TE Vwgh Erkenntnis 1997/9/3 96/01/1054

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Veröffentlicht am 03.09.1997
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §5 Abs1 Z3;
AVG §37;
FlKonv Art1 AbschnC Z5;
VwGG §41 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 96/01/1058

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Bachler, Dr. Rigler und Dr. Schick als Richter im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Mag. Unterer, über die Beschwerden 1.) der Anamaria Racz in Wien, geboren am 2. November 1958, und 2.) des Jozsef Racz in Wien, geboren am 8. März 1958, beide vertreten durch Dr. Eva Maria Barki, Rechtsanwalt in Wien I, Landhausgasse 4, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres je vom 9. Oktober 1996, zu

1.)

Zl. 4.275.445/8-III/13/96, und zu

2.)

Zl. 4.275.445/6-III/13/95, betreffend Feststellung gemäß § 5 Abs. 1 Z. 3 Asylgesetz 1991, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von je S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird jeweils abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführer, Staatsangehörige Rumäniens, waren mit Bescheiden der belangten Behörde vom 17. Februar 1992 als Flüchtlinge im Sinne des Asylgesetzes (1968) anerkannt worden. Mit den gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheiden des Bundesministers für Inneres vom 9. Oktober 1996 wurde in Erledigung der Berufungen der Beschwerdeführer gegen die Bescheide des Bundesasylamtes vom 5. August 1996 bzw. 20. September 1996 gemäß § 5 Abs. 1 Z. 3 Asylgesetz 1991 festgestellt, daß hinsichtlich der Personen der Beschwerdeführer der in Artikel 1 Abschnitt C Ziffer 5 der Genfer Flüchtlingskonvention genannte Tatbestand eingetreten sei.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden, Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machenden Beschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof - nach Verbindung der Beschwerden aufgrund ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung - erwogen hat:

Gemäß § 5 Abs. 1 Z. 3 Asylgesetz 1991 verliert ein Flüchtling das Asyl, wenn festgestellt wird, daß hinsichtlich seiner Person einer der in Art. 1 Abschnitt C oder F lit. a oder c oder Art. 33 Abs. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Tatbestände eingetreten ist.

Gemäß Art. 1 Abschnitt C Z. 5 der Genfer Flüchtlingskonvention wird dieses Abkommen auf eine Person, die unter die Bestimmungen des Abschnittes A fällt, nicht mehr angewendet, wenn die Umstände, aufgrund deren sie als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen und sie es daher nicht weiterhin ablehnen kann, sich unter den Schutz ihres Heimatlandes zu stellen.

Die Behörde erster Instanz ging in einem Vorhalt an die Beschwerdeführer davon aus, daß aufgrund der politischen Umwälzungen in Rumänien, die unter anderem in der Abhaltung freier Wahlen und der demokratischen Legitimierung der Regierung ihren Ausdruck gefunden hätten, sowie der Änderungen der Rechtslage und -anwendung kein Anlaß bestanden habe, jene Umtände, die im Jahre 1992 zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft der Beschwerdeführer geführt hätten, weiterhin als aktuell anzusehen.

Dem hielten die Beschwerdeführer in einer Stellungnahme entgegen, daß die Annahme eines Demokratisierungsprozesses seit 1992 weder im allgemeinen stimme, noch dies im besonderen auf die ungarische Minderheit zutreffe. Die Beschwerdeführer seien in Rumänien insbesondere wegen ihrer ungarischen Volksgruppenzugehörigkeit verfolgt worden. Es bestehe nach wie vor die Gefahr einer Verfolgung aufgrund des Bekenntnisses zur ungarischen Volksgruppe, da sich in bezug auf die ungarische Minderheit nichts geändert habe.

Sowohl die Behörde erster Instanz als auch die belangte Behörde stützten ihre Bescheide darauf, daß dem seinerzeitigen Vorbringen der Beschwerdeführer ausschließlich vor dem damals amtsbekannten Hintergrund des totalitären rumänischen Staatssystems, das - wie wohl unbestreitbar sei - in der Gegenwart nicht mehr existiere, die Qualität des asylbegründenden Sachverhaltes habe beigemessen werden können. Aus objektiver Sicht entfalle daher das Erfordernis der weiteren Asylgewährung an die Beschwerdeführer. Das Vorliegen von ihren Personen subjektiv innewohnender Furcht vor - im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention tatbestandsmäßiger - Verfolgung hätten die Beschwerdeführer während des gesamten Verfahrens nicht konkret und substantiiert glaubhaft gemacht. Den Ausführungen der Beschwerdeführer sei entgegenzuhalten, daß sich aus den Angaben zu den gegenwärtigen allgemeinen Gegebenheiten in Rumänien, wie sie sich den Beschwerdeführern darstellten, alle in Rumänien lebenden Personen betroffen wären und sich kein Anhaltspunkt für den Beschwerdeführern konkret drohende (asylrelevante) Verfolgung im Falle einer Heimkehr ergäbe.

Die belangte Behörde hat - wie dargelegt - den Verlust des Rechtes auf Asyl auf den Umstand gestützt, daß das seinerzeitige totalitäre Staatssystem in Rumänien nicht mehr existiere. Abgesehen davon, daß die belangte Behörde nicht begründet, worin sie im Hinblick auf die Lage bei Erlassung der die Flüchtlingseigenschaft feststellenden Bescheide vom 17. Februar 1992, welche somit nach dem Sturz des Diktators Ceaucescus und nach den ersten freien Wahlen in Rumänien vom 20. Mai 1990 erlassen wurden, konkret die nunmehrige Änderung der Lage in Rumänien sieht, hat sie es - wie in den Beschwerden zutreffend ausgeführt - auch unterlassen, anzugeben, auf welchen Ermittlungsergebnissen ihre diesbezüglichen Feststellungen beruhten. Die Durchführung von Ermittlungen über die tatsächliche Situation im Heimatland der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide wäre aber im Hinblick auf das sowohl im Verfahren zur Feststellung als auch im Verfahren zur Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft von den Beschwerdeführern getätigte Vorbringen, aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur ungarischen Minderheit bzw. als Gattin eines geflüchteten Angehörigen dieser Minderheit verfolgt zu werden, erforderlich gewesen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 17. Dezember 1996, Zl. 95/01/0590, und vom 19. März 1997, Zl. 95/01/0051). Da die Auswirkungen des Wegfalles des totalitären Regimes in Rumänien in bezug auf Angehörige der ungarischen Minderheit von der belangten Behörde somit nicht geklärt wurden, kann nicht ausgeschlossen werden, daß den Beschwerdeführern auch nunmehr Verfolgung drohen könnte.

Es ergibt sich daraus, daß die belangte Behörde infolge der Versäumung gebotener Ermittlungen und der Unterlassung der Wahrung des Parteiengehörs die angefochtenen Bescheide mit Verfahrensmängeln belastet hat. Da der Sachverhalt sohin in wesentlichen Punkten einer Ergänzung bedarf und Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu anderen Bescheiden hätte kommen können, waren die angefochtenen Bescheide gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Stempelgebührenersatz war nur in Höhe von je S 270,-- (Beschwerden zweifach, angefochtene Bescheide einfach) zuzusprechen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996011054.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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