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44 ZivildienstNorm
ZivildienstG §2 Abs1 idF BGBl 187/1994Leitsatz
Verletzung im Recht auf Ausnahme von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung durch Feststellung des Nichteintretens der Zivildienstpflicht wegen Fristversäumnis infolge Übersendung der Erklärung an eine unzuständige Behörde; ordnungsgemäße Einbringung der Zivildiensterklärung bei dem nach dem Wohnsitz des Wehrpflichtigen zuständigen MilitärkommandoSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Ausnahme von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer, zu Handen seiner Rechtsvertreter, die mit S 19.800,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.a) Der - 1987 für tauglich zum Wehrdienst befundene - Beschwerdeführer gab am 11. April 1994 eine an das Militärkommando Oberösterreich gerichtete Zivildiensterklärung zur Post. Am 13. April 1994 wurde diese (gleichfalls im Postweg) vom genannten Militärkommando an das Militärkommando Salzburg weitergeleitet.
b) Mit Bescheid des Bundesministers für Inneres (BMI) vom 27. Jänner 1995 wurde gemäß §5a Abs4 iVm §5a Abs3 Z2 des Zivildienstgesetzes 1986 - ZDG, BGBl. 679, idF der Novelle BGBl. 187/1994, festgestellt, daß diese Zivildiensterklärung "vom 13.04.1994" wegen Fristversäumnis gemäß §76a Abs2 Z1 leg.cit. die Zivildienstpflicht nicht eintreten lassen könne.
Dieser Bescheid wurde wie folgt begründet:
"Gem. §76a Abs2 Z1 ZDG können Wehrpflichtige, die weder Angehörige des Präsenzstandes nach §1 Abs3 WG noch seit mehr als zwei Wochen zu einem Präsenzdienst einberufen sind, eine Zivildiensterklärung gem. §§2 und 5 Abs2 ZDG nur innerhalb eines Monates ab dem der Kundmachung des ZDG idF BGBl. Nr.187/1994 folgenden Tag, dies war der 10. März 1994, einbringen; die Monatsfrist hat mit 11. März 1994 zu laufen begonnen. Ihre im Spruch genannte Erklärung wurde erst nach Fristablauf eingebracht.
Da gem. §5a Abs3 Z2 ZDG Zivildiensterklärungen mangelhaft sind, wenn die Frist für die Abgabe der Zivildiensterklärung abgelaufen ist, dies hier der Fall war und gem. §5a Abs4 ZDG der Nichteintritt der Zivildienstpflicht bei mangelhaften Zivildiensterklärungen festzustellen ist, war spruchgemäß zu entscheiden."
2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Ausnahme von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird. Die Beschwerde wird im wesentlichen damit begründet, daß die Zivildiensterklärung am 11. April 1994 - fristgerecht - "an die zuständige Behörde" übersendet worden sei; aus dem Spruch und der Begründung des angefochtenen Bescheides sei nicht mit Sicherheit zu entnehmen, von welchem Datum der Absendung der Zivildiensterklärung die belangte Behörde ausgehe.
3.a) Der BMI als jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und brachte in einem Schriftsatz Ausführungen zum Sachverhalt vor. Zum Beschwerdevorbringen wird darauf hingewiesen, daß das Militärkommando Oberösterreich "offenbar sich für nicht zuständig erachtete" und die Erklärung dem zuständigen Militärkommando Salzburg übermittelte. Der Beschwerdeführer habe zur Abgabenachricht seinerzeit keine Zweifel zur Zuständigkeitsfrage geäußert; das Bundesministerium für Inneres habe "keine Veranlassung" gehabt, von einem anderen Einbringungsdatum als dem im bekämpften Bescheid zugrundegelegten auszugehen.
b) Auf diese Ausführungen des BMI replizierte der Beschwerdeführer mit einem ergänzenden Schriftsatz (s. dazu unten, Pkt. II.3).
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Das durch §2 Abs1 iVm Abs2 Zivildienstgesetz 1986 - ZDG, BGBl. 679, idF der Novelle BGBl. 187/1994, (wie schon zuvor durch §2 Abs1 idF der Novelle BGBl. 675/1991) verfassungsgesetzlich verbürgte Recht auf Ausnahme von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung hat zunächst zum Inhalt, daß die in dieser Norm umschriebenen materiell-rechtlichen Voraussetzungen für das Entstehen der Zivildienstpflicht und die damit verbundene Ausnahme von der Wehrpflicht von der Behörde richtig beurteilt werden; das genannte Recht wird aber auch dann verletzt, wenn grobe Verfahrensfehler dazu führen, daß eine nach §2 Abs1 ZDG abgegebene Erklärung von der Behörde als nicht rechtswirksam qualifiziert wird (vgl. VfSlg. 13496/1993; VfGH 4.3.1994 B 1115/93, S 8).
2. Die zur Beurteilung des vorliegenden Falles maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:
a) Die (in Verfassungsrang stehende) Übergangsbestimmung des §76a Abs2 Z1 ZDG idF der Novelle 1994 lautet:
"§76a. (Verfassungsbestimmung) (1) ...
(2) Innerhalb eines Monats ab dem der Kundmachung dieses Bundesgesetzes folgenden Tag (Anm.: also innerhalb eines Monats ab 11. März 1994) können
1. taugliche Wehrpflichtige, die weder Angehörige des Präsenzstandes nach §1 Abs3 WG noch seit mehr als zwei Wochen zu einem Präsenzdienst einberufen sind, eine Zivildiensterklärung gemäß §§2 und 5 Abs2 einbringen;
2. ..."
