgt aus dem Bereich DD kommend ca 10 km, aus dem KK Becken hingegen 28 km. Die ohnehin bereits grenzwertigen Verkehrsbelastungen auf der B *** würden im Falle der Errichtung und des Betriebes der Deponie allerdings nicht unzumutbar erhöht.
III. Beweiswürdigung:
Beweis wurde aufgenommen durch die Einholung einer Stellungnahme des abfalltechnischen Amtssachverständigen zur Frage, wieviel offenes Deponievolumen für die Abfallart Bodenaushub im Bezirk Y zur Verfügung steht und mit welchem Anfall an Bodenaushub im besagten Bezirk zu rechnen ist (OZl 4), durch die Stellungnahmen der BB GmbH vom 17.10.2019 (OZl 3) bzw vom 07.02.2020 (OZl 8) samt Beilagen (Beilage A – Stellungnahme ITS Scheiber Ziviltechniker für Wasser und Naturraum vom 10.01.2020, Beilage B – Stellungnahme des Ingenieurbüro BBa vom 13.01.2020, Beilage C – Stellungnahme der Gemeinde W vom 04.02.2020, Beilage D – Gemeindefinanzbericht 2019, Beilage E – Stellungnahme der CCa GmbH vom 29.01.2020, Beilage F – Stellungnahme von MM, Universität Z, Institut für Banken und Finanzen, Beilage G – Listenpreise der DDa GmbH & Co KG sowie der EEa GmbH FFa, Beilage H – Stellungnahme der Marktgemeinde Y, Beilage I – Stellungnahme der Wirtschaftskammer Tirol, Beilage J – Stellungnahme des Tiroler Standortanwaltes, Beilage K – Regionsprofil DD, Beilage L – Regionsprofil Y und Umgebung, Beilage M – Broschüre der WK Tirol „Baurestmassen aufbereitet“, Beilage N – Bescheid der Tiroler Landesregierung betreffend die Bewilligung für den Linksabbiegestreifen der Deponie X, Beilage O – Orthofotos der geografischen Lage der Deponiestandorte im Bezirk Y), die Einholung eines verkehrstechnischen Gutachtens vom 29.05.2020 (OZl 13); sowie die dazu ergangene Stellungnahme des Landesumweltanwaltes vom 08.06.2020 (OZl 15), der vom Landesverwaltungsgericht eingeholten Liste des Amtssachverständigen für Abfalltechnik betreffend sämtliche Bodenaushubdeponien im Bezirk Y (OZl 16), die vom Landesverwaltungsgericht eingeholten Stellungnahmen der GGa (OZl 18), der Gemeindegutsagrargemeinschaft KKa (OZl 19), der LLa GmbH (OZl 20), der DDaGmbH & Co KG (OZl 21), der NNa (OZl 22), sowie der OOa m.b.H. (OZl 23), der dazu ergangenen Äußerung der BB GmbH (OZl 24) sowie der ergänzenden Stellungnahme (OZl 26), die Stellungnahme der Abfallbehörde (OZl 28), sowie die Einvernahme des Zeugen RRa, der verkehrsfachlichen Amtssachverständigen SSa und TTa sowie des naturkundefachlichen Amtssachverständigen UUa anlässlich der am 09.09.2020 vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol stattfindenden öffentlichen mündlichen Verhandlung.
Die Sachverhaltsfeststellungen bezüglich der Beschreibung der geplanten Deponie sind unstrittig und ergeben sich aus den Antragsunterlagen sowie dem gesamten Akt der Verwaltungsbehörde.
III.1. Zu den Feststellungen aus naturkundefachlicher Sicht:
III.1.1. Zum Gutachten des Amtssachverständigen und dessen Erörterung des Gutachtens anlässlich der öffentlichen mündlichen Verhandlung:
Die Feststellungen aus naturkundefachlicher Sicht stützen sich auf das Gutachten des Amtssachverständigen vom 05.06.2019, das frei von Widersprüchen ist, schlüssig erscheint und den Denkgesetzen und Erfahrungen des täglichen Lebens entspricht. Dem Gutachten konnte auf gleicher fachlicher Ebene nicht entgegengetreten werden. Das von der mitbeteiligten Partei beigebrachte Gegengutachten (Beilage /A) war – wie weiter unten ausgeführt – nicht geeignet, um die Ausführungen des Amtssachverständigen in Zweifel zu ziehen. Anlässlich der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol am 09.09.2020 wurde der mitbeteiligten Partei die Möglichkeit gegeben, die Beurteilung des Sachverständigen in Frage zu stellen. Der Sachverständige erörtere sein Gutachten im Rahmen seiner Einvernahme ausführlich und beantwortete sämtliche an ihn gestellte Fragen sofort klar und eindeutig, so dass keinerlei Zweifel an der Richtigkeit seiner Ausführungen offen blieb.