Der letzte Tag der in §76a Abs2 ZDG normierten einmonatigen Frist war der 11. April 1994 (s. VfGH 12.10.1994 B1659/94).
b) §5 Abs2 erster Satz ZDG normiert, wo (und in welcher Form) die Zivildiensterklärung abzugeben ist:
"§5. (1) ...
(2) Die Zivildiensterklärung ist im Stellungsverfahren bei der Stellungskommission, sonst bei dem nach dem Wohnsitz des Wehrpflichtigen zuständigen Militärkommando schriftlich einzubringen oder mündlich zu Protokoll zu geben. ..."
3. Aus dem vom Beschwerdeführer erstatteten ergänzenden Schriftsatz (s. oben, Pkt. I.3.b) und den von ihm gleichzeitig vorgelegten Unterlagen ergibt sich folgender Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer wohnt seit seiner Geburt in Gmunden/Oberösterreich. Aus einer Meldebestätigung des dortigen Stadtamtes ist zu entnehmen, daß er in dieser Gemeinde - unter einer näher bezeichneten Adresse - "mit Hauptwohnsitz gemeldet" ist.
Seit 1987 studiert der Einschreiter in Salzburg. Er wohnt deshalb in den Studienmonaten während der Woche in einem Studentenheim in Salzburg (Stadt). Er ist auch unter der Anschrift dieses Studentenheims polizeilich gemeldet. Auf dem entsprechenden Meldezettel findet sich der Vermerk, daß es sich bei der Salzburger Adresse nicht um den ordentlichen Wohnsitz handelt; als ordentlicher Wohnsitz ist "4810 Gmunden / Oberösterreich" angegeben. Auch im Schriftsatz wird darauf hingewiesen, daß der Einschreiter zwar sowohl in Gmunden als auch in Salzburg einen Wohnsitz habe, der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen aber nach wie vor Gmunden sei.
4. In Anbetracht dieser Umstände kann kein Zweifel daran bestehen, daß das Militärkommando Oberösterreich (jedenfalls auch) als das "nach dem Wohnsitz des Wehrpflichtigen zuständige Militärkommando" iS des §5 Abs2 erster Satz ZDG zu qualifizieren ist. Daß die Zivildiensterklärung vom Militärkommando Oberösterreich (offenbar in Anbetracht des zweiten Wohnsitzes des Einschreiters in Salzburg) zunächst an das Militärkommando Salzburg übermittelt und erst von diesem gemäß §5 Abs3 ZDG an den Bundesminister für Inneres weitergeleitet wurde, darf in einem solchen Fall nicht zu Lasten des Einschreiters gehen.
Die im Schriftsatz an den Verfassungsgerichtshof geäußerte Auffassung des BMI, er hätte "keine Veranlassung" gehabt, im Verfahren zur Erlassung des angefochtenen Bescheides "von einem anderen Einbringungsdatum als dem im Bescheid zugrundegelegten auszugehen", ist allein schon nach dem Gesagten verfehlt.
Darüber hinaus sprechen die auf der Zivildiensterklärung selbst enthaltenen Angaben gegen diesen Standpunkt des BMI: Der Einschreiter hat sich zur Abgabe seiner Erklärung des dazu vom BMI aufgelegten Formulares bedient. Unter dessen Pkt. 1. ("Persönliche Daten") sind u.a. folgende Spaltenbezeichnungen vorgedruckt: "Wohnsitz" und "Sonstige Wohnadressen (z.B. Studienadressen)". Der Einschreiter hat ordnungsgemäß in der erstgenannten Spalte seine Adresse in Gmunden und in der zweitgenannten Spalte die Anschrift des Studentenheims in Salzburg eingetragen. Auch bei Würdigung dieser (zutreffenden) Angaben auf der Zivildiensterklärung hätte die belangte Behörde (allenfalls nach Vornahme entsprechender Ermittlungen) zu einem anderen Ergebnis kommen müssen als jenem des angefochtenen Bescheides.
5. Der Beschwerdeführer hat also seine (am 11. April 1994 zur Post gegebene) Zivildiensterklärung fristgerecht (vgl. VfGH 12.10.1994 B1659/94) und beim zuständigen Militärkommando eingebracht.
Der BMI gelangte - bedingt durch einen groben Fehler bei der Beurteilung der formalen Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Zivildiensterklärung - zum Ergebnis, die vom Beschwerdeführer abgegebene Erklärung habe nicht dessen Ausnahme von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung bewirkt, weil sie (durch Übersendung an eine unzuständige Behörde) erst nach Fristablauf eingebracht worden sei. Dieses Ergebnis ist nach dem zuvor Gesagten unrichtig.
Der Beschwerdeführer wurde daher durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Ausnahme von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung verletzt.
Der Bescheid war deshalb aufzuheben.
6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG.
Die Erstattung des ergänzenden Schriftsatzes durch den Beschwerdeführer hat sich als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig erwiesen, weshalb dafür Kosten in Höhe von S 1.800,-- zuzusprechen waren.
Im Gesamtbetrag von S 19.800,-- ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 3.300,-- enthalten.
7. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.
Schlagworte
Wohnsitz, Verwaltungsverfahren, Zuständigkeit Verwaltungsverfahren, Behördenzuständigkeit, ZivildienstEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1995:B655.1995Dokumentnummer
JFT_10048996_95B00655_00