III.1.2. Zu den naturkundefachlichen Feststellungen im Einzelnen:
Die Feststellungen betreffend die Geländebeschaffenheit aus naturkundefachlicher Sicht ergeben sich aus den diesbezüglichen Ausführungen des Amtssachverständigen, welche von der mitbeteiligten Partei nicht beanstandet wurden.
Auch die Feststellungen hinsichtlich der Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes gründen sich auf das Gutachten des Amtssachverständigen sowie dessen Ausführungen in der Verhandlung. Nachvollziehbar beschrieb dieser, von welchen angrenzenden Berggipfeln der Deponiebereich einsehbar ist. Seine diesbezüglichen Ausführungen gründete er einerseits auf seine eigene Erfahrung, da er selbst bereits auf jedem der umliegenden Berggipfel gewesen sei sowie andererseits auf den Umstand, dass die von ihm beschriebenen Gipfel vom Deponiebereich aus sichtbar seien und somit auch Umgekehrtes gelten müsse. Dies ist einleuchtend und ist es auch für einen durchschnittlichen Betrachter ohne naturkundefachliche Ausbildung naheliegend, dass die Errichtung und der Betrieb einer Deponie in einer ansonsten relativ unberührten natürlichen Umgebung zu einer Beeinträchtigung des Landschaftsbildes führen. Dass die starke Beeinträchtigung nach Wiederaufforstung des Deponiegeländes auf eine Beeinträchtigung mittleren Maßes abgesenkt wird, eine Beeinträchtigung aber dennoch bestehen bleibt, erscheint ebenso nachvollziehbar. Dass die bewaldete, derzeit in einer Senke befindliche Fläche auch nach Beendigung der Deponie und erfolgter Wiederaufforstung nie mehr so vorliegen wie bisher, ist evident.
Das von der mitbeteiligten Partei beigebrachte Gegengutachten (Beilage /A) war nicht geeignet, um die bezüglich der Dauer der Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes bzw des Naturhaushaltes getätigten Aussagen des Sachverständigen zu entkräften, zumal die den Gutachten zugrundeliegenden Bedingungen in einem wesentlichen Punkt stark voneinander abweichen: Während nämlich der Amtssachverständige hinsichtlich der im Zuge der Wiederaufforstung einzupflanzenden Bäume von Baumgrößen zwischen 60 cm bis maximal 180 cm ausgeht, geht das Gegengutachten von einer Baumgröße von 3 m aus. Daraus resultiert, dass die beiden Gutachten die Dauer der Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes unterschiedlich bemessen. Da im landschaftspflegerischen Begleitplan, der einen Teil des Einreichprojekts darstellt, anlässlich der vorzunehmenden Wiederaufforstung von Baumgrößen zwischen 60 und 180 cm ausgegangen wird, waren auch diese Baumgrößen der naturkundefachlichen Beurteilung zugrunde zu legen. Das von der mitbeteiligten Partei vorgelegte Gegengutachten weist somit keinen Bezug zu den tatsächlichen Gegebenheiten des gegenständlichen Verfahrens auf und ist somit für die Beurteilung der Dauer der Beeinträchtigung des Landschaftsbildes irrelevant.
Die während der Zeit der Schüttung auftretenden mittelstarken bis starken Beeinträchtigungen des Erholungswertes im betreffenden Bereich ergeben sich ebenfalls aus den – auch hier wieder überzeugenden – Ausführungen des Amtssachverständigen. Schließlich geht der Betrieb einer Bodenaushubdeponie immer mit Lärm und Staubemissionen einher und es leuchtet ein, dass nahegelegene Wanderwege dadurch in ihrem Erholungswert beeinträchtigt werden.
Die Feststellungen bezüglich des Artenschutzes stützen sich auf die Ausführungen des Amtssachverständigen im Gutachten und werden von der mitbeteiligten Partei im Wesentlichen auch nicht beanstandet. Die mitbeteiligte Partei brachte anlässlich der Verhandlung dazu lediglich vor, dass ihrer Ansicht nach keine Verbotstatbestände nach der Tiroler Naturschutzverordnung erfasst würden. Dieses Vorbringen ist im Rahmen der rechtlichen Beurteilung zu behandeln.
Auch die Feststellungen zur Beeinträchtigung des Naturhaushaltes beruhen auf den nachvollziehbaren Erläuterungen des Sachverständigen, der sämtliche an ihn dazu gestellte Fragen klar und eindeutig beantwortete, sodass an der Richtigkeit seiner Ausführungen kein Zweifel besteht.
III. 2. Zu den Feststellungen in Bezug auf die vorgebrachten öffentlichen Interessen:
Die Feststellungen hinsichtlich der Unternehmensstruktur der BB GmbH ergeben sich aus den Angaben der mitbeteiligten Partei selbst.
Dass im Falle der Errichtung und des Betriebes der Deponie für die Dauer von 20 Jahren vier Vollzeitarbeitsplätze geschaffen würden, ergibt sich aus den diesbezüglichen Aussagen der Vertreter der BB GmbH, die diese Angaben in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht schließlich auch verbindlich zum Projektsinhalt erklärten.
Die Möglichkeit, bei anderen Deponiebetreibern zu deponieren, ergibt sich aus den in diesem Zusammenhang eingeholten Stellungnahmen und Angeboten von Deponiebetreibern im Bezirk Y.
Eine tatsächliche Existenzgefährdung des Unternehmens BB GmbH im Falle der Nichterrichtung der Deponie konnte mangels konkreten diesbezüglichen Vorbringens nicht festgestellt werden. Es wäre an der mitbeteiligten Partei gelegen gewesen, eine konkrete Existenzgefährdung des Unternehmens nachzuweisen – beispielsweise durch die Vorlage von Bilanzen oÄ.
Die Feststellungen hinsichtlich der noch vorhandenen Deponiekapazität im Bezirk Y für weitere 4 bis 5 Jahre ergibt sich aus den diesbezüglichen Erläuterungen des abfalltechnischen Sachverständigen. Die Lage sowie die Transportentfernungen der drei Deponiestandorte GG, JJ und X ergibt sich insbesondere aus den von der mitbeteiligten Partei vorgelegten Orthofotos in Beilage /O.
Dass die ohnehin bereits grenzwertigen Verkehrsbelastungen auf der B *** im Falle der Errichtung und des Betriebes der Deponie nicht unzumutbar erhöht würden, sowie die Anzahl der Lkw-Fahrten pro Tag und die dabei zurückzulegende Distanz ergeben sich aus dem verkehrstechnischen Gutachten vom 29.05.2020 bzw der Erörterung dieses Gutachtens in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht am 09.09.2020.
IV. Rechtslage:
Die relevanten Bestimmungen des Bundesgesetzes über eine nachhaltige Abfallwirtschaft (Abfallwirtschaftsgesetz 2002 – AWG 2002) BGBl I Nr 102/2002 in den Fassungen BGBl I Nr 24/2020 (§ 37), BGBl I Nr 97/2013 (§ 38), BGBl I Nr 73/2018 (§ 42) lauten auszugsweise wie folgt:
„Behandlungsanlagen
Genehmigungs- und Anzeigepflicht für ortsfeste Behandlungsanlagen
§ 37. (1) Die Errichtung, der Betrieb und die wesentliche Änderung von ortsfesten Behandlungsanlagen bedarf der Genehmigung der Behörde. Die Genehmigungspflicht gilt auch für ein Sanierungskonzept gemäß § 57 Abs. 4.
[…]“
„Konzentration und Zuständigkeit
§ 38. (1) (Verfassungsbestimmung) Im Genehmigungsverfahren und Anzeigeverfahren für gemäß § 37 genehmigungspflichtige Behandlungsanlagen sind alle Vorschriften – mit Ausnahme der Bestimmungen über die Parteistellung, die Behördenzuständigkeit und das Verfahren – anzuwenden, die im Bereich des Gas-, Elektrizitätswirtschafts-, Landesstraßen-, Naturschutz- und Raumordnungsrechts für Bewilligungen, Genehmigungen oder Untersagungen des Projekts anzuwenden sind. Hinsichtlich dieser landesrechtlichen Vorschriften hat die Behörde im selben Bescheid in einem eigenen Spruchpunkt zu entscheiden. Die behördlichen Befugnisse und Aufgaben zur Überprüfung der Ausführung einer Behandlungsanlage und der Übereinstimmung mit dem Genehmigungsbescheid, zur Kontrolle, zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustands, zur Gefahrenabwehr, zur nachträglichen Konsensanpassung und zur Vorschreibung und Durchführung von Maßnahmen bei Errichtung, Betrieb, Änderung und Auflassung sind vom Landeshauptmann entsprechend den folgenden Bestimmungen dieses Abschnittes wahrzunehmen. In Angelegenheiten des Landesrechts ist der Landeshauptmann als Mitglied der Landesregierung oberstes Organ der Landesvollziehung.
[…]
(6) Zuständige Behörde für diesen Abschnitt dieses Bundesgesetzes ist der Landeshauptmann, sofern Abs. 7 nicht anderes bestimmt. Bei mobilen Behandlungsanlagen, einschließlich der Änderungsgenehmigungen und nachträglicher Auflagen, ist die örtlich zuständige Behörde der Landeshauptmann, in dessen Bundesland der Antragsteller seinen Sitz hat; liegt der Sitz des Antragstellers nicht im Bundesgebiet, ist der Landeshauptmann zuständig, in dessen Bundesland die mobile Behandlungsanlage erstmals aufgestellt und betrieben werden soll.
[…]“
„Parteistellung und nachträgliches Überprüfungsrecht
§ 42. (1) Parteistellung in einem Genehmigungsverfahren gemäß § 37 Abs. 1 haben
1. der Antragsteller,
2. die Eigentümer der Liegenschaften, auf denen die Anlage errichtet werden soll,
[…]
8. der Umweltanwalt; der Umweltanwalt kann die Einhaltung von naturschutzrechtlichen Vorschriften im Verfahren geltend machen; dem Umweltanwalt wird das Recht eingeräumt, Rechtsmittel zu ergreifen, einschließlich Beschwerde an das Verwaltungsgericht sowie Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben,
[…]“
Die relevanten Bestimmungen des Tiroler Naturschutzgesetzes 2005 (TNSchG 2005) in der Stammfassung LGBl Nr 26/2005 (§§ 7, 23) sowie in den Fassungen LGBl Nr 14/2015 (§§ 1, 36) und LGBl Nr 163/2019 (§ 29), lauten auszugsweise wie folgt:
„§ 1
Allgemeine Grundsätze
(1) Dieses Gesetz hat zum Ziel, die Natur als Lebensgrundlage des Menschen so zu erhalten und zu pflegen, dass
a) ihre Vielfalt, Eigenart und Schönheit,
b) ihr Erholungswert,
c) der Artenreichtum der heimischen Tier- und Pflanzenwelt und deren natürliche Lebensräume und
d) ein möglichst unbeeinträchtigter und leistungsfähiger Naturhaushalt
bewahrt und nachhaltig gesichert oder wiederhergestellt werden. Die Erhaltung und die Pflege der Natur erstrecken sich auf alle ihre Erscheinungsformen, insbesondere auch auf die Landschaft, und zwar unabhängig davon, ob sie sich in ihrem ursprünglichen Zustand befindet (Naturlandschaft) oder durch den Menschen gestaltet wurde (Kulturlandschaft). Der ökologisch orientierten und der die Kulturlandschaft erhaltenden land- und forstwirtschaftlichen Nutzung kommt dabei besondere Bedeutung zu. Wesentliche Bestandteile der Natur bilden insbesondere auch die Gewässer und die von Wasser geprägten Lebensräume, denen besondere Bedeutung für einen leistungsfähigen Naturhaushalt, den Artenreichtum der heimischen Tier- und Pflanzenwelt, das Naturerlebnis und die Erholung zukommt. Die Natur darf nur so weit in Anspruch genommen werden, dass ihr Wert auch für die nachfolgenden Generationen erhalten bleibt.
[…]“
„§ 7
Schutz der Gewässer
[…]
(2) Außerhalb geschlossener Ortschaften bedürfen im Bereich
a) der Uferböschungskrone landeinwärts zu messenden Geländestreifens und
b) eines 500 Meter breiten, vom Ufer stehender Gewässer